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Rasch die Eckpunkte: Die „Tutti<br />
Frutti Epic“ ist eine neue, permanent<br />
ausgeschilderte Tour,<br />
die ab heuer jeder in seinem eigenen<br />
Tempo abfahren kann. Auf den<br />
45 Kilometern sind nur wenige hundert<br />
Meter bergauf in die Pedale zu treten<br />
– weil alle Trails per Gondelbahn<br />
oder Sessellift erreichbar sind. Ihr<br />
müsst für die Tour auch keineswegs<br />
Fähigkeiten wie Brian Lopes mitbringen,<br />
mein Partner auf dieser Jungfernfahrt.<br />
Brian ist eine Bike-Ikone, war<br />
Weltmeister und wurde in die „MTB<br />
Hall of Fame“ aufgenommen – so wie<br />
meine Wenigkeit ...<br />
Die Schwierigkeit aller Trails bewegt<br />
sich zwischen rot und blau,<br />
sprich: mittel oder leicht. Sie sind also<br />
für alle Könnensstufen geeignet und<br />
perfekt für Cross-Country-, All-Mountain-<br />
und Enduro-Bikes.<br />
Rund um Livigno sind in den vergangenen<br />
Jahren 25 Kilometer an speziellen<br />
Flow Trails enstanden. Dazu<br />
kommt das vorhandene Netzwerk an<br />
natürlichen Trails, macht zusammen<br />
3.500 Abfahrtshöhenmeter. Livignos<br />
Slogan „Feel the Alps“ heißt jetzt inoffiziell<br />
schon „Feel the Flow“. Denkt<br />
aber bloß nicht, dass Trails, auf denen<br />
sich Familien und Anfänger wohlfühlen,<br />
langweilig für Profis sind. Nicht,<br />
wenn sie richtig gebaut sind!<br />
FLOW UND CAPPUCCINO<br />
Start und Ziel der Tutti Frutti ist die<br />
Talstation der „Livigno Centro“-Gondelbahn.<br />
Oben angekommen beginnt<br />
der „Roller Coaster“, einer meiner<br />
Lieblingstrails auf der Epic. Italiens<br />
einziger kompletter Flow-Country-<br />
Trail bietet auf vier Kilometern feine<br />
Anleger, kleine Wellen und eine unglaubliche<br />
Aussicht, bevor es mit dem<br />
Vetta-Sessellift wieder bergauf geht.<br />
Der nächste Abschnitt beinhaltet mit<br />
dem „Coast to Coast“, dem „S-Way“<br />
und dem letzten Teil des „H-Dreams“<br />
eine Vielzahl an Trails, bevor du am<br />
anderen Ende des Berges bei der Mittelstation<br />
der „Carosello 3000“ ankommst.<br />
Eine kurze Gondelfahrt und einen<br />
Cappuccino später fahren wir den<br />
neuesten Trail der Gegend, den „Bikers<br />
United“ hinab – als Erste überhaupt.<br />
Es ist immer ein Vergnügen,<br />
hinter Brian herzufahren. Was er am<br />
Bike macht, ist einfach unglaublich.<br />
Sogar auf einem Einsteiger-Trail<br />
schafft er es, neue und interessante<br />
Lines zu verbinden und Dinge zu machen,<br />
die ich bei keinem anderen Fahrer<br />
je gesehen habe. Aus zwei unschuldigen<br />
Wellen wird zum Beispiel<br />
einfach ein kräftiger Doppelsprung.<br />
DREI SÄULEN EINES TRAILS<br />
Nach einem schnellen Selfie mit<br />
schottischen Hochlandrindern, die<br />
hier weiden, sind wir zurück in der<br />
Gondel – für ein überfälliges Instagram-Update<br />
und um unserer Armmuskulatur<br />
eine kleine Pause zu gönnen.<br />
Die nächste Etappe ist doppelt so<br />
lang. Wenn du nicht oft stehenbleibst,<br />
bist du in 18 Minuten durch. Sie verbindet<br />
den oberen Teil des „Coast to<br />
Coast“ mit dem „H-Dream“ und ist ein<br />
roter Trail mit ein paar größeren, aber<br />
fahrbaren Sprüngen ohne böse Überraschungen.<br />
