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Verkehrsstrafrecht Ordnungswidrigkeiten

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<strong>Verkehrsstrafrecht</strong><br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />

Aktuelles <strong>Verkehrsstrafrecht</strong> 2011<br />

Rechtsanwalt Wolfgang Ferner, Heidelberg/Koblenz<br />

wferner@ferner.de<br />

Rommersheim/Koblenz November 2011<br />

V 5.11<br />

Das Manuskript wird regelmäßig aktualisiert. Neuere Versionen finden Sie<br />

unter den Webseiten www.ferner.de (Beiträge)


Literaturliste<br />

Ausgewertete Zeitschrift<br />

1. Straßenverkehrsrecht (SVR)<br />

2. Deutsches Autorecht (DAR)<br />

3. Der Verkehrsanwalt<br />

4. Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV)<br />

5. Strafverteidiger (StV)<br />

6. Strafverteidiger Forum (StraFo)<br />

7. Verkehrsrechtsreport (VRR)<br />

8. Verkehrsrecht Aktuell (VA)<br />

9. Verkehrsrechtssammlung (VRS)<br />

10. Zeitschrift für das Juristische Studium (ZJS)<br />

11. Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS)<br />

12. Zeitschrift für Schadenrecht (zfs)<br />

13. zjs<br />

14. zis<br />

15. hrrs<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Übersicht über einige Interessante Beiträge in Zeitschriften<br />

Bode, Absolutes Alkoholverbot für Fahranfänger, zfs 2007, 488<br />

Burhoff, Aktuelles zur Geschwindigkeitsüberschreitung, Vorsatz,<br />

Fahrlässigkeit, Identifizierung, VA 2011, 142<br />

Demandt, Lichtbildidentifizierung im <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren, SVR<br />

2009, 379<br />

Janker Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen (§ 24c<br />

StVG) – Grundlagen und Verteidigungsansätze, SVR 2008, 378<br />

Janker, Punktereduzierung durch Teilnahme an Aufbauseminaren oder<br />

verkehrspsychologische Beratung – Voraussetzungen und Inhalt, DAR<br />

2008, 166<br />

Krell, Das Alkoholverbot für Fahranfänger SVR 2007, 321<br />

Sturzbecher, Bisherige Maßnahmen zur Erhöhung der<br />

Fahranfängersicherheit, BA 2011, 218<br />

Bücher von Wolfgang Ferner<br />

Wolfgang Ferner: Der neue Bußgeldkatalog, 10 Auflage<br />

Wolfgang Ferner: Strafzumessung<br />

Wolfgang Ferner: Praxistools Verkehrsrecht<br />

Ferner/Xanke: Drogen im Straßenverkehr<br />

Ferner: Strategie und Taktik in verkehrsrechtlichen OWi-Verfahren<br />

Wolfgang Ferner (Hrsg.): Praxismodul Verkehrsrecht<br />

Ferner: Kommentar zum OWiG<br />

Ferner (Hrsg.): Kommentar zur StVO<br />

Lütkes/Ferner/Kramer: Straßenverkehrsrecht (10 Bände, Loseblatt)<br />

Ferner/Bachmeier/Müller: Fachanwaltskommentar Verkehrsrecht<br />

Ferner (Hrsg.): Handbuch Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2005, Nomos Verlag<br />

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Inhaltsverzeichnis<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

