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Nahrungsraum Stadt / dérive - Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 67 (2/2017)

Urban Gardening liegt seit Jahren im Trend, städtische Märkte feiern eine Renaissance und sind Fixpunkt von Stadttourismustouren, Kochevents gibt es aller Orten und Streetfood wandelt sich von der exotischen Attraktion zum Alltagsangebot. In der Schwerpunktausgabe Nahrungsraum Stadt werden Sie über die neuesten Urban-Gardening-Tipps trotzdem ebenso wenig informiert, wie über die coolsten Streetfood-Hangouts oder die angesagtesten Community-Kochevents in Ihrer Nachbarschaft. Stattdessen legt der dérive-Schwerpunkt den Fokus auf die räumlichen Ausprägungen und Auswirkungen der diversen Hypes und Trends, beschäftigt sich am Beispiel Wien mit dem Themenkomplex urbane Landwirtschaft, Stadtwachstum, Imagepolitik und Partizipation oder stellt den Nahrungsmittelanbau in Kubas Städten vor. Das Heft kann hier https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/heft-67 bestellt werden.

Urban Gardening liegt seit Jahren im Trend, städtische Märkte feiern eine Renaissance und sind Fixpunkt von Stadttourismustouren, Kochevents gibt es aller Orten und Streetfood wandelt sich von der exotischen Attraktion zum Alltagsangebot. In der Schwerpunktausgabe Nahrungsraum Stadt werden Sie über die neuesten Urban-Gardening-Tipps trotzdem ebenso wenig informiert, wie über die coolsten Streetfood-Hangouts oder die angesagtesten Community-Kochevents in Ihrer Nachbarschaft. Stattdessen legt der dérive-Schwerpunkt den Fokus auf die räumlichen Ausprägungen und Auswirkungen der diversen Hypes und Trends, beschäftigt sich am Beispiel Wien mit dem Themenkomplex urbane Landwirtschaft, Stadtwachstum, Imagepolitik und Partizipation oder stellt den Nahrungsmittelanbau in Kubas Städten vor. Das Heft kann hier https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/heft-67 bestellt werden.

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Gemüse sowie die Haltung von Vieh notwendigerweise<br />

städtische Praktiken (Stierand 2008): Überwiegend (urban)<br />

landwirtschaftlich genutzte Freiflächen bestimmten das <strong>Stadt</strong>bild,<br />

Märkte bildeten einen räumlichen und sozialen Mittelpunkt.<br />

Zunehmende Urbanisierung, wissenschaftlicher und<br />

technischer Fortschritt (Erfindung neuer Konservier-Methoden<br />

wie der Konservendose) und mobiler Handel heben ab dem 19.<br />

und beginnenden 20. Jahrhundert die räumlichen Beschränkungen<br />

des städtischen Ernährungssystems auf. Im Zuge der<br />

Globalisierung entkoppelt sich die Erzeugung der Lebensmittel<br />

vom Wohnort: Produktions-, Konsum- und Verbrauchsräume<br />

rücken noch weiter auseinander.<br />

Seit den neunziger Jahren finden die gesellschaftlichen,<br />

sozialen, ökologischen und politischen Zusammenhänge<br />

des globalen Nahrungsmittelsystems stärkere Beachtung in<br />

urbanen Disziplinen, wobei viele der jüngsten Studien über<br />

Nahrungsmittel und Städte zumeist die gesicherte Versorgung<br />

und gesunde Ernährung der Bevölkerung in den Fokus<br />

rücken. Städtische Ernährungssysteme sind von zentraler<br />

Bedeutung in einer Welt, in der die Versorgung großer Teile<br />

der urbanen Bevölkerung aufgrund struktureller Probleme,<br />

in Folge von ökologischen und ökonomischen Notlagen und des<br />

Massenkonsums nicht gewährleistet werden kann. Urban<br />

food planning – beschrieben als »one of the most dynamic and<br />

rapidly expanding city-driven global social movements«<br />

(Ilieva 2016) – erörtert Möglichkeiten lokaler Ernährungspolitik<br />

und neue Strategien in der <strong>Stadt</strong>ernährungsplanung. Aber<br />

nicht nur die Wissenschaft und Politik, vor allem auch selbstorganisierte<br />

Bürger und Bürgerinnen setzen sich mehr und<br />

mehr mit der Frage einer nachhaltigen und gesicherten Versorgung<br />

und Entwicklung von Städten auseinander. Sie engagieren<br />

sich in Ernährungsräten, bauen in urbanen Gärten Gemüse<br />

an, erdenken Subsistenz-Szenarien und suchen Wege,<br />

Lebensmittelüberschüsse in neue städtische Ressourcenkreisläufe<br />

zu überführen.<br />

All dies bringt im urbanen Alltag Praktiken hervor, die<br />

den Raum der <strong>Stadt</strong> aktiv mitgestalten. Im großen Themenfeld<br />

