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fvhjfsjh - Sarah Weckert

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Mythen porentief<br />

Text: Christoph Zitzlaff<br />

Dass die Erfindung der Kulturhauptstadt Europas<br />

mehr ist als forcierte Tourismusförderung unter dem<br />

Rubrum der schönen Künste, das versuchen die Macher<br />

uns immer wieder einzubläuen. Gelingt das<br />

auch 0 0, im Jahr von gleich drei Kreativmetropolen?<br />

Angetreten ist ja nicht nur das Mittelzentrum<br />

Essen, das mit dem Label „RUHR. 0 0“ den ganzen<br />

Kohlenpott unter die von Karl Ernst Osthaus<br />

geklaute Maxime „Wandel durch Kultur – Kultur<br />

durch Wandel“ zusammengespannt hat. Vertreten<br />

sind auch das südungarische Pécs (Fünfkirchen) und<br />

vor allem – echt transkontinental – Istanbul, das sich<br />

zuvörderst deshalb gerne paneuropäisch geriert, weil<br />

sich die Türkei wegen ihrer EU-Bestrebungen vom<br />

Folterverdacht befreien und die Außenwahrnehmung<br />

so gerne auf möglichst nachhaltige internationale<br />

Kulturfüße stellen würde.<br />

Wie nicht anders zu erwarten, haben vor allem die<br />

Ruhrmenschen, angeführt von Publizitätsmeister<br />

Fritz Pleitgen als Geschäftsführer der „RUHR. 0 0<br />

GmbH“, nichts unversucht gelassen, das Image der<br />

Region, ohnehin Schmelztiegel von Erzen und Migrationen,<br />

durch die Anverwandlung von künstlerischen<br />

Positionen heterogenster Bauart immer<br />

weiter in Richtung Multi-Kunst-Gebiet aufzupolieren.<br />

Nachdem die Schnee- und Grönemeyerapokalyptik<br />

zur Eröffnung überstanden ist, gibt es jetzt<br />

Projekte wie „ – Straßen“ von Jochen Gerz zu erleben.<br />

Der Konzeptkünstler produziert ein Environment,<br />

das zu den verlautbarten Ruhrdoktrinen wie<br />

die Faust aufs Auge passt, nämlich eine Arbeit, die<br />

„die Kreativität und Autorenschaft der ganzen Gesellschaft<br />

voraussetzt“: In drei stinknormalen Straßen<br />

von Dortmund, Duisburg und Mülheim stellt man<br />

Teilnehmern aus aller Welt ein Jahr lang gut fünfzig<br />

Wohnungen mietfrei zur Verfügung. Dabei entsteht<br />

ein Text, denn alle Mieter sowie die Besucher der<br />

Straßenshow schreiben an etwas, das nächstes Jahr<br />

als Buch veröffentlicht werden soll. Genuin offenes<br />

Kunstwerk also? Mitteilsam wird es ebenfalls ab<br />

Mai, wenn mit EMSCHERKUNST das größte Kunstprojekt<br />

der „RUHR. 0 0“ beginnt: Die Emscherinsel<br />

inmitten des industriell gequälten, aber längst<br />

renaturierten Flusses wird von vierzig Künstlerinnen<br />

und Künstlern bespielt, darunter Rita McBride,<br />

Jeppe Hein, Tobias Rehberger und Tadashi Kawamata.<br />

Natürlich setzt man sich auch hier intensiv mit<br />

der Region auseinander, aber man erschrickt bei so<br />

viel Kunstwollen im public space – wenn Kunst an<br />

Schleusen, auf Industriebrachen oder Hobby-Ornithologenstationen<br />

ebenso zu finden sein wird, wie es<br />

singende Felsen, einen Community-Garden oder ein<br />

wanderndes Kasperletheater geben soll und man „zum<br />

Myths just Skin-Deep<br />

Translation: Brian Poole<br />

The advocates of the invention of the “Cultural Capital<br />

of Europe” never cease to remind us that it is more<br />

than a programme to support tourism forced upon<br />

us under the auspices of fine arts. But is that going to<br />

work in 0 0 with a total of three creative metropolises?<br />

In line for the title is not only the central area of<br />

Essen, which under the logo “RUHR. 0 0” has banded<br />

the entire Ruhr coal basin together under a slogan<br />

stolen from Karl Ernst Osthaus: “Change through<br />

Culture – Culture through Change”. Vying for this<br />

same title are also the southern Hungarian city of<br />

