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COMPACT SPEZIAL 9 "Zensur in der BRD"

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<strong>COMPACT</strong>Spezial<br />

_ <strong>Zensur</strong> bei Büchern<br />

Gerhard Wisnewski<br />

Gerhard Wisnewski (*1959) ist<br />

Journalist und arbeitete unter<br />

an<strong>der</strong>em für mehrere Frankfurter<br />

und Münchner Tageszeitungen<br />

sowie den Stern. Seit 1986<br />

ist er als Film- und Buchautor<br />

tätig. Zum regelmäßigen<br />

Bestseller entwickelte sich se<strong>in</strong><br />

Jahrbuch verheimlicht – vertuscht<br />

– vergessen. Nachdem<br />

<strong>der</strong> Knaur-Verlag die Veröffentlichung<br />

<strong>der</strong> Ausgabe 2016<br />

kurzfristig zurückzog, ersche<strong>in</strong>t<br />

das Werk nun im Kopp-Verlag<br />

(368 Seiten, 9.99 Euro).<br />

Bei Amazon verfügbare Titel:<br />

Drahtzieher <strong>der</strong> Macht. Die<br />

Bil<strong>der</strong>berger – Verschwörung<br />

<strong>der</strong> Spitzen von Wirtschaft, Politik<br />

und Medien. Die geheimen<br />

H<strong>in</strong>tergründe. (Knaur, München<br />

2010, 320 Seiten, 12.99 Euro)<br />

Operation 9/11. Der Wahrheit<br />

auf <strong>der</strong> Spur. (Knaur, München<br />

2011, 480 Seiten, 12.99 Euro)<br />

Das Titanic-Attentat. Die wahren<br />

H<strong>in</strong>tergründe <strong>der</strong> Schiffskatastrophe.<br />

(Knaur, München<br />

2012, 432 Seiten, 12.99 Euro)<br />

ungeklärt –unheimlich – unfassbar.<br />

Die spektakulärsten Krim<strong>in</strong>alfälle<br />

2015. (Knaur, München<br />

2015, 313 Seiten,<br />

8.99 Euro)<br />

_ Fe<strong>der</strong>ico Bischoff ist freier Autor<br />

und lebt im Tess<strong>in</strong>.<br />

mit <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>ekrise zum Beispiel, als «Todesengel»<br />

bezeichnet worden. E<strong>in</strong>e Verhaltens- o<strong>der</strong> Stilän<strong>der</strong>ung<br />

des Autors konnten die Richter<strong>in</strong>nen daher<br />

nicht erkennen.<br />

E<strong>in</strong> «Geheimbund» im Verlag?<br />

Am erstaunlichsten für die Prozessbeobachter<br />

waren allerd<strong>in</strong>gs die Ausführungen des Autors, <strong>der</strong><br />

schil<strong>der</strong>te, bis Mitte November 2015 nichts von den<br />

Bedenken des Verlags gehört zu haben – obwohl<br />

die meisten Teile des Manuskriptes sukzessive<br />

seit August abgeliefert worden und über 320 Seiten<br />

vom Verlag schon gesetzt seien. «Der Verlag hat<br />

die Entstehung des Buches die ganze Zeit begleitet<br />

und war über den Inhalt je<strong>der</strong>zeit im Bilde», so <strong>der</strong><br />

Autor auf se<strong>in</strong>er Website. «Erst aus den zahlreichen<br />

Schriftsätzen <strong>der</strong> Gegenseite» habe er nun erfahren,<br />

dass <strong>der</strong> Verlag <strong>in</strong>tern wohl e<strong>in</strong>e Art Geheimbund<br />

gegründet und h<strong>in</strong>ter se<strong>in</strong>em Rücken «über diesen<br />

schrecklichen Autor» geklagt habe, ohne mit ihm<br />

selbst zu reden, sagte Wisnewski bei <strong>der</strong> Verhandlung.<br />

Er frage sich, warum man bei <strong>der</strong>artig schwerwiegenden<br />

Bedenken nicht Kontakt mit ihm aufgenommen<br />

habe, statt ihn schließlich vor vollendete<br />

Tatsachen zu stellen. Gerade mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall habe<br />

das Lektorat <strong>in</strong>terveniert und e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Formulierung<br />

verlangt, <strong>der</strong> er auch zugestimmt habe.<br />

Immerh<strong>in</strong>: Das Gericht ließ nichts unversucht,<br />

das Jahrbuch 2016 bei Knaur zu «retten» und schlug<br />

dem Verlag vor, dem Buch e<strong>in</strong> eigenes Vorwort voranzustellen<br />

und sich gegebenenfalls vom Inhalt<br />

zu distanzieren. Dies wurde nicht angenommen,<br />

Im Tonfall e<strong>in</strong>es stal<strong>in</strong>istischen Kommissars verlangte <strong>der</strong><br />

