RE KW 08
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Aus vergangenen Tagen<br />
Zur Steuerung der Frechheit und Ausgelassenheit<br />
Lermooser Volksfrömmigkeit<br />
Als noch schier jedes Unglück seinen Grund im sündhaften<br />
Treiben der Gläubigen hatte und die nicht beherrschbaren Naturgewalten<br />
besänftigt werden mussten, gelobten die von Unheil betroffenen<br />
Einwohner in ihrer Not Buße und Besserung, die ihren<br />
äußeren Ausdruck in Volksmissionen, Gebetstagen, Bittgängen<br />
oder Wallfahrten fanden.<br />
Von Peter Linser<br />
Das vierzigstündige Gebet<br />
(Sage): Es war im Jahre 1749. In<br />
Lermoos ging es während dieser<br />
Fasnacht besonders ausgelassen zu.<br />
Auf dem Kirchplatz tobten sich<br />
viele Maschgerer aus, wobei besonders<br />
eine Gruppe verkleideter Teufel<br />
auffiel. Deren Mitglieder sprangen<br />
immer wieder mit gewaltigem Satz<br />
über den Dorfbrunnen. Plötzlich<br />
entdeckte jemand unter diesen<br />
hüpfenden Satansfiguren eine mit<br />
einem Bocksfuß. Was für ein Schrecken<br />
und Entsetzen im Dorf! Der<br />
Leibhaftige mitten in Lermoos! Das<br />
lustige Treiben fand ein jähes Ende.<br />
Die Maschgerer gelobten, das Fasnachtstreiben<br />
ganz aufzugeben und<br />
dafür ein vierzigstündiges Gebet in<br />
den letzten drei Tagen der Fasnacht<br />
zu stiften. Dazu spendete der ledige<br />
Salzfassbinder Anton Lagg sein Vermögen<br />
von 800 Gulden der Kirche;<br />
dafür wurde sein Name beim Verkünden<br />
des Gebetes genannt. Dieses<br />
Gelöbnis hielt über 200 Jahre lang.<br />
In späterer Zeit wollten sich die<br />
jungen Burschen für die entgangenen<br />
Fasnachtsfreuden schadlos<br />
halten. Nach dem Einsetzen des Allerheiligsten<br />
am Fasnachtsdienstag<br />
um drei Uhr nachmittags und dem<br />
Aufziehen der „Juden“ (= Fastentücher)<br />
an den Altären gingen sie in<br />
die Gasthäuser. Dort fand dann ein<br />
kräftiger Umtrunk statt, der sich oft<br />
Das winterliche Lermoos.<br />
RUNDSCHAU Seite 8<br />
bis in den Aschermittwoch hinein<br />
ausdehnte. (P. Linser: Sagenhaftes<br />
Außerfern, 1992)<br />
GEISTLICHER HINTER-<br />
GRUND: Das dreißigstündige Gebet<br />
wird an den drei letzten Tagen<br />
des Faschings gefeiert und ist unter<br />
dem Kuraten Anton Jung förmlich<br />
gestiftet worden. Derselbe schrieb<br />
am 5. Dezember 1748 dem Hochwst.<br />
Fürstbischof in Brixen, dass er<br />
nun schon seit zwei Jahren an den<br />
letzten Tagen des Faschings das feierliche<br />
Gebet vor dem höchsten<br />
Gut unentgeltlich gehalten habe,<br />
um der Frechheit und Ausgelassenheit<br />
zu steuern, die besonders am<br />
letzten Tage der Faßnacht in dieser<br />
Gemeinde ihr Unwesen zu treiben<br />
pflegte. Nun habe sich ein Gutthäter<br />
hervorgethan, welcher Willens sei,<br />
dieser Andacht förmlich zu stiften.<br />
Dieser Wohlthäter war Anton Lagg,<br />
herrschaftlicher Salzstadelbinder zu<br />
Lermoos, der 800 Gulden (Tiroler<br />
Wähung) zu diesem Zwecke hergab.<br />
Demnach soll an jedem dieser drei<br />
Tage ein hl. Amt mit Predigt gehalten<br />
und jedes Amt für den Stifter und<br />
dessen Freundschaft appliziert werden.<br />
Aus den Zinsen soll der Kurat<br />
zur Bestreitung der Kosten für Verpflegung<br />
von Aushilfspriestern u.s.w.<br />
14 Gulden bekommen, der Messner<br />
einen Gulden 21 Kreuzer, das Uebrige<br />
der Kirche zufallen (Tinkhauser/<br />
Rapp: Diözesanbeschreibung, 1891).<br />
AUSSERFERNER<br />
SEIT 1922<br />
NACHRICHTEN<br />
Lermoos vor 120 Jahren.<br />
Die Entfernung zur ehemaligen<br />
