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Miteinander leben und lernen - Waldorf-net

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Im Jahr 1924 hielt Steiner dann seinen „Heilpädagogischen Kurs“ <strong>und</strong> stellte gleich im ersten Vortrag klar,<br />

dass es keinen Sinn macht, „über die Normalität oder Abnormalität des kindlichen Seelen<strong>leben</strong>s oder<br />

menschlichen Seelen<strong>leben</strong>s überhaupt zu reden“. Denn in jedem Menschen sitzt „irgendwo in einer Ecke<br />

eine sogenannte Unnormalität“. Auch hierin war Steiner also – zu einer Zeit, in der behinderte Menschen<br />

noch als „minderwertig“ gesehen wurden – Vorreiter moderner Ansichten. Er entwickelt in seinem Kurs<br />

dann eine Systematik, wie man Behinderungen nicht als medizinische „Defekte“ zu sehen hat, sondern als<br />

Verstärkung von Tendenzen, die jeder Mensch auch in sich hat <strong>und</strong> spürt. Damit beginnt für den Lehrer die<br />

Möglichkeit, zu verstehen <strong>und</strong> zu helfen.<br />

In einer überschaubaren Umgebung können sich Kinder individueller aus<strong>leben</strong>. Wir haben uns daher, wie<br />

auch einige vergleichbare <strong>Waldorf</strong>-Förderschulen, für ein Konzept entschieden, das die wichtigsten<br />

Förderschwerpunkte übergreift. Dadurch können die Kinder sich in ihrer Verschiedenheit w<strong>und</strong>erbar<br />

ergänzen <strong>und</strong> helfen. Ein verhaltensauffälliges Kind, dem der Konkurrenzdruck an einer Regelschule<br />

enormen Stress gemacht hat, entdeckt plötzlich ganz andere Seiten an sich, wenn es einem Kind mit Down-<br />

Syndrom helfen kann. Wer hilft hier wem? Die Hilfe ist gegenseitig, auch wenn es den Kindern nicht<br />

bewusst wird.<br />

Ein künstlerischer Unterricht, den der Lehrer mit Blick auf die verschiedenen Kinder vielfältig variiert, aber<br />

so, dass immer auch das Gemeinschaftser<strong>leben</strong> erhalten bleibt: dies wirkt selbst „heilend“ auf die Kinder.<br />

Denn die Behinderungen der Kinder sind ja nur Einseitigkeiten der Persönlichkeitsausprägung, wie sie jeder<br />

von uns in leichterer Form auch an sich hat.<br />

2.3 Unsere besondere Schule<br />

Der Unterricht ist an unserer Ganztagsschule in den gemeinsamen Schulalltag eingebettet. So wird die<br />

Schule für die Kinder zu ihrem „Haus des Lernens“. Schon die gemeinsamen Mahlzeiten mit allem was dazu<br />

gehört – den Tisch decken, das Essen austeilen <strong>und</strong> servieren, Geschirr spülen, Zähne putzen, gelegentlich<br />

auch selber kochen – bieten viele wertvolle Lernmöglichkeiten <strong>und</strong> geben den Kindern ein Alltags-„Gerüst“.<br />

Ein weiteres wichtiges Element ist die Pflege der Gemeinschaft nicht nur in der Klasse, sondern darüber<br />

hinaus. Dem dient der gemeinsame tägliche Morgenkreis, zu dem sich alle Kinder <strong>und</strong> Erwachsenen vor<br />

Unterrichtsbeginn einfinden. Es wird gesungen, gebetet, es werden Geburtstage angesagt <strong>und</strong> Besuch<br />

begrüßt. Die gemeinsame Verehrung des Göttlichen, das gemeinsame Ernstnehmen des Wichtigen im Alltag<br />

ermöglicht nicht nur für die Kleinen das Ankommen in ihrer Schule, er wird auch, wenn es authentisch ist,<br />

von den großen Schülern mitgetragen – <strong>und</strong> erneuert so jeden Tag die Schulgemeinschaft.<br />