SPD-Ortsvere<strong>in</strong> Rottenburg am Neckar e<strong>in</strong>en Kotau des<br />

Kopp-Verlages. Foto: Kopp Verlag<br />

ebenso wenig wie das Angebot des Autors, entsprechende<br />

Stellen doch e<strong>in</strong>fach zu schwärzen. Es<br />

sah ganz so aus, als würde <strong>der</strong> Verlag den Namen<br />

Wisnewski <strong>in</strong>zwischen als ganz heißes Eisen<br />

betrachten.<br />

Cl<strong>in</strong>ch mit <strong>der</strong> SPD<br />

Erst vor kurzem hatte <strong>der</strong> Münchner wegen se<strong>in</strong>er<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsartikel auf Kopp Onl<strong>in</strong>e schon Ärger<br />

mit <strong>der</strong> SPD bekommen. In e<strong>in</strong>em Offenen Brief vom<br />

28. August 2015 wollten die Sozialdemokraten von<br />

dem Verleger Jochen Kopp wissen, ob er sich «mit<br />

aller Konsequenz» von Wisnewskis Artikeln distanziere,<br />

was Autor und Verlag als versteckte Auffor<strong>der</strong>ung<br />

zur Entlassung des Journalisten verstanden.<br />

Bald darauf wollte die SPD-Landtagsabgeordnete<br />

Rita Haller-Haid dem Kopp Verlag den Verfassungsschutz<br />

auf den Hals hetzen. Ob dies etwas mit dem<br />

jetzigen Fall zu tun hat, ist freilich unklar.<br />

Das Gericht ließ nichts unversucht,<br />

das Jahrbuch 2016 bei<br />

Knaur zu «retten».<br />

Tatsache bleibt jedenfalls: Für die Zuschauer<br />

des Verfahrens erschlossen sich die wahren H<strong>in</strong>tergründe<br />

dieses seltsamen Verleger-Verhaltens<br />

nicht. Die angeführten Stellen aus dem Buch waren<br />

selbst nach Me<strong>in</strong>ung des Gerichts fast alle unproblematisch<br />

– überdies hätte man sie schlimmstenfalls<br />

auch noch än<strong>der</strong>n können. Des Weiteren unterschied<br />

sich die Diktion des Buches nicht wesentlich<br />

von Wisnewskis früheren Werken.<br />

60<br />

Da <strong>der</strong> Verlag jedoch ke<strong>in</strong>en Zweifel daran ließ,<br />

im Falle <strong>der</strong> Verurteilung <strong>in</strong> die nächste Instanz<br />

gehen und E<strong>in</strong>fluss auf Auflage und Ersche<strong>in</strong>ungsterm<strong>in</strong>e<br />

nehmen zu wollen, reduzierte sich die Frage<br />

nach Recht und Gerechtigkeit wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>mal auf die<br />

Frage nach dem längeren Atem und dem größeren<br />

Geldbeutel. So sah sich Wisnewski zu e<strong>in</strong>em Vergleich<br />

gezwungen: Der Autor wurde f<strong>in</strong>anziell entschädigt,<br />

dafür wird verheimlicht – vertuscht – vergessen<br />

2016 nicht mehr bei Droemer Knaur ersche<strong>in</strong>en.<br />

Alles <strong>in</strong> allem blieb das Verhalten des Verlages<br />

für Prozessbeobachter unter dem Strich jedoch e<strong>in</strong><br />

Rätsel. Da sich die Parteien zum Stillschweigen verpflichteten,<br />

werden die wahren H<strong>in</strong>tergründe dieses<br />

spektakulären Abgangs des Bestsellerautors<br />

bei Knaur also wohl bis auf Weiteres im Dunkeln<br />

bleiben. Nach Antworten kann dennoch je<strong>der</strong> für<br />

sich selbst suchen: <strong>in</strong> verheimlicht – vertuscht –<br />

vergessen 2016, zum ersten Mal im Kopp-Verlag.

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