Mutterkirche Imst betrug über vier<br />
Stunden, daher war für die Pfarrkinder<br />
diesseits des Fernpasses ein<br />
regelmäßiger Gottesdienstbesuch<br />
kaum möglich. Nach einem Vertrag<br />
der Marktgenossenschaft Lermoos<br />
vom 20. Juli 1353 mit dem Imster<br />
Pfarrer Johann Freudsberg sollte zumindest<br />
der dortige Kooperator an<br />
jedem zweiten Sonntag im Monat in<br />
der St. Katharinenkirche den Gottesdienst<br />
halten. Diese war vermutlich<br />
eine bescheidene hölzerne Kapelle.<br />
Für seine Mühe überließ ihm die<br />
Gemeinde einen Hof in Obergarten.<br />
Zudem sollte der Pfarrer jährlich<br />
zwei Pfund Berner in Geld und 14<br />
metzen Hafer „Füßner Maßerei“ als<br />
Futter für das Pferd des nach Lermoos<br />
reitenden Priesters erhalten.<br />
1423 erhielt Lermoos einen eigenen<br />
Seelsorger, der zuständig war<br />
„zu Lermos, in Erwalt, zu Piberwür,<br />
zu den Garten, und die Perglewt alle<br />
gemayniglich zu der Pharrkirche zu<br />
Ymbst gepharret“. Schenkungen und<br />
Messstiftungen bildeten eine sehr<br />
bescheidene Grundlage für das Auskommen<br />
eines Kuraten. Dadurch<br />
bekam die Seelsorgsgemeinde nicht<br />
immer die besten Geistlichen. Die<br />
Eroberung des Außerferns durch die<br />
Schmalkalden 1546 und 1554 führte<br />
neben Not, Elend und Zerstörung<br />
auch zu gewissen Auswüchsen unter<br />
der Priesterschaft. Erst die folgenden<br />
Gegenreformen stellte die „heile<br />
Welt“ wieder her. Bei der Pfarrvisitation<br />
1614 konnte der Kurat Michael<br />
Frischwetz melden, dass er den Katechismus<br />
in der Fastenzeit lehre, an<br />
allen Sonn- und Feitertagen predige,<br />
das Widum restauriert sei und er<br />
die Leute zur Einzelbeichte anleite.<br />
RS-Repros: Linser<br />
Er betete das Brevier und hatte eine<br />
anständige Person als Wirtschäfterin,<br />
nur „der Dorfwirth stand im Verdachte,<br />
an Festtagen Fleisch zu essen<br />
und verbotene Bücher zu lesen“.<br />
Ein Streit zwischen der Geistlichkeit<br />
und dem Reuttener Pfleger wegen<br />
Einführung einer Bruderschaft<br />
griff den guten Kuraten Josef Vollgruber<br />
so sehr an, dass er aus Kummer<br />
hierüber erkrankte und am 13.<br />
November 1761 starb. Das dreißigstündige<br />
Gebet wurde unter Anton<br />
Jung 1746 eingeführt, „um der Frechheit<br />
und Ausgelassenheit zu steuern,<br />
die besonders in den letzten Tagen<br />
der Faßnacht in dieser Gemeinde ihr<br />
Unwesen zu treiben pflegte“.<br />
1751 wurde mit dem Kirchenneubau<br />
nach den Plänen von Baumeister<br />
Franz Kleinhans begonnen.<br />
Der Veroneser Maler Guiseppe Gru<br />
schuf die Deckenfresken in nur 128<br />
Tagen. Die Bausumme belief sich auf<br />
über 4.500 Gulden. Der Turm wurde<br />
1767/68 neu errichtet. In ihm befindet<br />
sich die wohl älteste erhaltene<br />
Tiroler Glocke aus dem Jahr 1411.<br />
Die unter Denkmalschutz stehende<br />
Katherinenkirche gehört zu den<br />
schönsten Sakralbauten des 18. Jahrhunderts<br />
in Tirol.<br />
Auf dem Friedhof in Fügen/Zillertal<br />
erinnert eine Grabtafel an Ingenuin<br />
Koch. 1762 in Lermoos geboren,<br />
1787 zum Priester geweiht und 1798<br />
zum Doktor promoviert, war er einige<br />
Zeit Studienpräfekt in Innsbruck,<br />
Stadtpfarrkooperator und Professor<br />
für Griechisch und Exegese, dann 14<br />
Jahre Pfarrer in Lermoos (bis 1822).<br />
Als Dekan in Fügen starb der Professor<br />
für „Gottesgelehrthiet“ am 20.<br />
Dezember 1835 im Beichtstuhl an<br />
einem Schlaganfall.<br />
22./23. Februar 2017