s'Positive Magazin 04.2017
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VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN<br />
Einige sind wahr<br />
Nicht immer sind Verschwörungstheorien<br />
falsch. Nachfolgend zwei Beispiele,<br />
bei denen die Theoretiker richtig lagen.<br />
Die Massenüberwachung und -ausspähung<br />
durch die NSA: Als in den 1990er-<br />
Jahren Aktivisten für den Schutz der<br />
Privatsphäre und Medienpersönlichkeiten<br />
vor den umfassenden Spionageoperationen<br />
der NSA im Inland warnten,<br />
wurden sie als paranoide Verschwörungstheoretiker<br />
abgetan. Bereits mehr<br />
als zehn Jahre vor den Enthüllungen<br />
Edward Snowdens war die NSA im Rahmen<br />
des Echelon-Projektes eifrig dabei,<br />
sämtliche elektronische Kommunikationen<br />
weltweit abzufangen und aufzuzeichnen.<br />
1999 räumte die australische Regierung<br />
ein, das Land sei zusammen mit den<br />
USA und England an einem von der NSA<br />
geleiteten Abfang- und Überwachungsprogramm<br />
mit Namen Echelon beteiligt,<br />
das in der Lage sei, «jedes internationale<br />
Telefongespräch, jedes Fax, jede E-<br />
Mail oder Radioübertragung» weltweit<br />
abzufangen und mitzuverfolgen. In einem<br />
Bericht des europäischen Parlaments<br />
aus dem Jahr 2001 heisst es,<br />
die «NSA fängt routinemässig innerhalb<br />
Europas alle E-Mails sowie Telefon- und<br />
Faxkommunikation ab».<br />
Auch, dass der Sturz des demokratisch<br />
gewählten iranischen Ministerpräsidenten<br />
in den 1950er-Jahren durch den<br />
CIA den MASX initiert worden sei, hielt<br />
sich zunächst jahrelang als «Verschwörungstheorie»,<br />
bis der Tatbestand<br />
schliesslich von offizieller Seite zugegeben<br />
wurde.<br />
neuen Weltordnung sei und Donald Trump<br />
jetzt das Land zurückgewinne.» Verschwörungstheorien<br />
werden von allen Menschen<br />
verbreitet. Es besteht kein Unterschied nach<br />
Geschlecht oder Alter. Es gibt allerdings eine<br />
Gruppe, bei der Verschwörungstheorien<br />
deutlich häufiger verbreitet sind als bei anderen,<br />
nämlich bei Männern über vierzig.<br />
Verschwörungstheorien sind eine Reaktion<br />
auf Verlustängste, auf gefühlte Marginalisierung,<br />
man hat das Gefühl, die Felle schwimmen<br />
einem davon, oder dies sei nicht mehr<br />
«mein» Land. «Meine» geleistete Arbeit sei<br />
nicht mehr das Gleiche wert oder «meine»<br />
Werte würden nicht mehr vertreten. Verschwörungstheorien<br />
bieten eine Erklärung.<br />
GEFÄHRLICH – ODER DOCH NICHT?<br />
Nicht jede Verschwörungstheorie ist gefährlich.<br />
Einige bieten letztendlich einfach nur<br />
Unterhaltung und geben den Leuten etwas<br />
für ihre Identität. Doch Michael Butter warnt:<br />
«Es gibt gefährliche Verschwörungstheorien,<br />
zum Beispiel jene, die sich gegen Schwache,<br />
Ausgegrenzte und Stigmatisierte richten: gegen<br />
Flüchtlinge oder früher gegen Juden.»<br />
«Es gibt Verschwörungstheorien, die in unterschiedlicher<br />
Art und Weise gefährlich<br />
sind. Zum Beispiel diejenigen, die sich gegen<br />
Schwache, Ausgegrenzte und Stigmatisierte<br />
richten. Zum Beispiel gegen Geflüchtete oder<br />
früher gegen Juden.» Solche Theorien sind<br />
bedeutend gefährlicher als jene, die sich gegen<br />
die Eliten richten. Allerdings haben Verschwörungstheorien,<br />
die sich gegen Eliten<br />
richten, eine andere problematische Dimension:<br />
Sie können die Demokratie zersetzen.<br />
Wenn man denkt, es macht überhaupt keinen<br />
Unterschied, für wen ich stimme, weil<br />
alle Eliten sowieso unter einer Decke stecken<br />
und sich nicht mehr um die Belange des Volkes<br />
kümmern, dann besteht die Gefahr des<br />
Rückzugs aus dem demokratischen Prozess.<br />
Entweder nimmt man dann nicht mehr an<br />
den Wahlen teil oder wählt diejenigen, die<br />
sich als die «wahre» Alternative innerhalb<br />
oder ausserhalb des politischen Systems präsentieren.<br />
s’Positive 4 / 2017 19