nullfuenfer_Darmstadt
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Unser Gast 33<br />
zubauen. In der Bundesliga aber, so sagte er,<br />
sei dies allemal diffiziler; es brauche, um solch<br />
eine Aufgabe anzunehmen, ein gerüttelt Maß<br />
an Abenteuerlust. Und keineswegs rannten im<br />
Umkehrschluss Profis dem SV <strong>Darmstadt</strong> 98<br />
die Bude ein. In einem Gespräch mit der FAZ<br />
scherzte Meier: „Wir können keinen Spieler<br />
hier in Handschellen vorführen und sagen: So,<br />
Kollege, das ist jetzt dein neuer Verein.“ Humor<br />
ist, wenn man trotzdem lacht.<br />
30 Spieler umfasst der Darmstädter Kader<br />
nun, in der Breite ist das opulent. Ein Profi<br />
erlebt gerade ein paar wunderbare Tage. Stürmer<br />
Antonio Colak, auf Leihbasis beim 1. FC Nürnberg<br />
oder in Kaiserslautern weder auffällig noch glücklich<br />
geworden und nun von 1899 Hoffenheim<br />
Tore, „das ist ein total positiver Junge mit viel<br />
Demut und einer Klasse-Einstellung. Und wenn er<br />
mal einen Arschtritt braucht, dann kriegt er den.“<br />
Wie das so ist im Fußball: Schon wird Colak<br />
mit Sandro Wagner verglichen, der in der Vorsaison<br />
mit 14 Toren einen enormen Anteil am Darmstädter<br />
Klassenerhalt verbuchte. Angeblich soll es ein gutes<br />
Omen sein, dass auch Wagner seine ersten beiden<br />
››DAS IST EIN TOTAL POSITIVER JUNGE<br />
MIT EINER KLASSE-EINSTELLUNG.‹‹<br />
Norbert Meier über Antonio-Mirko Colak<br />
Im Flutlicht des<br />
Böllenfalltors:<br />
Norbert Meier hat<br />
die Nachfolge von<br />
Doppelaufstiegscoach<br />
Dirk Schuster<br />
angetreten.<br />
eben an die „Lilien“ geborgt, schoss beim<br />
2:2 gegen Werder Bremen beide Tore. Eines<br />
per Elfmeter, eines mit einer sehenswerten<br />
Direktabnahme, die ein wenig an Marco van<br />
Bastens Treffer im EM-Endspiel von 1988 erinnert.<br />
Einen Scorerpunkt verdiente sich dabei<br />
der Vater des 23-jährigen Ludwigsburgers, der<br />
ihm riet, fortan nicht mehr lange zu fackeln,<br />
sondern direkt abzuschließen. Als braver Spross<br />
folgte Colak junior aufs Wort – und schenkte den<br />
Spielball als „schöne Erinnerung“ seiner Familie.<br />
„Da musst du schon ein bisschen selbstbewusst<br />
sein“, lobt Norbert Meier den Stürmer für dessen<br />
Tore für 98 am sechsten Spieltag erzielte, und –<br />
das kann doch wirklich kein Zufall sein – gegen<br />
Werder Bremen.<br />
Vier Tore haben die „Lilien“ bisher erzielt,<br />
zwölf hingenommen. Deren sechs allein Dortmund.<br />
Auffallend ist die Häufung der Gegentore direkt nach<br />
der Pause. So beim 1:1 gegen 1899 Hoffenheim<br />
(46. Minute, Kramaric), so beim 0:1 in Augsburg<br />
(47., Finnbogason), so auch beim 2:2 gegen<br />
Werder (51., Sané). Mittelfeldakteur Jerome<br />
Gondorf scherzte im Angesicht dessen, man werde<br />
sich in der Kabine fortan Energydrinks einflößen, um<br />
die Anfangsphase nicht zu verschnarchen.<br />
Die Partie gegen Werder offenbarte<br />
in Ansätzen den von Meier angestrebten<br />
Stilwechsel. Im Grunde aber ist 98 noch immer<br />
die reagierende Elf, die häufig unter Druck gerät.<br />
Die Frage, ob es seine Spieler stresse, stets<br />
hinter Ball und Gegner herzulaufen, kann Meier<br />
jedoch nicht verstehen. Von so etwas wolle er bei<br />
Fußballern, die sich in der Bundesliga präsentieren<br />
dürften, nichts hören. „Druck? Stress? Das<br />
hat vielleicht ein Familienvater, der zwei Kinder<br />
hat und arbeitslos ist. Der steht unter Druck –<br />
und dann wird daraus auch Stress.“<br />
In <strong>Darmstadt</strong> weiß man Wert und Bedeutung<br />
des Fußballs richtig einzuschätzen. Auch Präsident<br />
Rüdiger Fritsch trägt dazu bei, das Spiel nicht zu<br />
überhöhen. Ein Abstieg wäre wohl kein Drama.<br />
Doch natürlich will man ihn in <strong>Darmstadt</strong> vermeiden.<br />
Mit rast- und ruheloser Arbeit. Vielleicht<br />
braucht’s tatsächlich ein neues Wunder. Es soll sie<br />
immer wieder geben. Das meint zumindest Karin<br />
Ilse Witkiewicz.