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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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100 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

die Welt zu sich und se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Vielheit f<strong>in</strong>det und erst damit zu e<strong>in</strong>er dem +Wi<strong>der</strong>spruch* Raum gebenden<br />

Überschreitung ansetzen kann.<br />

7. Dabei beziehe ich mich freilich auch auf Adorno. Allerd<strong>in</strong>gs ist bei ihm Nichtidentität (siehe oben) primär gegen<br />

den äußeren Identitätszwang gerichtet und bedeutet weniger, wie im Buddhismus, e<strong>in</strong> nach <strong>in</strong>neren gerichtetes Bewußtse<strong>in</strong>,<br />

daß es ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen Selbstkern gibt (siehe unten).<br />

8. Die buddhistische Vorstellung des Nicht-Ich unterscheidet sich also von jener Fichtes, <strong>der</strong> dem Ich das Nicht-Ich<br />

negativ entgegengesetzt und beide im Absoluten auflöst, anstatt das Ich zu dekonstruieren (vgl. Grundlage <strong>der</strong> gesamten<br />

Wissenschaftslehre; § 2, Punkt 9). Der buddhistischen Vorstellung (des Mittleren Wegs) schon näher steht dagegen<br />

Husserl, <strong>der</strong> bemerkt: +›Ich b<strong>in</strong>‹. Aber dieses Ich (ego) ist ke<strong>in</strong> Gegenstand im S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Realität. Ich f<strong>in</strong>de mich als<br />

Ichpol, als Zentrum von Affektionen und Aktionen […] Eidetisch sehe ich aber e<strong>in</strong>, dass ich als Pol nicht denkbar<br />

b<strong>in</strong> ohne e<strong>in</strong>e reale Umgebung. Das Ich ist nicht denkbar ohne e<strong>in</strong> Nicht-Ich […]* (Die Transzendenz des Alter Ego<br />

gegenüber <strong>der</strong> Transzendenz des D<strong>in</strong>ges; S. 244) Auch Husserl schließt damit aber (negativ) an Kants transzendentalphilosophisches<br />

Ich-Konzept an, das davon ausgeht, daß +ke<strong>in</strong>e Erkenntnis von mir wie ich b<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n bloß wie<br />

ich mir selbst ersche<strong>in</strong>e* möglich ist (Kritik <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Vernunft; § 25), da e<strong>in</strong> beständiges Ich nur gedacht, niemals<br />

aber (selbst) erfahren werden kann – trotzdem aber e<strong>in</strong>e für jede Erfahrung notwendige, d.h. transzendentale Vorstellung/Idee<br />

ist (vgl. ebd.). Sartre wie<strong>der</strong>um betrachtet das (Nichts des) Ego, <strong>in</strong> Abgrenzung zu Husserl/Kant und an<br />

Heideggers Existenz-Philosophie angelehnt, als außerhalb des Bewußtse<strong>in</strong> stehendes Seiendes: +Es ist außerhalb, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Welt; es ist e<strong>in</strong> Se<strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt […]* (Die Transzendenz des Ego; S. 39).<br />

9. Die Vorstellung e<strong>in</strong>es +wesenhaften* Se<strong>in</strong>s beruht laut N)ag)arjuna auf bloßen Konventionen und an die Stelle <strong>der</strong><br />

strengen Kausalität tritt bei ihm (wie im Buddhismus üblich) das +bed<strong>in</strong>gte Entstehen* (prat)itya-samutp)ada), d.h. es<br />

gibt zwar notwendige Bed<strong>in</strong>gungen (für das Handeln), die allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e notwendigen, son<strong>der</strong>n nur kont<strong>in</strong>gente<br />

Folgen haben.<br />

10. In <strong>der</strong> buddhistischen Lehre wird stets betont, daß auch das Bewußtse<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e eigenständige, (vom Körper und<br />