I. Begriffe und Definitionen 5<br />

II. Strafzumessung 7<br />

1. Grundsätze der Strafzumessung 7<br />

2. Strafzumessung in Bußgeldverfahren 8<br />

3. Besonderheiten 10<br />

III. Jugendstrafrecht 11<br />

1. Anwendung von Jugendstrafrecht 11<br />

2. Strafzumessung bei Jugendlichen 11<br />

IV. StGB – allgemeiner Teil 12<br />

1. Entziehung der FE, § 69 StGB 12<br />

2. Isolierte Sperrfrist und die Regel des §69a StGB 18<br />

V. Straftatbestände 23<br />

1. Bedeutender Schaden 23<br />

2. Fahrlässige Körperverletzung 24<br />

3. Fahrlässige Tötung 25<br />

4. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 28<br />

5. Fahren ohne Fahrerlaubnis 32<br />

6. Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer § 316a StGB 36<br />

7. § 315c StGB, Straßenverkehrsgefährdung 37<br />

8. Alkohol und Drogen 43<br />

9. Nötigung 44<br />

VI. Verfahrensrecht 46<br />

1. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis § 111a StPO 46<br />

2. Entbindung von der Pflicht in der Hauptverhandlung zu erscheinen 50<br />

3. Terminierung und Verwerfung des Einspruchs 63<br />

4. Akteneinsicht 67<br />

1. Umfang der Akteneinsicht 68<br />

1.1. Bedienungsanleitung 68<br />

1.2. Lebensakte 69<br />

1.3. Akteneinsicht des Sachverständigen 69<br />

1.4. Name des Messbeamten 69<br />

1.5. Digitale Kopie des Messfotos 69<br />

Seite 3 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

1.6. Einsicht am Ort der Verwaltungsbehörde 70<br />

1.7. Mögliche Folge der Weigerung 70<br />

1.8. Verfahren bei Ablehnung 70<br />

• Identifizierung anhand von Lichtbildern. 70<br />

Identifikation in der Verhandlung 71<br />

1.9. Gutachten 71<br />

1.10. Ladung des Sachverständigen 73<br />

1.11. Notwendige ergänzende Angaben 73<br />

2.6. Beweisantrag 74<br />

2.7. Urteil: 74<br />

Bezugnahme 75<br />

Identifizierung und Personalausweis 77<br />

1.12. Rechtsbeschwerde 77<br />

Checkliste zur Fahreridentifizierung 77<br />

Durchsuchung 81<br />

2. Ergänzung eines Urteils 81<br />

Aktenversendungspauschale 82<br />

Portopauschale und Aktenversendung 83<br />

Video- und Bildaufzeichnungen im Straßenverkehr 83<br />

§ 81a StPO 90<br />

1. Grundsatz der Öffentlichkeit 100<br />

VII. Einzelne <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> 100<br />

1. Alkohol und Fahranfänger 100<br />

3. Handyverbot, § 23 Abs. 1a StVO 102<br />

4. Anlegen des Sicherheitsgurt § 21a Abs. 1 S. 1 StVO 107<br />

5. Fahrverbot 107<br />

VIII. ergänzende Anmerkungen 144<br />

1. Punkte 144<br />

2. Mitteilung der Staatsanwaltschaft an das KBA 145<br />

3. Fahrtenbuch 147<br />

4. Medizinisch-psychologische Untersuchung 147<br />

2. Verwaltungsrecht 149<br />

Seite 4 von 150


I. Begriffe und Definitionen<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Öffentlicher Verkehrsraum<br />

Das AG hat den Betroffenen wegen Verkehrsunfallflucht und Führen eines<br />

Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 50<br />

Tagessätzen verurteilt und eine Sperrfrist von noch sechs Monaten<br />

angeordnet. Sowohl unerlaubtes Entfernen vom Unfallort als auch Fahren<br />

ohne Fahrerlaubnis ist nur im öffentlichen Straßenverkehr möglich.<br />

Öffentlicher Verkehrsraum ist nur gegeben, wenn entweder ausdrücklich<br />

oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten<br />

jedermann oder aber zumindest eine bestimmte größere Personengruppe<br />

den Bereich zum Verkehr nutzen können und dieser auch tatsächlich<br />

genutzt wird. Öffentlicher Verkehr liegt auch vor, wenn für die Zufahrt eine<br />

