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Hört! - Das Magazin für Kunst, Architektur und Design

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FOTO: © 1. PAUL KRAMER/GALERIE OEL-FRÜH, 2. COPYRIGHT VG- BILD-KUNST, BONN 2007<br />

HAMBURG<br />

Letzte<br />

<strong>Kunst</strong>tanke<br />

vor der<br />

Autobahn<br />

DIE GALERIE OEL-FRÜH FEIERT JUBILÄUM<br />

MIT EINEM BERLINER FOTOGRAFEN<br />

„Wahrscheinlich sind wir mal Hafencity“,<br />

sagt Carsten Rabe, „aber dann der östlichste<br />

Zipfel.“ Für die Umgebung gibt es schon<br />

einen Bebauungsplan. Noch wirkt diese Ecke<br />

von Rothenburgsort wie Niemandsland weit<br />

weg. Was natürlich Tinnef ist: Der Bus fährt<br />

zum Hauptbahnhof gerade mal 8 Minuten.<br />

Mit drei Fre<strong>und</strong>en hat Carsten Rabe vor zwei<br />

Jahren einen schmucklosen zweistöckigen<br />

Bau, ein ehemaliges Bürohaus, in eine Galerie<br />

umfunktioniert. Hier, direkt an der Zufahrt<br />

zu den Elbbrücken, sorgt der sechsspurig vorbeirauschende<br />

Verkehr <strong>für</strong> ein Dauerkonzert.<br />

Wendet man den Kopf, schaut man über<br />

den Billhafen in Richtung Hafencity bis zum<br />

Michel.<br />

Paul Kramer | Raum als eine Frage des Blickwinkels<br />

Die Galerie „Oel-Früh“ zeigt jährlich zwölf<br />

Ausstellungen. Ein Jour fixe <strong>für</strong> den Terminkalender:<br />

Die Eröffnungen finden immer<br />

am ersten Mittwoch eines Monats statt.<br />

Bespielt werden beide Stockwerke <strong>und</strong> der<br />

Keller, r<strong>und</strong> 110 Quadratmeter. Die vier Betreiber<br />

kuratieren im Wechsel: Kulissenbauer<br />

Frank Breker, <strong>Kunst</strong>historikerin Anna-Carla<br />

Melchert, Art Consultant Christopher Müller<br />

sowie Grafikdesigner <strong>und</strong> Künstler Carsten<br />

Rabe. Entsprechend vielseitig ist das Programm.<br />

Durch persönliche Kontakte hat sich<br />

der Schwerpunkt Osteuropa ergeben. Künstler<br />

aus Slowenien <strong>und</strong> Serbien – von ihnen<br />

würden die Galeristen gern mehr zeigen, die<br />

<strong>Kunst</strong>szene dort ist aufregend.<br />

Für den Dezember hat Anna-Carla Melchert<br />

den Berliner Fotografen Paul Kramer eingeladen<br />

(6.-18.12.). Der Künstler erforscht <strong>Architektur</strong><br />

<strong>und</strong> leere Räume, Plätze, Büros.<br />

In einem leerstehenden Leipziger Haus fing<br />

er die Tristesse verlassener Wohnungen ein,<br />

die von zurückgelassenen Deckenlampen nur<br />

noch gesteigert wird. Bei „Oel-Früh“ werden<br />

Fotoreihen zu sehen sein: drei bis vier Bilder,<br />

die denselben Raum zeigen, aber stets aus<br />

minimal anderer Perspektive. Neue Details<br />

rücken ins Bild, das Skulpturale der <strong>Architektur</strong>elemente<br />

tritt in den Vordergr<strong>und</strong>. Die Eröffnung<br />

am 5. Dezember (ab 19 Uhr) wird wohl<br />

eher eine große Party, denn gefeiert wird<br />

auch das zweijährige Jubiläum der Galerie.<br />

| MELANIE VON BISMARCK<br />

Brandshofer Deich 45, T. 780 72 139, www.oelfrueh.org<br />

BREMEN<br />

Gottesanbeterin<br />

<strong>und</strong> Waldmensch<br />

