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COMPACT SPEZIAL 9 "Zensur in der BRD"

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<strong>COMPACT</strong>Spezial<br />

_ <strong>Zensur</strong> im TV<br />

h<strong>in</strong>terlassen bei ihrem E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong> radioaktiv verseuchtes<br />

Gelände, und außerdem ist diese Waffe<br />

hoch toxisch. E<strong>in</strong>e Waffe, die radioaktiv und hoch<br />

giftig ist und noch lange Zeit nach ihrem E<strong>in</strong>satz<br />

die Umwelt verseucht und für die dort lebenden<br />

Menschen höchst gefährlich, ja tödlich se<strong>in</strong> kann,<br />

ist nach Haager und Genfer Konvention verboten<br />

und e<strong>in</strong> Kriegsverbrechen – das brauchen wir nicht<br />

zu diskutieren! Und <strong>der</strong> Hauptprotagonist me<strong>in</strong>es<br />

Films, <strong>der</strong> Arzt und Wissenschaftler Professor Dr.<br />

Siegwart-Horst Günther, hat diese Schwe<strong>in</strong>erei<br />

<strong>der</strong> Alliierten schon 1991 entdeckt und angeklagt,<br />

auch das erzählt <strong>der</strong> Film. (…) Wir haben auf e<strong>in</strong>em<br />

Schlachtfeld (…) radioaktive Werte gemessen, die<br />

lagen bei dem 30.000-fachen <strong>der</strong> normalen radioaktiven<br />

Umweltstrahlung. Darum ist zu befürchten,<br />

dass renommierte Wissenschaftler wie Rosalie<br />

Bertell, Asaf Durakovic, Lennard Dietz und Siegwart-Horst<br />

Günther recht haben, wenn sie sagen,<br />

dass <strong>in</strong> den nächsten 15 bis 20 Jahren alle<strong>in</strong> im Irak<br />

fünf bis sieben Millionen Menschen an aggressiven<br />

Krebserkrankungen und Leukämien sterben<br />

werden. Das wäre e<strong>in</strong> neuer Holocaust.» – Wagners<br />

Mitstreiter Siegwart-Horst Günther, <strong>der</strong> die<br />

DU-Schlachtfel<strong>der</strong> zwischen Euphrat und Tigris immer<br />

wie<strong>der</strong> persönlich <strong>in</strong> Augensche<strong>in</strong> genommen<br />

und Trümmerteile berührt hatte, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />

verstorben, vermutlich <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Verstrahlung.<br />

Das Ende e<strong>in</strong>er Karriere<br />

Der K<strong>in</strong>ofilm hatte viel Geld verschlungen.<br />

Frie<strong>der</strong> Wagner musste zur Ref<strong>in</strong>anzierung wie<strong>der</strong><br />

Beiträge <strong>in</strong> den Medien platzieren. Doch man<br />

ließ ihn <strong>in</strong>s Leere laufen. Er erhielt ke<strong>in</strong>e Aufträge<br />

mehr, bekam aber auch ke<strong>in</strong>e Erklärungen dafür.<br />

«Verblüffend war für mich allerd<strong>in</strong>gs die Tatsache,<br />

dass, nachdem im WDR die Dokumentation<br />

Der Arzt und die verstrahlten K<strong>in</strong><strong>der</strong> von Basra<br />

gesendet wurde und <strong>der</strong> Film im Herbst 2004 den<br />

Europäischen Fernsehpreis bekommen hat, ich<br />

trotzdem nie mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Öffentlich-rechtlichen<br />

Fernsehanstalt e<strong>in</strong>en Film o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Bericht unterbr<strong>in</strong>gen<br />

konnte. Kann ich das beweisen – ne<strong>in</strong>.<br />

Ist es so passiert – ja. Allerd<strong>in</strong>gs habe ich dann<br />

irgendwann danach e<strong>in</strong>en Redakteur im WDR<br />

gefragt, <strong>der</strong> mir immer sehr gewogen war, ob da<br />

e<strong>in</strong> Zusammenhang bestehen könnte, und er hat<br />

nach langem Schweigen geantwortet: Also Frie<strong>der</strong>,<br />

e<strong>in</strong>er muss Dir das ja mal sagen, Du hast im<br />

Haus <strong>in</strong>zwischen den Ruf, schwierig zu se<strong>in</strong>, und<br />

auch De<strong>in</strong>e Themen gelten als schwierig! E<strong>in</strong><br />