Das Pendant zum Morgenkreis ist der Schlusskreis zum Abschluss des Schultages, der einen leichteren<br />

Charakter hat. Man trifft sich noch einmal kurz, um sich gegenseitig wahrzunehmen <strong>und</strong> besondere<br />

Ereignisse des erlebten Tages zu nennen oder stolz fertiggestellte Werkstücke zu zeigen.<br />

Bei den sogenannten Monatsfeiern, einem traditionellen <strong>Waldorf</strong>element, zeigen die Klassen sich in Form<br />

kleiner Aufführungen, was sie in letzter Zeit erarbeitet haben. Das täglich in Morgen- <strong>und</strong> Schlusskreis<br />

geübte gegenseitige Wahrnehmen der Klassen bewährt sich hier <strong>und</strong> führt zur Vertiefung der Erfahrung als<br />

Schulgemeinschaft.<br />

Die einmal jährliche Klassenfahrt ca. ab der 3. Klasse verstärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl in der<br />

Klasse. Einige Tage bis zu mehreren Wochen ohne die Eltern im Kreise ihrer Fre<strong>und</strong>e zu verbringen, ist für<br />

die Kinder eine beglückende Erfahrung <strong>und</strong> führt sie in die Selbstständigkeit.<br />

Weitere Glanzpunkte im Schulalltag sind die innerhalb der Klasse <strong>und</strong> der Schulgemeinschaft würdig<br />

gestalteten Jahresfeste (hierzu dient auch der in jeder Klasse gepflegte „Jahreszeitentisch“) wie Ostern,<br />

Himmelfahrt, Pfingsten, Johanni, Michaeli, Martini, Advent, Weihnachten, die Dreikönigszeit <strong>und</strong> last but<br />

not least der Karneval. In Klassen, in denen Kinder anderer Religionsbekenntnisse sind, werden, wenn<br />

Kinder oder Eltern dies hereintragen, auch z.B. muslimische Traditionen beachtet.<br />

In Absprache mit den Eltern nehmen die Kinder am überkonfessionellen christlichen Religionsunterricht teil,<br />

der von dazu qualifizierten Lehrkräften gegeben wird.<br />

Zur alltäglichen Schulgemeinschaft gehören außer den Kindern <strong>und</strong> den Lehrkräften auch die jungen<br />

Menschen, die bei uns den B<strong>und</strong>esfreiwilligendienst oder das Freiwillige Soziale Jahr machen. Teilweise<br />

sind sie als Integrationskraft einem Kind an die Seite gestellt, das besondere Hilfen benötigt, um sinnvoll am<br />

Unterricht teilnehmen zu können. Die meisten unserer jungen Helferinnen <strong>und</strong> Helfer haben aber die<br />

Aufgabe, den Unterricht zu unterstützen, indem sie wie der „verlängerte Arm der Lehrkraft“ den Kindern<br />

dabei helfen, die Unterrichtsinhalte individuell tätig umzusetzen.<br />

2.4 Unterstufe (Klasse 1 bis 4)<br />

In den ersten beiden Schuljahren <strong>lernen</strong> die Kinder an unserer Schule auf sehr spielerische <strong>und</strong> gemütvolle<br />

Weise. Sie tauchen ein in die Welt der Märchen <strong>und</strong> Geschichten, der Tag ist von Liedern, Fingerspielen <strong>und</strong><br />

kleinen Ritualen durchzogen. Staunend <strong>lernen</strong> sie durch Bilder <strong>und</strong> Geschichten die ersten Formen <strong>und</strong><br />

Buchstaben kennen <strong>und</strong> erfahren sie sinnlich durch große Bewegungen, indem sie sie auf dem Fußboden<br />

ablaufen, groß an der Tafel malen <strong>und</strong> schließlich mit Bienenwachsblöckchen ins Heft malen.<br />

Schulprofil der Johanna-Ruß-Schule • S. 5

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