Passauer Land Magazin 2017 - Reise-DA.de
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GELEBTE SPIRITUALITÄT<br />
MIT GESCHICK<br />
BESTICKT<br />
Feine Paramenten und<br />
Fahnen aus <strong>de</strong>m Kloster<br />
Thyrnau<br />
Für liturgische Anlässe<br />
tragen katholische Priester<br />
oft aufwändig bestickte<br />
Messgewän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />
Kaseln mit prächtigen Stolen.<br />
Doch die kirchlichen<br />
Textilien, auch Paramenten<br />
genannt, sind in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren immer<br />
schwieriger zu bekommen.<br />
Im Kloster Thyrnau wer<strong>de</strong>n<br />
sie noch hergestellt,<br />
hier ist eine <strong>de</strong>r letzten<br />
Fahnen- und Paramentenstickereien<br />
in Bayern<br />
untergebracht.<br />
Bereits seit <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>s<br />
Klosters, im Jahr 1902 fertigen<br />
die Schwestern kirchliche<br />
Gewän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Vereinsfahnen<br />
und besticken sie per Hand. Die<br />
Stickerei ist fest verwurzelt mit<br />
<strong>de</strong>n Zisterzienserinnen. Ihre Paramentenwerkstätte<br />
hat eine lange<br />
Tradition. Schon im Mittelalter<br />
haben die Schwestern im Schweizer<br />
Heimatkloster Rathausen gestickt.<br />
Grün<strong>de</strong>rin <strong>de</strong>s Thyrnauer Klosters,<br />
Juliana Füglister, eine begna<strong>de</strong>te<br />
Stickerin, hat die Fahnen- und<br />
Paramentenstickerei in Thyrnau wie<strong>de</strong>r<br />
aufgenommen. Seither entstehen<br />
wahre Kunstwerke mit Fa<strong>de</strong>nmalereien<br />
und Heiligenbil<strong>de</strong>rn auf edlen<br />
Sei<strong>de</strong>nstoffen. Sie fertigen heute alle<br />
kirchlichen Textilien, die ein Priester<br />
braucht. Darunter Kaseln, Chormäntel,<br />
Segensvelen, Alben, Priesterstolen,<br />
Schultertücher, aber auch<br />
Ministrantengewän<strong>de</strong>r und Wandbehänge.<br />
Während in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren konkurrieren<strong>de</strong> Stickereien<br />
auf Grund <strong>de</strong>r Technisierung dicht<br />
machen mussten, konnte sich die<br />
Abtei durch ihren ausgezeichneten<br />
Ruf in <strong>de</strong>r Branche halten. Beson<strong>de</strong>rs<br />
bekannt sind die Zisterzienserinnen<br />
für ihre Na<strong>de</strong>lmalerei. Dabei wer<strong>de</strong>n<br />
mit Na<strong>de</strong>l und Fa<strong>de</strong>n Schattierungen<br />
gestickt, die wie gezeichnet aussehen.<br />
Sogar Papst Benedikt <strong>de</strong>r XVI.<br />
trug bei seinem Deutschlandbesuch<br />
2006 Gewän<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Stickerinnen.<br />
<strong>DA</strong> LEGT AUCH<br />
DIE ÄBTISSIN HAND AN<br />
Wie fast alle Klöster, plagen auch die<br />
Thyrnauer Schwestern Nachwuchssorgen.<br />
„Bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 2. Weltkrieges<br />
haben hier nur Schwestern<br />
gestickt. Doch die wur<strong>de</strong>n immer<br />
weniger“, erklärt Äbtissin Schwester<br />
Mechthild. Daraufhin stellte man<br />
junge Frauen aus <strong>de</strong>r Umgebung<br />
ein. Sie erhielten eine Ausbildung in<br />
<strong>de</strong>r Stickerei o<strong>de</strong>r Schnei<strong>de</strong>rei. Derzeit<br />
sind vier Stickerinnen mit <strong>de</strong>r<br />
Herstellung von Fahnen- und Paramenten<br />
beschäftigt. Wenn Not am<br />
Mann ist, dann springt die Äbtissin,<br />
eine ausgebil<strong>de</strong>te Stickermeisterin,<br />
ein. Sie fungiert als Chefin und<br />
hat das Handwerk hier in Thyrnau<br />
gelernt. Vorher war sie Son<strong>de</strong>rschullehrerin.<br />