Parkerlaubnis oder ein Nutzungsentgelt verlangt wird.<br />

Entscheidend ist, wie eng der Kreis der Berechtigten umschrieben wird.<br />

Privat- und Werksgelände, mit einer Einfriedung oder einer<br />

Zugangsbeschränkung durch Einlasskontrolle kann den Charakter der<br />

Öffentlichkeit nehmen. Stellt das Gericht fest, dass ein Hof durch ein Tor<br />

gesichert ist und die dahinter liegenden Wohnungen mit einem Schlüssel<br />

zu diesem Tor (4 Mieter) ausgestattet sind, der letzte Mieter am Abend in<br />

der Regel das Tor schließt und der erste Mieter am Morgen das Tor öffnet,<br />

sprechen die Umstände eher gegen öffentlichen Straßenverkehr als<br />

dafür. Aus solchen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass der Bereich<br />

der Allgemeinheit zugänglich ist und von einem entsprechenden zufälligen<br />

Personenkreis auch tatsächlich genutzt wird. Dagegen spricht schon die<br />

Abtrennung des Mieterparkplatzes mit einer Sperre von der Straße und<br />

der Umstand, dass offenbar jedem Mieter ein gesonderter Parkplatz<br />

zugewiesen ist. Auch der Umstand, dass Besucher der Mieter deren<br />

Parkplatz nutzen können, spricht nicht für einen öffentlichen Parkplatz.<br />

Denn solche Besucher wären kein „zufälliger Personenkreis“.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 4.3.2008, 2 Ss 33/08 = NZV 2008, 257 =<br />

VRS 114, 273 = zfs 2008, 351 = VRR 2008, 230<br />

Führen eines Kraftfahrtzeuges:<br />

Nicht tatbestandsmäßig ist auch das Wegschieben eines Fahrzeuges per<br />

Hand, OLG Koblenz, VRS 49, 366; Anders soll es sein, wenn das<br />

Anschieben erfolgt mit dem Zweck, den Motor zu starten, OLG Karlsruhe,<br />

DAR 1983, 365. Der Fahrschüler ist nicht Fahrer, BGH, NJW 1962, 869<br />

(gilt aber nur für § 21 StVG). Die Begleitperson im begleiteten Fahren ist<br />

ebenfalls nicht Fahrzeugführer, Albrecht SVR 2005, 281<br />

Führen eines Kraftfahrtzeuges ohne den Motor in Bewegung zu setzen ist<br />

nicht möglich, BGHSt. 35, 390 = NZV 1989, 32<br />

Unfall<br />

Seite 5 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Unfall setzt ein plötzliches Ereignis im Straßenverkehr voraus, bei dem<br />

ein verkehrstypisches Schadenrisiko sich realisiert. Dies ist nicht der Fall,<br />

wenn das Schadenereignis schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild<br />

folge einer deliktischen Planung ist. Dies gilt beispielsweise, wenn der<br />

Täter zielgerichtet und gewollt auf einen Lichtmast zufährt.<br />

Unfall<br />

Ein Unfall ist ein plötzliches Ereignis im Straßenverkehr, das mit den<br />

Gefahren des Straßenverkehrs in ursächlichem Zusammenhang steht.<br />

Wirken alle Beteiligten zusammen, liegt ein Unfall im Sinne von § 142<br />

StGB nicht vor.<br />

Voraussetzung ist, dass ein Schaden eingetreten ist, Bagatellschäden<br />

zählen nicht hierzu. Ein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung<br />

zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche entfällt dann, wenn wegen der<br />

Geringfügigkeit des Schadens die zwischen den Beteiligten entstandenen<br />

Rechtsbeziehungen so unbedeutend sind, dass Ersatzansprüche nicht<br />

geltend gemacht werden (OLG Nürnberg, NZV 2007, 537).<br />

Das ist der Fall, wenn der Geschädigte den Schaden vernünftigerweise<br />

nicht beseitigen wird und eine nennenswerte Wertminderung nicht<br />

eingetreten ist. Der Schwellenwert dürfte bei 50,00 € liegen.<br />

Der bedeutende Sachschaden liegt dagegen bei 1.300,00 € mit einer<br />

Tendenz Richtung 1.500,00 € (LG Hamburg, Beschluss vom 1.2.2007,<br />

603 Qs 54/07; AG Saalfeld DAR 2005, 52).<br />

Führer eines Kraftfahrzeuges ist, wer bei laufendem Motor noch mit der<br />

Bewältigung von Verkehrsvorgängen befasst ist. Dies ist auch der<br />

Taxifahrer bei laufendem Motor, z. B. beim Kassieren des Fahrpreises.<br />

Eine Verurteilung nach § 316a StGB setzt jedoch voraus, dass der Angriff<br />

unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs<br />

erfolgt. Dies ist, je nach Verkehrssituation, bei einem haltenden Taxifahrer<br />

