Der dressierte Mann - WikiMANNia
Der dressierte Mann - WikiMANNia
Der dressierte Mann - WikiMANNia
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Doch er wird enttäuscht sein: Statt daß die Frau jetzt anfängt, ein Leben des Geistes zu führen, sich um<br />
Politik, Geschichte oder die Erforschung des Weltraums zu kümmern, verwendet sie die gewonnene Zeit<br />
darauf, Kuchen zu backen, Unterwäsche zu bügeln, Rüschchen zu nähen oder, wenn sie ganz unternehmungslustig<br />
ist, die sanitären Einrichtungen des Badezimmers mit Blümchengirlanden zu bekleben.<br />
Da der <strong>Mann</strong> glauben muß (beziehungsweise da die Frau ihn glauben macht - denn welcher <strong>Mann</strong> legt<br />
schon wirklich Wert auf gebügelte Unterwäsche, Blümchenmuster oder Kuchen, der nicht vom Konditor<br />
kommt?), das alles brauche man zum Leben, gehöre zumindest zur Kultur, erfindet er den Bügelautomaten<br />
für sie, den gebrauchsfertigen Kuchenteig, den industriell verzierten Klosettpapierhalter. Aber die Frau<br />
fängt noch immer nicht an, etwas zu lesen, sie kümmert sich noch immer nicht um Politik, und die Erforschung<br />
des Universums läßt sie absolut ungerührt. Die Zeit, die sie gewonnen hat, kommt ihr gerade recht:<br />
Endlich kann sie sich jetzt um sich selbst kümmern. Und weil ihr bekanntlich Sehnsucht nach geistigen<br />
Dingen fremd ist, versteht sie darunter natürlich ihre äußere Erscheinung.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Mann</strong>, der die Frau liebt und nichts sehnlicher wünscht als ihr Glück, macht auch dieses Stadium mit:<br />
Er produziert für sie den kußechten Lippenstift, das tränenfeste Augen-Make-up, die Heimdauerwelle, die<br />
bügelfreie Rüschchenbluse, die Unterwäsche zum Wegwerfen. Dabei hat er immer noch das gleiche Ziel<br />
vor Augen: daß das alles einmal ein Ende nehmen wird, daß alle spezifisch weiblichen, ihm fremden, also<br />
»höheren« Lebensbedürfnisse der »von Natur aus empfindlicheren, sensibleren« Frau - wie er glaubt -<br />
erfüllt sein werden und sie aus ihrem Leben endlich das macht, was er einzig und allein für lebenswert<br />
hält: das Leben eines freien <strong>Mann</strong>es.<br />
Und er wartet. Da die Frau nicht von allein zu ihm kommt, beginnt er sie in seine Welt zu locken: Er propagiert<br />
Koedukation auf den Schulen, um ihr von klein an seinen Lebensstil vorzuführen. Er holt sie mit<br />
allen möglichen Ausreden auf seine Universitäten, «m sie in die von ihm entdeckten Geheimnisse einzuweihen<br />
und in der Hoffnung, sie gewänne durch direkte Anschauung Geschmack an den großen Dingen.<br />
Er verschafft ihr Zugang auch zu den letzten Ehrenämtern, die er bisher noch exklusiv ausgeübt hat (gibt<br />
dabei ihm heilige Traditionen auf), und animiert sie zur Wahrnehmung ihres politischen Wahlrechts, damit<br />
sie die von ihm ausgeklügelten Systeme der Staatsverwaltung nach ihren Vorstellungen verändern kann<br />
(vielleicht erhofft er sich in der Politik von ihr sogar den Frieden, denn er schreibt ihr ja pazifistisches Charisma<br />
zu).<br />
Er ist so konsequent und verbissen bei seiner vermeintlichen Aufgabe, daß er nicht merkt, wie lächerlich er<br />
sich macht. Lächerlich nach seinen eigenen Maßstäben, nicht nach denen der Frau: Diese ist unfähig, Abstand<br />
zu gewinnen, und deshalb völlig humorlos.<br />
Nein, die Frauen lachen nicht über die Männer. Sie könnten höchstens eines Tages ärgerlich über sie werden.<br />
Noch erscheinen die alten Fassaden - Haushalt, Versorgung der Kinder -, mit denen sie ihren Verzicht<br />
auf eine geistige Existenz kaschieren, nach außen hin nicht baufällig genug, um den vorzeitigen Abgang<br />
der Mädchen aus den Hochschulen und ihren Verzicht auf die anspruchsvolleren Berufe nicht wenigstens<br />
pro forma zu rechtfertigen. Wie wird es aber sein, wenn die Hausarbeit noch mehr automatisiert ist, wenn<br />
es wirklich genug gute Kindertagesstätten gibt oder wenn die Männer gar entdecken - was eigentlich längt<br />
fällig wäre -, daß man zum Leben Kinder überhaupt nicht braucht?<br />
Wenn der <strong>Mann</strong> nur einmal in seiner blinden Aktivität einhalten und Bilanz ziehen würde, so müßte er<br />
feststellen, daß seine Bemühungen um die geistige Belebung der Frau ihn nicht einen Schritt weitergebracht<br />
haben. Daß die Frau zwar von Tag zu Tag geputzter, gepflegter und »kultivierter« wird, daß sie aber<br />
immer nur höhere materielle Ansprüche an ihr Leben stellt und niemals geistige.<br />
Hat sie zum Beispiel seine Art zu denken, die er auf seinen Hochschulen lehrt, je zur Entwicklung eigener<br />
Theorien verleitet? Hat sie seine Forschungsinstitute, die er für sie geöffnet hat, jemals für eigene Forschungen<br />
in Anspruch genommen? - Es müßte dem <strong>Mann</strong> allmählich auffallen, daß die Frau all die wundervollen<br />
Bücher, die er ihr in seinen Bibliotheken zur Verfügung stellt, einfach nicht liest. Daß seine<br />
phantastischen Kunstwerke, die er ihr in seinen Museen zeigt, sie bestenfalls zur Imitation anregen. Daß all<br />
die Aufrufe zur Selbstbefreiung, die er ihr in Filmen und Theaterstücken auf ihrem eigenen Niveau in ihrer<br />
eigenen Sprache nahebringen will, von ihr immer nur nach ihrem Unterhaltungswert beurteilt werden und<br />
sie nie, aber auch wirklich nie zur Revolte verleiten.<br />
Es ist ganz logisch, daß der <strong>Mann</strong>, der die Frau für seinesgleichen hält und dabei mit ansehen muß, was für<br />
ein stupides Leben sie neben ihm führt, glaubt, er unterdrücke sie. Doch solange man sich erinnert, ist die<br />
Frau nicht mehr zu irgendeiner Unterwerfung unter den Willen des <strong>Mann</strong>es gezwungen worden, im Ge-<br />
7