Nach ihrer Promotion ging<br />
Schwester Mechthild ins Zisterzienserinnenkloster<br />
Thyrnau. Zu ihr<br />
kommen Priester, Bischöfe und Diakone<br />
aus ganz Deutschland und <strong>de</strong>m<br />
nahegelegenen Österreich, um neue<br />
Klei<strong>de</strong>r in Auftrag zu geben.<br />
JEDER BEKOMMT,<br />
WAS ER BESTELLT<br />
Meist bekommen die Priester ihr<br />
Gewand von <strong>de</strong>r Diözese gestellt.<br />
Stoffe und Muster können sie frei<br />
wählen. Nur selten wird auf vorrätige<br />
Gewän<strong>de</strong>r zurückgegriffen. Die<br />
Wartezeit auf eine neue Ausstattung<br />
kann bis zu einem Jahr dauern. Vor<br />
allem wenn große Aufträge reinkommen.<br />
So hat die Diözese Regensburg<br />
im letzten Jahr massenweise Messgewän<strong>de</strong>r<br />
gebracht. „Wir haben sie<br />
gereinigt, überholt und repariert,<br />
das dauert dann natürlich eine<br />
Weile“, berichtet Schwester Mechthild.<br />
Manche Pfarrer kaufen sich<br />
ihre Gewän<strong>de</strong>r selber – beson<strong>de</strong>rs<br />
wenn sie Maßanfertigungen brauchen.<br />
Dennoch sind die meisten<br />
Pfarreien mit <strong>de</strong>n gängigsten<br />
Messgewän<strong>de</strong>rn ausgestattet. Dazu<br />
zählen Kaseln und Stolen in <strong>de</strong>n<br />
liturgischen Farben Weiß, Rot, Grün,<br />
Violett und Schwarz. „Schwarz ist<br />
immer mehr im Kommen, . Mit <strong>de</strong>n<br />
Stickereien wirkt es sehr e<strong>de</strong>l“, erzählt<br />
die Leiterin <strong>de</strong>r Stickerei. Dieses Jahr<br />
versorgten die Thyrnauerinnen einige<br />
Primizianten aus Würzburg, München,<br />
Regensburg und Südtirol. Je<strong>de</strong>r<br />
Pfarrer bekommt, was er bestellt.<br />
Früher konnte man <strong>de</strong>n Reichtum<br />
<strong>de</strong>s Fürstbistums o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Pfarrei an<br />
<strong>de</strong>n Stickereien <strong>de</strong>r Messgewän<strong>de</strong>r<br />
erkennen. Je prunkvoller sie waren,<br />
<strong>de</strong>sto reicher <strong>de</strong>r Klerus.<br />
<strong>DA</strong>S MESSGEWAND<br />
Kaseln o<strong>de</strong>r Messgewän<strong>de</strong>r sind<br />
die liturgischen Bekleidungsstücke<br />
von katholischen Priestern.<br />
Sie wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Heiligen<br />
Messe als Obergewand getragen.<br />
Doch Priester und Diakone wählen<br />
ihre Messgewän<strong>de</strong>r nicht<br />
beliebig – schon seit <strong>de</strong>m Mittelalter<br />
hat je<strong>de</strong> Farbe ihre eigene<br />
Be<strong>de</strong>utung und wird je nach<br />
Kirchenfest o<strong>de</strong>r Anlass ausgewählt.<br />
Die weißen Festgewän<strong>de</strong>r<br />
zeugen von Freu<strong>de</strong>. Sie wer<strong>de</strong>n<br />
von Ostern bis Pfingsten, an<br />
Weihnachten und an Marieno<strong>de</strong>r<br />
Christusfesten getragen.<br />
Grün gilt auch im Kirchlichen<br />
als Farbe <strong>de</strong>r Hoffnung, <strong>de</strong>shalb<br />
ziehen sich die Priester an<br />
allen Sonntagen <strong>de</strong>s Jahreskreises<br />
grüne Kaseln über. Rote<br />
Messgewän<strong>de</strong>r hingegen nehmen<br />
die Geistlichen an Apostel-<br />
und Märtyrerfesten o<strong>de</strong>r<br />
zu Pfingsten. In <strong>de</strong>r Adventsund<br />
Fastenzeit wer<strong>de</strong>n violette<br />
Gewän<strong>de</strong>r getragen. Sie gelten<br />
als Zeichen <strong>de</strong>r Buße und<br />
können auch bei Beerdigungen<br />
eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Doch hier<br />
greifen die Priester auch gerne<br />
auf schwarz zurück.<br />
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