nicht mehr der Fall. Nicht ausreichend ist die Tatsache, dass der Motor<br />

des Fahrzeuges noch läuft und damit der Fahrer diesem Umstand<br />

besondere Aufmerksamkeit widmen muss. Hierzu kommen müssen<br />

vielmehr weitere verkehrsspezifische Umstände, die die<br />

Verteidigungsmöglichkeiten des Fahrzeugführers einschränken.<br />

BGH, Urteil vom 23.2.2006, 4 StR 444/05 = SVR 2006, 388 = NZV 2006,<br />

431 = BA 2006, 482 = SVR 2007, 388<br />

Seite 6 von 150


II. Strafzumessung<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Burmann, Höhere Geldbußen – ein geeignetes Steuerungsmittel?, DAR<br />

2007, 185<br />

Fromm, Die Bedeutung der Zumessungsvorschrift des § 17 Abs. 4 OWiG<br />

am Beispiel von Verstößen gegen das Fahrpersonalrecht, VRR 2009, 408<br />

1. Grundsätze der Strafzumessung<br />

Strafzumessung Schweigen<br />

Der Betroffene war wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer<br />

Geldbuße von 200,00 € verurteilt worden. In dem Urteil war ausgeführt,<br />

dass durch das Schweigen die Aufklärung des Sachverhalts erschwert<br />

wurde.<br />

Die Rechtsbeschwerde kann zugelassen werden, wenn das Urteil<br />

Rechtsfehler aufweist, die eine grundsätzliche Frage betreffen und der<br />

Fortbestand des Urteils zu einem schwer erträglichen Unterschied in der<br />

Rechtsprechung führen würde. Dies ist insbesondere der Fall, wenn zu<br />

besorgen ist, dass der Tatrichter ohne höchstrichterliche Entscheidung<br />

seine rechtsfehlerhafte Praxis in gleichgelagerten Fällen fortsetzt.<br />

Betroffene sind gem. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO zu Beginn einer jeden –<br />

auch richterlichen – Vernehmung auf ihr Schweigerecht hinzuweisen.<br />

Dabei dürfen sie nicht befürchten, dass sich dies zu ihren Lasten auswirkt.<br />

KG, Beschluss vom 11.6.2010, 3 Ws (B) 270/10 = NJW 2010, 2900 = VA<br />

2010, 158<br />

Strafrahmen<br />

Bei der Strafzumessung muss das Gericht zu erkennen geben, von<br />

welchem Strafrahmen es ausgegangen ist. Dies gilt insbesondere, wenn<br />

dargestellt werden muss, ob von einem gemilderten Strafrahmen gem. §<br />

49 Abs. 1 StGB ausgegangen werden soll.<br />

Die Begründung einer Strafe muss stets so erfolgen, dass dem<br />

Revisionsgericht die sachlich rechtliche Nachprüfung möglich ist. Dabei<br />

braucht der Tatrichter im Urteil zwar nur die Umstände aufzuführen, die für<br />

die Strafzumessung bestimmend sind, es ist aber fehlerhaft, wenn der<br />

Tatrichter Umstände außer Acht lässt, die für die Beurteilung wesentlich<br />

sind. So sollte sich ein eventuelles Geständnis oder eine Entschuldigung<br />

bei dem Geschädigten im Urteil wiederfinden.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 18.11.2010, 1 Ss 149/10=SVR 2011, 265<br />

