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Stammgast Joe<br />
<strong>Davos</strong>, die Parsennhütte und Joe. Ein untrennbares Trio.<br />
JOE BETSCHART WÄRE OHNE<br />
DAVOS NICHT DERSELBE, UND<br />
ZUMINDEST DIE PARSENNHÜT-<br />
TE WÄRE NICHT DIESELBE, GÄBE<br />
ES JOE NICHT. DAVOS UND ER,<br />
DAS IST, WIE DER ZUGER SAGT,<br />
„EINE SEHR LANGE GESCHICH-<br />
TE“. SIE BEGINNT IM JAHRE<br />
1953, ALS JOE, DAMALS 21 JAH-<br />
RE JUNG, ZUM ERSTEN MAL<br />
HIER HINAUF KOMMT. SEINE<br />
FREUNDIN MUSS ZUR KUR, ER<br />
BEGLEITET SIE. „EIN JAHR VIEL-<br />
LEICHT“, WERDE ER BLEIBEN,<br />
HABE ER GEDACHT. DOCH DA-<br />
VOS WÜRDE SICH NICHT SO<br />
SCHNELL VON IHM TRENNEN.<br />
Betschart findet eine<br />
Stelle in einer<br />
<strong>Davos</strong>er Druckerei.<br />
Und er wird ein<br />
Teil des Dorfes, Mitglied<br />
des renommierten Männerchors<br />
und des Skiclubs. Er<br />
erinnert sich gerne an die Zeit<br />
damals: „In den Fünfziger Jahren,<br />
da ging man noch gut gekleidet<br />
aus, in die Dancings<br />
von <strong>Davos</strong>.“ Er holt ein Foto<br />
hervor. Es zeigt inmitten einer<br />
Grossfamilie einen jungen<br />
Mann, gepflegt und elegant im<br />
braunen Anzug. Richard Gere<br />
als James Bond, meint der erste<br />
Blick. Doch es ist Joe.<br />
Nach sieben Jahren im Buchdruck<br />
beschliesst Betschart <strong>Davos</strong><br />
zu verlassen. Nach verschiedenen<br />
Anstellungen wird<br />
er schliesslich Verkäufer bei<br />
einem internationalen Druckmaschinenhersteller.<br />
Anfangs<br />
zuständig für den Schweizer<br />
Markt, beginnt seine Erfolgsgeschichte.<br />
Er kann den Verkauf<br />
auf Österreich und den<br />
kommunistischen Ostblock ausweiten.<br />
Für sein Geschäft ist er<br />
ständig unterwegs. Sofia, Moskau,<br />
Wien, später New York,<br />
Seine Augen leuchten, als habe er jemandem einen Streich gespielt. Joe<br />
Betschart, der 50 Jahre Parsenngeschichte miterlebt hat.<br />
gehören zu den Destinationen.<br />
In dieser Zeit kehrt Betschart<br />
jedoch immer wieder nach <strong>Davos</strong><br />
zurück. Wenn er seine Arbeitswoche<br />
unterwegs in Zagreb<br />
oder Brünn verbringt, ist<br />
er am Wochenende zur Erholung<br />
in seiner zweiten Heimat.<br />
„Ich bin manchmal von New<br />
York direkt nach <strong>Davos</strong>.“ Dreissig<br />
bis vierzig mal im Jahr<br />
reist er damals nach Graubünden.<br />
Dann findet der begeisterte<br />
Skifahrer auch immer<br />
wieder den Weg in die Parsennhütte,<br />
die er seit seinen<br />
ersten <strong>Davos</strong>er Jahren kennt.<br />
„Wir schätzten das rustikale und<br />
günstige Essen.“ Joe nimmt<br />
einen kleinen Schluck aus seinem<br />
Weinglas. Ein jung gebliebener,<br />
optimistischer Mensch<br />
sitzt da. Er ist bester Verfassung<br />
und seine Augen leuchten,<br />
als habe er eben noch jemandem<br />
einen Streich gespielt.<br />
Seit einem Unfall vor 15 Jahren<br />
war Joe stets mit seinem Chihuahua<br />
unterwegs. Die Hündin<br />
Carina kam überall hin<br />
mit, auch auf die Skipiste. Joe<br />
blättert durch das kleine Fotoalbum,<br />
das er mitgebracht hat.<br />
Da. Ein lachender Joe mit Sonnenbrille,<br />
in einer roten Skijacke,<br />
aus deren Mitte ein kleiner<br />
Hund seinen Kopf hervor<br />
streckt. Ein amerikanischer<br />
Tourist habe die Aufnahme begeistert<br />
geknipst. Heute noch<br />
werde er auf der Skipiste darauf<br />
angesprochen. „Where’s<br />
the dog?“, fragten die Leute<br />
dann.<br />
Die Chihuahua-Dame Carina<br />
begleitet Joe nicht mehr mit<br />
ins Skigebiet. Vieles ist anders.<br />
Joes Frau verstarb 1998, heute<br />
hat er eine finnische Lebenspartnerin.<br />
Doch noch immer<br />
ist Joe ein aktiver und sporlicher<br />
Mensch. „Ich muss einfach<br />
an die Luft“, erklärt er.<br />
Und so geht er auch mit 75 Jahren<br />
„fast jeden Tag und bei<br />
jedem Wetter“ auf die Skis.<br />
Joe hat über 50 Jahre Parsenngeschichte<br />
miterlebt und viele<br />
Wirte kommen und gehen sehen.<br />
„Doch seit Maria und Urs<br />
das hier machen, ist es anders“,<br />
schwärmt er. „Ein wahrer<br />
Gourmet-Tempel“ sei die<br />
Parsennhütte geworden. Urs<br />
und Maria Schmidt sind gute<br />
Freunde Joes geworden und der<br />
Mann weiss um den Wert guter<br />
Freundschaften. Sie liessen<br />
Joe seit über 50 Jahren in<br />
<strong>Davos</strong> Wurzeln schlagen, und<br />
sie führen ihn bis heute dorthin<br />
zurück. Eines ist gleichgeblieben:<br />
Die Parsennhütte und<br />
Joe, das sind zwei, die nicht<br />
ohne einander können.<br />
Autor Matthias Raaflaub, Foto Ennio Leanza