Pécs (Fünfkirchen) and particularly the truly transcontinental<br />

Istanbul, which, while endeavouring to<br />

become a member the European Community, would<br />

like to dispel suspicions of torture and to change the<br />

way it is perceived beyond its borders towards a more<br />

sustainable international profile.<br />

As expected, following the lead of Fritz Pleitgen,<br />

Managing Director of the “RUHR. 0 0 GmbH”, the<br />

people of the Ruhr area have tried just about everything<br />

to polish the image of the region – already a<br />

melting-pot of ore and migration – into something<br />

more closely resembling a multi-cultural art district<br />

by assimilating the most heterogeneous of artistic<br />

trends. Having survived the apocalyptic snowfall and<br />

the Ruhr hymn sung by Herbert Grönemeyer at the<br />

opening event, other projects such as the “Two to<br />

Three Streets” by Jochen Gerz remain to be experienced.<br />

This concept artist has created an environment<br />

perfectly suited to the self-proclaimed doctrines<br />

of the Ruhr, a work calling for the “creativity<br />

and authorship of the entire community”. In three<br />

boringly normal streets in Dortmund, Duisburg and<br />

Mülheim fifty participants from all over the globe<br />

have been offered rent free apartments for a year.<br />

During the year, these squatters as well as the visitors<br />

of the street shows are supposed to contribute<br />

to a text, due to be published in book form next<br />

year. So that’s a genuinely open work of art? Another<br />

conniption of communication is scheduled for<br />

May, when the EMSCHERKUNST, the largest of the<br />

RUHR. 0 0 art projects, begins; the Emscher Island<br />

in the middle of the industrially tortured but long<br />

since re-natured river will provide the stage for some<br />

forty artists, among them Rita McBride, Jeppe Hein,<br />

Tobias Rehberger and Tadashi Kawamata. Of course<br />

they will offer an intensive treatment of the region,<br />

but the thought of so much artistic intention in public<br />

space is frankly scary. You’ll find art at sluice gates<br />

and on industrial wastelands or at lookouts for hobby<br />

ornithologists, and there will be singing cliffs, a community<br />

garden, and a mobile puppet theatre inviting<br />

you to “come on and join in”.<br />

Mitmachen und Mitgestalten“ eingeladen wird. Der<br />

Pott setzt mit den Industrielandschaften von Bernd<br />

und Hilla Becher auch auf Bewährtes. Man meint, die<br />

kanonisierten Foto-Ikonen vergangener Schlotzeiten<br />

längst abgehakt zu haben, aber was Heinz Liesbrock<br />

vom Museum Quadrat Bottrop als „Bergwerke und<br />

Hütten“ zusammengestellt hat, konnte man so bislang<br />

einfach nicht sehen. Die meist unveröffentlichten<br />

und neu abgezogenen Prints zeigen mehr als<br />

die gewohnt nüchternen Bestandsaufnahmen von<br />

Zechen und Brachen, sie weiten den Blick hin auf<br />

menschlicheres Maß. Jetzt sieht man auch Büdchen,<br />

wechselt der Bleihimmel zu Blaunuancen – erstaunlich,<br />

diese Aufnahmen als soziale Manifeste lesen zu<br />

können. Die Schau ist Teil von „Mapping the Region“,<br />

dem Projekt, zu dem sich vierzehn der zwanzig unter<br />

dem neuen Etikett „RuhrKunstMuseum“ firmierenden<br />

Ausstellungshäuser zusammengebunden haben.<br />

In dem Versuch, die Region kulturell neu zu vermessen,<br />

stellt etwa Olaf Metzel im Duisburger Museum<br />

Küppersmühle für Moderne Kunst mit zwölf<br />

großen Rauminstallationen und Zeichnungen „noch<br />

Fragen?“ und wird Andreas Sieckmann im Gustav-<br />

Lübcke-Museum Hamm seine ab 996 entstandene<br />

Zeichenserie „Aus: Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung“ zeigen, die seinen Fokus auf die Ökonomisierung<br />