Seite 7 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

2. Strafzumessung in Bußgeldverfahren<br />

Höhe des Bußgeldes<br />

Bei der Bemessung der Geldbuße bleiben Eintragungen im<br />

Verkehrszentralregister, die der Regelung des § 29 Abs. 8 S. 2 StVG<br />

unterliegen außer Betracht. Eine Erhöhung kommt deswegen nicht in<br />

Betracht.<br />

Dies gilt auch für eine Eintragung wegen § 316 StGB. Die einer 10jährigen<br />

Tilgungsfrist unterliegenden Eintragungen können nach 5 Jahren<br />

nur noch verwertet werden für Verfahren, die die Erteilung oder<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis zum Gegenstand haben. Die Anordnung<br />

eines Fahrverbotes fällt nicht hierunter.<br />

AG Brandenburg, Beschluss vom 8.5.2006, 21 OWi 451 Js-OWi 46911/05<br />

(272/05) = BA 2007, 265<br />

Tatmehrheit und Geldbuße<br />

OWiG §§ 17 Abs. 3, 18, 20<br />

Verletzen mehrere Handlungen Bußgeldvorschriften, so sind die<br />

Geldbußen gesondert festzusetzen. Dies gilt auch, wenn mehrere<br />

Handlungen gleichzeitig geahndet werden. Bei nicht geringfügigen<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> die mit einer Geldbuße von mehr als 250 €<br />

geahndet werden, müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse des<br />

Betroffenen in Betracht gezogen werden. Zahlungserleichterungen sind<br />

gemäß § 18 OWiG von Amts wegen zu prüfen.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 3.1.2007, 1 Ss 289/06 = zfs 2007, 231<br />

Wirtschaftliche Verhältnisse<br />

Bei einer Geldbuße von mehr als 250,00 € ist die Geringfügigkeitsgrenze<br />

von § 17 Abs. 3 OWiG bei weitem überschritten. In diesem Fall sind<br />

genauere Feststellungen zu den wirtschaftlichen und persönlichen<br />

Verhältnissen des Betroffenen als Bemessungsgrundlage für die Höhe der<br />

Geldbuße notwendig. Nicht ausreichend ist die Feststellung, dass der<br />

Betroffene Geschäftsführer einer GmbH ist. Auch bei der Anordnung eines<br />

zweimonatigen Fahrverbotes sind besondere Ausführungen notwendig.<br />

Dies gilt auch, wenn durch die Tat gleich zwei Regelfälle für die<br />

Anordnung eines einmonatigen Fahrverbotes gegeben sind.<br />

KG, Beschluss vom 19.06.2006, 3 Ws (B) 282/06 = VRS 111, 202<br />

Die Grenze für die Höhe der Geldbuße – insbesondere in Fällen des § 4<br />

Abs. 4 BKatV - muss das Gericht beachten. Nach § 24 StVG betrug der<br />

Höchstbetrag 1.000,00 €, bei Fahrlässigkeit höchstens 500,00 €, bei<br />

Drogenfahrten das maximale Bußgeld 1.500,00 €, bei Fahrlässigkeit<br />

750,00 €. 1<br />

1 Seit G. v. 22.12.2008 beträgt der Höchstbetrag der Geldbuße 2.000 € bzw., 1.000 € für<br />

eine vorsätzliche bzw. fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit. <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />

gem. § 24a StVG können mit Bußgeldern bis zu 3.000 € bzw. 1.500 € geahndet werden.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Bei geringfügigen Geldbußen bedarf es keiner Auseinandersetzung mit<br />

den wirtschaftlichen Verhältnissen. Die Grenze für die geringfügige<br />

Geldbuße beträgt ca. 200,00 €.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.10.2006, 4 Ss OWi 690/06 = SVR 2007,<br />

186<br />

Eine geringfügige Ordnungswidrigkeit ist im Sinne von § 17 Abs. 2 OWiG in<br />

der Regel bis 250 € anzusehen. Dies kommt auch bis zu 500 € in<br />

Betracht, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erkennbar vom<br />

Durchschnitt abweichen und es sich bei der festgesetzten Geldbuße um<br />

den im Bußgeldkatalog bestimmten Regelsatz handelt.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 21.1.2010, 1 Ss 296/09=BA 2010, 247 =<br />

