Passauer Land Magazin 2017 - Reise-DA.de
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TREND MIT TRADITION<br />
Generation zu Generation weitergegeben<br />
wird.<br />
Inzwischen ist Monika Holler wie<strong>de</strong>r<br />
in ihre Pantoffeln geschlüpft und<br />
führt uns durch die Werkstatt.<br />
Gleich neben ihrem alten Schaftwebstuhl<br />
hängt ein langes Regal,<br />
über und über gefüllt mit mächtigen<br />
Spulen. Kilometerweise Garn in Rot,<br />
Weiß, Grün, Blau, Rosa, aber auch<br />
in Graphit-, Creme- und Brauntönen.<br />
Die Standardfarben. Vor allem Graphit<br />
und Rosa sind bei ihren Kun<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>rzeit sehr gefragt, die we<strong>de</strong>r lange<br />
Anfahrtswege noch Wartezeiten<br />
scheuen. Denn, was das Dessin betrifft,<br />
geht Monika Holler mit <strong>de</strong>r<br />
Zeit – bei aller Tradition. So zieren<br />
ihre Werke längst nicht mehr nur<br />
Bauernstuben, auch Stadtvillen und<br />
avantgardistische Architektenhäuser.<br />
Sogar für <strong>de</strong>n ehemaligen bayerischen<br />
Ministerpräsi<strong>de</strong>nten Edmund<br />
Stoiber hat Monika Holler schon<br />
gewebt – Vorhänge für die Zirbelstube<br />
in <strong>de</strong>r Staatskanzlei. „Eine aufwändige<br />
Maßarbeit. Für solche Leinenwaren<br />
kann man schon mal mit zwei Jahren<br />
Wartezeit rechnen“, erklärt uns die<br />
Weberin, die trotz ihrer prominenten<br />
Abnehmerschaft und medialen<br />
Aufmerksamkeit stets beschei<strong>de</strong>n<br />
geblieben ist. Einzelstücke in <strong>de</strong>n<br />
gängigen Tisch- und Kissenmaßen<br />
hat sie aber immer auf Lager. Werbung<br />
für sich muss sie ohnehin schon<br />
lange nicht mehr machen. Längst<br />
hat sich die Arbeit <strong>de</strong>r „Waidlerin“, wie<br />
sie sich selbst gerne bezeichnet,<br />
herumgesprochen. Viele ihrer Kun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n auch durch Ausstellungen und<br />
Märkte aufmerksam: Fachausstellungen<br />
<strong>de</strong>r Handwerkskammer zum<br />
Beispiel, <strong>de</strong>m Webermarkt in Haßlach<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Granitweihnacht in Hauzenberg,<br />
wo Monika Holler regelmäßig im<br />
Advent anzutreffen ist.<br />
Als Rohstoff verwen<strong>de</strong>t Monika Holler<br />
fast ausschließlich reine Leinen-<br />
Garne. Einzige Ausnahme ist ihr<br />
„Schwe<strong>de</strong>nstern-Muster“, das Gesellenstück<br />
ihres Ehegatten Gerhard.<br />
Es wird auf <strong>de</strong>r Basis von Halbleinen-<br />
Garn gewebt. Gutes Leinen-Garn zu<br />
bekommen, wird für sie dabei immer<br />
schwieriger.<br />
Früher wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Flachs dafür noch<br />
im Wegschei<strong>de</strong>r <strong>Land</strong> angebaut.<br />
Mittlerweile beziehe sie es aus<br />
Schwe<strong>de</strong>n, Italien und Belgien, beklagt<br />
Monika Holler. Ihre ehemaligen<br />
<strong>de</strong>utschen Spinnereien haben mit<br />
<strong>de</strong>n Jahren reihenweise zugemacht.<br />
VIEL AUFWAND<br />
FÜR WENIG ERTRAG<br />
Bevor Monika Holler mit <strong>de</strong>m<br />
Weben beginnen kann, sind noch<br />
etliche aufwändige Vorarbeiten nötig.<br />
Allem voran geht die so genannte<br />
„Kettberechnung“, wonach ein<br />
Weber bemisst, wie viel Garn er für<br />
das zu fertigen<strong>de</strong> Webstück in <strong>de</strong>n<br />
Webstuhl einzuspannen hat. Etwa<br />
87 Meter Kett-Garn wird Monika<br />
Holler für die Tisch<strong>de</strong>cken an ihrem<br />
Kontermarsch-Webstuhl benötigen.<br />
Dann folgen die anstrengendsten<br />
Vorbereitungsschritte: Zunächst das<br />
so genannte „Schären“. Mithilfe eines<br />
Schärbaums o<strong>de</strong>r Schärrahmens<br />
müssen die Kettfä<strong>de</strong>n, die nachher<br />
in Längsrichtung die Basis für<br />
das Leinen-Webstück ergeben, erst<br />
einmal nach Farben in die richtige<br />
Reihenfolge und Länge gebracht<br />
wer<strong>de</strong>n. Damit wird die „Kette“ hergestellt,<br />
die schließlich noch „gebäumt“,<br />
sprich gleichmäßig auf <strong>de</strong>n<br />
Kettbaum gewickelt wer<strong>de</strong>n muss,<br />
um verwebt wer<strong>de</strong>n zu können. Eine<br />
schwere Arbeit, bei <strong>de</strong>r größte Sorgfalt<br />
gefragt ist: „Die Fä<strong>de</strong>n müssen<br />
stets gleichmäßig verteilt gespannt<br />
