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Der dressierte Mann - WikiMANNia

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sen Schutz sie völlig ungestört und unter sich leben können, und das sie in Höhen (vielmehr Tiefen) führt,<br />

wohin ihnen der <strong>Mann</strong> - mit Ausnahme der darauf spezialisierten Arbeitssklaven - nicht mehr folgen kann.<br />

»Sorgen Sie dafür, daß Ihre Lippenhaut geschmeidig bleibt«, rät beispielsweise eine renommierte Frauenzeitschrift<br />

einer Leserin, die über »zu tiefe« Lippenfalten klagt, »bürsten Sie Ihre Lippen täglich vorsichtig<br />

mit einer nassen Zahnbürste, und benutzen Sie mehrmals am Tag Lippenpomade. Nehmen Sie Lippenstifte<br />

ohne Perlmuttschimmer, sie setzen sich nicht so leicht in den Falten fest.« »Messen Sie nach«, befiehlt sie<br />

allen Frauen, »Ihr Beckenumfang darf Ihre Taillenweite um 25, den Brustumfang höchstens um acht Zentimeter<br />

übersteigen.« »Bürsten Sie Ihre Brauen immer erst in Form, bevor Sie sie nachstricheln. Malen Sie<br />

nie einen glatten Bogen, sondern stricheln Sie sorgfältig Härchen für Härchen. Ganz natürlich sieht es aus,<br />

wenn Sie direkt neben der Nasenwurzel fast senkrechte Striche malen und wenn Sie zwei Farben mischen,<br />

zum Beispiel Grau und Braun.« »Hängen Sie einen Spiegel in Ihre Küche: er hilft Ihnen kontrollieren, ob<br />

Sie beim Kochen unbewußt Grimassen schneiden oder Ihre Stirn in Falten legen, und er erinnert Sie auch,<br />

wenn Ihre Frisur sich aufgelöst hat.«<br />

Und die Frauen, für jede neue Spielregel dankbar (denn sie haben ja nicht genug Phantasie, selbst solche<br />

zu erfinden), führen alles gewissenhaft aus: messen ihren Beckenumfang, bürsten ihre Lippen, stricheln<br />

ihre Augenbrauen und hängen sich, zur Vermeidung von Denkfalten, kleine Spiegel in die Küche. Und<br />

wenn sie das getan haben, warten schon wieder neue Spielvorschläge: Es gibt heute tatsächlich Frauen, die<br />

ihre Brüste täglich zehn Minuten lang in kaltem Wasser baden (»Das macht sie straff«), die sich, ohne<br />

krank zu sein, jeden Morgen von Kopf bis Fuß einölen, die ihre Haare alle paar Tage auf mindestens dreißig<br />

Lockenwickler drehen und die allein für das Make-up ihrer Augen über eine halbe Stunde benötigen.<br />

Und da sie dank all dieser, in seinen Augen absurden Tätigkeiten dem <strong>Mann</strong> immer fremder, immer unberechenbarer<br />

-immer weiblicher - erscheinen, sind es häufig gerade diese Frauen, denen er sich am willigsten<br />

versklavt.<br />

Inzwischen geht das Spiel immer weiter. Wer mitspielen will, wer den Anschluß an die Clique nicht verlieren<br />

möchte, muß immer neue Regeln beachten, denn die Anforderungen, die die Frauen gegenseitig an sich<br />

stellen (die Männer sind aus dem Spiel längst ausgeschieden), werden enorm, die Unterhaltungsmöglichkeiten<br />

mit dem eigenen Körper sind ins Unendliche gewachsen und nehmen von Tag zu Tag weiter zu.<br />

Dabei ist es natürlich unvermeidbar, daß viele Frauen halbwegs auf der Strecke bleiben und sich wieder<br />

vornehmlich den Amüsements des Haushalts zuwenden. Es entstehen, durch das unterschiedliche Einkommen<br />

der Männer bedingt, Klassenunterschiede zwischen sehr gut, gut und weniger gut maskierten<br />

Frauen, wobei die ersteren allen anderen als Idole dienen und ihnen durch ihre perfekte Maskerade, die sie<br />

über ihre speziellen Publikationsorgane ständig überwachen, eine Art Ersatzbefriedigung bieten.<br />

Doch auch für die nur mittelmäßig maskierte Frau werden die Spielregeln immer komplizierter: Zum<br />

Schwimmen beispielsweise geht sie nur noch mit wasserfestem Spezial-Make-up, sorgfältig enthaarten<br />

Beinen und Achselhöhlen, eingefettetem Körper und mit unter der von Gummiblüten übersäten Bademütze<br />

aufgedrehten Haaren; vor der Fahrt zum Supermarkt pflegt sie sich zumindest mit mattschimmernder Tagescreme,<br />

einem Tupfer Rouge und hellbrauner Wimperntusche; bei Beerdigungen nimmt sie zur schwarzen<br />

Mantilla eine besonders helle Teintgrundierung und fast unsichtbaren Lippenstift; und das Schminken<br />

und Ankleiden für eine ganz gewöhnliche Cocktailparty, die sie vielleicht nach ein paar Minuten schon<br />

wieder verläßt, beansprucht inzwischen Stunden. Wo sie früher einen einzigen Lidschatten auftragen mußte,<br />

nimmt sie jetzt drei (etwa weiß, gold und grün), ihre Lippen pflegt sie mit Lippenpomade, Konturenstift,<br />

Perlmuttstift und Puder, ihre falschen Wimpern werden nicht mehr en bloc aufgeklebt, sondern Wimper<br />

für Wimper (»Das wirkt natürlicher«), und in die eigene Frisur wird immer häufiger ein falsches Haarteil<br />

eingeflochten, das selbstverständlich, genau wie das eigene Haar, immer frisch gereinigt und gelockt<br />

sein muß. Allein für das Make-up von Augen und Augenbrauen braucht eine Frau folgendes: ein Band<br />

falscher Wimpern, Spezialkleber und Pinzette für das Befestigen dieser Wimpern, Mascarastift, Wimperntusche,<br />

Eyeliner, Lidschatten (drei Farben), Brauenstifte (zwei Farben), Brauenpuder mit abgeschrägtem<br />

Pinsel, Brauenbürstchen, ölhaltige Pads für das Abschminken und Spezialaugen-creme.<br />

Und den Männern, die ihre Göttinnen zwar göttlich mögen (fremd, schillernd, das heißt weiblich), aber<br />

nicht mit zusehen wollen, wie sie Stunden um Stunden sklavisch vor dem Spiegel verbringen, wird es bei<br />

dieser Entwicklung immer unbehaglicher. Denn genau wie bei der Hausarbeit, die in ihren Augen gegen<br />

die menschliche Würde verstößt und von der sie nicht glauben können, daß sie ihren Frauen Vergnügen<br />

verschafft, können sie dies auch von der Kosmetik nicht annehmen. Jeder <strong>Mann</strong> weiß zwar von sich selbst,<br />

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