VRS 118, 298<br />

Rotlicht<br />

Eine Erhöhung des Bußgeldes mit Begründung, das Rotlicht sei bereits<br />

überaus lange angezeigt gewesen, ist unzulässig. Über den qualifizierten<br />

Rotlichtverstoß hinaus gibt es keine Steigerung der erhöhten abstrakten<br />

Gefahr. Für eine Erhöhung wegen besonders langer Dauer der<br />

Rotlichtphase ist daher kein Raum.<br />

KG, Beschluss vom 13.2.2010, 2 Ss 267/09 = VA 2010, 136<br />

Vorsatz<br />

§§ 2 Abs. 1, 18 Abs. 7 StVO, Bußgeldkatalog Nr. 83.2 und 83.3<br />

Auch wenn der Verstoß – Fahren entgegen der Fahrtrichtung, Befahren<br />

des Seitenstreifens - vorsätzlich begangen wird, ist die Regelgeldbuße<br />

grundsätzlich nicht zu erhöhen. Ein derartiger Verstoß wird in der Regel<br />

vorsätzlich begangen. Bei Vorsatz handelt es sich dann um einen<br />

normalen Tatumstand (Thüringer OLG, zfs 2005, 207). Angemessen ist in<br />

diesen Fällen eine Verurteilung zur Zahlung einer Geldbuße von 100,00 €.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 6.4.2006, 1 Ss 347/05 = VRS 111, 209<br />

Vorsatz<br />

Eine regelmäßige Verdopplung des Bußgeldsatzes bei Vorsatz ist<br />

fehlerhaft. Der Bußgeldkatalogverordnung ist ein solcher Grundsatz nicht<br />

zu entnehmen. Maßgeblich sind die Kriterien des § 17 Abs. 3 OWiG (siehe<br />

aber § 3 Abs. 4a BKatV für Fälle ab 1.2.2009).<br />

Dies gilt auch für das Fahrverbot, das kann nicht ohne weiteres verdoppelt<br />

werden. Dies gilt insbesondere, wenn gegen den Betroffenen bislang kein<br />

Fahrverbot angeordnet wurde.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 10.3.2010, 2 SsBs 20/10= VA 2010, 100<br />

Abgeordneter<br />

Die berufliche und soziale Stellung des Betroffenen hat grundsätzlich<br />

außer Betracht zu bleiben. Sie kann nur in Einzelfällen ein Kriterium für die<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Zumessung der Geldbuße sein. Dabei muss das Vergehen aber in einer<br />

konkreten Beziehung zu dem Beruf oder der sozialen Stellung sein.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 29.11.2010, 3 Ss OWi 1660/10 = NZV<br />

2011, 149 = DAR 2011, 92 = VRR 2011, 72<br />

3. Besonderheiten<br />

Strafzumessung – ausländische Vorverurteilung<br />

Eine ausländische Vorstrafe, die bei deutscher Verurteilung<br />

gesamtstrafenfähig wäre, ist im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung<br />

zu berücksichtigen.<br />

BGH, Beschluss vom 27.1.2010, 5 StR 432/09 = DAR 2010, 210<br />

Strafzumessung bei Falschaussage<br />

Der Umstand, dass ein Täter hartnäckig auf seine Falschaussage besteht,<br />

kann straferschwerend berücksichtigt werden. Dies ist keine<br />

Doppelverwertung eines gesetzlichen Tatbestandes. Voraussetzung ist,<br />

dass das Urteil konkrete, einzelfallbezogene Feststellungen zu der<br />

erschwerend gewerteten Hartnäckigkeit enthält und dem Angeklagten<br />

nicht nur angelastet wird, dass er seine Aussage nicht widerrufen hat.<br />

Hierzu kann es ausreichend sein, dass einem Angeklagten zunächst die<br />

Zweifel an der Richtigkeit der Aussage anhand einer eigenen<br />

abweichenden früheren Aussage vor Augen geführt werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 11.8.2009, 3 Ss 233/09 = NZV 2009, 105<br />