sein. Je genauer und exakter man<br />
hierbei vorgeht, <strong>de</strong>sto leichter geht<br />
einem das Weben später von <strong>de</strong>r<br />
Hand“, weiß Monika Holler aus ihrer<br />
FLACHS WAR<br />
LEBENSWICHTIG<br />
Noch bis ins 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt hinein war<br />
<strong>de</strong>r Flachsanbau im Bayerischen Wald<br />
sehr verbreitet.<br />
Eine genügsame Pflanze, die in <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rschlagsreichen<br />
und kühlen Gegend gut zurecht<br />
kam.<br />
Vor allem im Wegschei<strong>de</strong>r <strong>Land</strong> lieferte <strong>de</strong>r<br />
Flachs lange Zeit die Grundlage für die Weberei<br />
als lebenswichtigen Zuerwerb. Chemie<br />
gab´s natürlich noch nicht. Damit <strong>de</strong>r Flachs<br />
ge<strong>de</strong>ihen konnte, musste daher das Unkraut<br />
von Hand gezupft wer<strong>de</strong>n. Zur Ernte<br />
riss man die Pflanzen aus, bün<strong>de</strong>lte sie und<br />
legte sie mit Steinen beschwert ins Wasser.<br />
Danach konnte man <strong>de</strong>n Flachs rösten, so<br />
dass sich die Halme für die Weiterverarbeitung<br />
brechen ließen. Um die hochwertigen<br />
Lang- von <strong>de</strong>n unbrauchbaren Kurzfasern<br />
zu trennen, musste man ihn schwingen.<br />
Erst nach <strong>de</strong>m Hecheln, nach<strong>de</strong>m man also<br />
<strong>de</strong>n Flachs in feinste Fasern aufgespalten<br />
und die kürzeren Fasern ausgekämmt hatte,<br />
konnte er versponnen wer<strong>de</strong>n. Dafür<br />
war viel Gesin<strong>de</strong> notwendig – Mäg<strong>de</strong> und<br />
Knechte, die auch im Winter beschäftigt<br />
wer<strong>de</strong>n mussten. So entwickelte sich hier<br />
die Weberei als wichtiger Erwerbszweig.<br />
„Vormittags blühte <strong>de</strong>r Flachs schön blau,<br />
aber schon mittags machte er die Augen<br />
zu“, erinnert sich Monika Holler. Die Weber-Tradition,<br />
mit <strong>de</strong>r sich ihre Familie <strong>de</strong>n<br />
Lebensunterhalt verdiente, geht bis ins 17.<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rt zurück.<br />
langen Erfahrung. Es sind nicht die letzten Handgriffe, die noch zu<br />
tun sind. Vor allem aber für das Bäumen braucht sie die Unterstützung<br />
ihres Mannes. Die reicht ihr, <strong>de</strong>nn die Zusammenarbeit mit ihm<br />
ist eingespielt. Normalerweise macht man das sogar zu viert. So ist<br />
es kaum verwun<strong>de</strong>rlich, dass, bis alle Vorbereitungen abgeschlossen<br />
sind, gut eine Woche vergehen<br />
kann. Viel Aufwand für<br />
vergleichsweise wenig Ertrag.<br />
Für Monika Holler ist das<br />
zweitrangig. Die Freu<strong>de</strong> an<br />
ihrer Arbeit steht ihr ins Gesicht<br />
geschrieben.<br />
„WIE BEIM TANZEN“ –<br />
DER RHYTHMUS MUSS<br />
STIMMEN<br />
Sind schließlich alle Fä<strong>de</strong>n<br />
gespannt und das farbige<br />
Webgarn auf die Rollen gespult, geht´s für Monika Holler endlich<br />
los mit <strong>de</strong>m Weben. Und ganz natürlich legt sie als Erstes<br />
wie<strong>de</strong>r ihre Pantoffeln ab. Noch ein letzter prüfen<strong>de</strong>r Blick auf<br />
ihre Utensilien: Schiffchen,<br />
Fa<strong>de</strong>nzähler, Breitenspanner.<br />
Alles beisammen, also fertig<br />
zum Starten. Die 70-Jährige<br />
schwingt sich gekonnt auf<br />
die Planke <strong>de</strong>s Webstuhls<br />
und positioniert ihre Füße<br />
auf <strong>de</strong>n acht Holzpedalen.<br />
Nur so funktioniert das<br />
Weben – im Einklang von<br />
Hand- und Fußarbeit. Ihre<br />
Füße treten nacheinan<strong>de</strong>r<br />
alle Pedale, abwechselnd auf<br />
und ab. Jetzt schießt das Weberschiffchen<br />
von links und<br />
nach rechts – in Win<strong>de</strong>seile. Der gesamte Webstuhl ist dabei in<br />
Bewegung und <strong>de</strong>r Lärm enorm. Mit bloßem Auge kann man gar<br />
nicht mitbekommen, was<br />
hier eigentlich passiert. So<br />
schnell geht das <strong>de</strong>r Weberin<br />
selbstverständlich von<br />
<strong>de</strong>r Hand. „Was so einfach<br />
aussieht, kann ganz schön<br />
anstrengend sein“, ruft<br />
Monika Holler laut und wirft<br />
wie<strong>de</strong>r einen prüfen<strong>de</strong>n<br />
Blick auf die Rauten und<br />
Kästchen ihres Webstücks.<br />
Man glaubt ihr aufs Wort.<br />
„Der Rhythmus muss stim-<br />
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