Nahrungsmittel und <strong>Stadt</strong> wirft der Schwerpunkt dieser<br />

<strong>dérive</strong>-Ausgabe einen Blick auf sozial-räumliche Zusammenhänge<br />

und Implikationen einiger dieser unterschiedlichen<br />

Praktiken von der Produktion bis zum Konsum von Nahrungsmitteln<br />

in und aus Städten.<br />

Die Beiträge<br />

In ihrem Artikel zu Urban-Farming in Havanna, Kuba,<br />

nimmt Carey Clouse die Besonderheiten des kubanischen<br />

Systems urbaner landwirtschaftlicher Produktion in den Blick.<br />

Zugeschnitten auf den Kontext, die kulturellen Werte und<br />

Restriktionen Havannas, bietet dieses dennoch Ansatzpunkte<br />

und Übersetzungspotential <strong>für</strong> die Versorgung von Städten<br />

in der Krise.<br />

Urbane Landwirtschaft ist auch Thema im Beitrag<br />

von Sarah Kumnig, der den Kontext neoliberaler <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

hinterfragt. Analysiert wird hier ein <strong>Stadt</strong>entwicklungsprozess<br />

in Wien, dessen grünes Entwicklungsleitbild sowie<br />

die Partizipationsmöglichkeiten <strong>für</strong> Bürgerinnen und Bürger<br />

am Prozess.<br />

Die Tätigkeiten des gemeinsamen Kochens und<br />

Essens greift Inga Reimers in ihrem Artikel zu Ess-Settings<br />

auf. Anhand zweier Beispiele denkt sie hier über die<br />

zentralen räumlichen Elemente solcher temporärer Settings<br />

und deren Einbindung in den urbanen Raum nach.<br />

Dass Essen in der <strong>Stadt</strong> mittlerweile auch in den<br />

Medien, von Blogs und Magazinen, als Trend propagiert wird<br />

und die Rolle von authentischer Küche, Food Start-Ups und<br />

Essen als Kulturerfahrung im Zuge der Gentrifizierungsdebatte<br />

diskutiert werden (Zukin 2010, Boniface 2003), reflektieren<br />

zwei Beiträge in diesem Schwerpunkt. Miriam Stock spürt<br />

unter der Überschrift Falafel gentrified auf der Basis eines Vergleiches<br />

des kulinarischen Angebotes in Berlin und Beirut den<br />

sich verändernden Geschmackslandschaften dieser Städte<br />

und den da<strong>für</strong> verantwortlichen Einflüssen nach. In Berlin<br />

bleibend widmet sich Katharina Held der Markthalle Neun in<br />

Berlin-Kreuzberg und dem Diskurs um die Halle, der<br />

Widersprüche und Konfliktpotenziale des neuen Food-<br />

Trends aufzeigt.<br />

Katharina Held studierte Kultur der Metropole an der<br />

HafenCity Universität in Hamburg und schloss ihren Master<br />

in Urban Studies am University College in London ab.<br />

In ihrer forschenden Arbeit setzt sie sich verstärkt mit<br />

dem Zusammenhang von <strong>Stadt</strong> und Nahrungsmitteln,<br />

alternativen Konsumpraktiken und Alltagskultur auseinander<br />

und ist derzeit als Lehrbeauftragte und Lektorin tätig.<br />

Literatur<br />

Ilieva, Rositsa T. (2016): Urban Food Planning: Seeds of<br />

Transition in the Global North. London: Routledge.<br />

Steel, Carolyn (2009): Hungry City. How Food Shapes<br />

Our Lives. London: Vintage.<br />

Stierand, Philipp (2008): <strong>Stadt</strong> und Lebensmittel. Die<br />

Bedeutung des Städtischen Ernährungssystems <strong>für</strong> die<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung. Dissertation. Universität Dortmund.<br />

Verfügbar unter: http://speiseraeume.de/downloads/<br />

SPR_Dissertation_Stierand.pdf [Stand: 10.02.<strong>2017</strong>].<br />

Zukin, Sharon (2010): Naked City: The Death and Life of<br />

Authentic Urban Places. Oxford & New York: Oxford University<br />

Press.<br />

Boniface, Priscilla (2003): Tasting Tourism: Travelling<br />

for Food and Drink. Burlington: Ashgate.<br />

Katharina Held — Nahrungsmittel in der <strong>Stadt</strong>, NAHRUNGSMITTEL aus der STADT<br />

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