Passauer Land Magazin 2017 - Reise-DA.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
TREND MIT TRADITION<br />
Die Kronen <strong>de</strong>r <strong>Passauer</strong>innen<br />
Sie sind nicht mehr wegzu<strong>de</strong>nken<br />
von <strong>de</strong>n traditionellen<br />
Umzügen <strong>de</strong>r Volksfeste, die<br />
Goldhaubenfrauen. Mit prächtig verzierten,<br />
gol<strong>de</strong>nen Hauben und aufwändigen,<br />
eleganten Sei<strong>de</strong>ngewän<strong>de</strong>rn,<br />
ziehen sie bei kirchlichen und<br />
weltlichen Festen mit. Sie bewahren<br />
die <strong>Passauer</strong> Tracht. Denn die Goldhauben<br />
haben im <strong>Passauer</strong> <strong>Land</strong> bereits<br />
seit mehr als 200 Jahren Tradition.<br />
UNTER DER GOLDHAUBE<br />
Ursula Weinberger<br />
ten die Damen im Mittelalter und <strong>de</strong>r<br />
frühen Neuzeit die Wahl: Eine Haube<br />
tragen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Schleier nehmen,<br />
sprich ins Kloster gehen. Der Ausdruck<br />
<strong>de</strong>s Stan<strong>de</strong>s war klar <strong>de</strong>finiert. Doch<br />
das Tragen einer Haube verriet noch<br />
mehr. Denn unverheiratete, junge<br />
Frauen, brauchten ihr Haupt nicht zu<br />
be<strong>de</strong>cken. Daher rührt also <strong>de</strong>r Spruch:<br />
„Unter die Haube kommen“, <strong>de</strong>nn mit<br />
<strong>de</strong>r Heirat ging das Tragen einer Haube<br />
einher. „Die meisten Hauben waren<br />
aus feinem, weißem Leinen o<strong>de</strong>r<br />
Brokat gefertigt und je nach Epoche,<br />
Anlass und Wohlstand <strong>de</strong>r Trägerin,<br />
mit Spitzen, Volants, Flitter o<strong>de</strong>r Bän<strong>de</strong>rn<br />
verziert“, weiß die 76-Jährige. So<br />
wur<strong>de</strong>n die Hauben zum Symbol von<br />
Wohlstand und Wür<strong>de</strong>. Wie die Kleidung<br />
waren auch die Hauben einem<br />
stetigen, modischen Wan<strong>de</strong>l ausgesetzt.<br />
Im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt war die<br />
Bo<strong>de</strong>nhaube im <strong>Passauer</strong> <strong>Land</strong> sehr<br />
beliebt. Sie ist eine Vorläuferin <strong>de</strong>r<br />
<strong>Passauer</strong> Haube und war noch keine<br />
Goldhaube. Nach<strong>de</strong>m die Klei<strong>de</strong>rordnung<br />
durch die Französische Revolution<br />
(1789-1799) aufgeweicht war,<br />
stand es nun auch Bürgerinnen zu,<br />
teure Materialien wie Gold und Silber<br />
Ihren Ursprung haben sie in <strong>de</strong>n Sittenregeln<br />
<strong>de</strong>s katholischen Glaubens.<br />
Denn bis ins 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt hinein<br />
geboten es Anstand und Sitte, dass<br />
verheiratete Frauen ihr Haar zu verbergen<br />
hatten. Dieses Reglement geht<br />
wie<strong>de</strong>rum bis ins Altertum zurück,<br />
als Frauen ihre Häupter mit Schleiern<br />
be<strong>de</strong>ckten. Im 15. Jahrhun<strong>de</strong>rt vollzog<br />
sich dann ein Wan<strong>de</strong>l. „Aus <strong>de</strong>n<br />
kunstvoll um <strong>de</strong>n Kopf geschwungenen<br />
Schleiern und Tüchern entwickelten<br />
sich im Laufe <strong>de</strong>s Mittelalters unterschiedliche<br />
Haubenformen“, erklärt<br />
Ursula Weinberger aus Wegscheid.<br />
Die pensionierte Berufsschullehrerin<br />
ist bereits seit <strong>de</strong>n 1970er Jahren als<br />
Goldhaubenfrau bekannt und besitzt<br />
die älteste Goldhaube im Umkreis.<br />
Sie stammt von ihrer Urgroßmutter.<br />
„Hauben waren praktischer und<br />
besser geeignet, sich innerhalb <strong>de</strong>r<br />
verschie<strong>de</strong>nen Gesellschaftsschichten<br />
abzugrenzen“, fährt sie fort. So hatfür<br />
ihren Kopfschmuck<br />
zu verwen<strong>de</strong>n. Doch die<br />
Form <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nhaube<br />
verän<strong>de</strong>rte sich zunehmend.<br />
„Im Wan<strong>de</strong>l<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> zog sich <strong>de</strong>r<br />
Haubenkörper immer<br />
mehr zusammen, sodass<br />
er nur noch handgroß<br />
auf <strong>de</strong>m Scheitel saß.<br />
Der Tüllrand wur<strong>de</strong> immer<br />
breiter. So entstand<br />
die noch heute beliebte<br />
Goldriegelhaube.<br />
SYMBOLE FÜR<br />
HERKUNFT<br />
UND STATUS<br />
„Mit <strong>de</strong>r <strong>Passauer</strong> Haube, die ihren<br />
Ursprung im österreichischen Linz<br />
hat, verhält es sich ähnlich“, berichtet<br />
die Wegschei<strong>de</strong>rin. Ihre Entwicklung<br />
durchlief verschie<strong>de</strong>ne Stadien.<br />
Ein bekanntes Merkmal: Je größer ihr<br />
Knauf ist, <strong>de</strong>sto älter ist die Haube.<br />
Der Bön<strong>de</strong>l, also <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Haube,<br />
verkleinerte sich zu einem Knauf und<br />
rückte auf <strong>de</strong>n Scheitelpunkt <strong>de</strong>s Hinterkopfs.<br />
Die Linzer Haube trat ihren<br />
Siegeszug von <strong>de</strong>r Enns nach Passau<br />
an. Dort wur<strong>de</strong> sie zur <strong>Passauer</strong> Goldhaube<br />
und fand große Beliebtheit<br />
bei <strong>de</strong>n Damen vom Rottal bis nach<br />
Deggendorf, <strong>de</strong>m Bayerischen Wald<br />
und sogar bis in <strong>de</strong>n Böhmerwald<br />
hinein. „Nur die verheirateten und<br />
wohlhaben<strong>de</strong>n Bürgerinnen in <strong>de</strong>n<br />
Städten und Märkten sowie reiche<br />
Bäuerinnen trugen die teuren, reich<br />
bestickten Goldhauben“, erzählt<br />
Goldhaubenfrau Ursula Weinberger.<br />
Sie bestan<strong>de</strong>n aus Goldspitze und<br />
vergol<strong>de</strong>tem Flitter. Putz- und Haubenmacherinnen<br />
bestickten sie mit<br />
Glasperlen und Pailletten. Ihr Preis lag<br />
ungefähr gleich auf mit <strong>de</strong>m eines guten<br />
Arbeitspfer<strong>de</strong>s. Sie zeugten damit<br />
vom Wohlstand und Reichtum ihrer<br />
Trägerinnen. Weniger gut betuchte<br />
14 15