<strong>der</strong> Außenwelt) unabhängige Instanz ist, denn z.B. +nur <strong>in</strong> Abhängigkeit von e<strong>in</strong>em Auge […] und von Formen […]<br />

entsteht e<strong>in</strong> Sehbewußtse<strong>in</strong> […]* (zitiert nach Glasenapp: Die Philosophie <strong>der</strong> In<strong>der</strong>; S. 311 [ohne Quellenangabe]).<br />

11. In diesem bereits oben zitierten Band (siehe S. 352) stellen Varela und Thompson nicht nur die Ähnlichkeiten<br />

zwischen <strong>der</strong> Kognitionstheorie des Radikalen Konstruktivismus heraus, son<strong>der</strong>n betonen explizit die eigenständige<br />

+Wahrheit* <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> meditativen +Introspektion* beruhenden (empirischen) Erkenntnisse des Buddhismus.<br />

12. In <strong>der</strong> +Grammatologie* (1967) heißt es: +Die Dekonstruktion hat notwendigerweise von <strong>in</strong>nen her zu operieren,<br />

sich aller subversiven, strategischen und ökonomischen Mittel <strong>der</strong> alten Strukturen zu bedienen […]* (S. 45) Erst <strong>in</strong><br />

dieser aus dem Innen heraus erfolgenden Dekonstruktion wird die immanente Differenz freigelegt.<br />

13. Freud spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch von e<strong>in</strong>er Kränkung des Narzißmus des mo<strong>der</strong>nen Selbst durch<br />

die E<strong>in</strong>sicht <strong>der</strong> Psychoanalyse, daß das Ich +nicht Herr sei <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em eigenen Haus* (zitiert nach Lohmann: Freud<br />

zur E<strong>in</strong>führung; S. 46).<br />

14. Zizek wendet sich hier (übrigens an Lacan angelehnt) gegen die postmo<strong>der</strong>nen, dekonstruktivistischen Hetzjagden<br />

auf das Cartesiansische Subjekt, dessen (begehrliche und damit subversive) Subjektivität e<strong>in</strong> wichtiges Element von<br />

Wi<strong>der</strong>ständigkeit darstellt.<br />

15. Die Rolle <strong>der</strong> (sexuellen) Triebkräfte im sozialen Kontext hob <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Herbert Marcuse hervor (vgl. Triebstruktur<br />

und Gesellschaft; S. 195ff.). Auch neuere Ansätze gehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ähnliche Richtung. So bemerk Terry Eagleton: +There<br />

is no reason to suppose that a denial of the <strong>in</strong>f<strong>in</strong>ite plasticity of human be<strong>in</strong>gs […] entails an assertion of their rigid<br />

unalterability. No necessarry comfort is given by this belief to the various reactionary brands of biologism […] Paradoxically,<br />

a certa<strong>in</strong> open-endedness and transformability is part of our natures, built <strong>in</strong>to what we are […] But such […] self-make<strong>in</strong>g<br />

is carried out with<strong>in</strong> given limits, which are f<strong>in</strong>ally those of the body itself.* (The Ideology of the Aesthetic; S. 409f.)<br />

Aufgrund dieser Limitierungen besitzt gerade das Körperliche e<strong>in</strong> politisches (Wi<strong>der</strong>stands-)Potential (vgl. auch die<br />

Beiträge <strong>in</strong> Ryan: Body Politics). Allerd<strong>in</strong>gs geht es mir hier nicht um das utopisch-politische Potential alle<strong>in</strong>e des<br />

Körperlichen, son<strong>der</strong>n ich beziehe mich auf die gesamten Wi<strong>der</strong>standspotentiale des (reflexiven) Subjekts, das Köper<br />

und Bewußtse<strong>in</strong> ist – und auch auf <strong>der</strong> Bewußtse<strong>in</strong>sebene gibt es Grenzen <strong>der</strong> Verformbarkeit sowie (ambivalente)<br />

Empf<strong>in</strong>dungen, die nicht dauerhaft abgelenkt werden können (o<strong>der</strong> aber dann zu +Deformationen* führen).

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