Spiegel-Redakteur hat mir dazu gesagt: Wie das<br />

<strong>in</strong> Fernsehanstalten ist, weiß ich nicht, aber wenn<br />

Sie e<strong>in</strong> solches Thema heute an irgende<strong>in</strong>e große<br />

Tageszeitung schicken, dann werden Sie das trotz<br />

Ihrer großen Fachkenntnisse nicht los bekommen,<br />

denn Uranmunition und die Folgen s<strong>in</strong>d heute e<strong>in</strong><br />

Tabuthema, e<strong>in</strong>e zu unbequeme Wahrheit.»<br />

Die letzte Hoffnung<br />

2014 schien es doch wie<strong>der</strong> möglich, die unbequeme<br />

Wahrheit wenigstens als Hörfunkbeitrag<br />

im DLF unterzubr<strong>in</strong>gen. Ra<strong>in</strong>er Burchardt, <strong>der</strong> damalige<br />

Chefredakteur, wollte Wagner die Möglichkeit<br />

geben, für die Reihe H<strong>in</strong>tergrund Politik e<strong>in</strong>e<br />

20-M<strong>in</strong>uten-Sendung zu erstellen. Zuständiger Redakteur<br />

war <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Reihe, Rolf Clement. Die<br />

Ausstrahlung war für den 27. April geplant, e<strong>in</strong>en<br />

Samstagabend.<br />

Alle Materialien waren fristgerecht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Redaktion abgegeben, alle Orig<strong>in</strong>altöne, H<strong>in</strong>tergrundgeräusche<br />

(«Atmos») und Musikbeiträge sogar<br />

schon <strong>in</strong> das System des Sen<strong>der</strong>s e<strong>in</strong>gespielt<br />

worden. Am frühen Samstagnachmittag platzte<br />

die Bombe: Wagner erhielt e<strong>in</strong>e Mail von Clement,<br />

wonach dieser den Beitrag nicht senden und verantworten<br />

könne. Die ePost enthielt 15 Punkte mit<br />

E<strong>in</strong>wänden gegen das Feature, obwohl das Skript<br />

dazu bereits seit Monaten vorlag und sich Wagner<br />

und Clement nach vielen Bedenken auf genau dieses<br />

Sendekonzept gee<strong>in</strong>igt hatten. Die 15 Punkte<br />

referierten angeblich sachliche Kritik: Plötzlich<br />

gab es Zweifel, ob man die Alpha-Strahlung <strong>der</strong><br />

DU-Munition mit Geigerzählern überhaupt messen<br />

kann, seltsame Zankereien über das Atomgewicht<br />

und die Dichte von Uran und Blei sowie Unklarheiten,<br />

wie und ob <strong>der</strong> W<strong>in</strong>d Uranstaub mit sich tragen<br />

und dieser überhaupt Krankheiten verursachen<br />

könne – e<strong>in</strong>e Wehklage jämmerlicher Ausreden.<br />

Trotz ausführlicher Richtigstellungen Wagners <strong>in</strong><br />

allen Punkten wurde <strong>der</strong> Hörbeitrag nie gesendet.<br />

Der Regisseur sieht se<strong>in</strong> Schicksal gelassen.<br />

«Über me<strong>in</strong>e berufliche Zukunft mache ich mir<br />

letztlich ke<strong>in</strong>e Gedanken. Wichtig ist mir <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang e<strong>in</strong>zig, dass ich morgens beim<br />

Rasieren ohne schlechtes Gewissen weiter <strong>in</strong> den<br />

Spiegel schauen kann.»<br />

Die erstmals im Zweiten Weltkrieg<br />

entwickelte DU-Munition wird vor<br />

allem als panzerbrechende Waffe<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Foto: U.S. Air Force,<br />

David Kurle<br />

Während des Irakkrieges 2003<br />

wurden zwischen zwischen 1.000<br />

und 2.000 Tonnen Uranmunition<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Foto: Filmausschnitt<br />

«Deadly Dust»<br />

Das große<br />

Schlachtschiff «Die<br />

Zeit» spielte Schiffchenversenken<br />

mit<br />

kritischen Artikeln.<br />

_ Niki Vogt arbeitet als freie Journalist<strong>in</strong><br />

und Filmemacher<strong>in</strong>, unter<br />

an<strong>der</strong>em für die Videoplattform<br />

quer-denken.tv.<br />

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