ERINNERUNGEN AN EINE GROSSE BILD-<br />

HAUERIN IM GERHARD MARCKS HAUS<br />

Als die Skulpturen noch aussahen als hätte<br />

man sie mit Blei gegossen, schrieb die <strong>Kunst</strong>geschichte<br />

gewichtige Namen. Einer von<br />

ihnen war Alberto Giacometti. Ein anderer<br />

benennt die <strong>für</strong> lange Zeit vergessene französische<br />

Bildhauerin Germaine Richier (1902-<br />

1959). Sie kannte den Schweizer <strong>und</strong> dessen<br />

Werk. Beiden gemein war die Vorliebe <strong>für</strong><br />

dürre <strong>und</strong> lang gezogene Extremitäten, <strong>für</strong><br />

das existentialistische Spiel mit der Fragilität<br />

der Figur. Im Gerhard Marcks Haus erinnert<br />

zur Zeit eine kleine Werkauswahl an die zu<br />

ihrer Zeit hoch anerkannte Germaine Richier,<br />

mit Plastiken aus den Jahren 1939 bis 1956<br />

sowie mit einigen ihrer Radierungen. Unter<br />

anderem illustrierte die Künstlerin Bücher<br />

von Jean-Arthur Rimbaud.<br />

Bis in die vierziger Jahre schuf die in Paris von<br />

einem Rodin-Assistenten ausgebildete Bildhauerin<br />

traditionelle, an einen neoklassizis-<br />

Ausstellungen o.T. 9<br />

tischen Stil angelehnte Büsten <strong>und</strong> Ganzfiguren.<br />

Ihr künstlerischer Umbruch fällt dann in<br />

die Kriegsjahre. Nicht nur verwandelt sich die<br />

Gestaltgebung ihrer Figuren, aus energisch<br />

durchgearbeiteten Plastiken werden fragile,<br />

wie durchbrochen wirkende Wesen mit porösen<br />

Häuten. Es sind die Objekte selbst, die auf<br />

Metamorphose <strong>und</strong> Verwandlung anspielen:<br />

die niedere Fauna wie Kröten <strong>und</strong> Fledermäuse<br />

sowie verstärkt Mischwesen aus Tier <strong>und</strong><br />

Mensch. Mit dem blatthändigen „L’Hommeforêt“<br />

(Der Waldmensch, 1945) <strong>und</strong> „La Mante“<br />

(Die Gottesanbeterin, 1946) verwandelt<br />

sie den Menschen in ein hybrides Naturwesen,<br />

das der Zivilisation entb<strong>und</strong>en sich tief<br />

in einen surrealistischen Traum begibt.<br />

Germaine Richier | La Fourmi (Die Ameise), 1953, Bronze<br />

Gleichwohl Richier mit dem Material zu experimentieren<br />

beginnt - unter anderem integriert<br />

sie Holzf<strong>und</strong>stücke in das Lehmmodell,<br />

fertigt sie weiterhin nach festen Regeln. Die<br />

Analyse von Form <strong>und</strong> Raum zählt ebenso<br />

wie der Gebrauch von Zirkel <strong>und</strong> Lot zu ihrer<br />

Produktionsweise. Wie auch andere Künstler<br />

ihrer Zeit stabilisiert sie ihre Figuren mitunter<br />

mit einem Gerüst aus langgezogenen<br />

Drähten, angedeutete Dimensionen eines<br />

virtuellen Raumes, der sie umgibt, aber auch<br />

Zeichen einer inneren Verstricktheit mit dem<br />

eigenen Schicksal. Nach der großen Berliner<br />

Richier-Retrospektive vor zehn Jahren bietet<br />

die Bremer Schau „...allein das Menschliche<br />

zählt“ nun erneut die Möglichkeit sich mit<br />

einem Klassiker der Nachkriegsavantgarde<br />

auseinanderzusetzen. Bis 17. 2. 2008.<br />

| WOLF JAHN<br />

Am Wall 208, 28195 Bremen, T. 0421 - 32 72 00, www.marcks.de

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