Drei Säulen sind es, die<br />
für mich einen großartigen Trail ausmachen:<br />
Nachhaltigkeit, Sicherheit,<br />
Berechenbarkeit. Und das gilt für Profi-<br />
genauso wie für Einsteiger-Trails.<br />
Am Ende des „H-Dream“folgt ein<br />
kurzer Übergang von der Carosello-Mittelstation<br />
zur „Blueberry Line“,<br />
ein weiterer flowiger Trail, der extrem<br />
Spaß macht. Der Trail spuckt dich<br />
dann direkt bei der Tea-Borch-Hütte,<br />
einer der zahlreichen Hütten in der<br />
Die Bikelegende<br />
HANS REY, 50, ist ein Pionier im Trialund<br />
Extrem-Freeride-Mountainbiken.<br />
Der gebürtige Deutsche gewann mehrere<br />
Weltmeisterschaften sowie eine<br />
Silbermedaille bei den ersten XGames<br />
1995.<br />
Seit 2008 ist Rey US-Bürger und lebt in<br />
Laguna Beach, Kalifornien.<br />
Gegend aus. Wir sind jetzt bei der<br />
Hälfte der Tour, grinsen aber schon<br />
über das ganze Gesicht. Nächster<br />
Stopp ist der Gipfel der Carosello 3000<br />
auf – wie der Name schon sagt – 3.000<br />
Metern. Hier gönnen wir uns ein Mittagessen<br />
und lassen uns für einen Moment<br />
in die Liegestühle fallen. Die<br />
Aussicht ist unglaublich. Direkt im<br />
Westen die Schweiz und im Osten erheben<br />
sich drei der höchsten Berge Italiens:<br />
die Ortlergruppe, die Königsspitze<br />
„Gran Zebru“ und der<br />
Stilfserjoch-Gletscher.<br />
HEIRATSANTRAG IN DER HÜTTE<br />
Nächster Checkpoint auf der Tutti-Frutti-Reise<br />
ist „Madonon“. Ein guter<br />
Biker braucht 25 Minuten für die<br />
Strecke. Die sind es wirklich wert – es<br />
ist ein Highlight der gesamten Tour.<br />
Für mich sowieso, 2008 habe ich meiner<br />
Carmen hier einen Heiratsantrag<br />
gemacht. Zu meiner Überraschung<br />
fand ich dort eine charmante, kleine<br />
Hütte, von der aus man das ganze Tal<br />
überblickt und bis zu den Gletschern<br />
des Bernina-Massivs sieht. Solche<br />
Hütten finden sich in der ganzen Gegend<br />
um Livigno verstreut. Wenn du<br />
Glück hast, so wie ich damals mit Carmen<br />
und jetzt auch mit Brian, hat jemand<br />
eine Flasche Wein dagelassen.<br />
Die nahe Madonna-Statue ist eines der<br />
Wahrzeichen dieser Gegend und ganz<br />
in der Nähe gibt es auch eine Freiluft-Toilette<br />
mit einem unschlagbaren<br />
Panoramablick ...<br />
Von hier fahren wir über einen<br />
Singletrail zum Lac Salin, einem kleinen<br />
See, dann weiter zur Rückseite<br />
des Carosello und schließlich einen<br />
Naturtrail hinunter ins „Val Federia“.<br />
eines der schönsten und abgeschiedensten<br />
Täler, das du dir vorstellen<br />
kannst. Auf halbem Weg bleiben wir<br />
auf der Alpe Federia stehen, wo offenbar<br />
alle Kühe von Livigno (und eine<br />
Senner-Familie) den Sommer verbringen.<br />
Weil die Tour fast zu Ende ist, stoßen<br />
Brian und ich mit einem Bier an.<br />
Eine halbe Stunde später sind wir<br />
zurück in Livigno und Brian besteht<br />
darauf, eine Runde im See zu schwimmen.<br />
Meine Gedanken sind währenddessen<br />
schon bei der „Gelateria<br />
Talgliede“. Ich weiß nämlich, dass der<br />
Besitzer vor Kurzem eine neue Sorte<br />
kreiert hat: „Tutti Frutti“ heißt sie.<br />
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