und Privatisierung des Öffentlichen in bewusste<br />

Simpelbilder transponiert. Bei so viel Neudefinitions-<br />

und Partizipationsgebaren im Ruhrgebiet<br />

ist es merkwürdig, dass sogar die Zielgruppe vor Ort,<br />

abgesehen vom zähen Ringen hinter den Kulissen,<br />

von der Großartigkeit des kulturellen Strukturwechsels<br />

gar nicht so viel mitbekommt. Trotz Pressegetöse,<br />

trotz drohender Sperrung der A 40 fürs Bürgerfest.<br />

Schon im März scheint die Kunst der „RUHR. 0 0“,<br />

wie so oft bei überinstrumentierten Mega-Events, ein<br />

wenig im medialen Hangover stecken zu bleiben.<br />

Auch Istanbul kam erst nach langen organisatorischen<br />

Krämpfen bei Schneeregen zur Eröffnung.<br />

Zwei Drittel der 70 Millionen Euro, die man für das<br />

Kulturhauptstadtjahr ausgibt, fließen in die Sanierung<br />

historischer Gebäude, und so finden zwar gut<br />

400 Einzelevents statt, aber die sollen tatsächlich nur<br />

touristischen Mehrwert für die Stadt am Bosporus<br />

generieren – etwas trostlos für die zeitgenössische<br />

Kunst. Wie an der Ruhr präsentiert man sich als offenes<br />

Zentrum im Wandel. „Lives and Works in Istanbul“<br />

ist eine Reihe mit Gastkünstlern, von denen<br />

der Österreicher Peter Kogler und die allerdings<br />

altbekannte Französin Sophie Calle die renommiertesten<br />

sind. Mit „Portable Arts“ will man „emerging<br />

artists“ in alle 9 Distrikte der türkischen Metropole<br />

bringen. Ansonsten wird, man muss es leider sagen,<br />

auf Booten gesungen und auf Moscheedächern getanzt.<br />

Immerhin sind nicht alle mit der Eventkultur<br />

zufrieden, wie Literatur-Nobelpreisträger Orhan<br />

Pamuk, der sein „Museum der Unschuld“, ein zentrales<br />

Projekt von „Istanbul 0 0“, wegen finanzieller<br />

Unregelmäßigkeiten beim Organisationskomitee<br />

Installation raumlaborberlin: Soap Opera,<br />

Foto: Matthias Horn, Courtesy: RUHR. 0 0<br />

With the industrial landscape pictures of Bernd and<br />

Hilla Becher the inhabitants of the Ruhr coal basin<br />

are relying on the tried and trusted. You would<br />

think that the canonized photo icons of yesteryear’s<br />

smokestacks are old hat. But what Heinz Liesbrock<br />

of the Museum Quadrat Bottrop has assembled under<br />

the title of “Mine Sites and Smelting Works” has<br />

never been so accessible before. These largely unpublished<br />

and freshly printed photos show us more than<br />

the typically sober surveys of mineshafts and fallow<br />

fields; they enlarge our view towards a more human<br />

dimension. Now we can also see huts, the ashen sky<br />

changing to a shade of blue – and it is truly amazing<br />

to read these images as social manifests. The exhibit<br />

is part of a “Mapping the Region” project in which<br />

fourteen of the twenty galleries cooperating under<br />

the label of “RuhrKunstMuseum” are participating. In<br />

an attempt to take stock of the region’s culture, Olaf<br />

Metzel will be exhibiting twelve room installations<br />

and the drawings “More Questions?” at the Museum<br />

“Küppersmühle for Moderne Kunst” in Dusiburg.<br />

At the Gustav-Lübcke-Museum in Hamm, Andreas<br />

Sieckmann will be showing drawings dating back as<br />

far as 996 from his series “From a Society of Limited<br />

Indemnity” which focus on the economization and<br />

privatization of the public sphere using intentionally<br />

simple images. With all this brandishing of new<br />

definitions of and participation in the Ruhr area it is<br />

odd that, beyond the embattled struggles behind the<br />

scenes, the intended audience on the ground hasn’t<br />

really witnessed much of the marvels of this structur-

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