Geringe Freiheitsstrafe<br />

Das Übermaßverbot schließt die Verhängung von Freiheitsstrafen auch bei<br />

geringfügigen Straftaten nicht generell aus. Erfordern diese Delikte gemäß §<br />

47 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe, so können die Anforderungen an einen<br />

gerechtem Schuldausgleich und die Beachtung des Übermaßverbotes<br />

gebieten, dass die lediglich auf die Mindeststrafe erkannt wird. Aus dem Gebot<br />

der schuldangemessenen Strafe ergibt sich auch nicht die Verpflichtung,<br />

Freiheitsstrafen erst ab einer bestimmten Schadenshöhe zu verhängen. Die<br />

Forderungen, in Bagatellverfahren auf Freiheitsstrafen zu verzichten käme<br />

einem zurückweichen der Rechtsordnung vor unbelehrbaren und<br />

unbeeinflussbaren Tätern gleich und müsste als Aufgabe der<br />

Unverbrüchlichkeit des Rechts aufgefasst werden.<br />

Maßgebend für die Bemessung einer schuldangemessen Strafe ist in erster<br />

Linie die Schwere der Tat, ihre Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung<br />

sowie der Grad der persönlichen Schuld. Diese Elemente sind miteinander<br />

verknüpft.<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.02.2006, 1 Ss 575/05 = NZV 2006, 317 =<br />

VRS 110, 265<br />

Seite 10 von 150


III. Jugendstrafrecht<br />

Krumm, OWi-Verfahren vor dem Jugendrichter, NZV 2010, 68<br />

1. Anwendung von Jugendstrafrecht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Der Angeklagte hat eine Beleidigung und eine vorsätzliche Gefährdung des<br />

Straßenverkehrs begangen. Eine Straßenverkehrsgefährdung ist erfüllt, wenn<br />

jemand (durch falsches Überholen) unmittelbar nach dem Überholvorgang<br />

einschert und scharf abbremst, um den nachfolgenden Kraftfahrer zu einer<br />

Vollbremsung zu zwingen.<br />

Obwohl der Betroffene 20 Jahre alt ist, kann Jugendstrafrecht angewandt<br />

werden. Die Annahme einer Jugendverfehlung ist bei keinem Delikt von<br />

vorneherein ausgeschlossen. Auch Straßenverkehrsvergehen können unter das<br />

JGG fallen. Ob eine Straftat eine Jugendverfehlung ist, ist im Wesentlichen<br />

Tatfrage. Im Zweifel ist Jugendstrafrecht anwendbar. Auch die Tatsache, dass<br />

der Angeklagte im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, lässt nicht auf das Vorliegen<br />

von Erwachsenenreife schließen. Das Wissen und die Verkehrsvorschriften<br />

bedeutet keine Reife im Sinne verantwortlichen Handels.<br />

AG Rudolstadt, Urteil vom 14.11.2006, 630 Js 20296/06 2 Ds jug. = VRS 111, 35<br />

So auch schon AG Saalfeld, Urteil vom 8.7.2003, 675 Js 1800/03 2 Ds jug. = StV<br />

2005, 65.<br />

2. Strafzumessung bei Jugendlichen<br />

Auch ein Jugendlicher muss sich effektiv verteidigen können. Bestreitet der<br />

Angeklagte die Tat, darf ihm keine fehlende Reue strafschärfend vorgeworfen<br />

werden.<br />

BGH, Beschluss vom 7.10.2009, 2 StR 283/09 = HRRS 2009, 533<br />

Die Verurteilung zur Strafe sowie die Anordnung der Unterbringung in einem<br />

psychiatrischen Krankenhaus sind auch im Jugendstrafrecht möglich.<br />

BVerfG, Beschluss vom 8.2.2007, 2 BVR 2060/06 = hrrs 2007, 95<br />

Bagatellfälle<br />

Das AG hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis zurückgewiesen. Zwar hat es einen Regelfall nach § 69 StGB<br />

bejaht. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass Betroffene Heranwachsender ist.<br />

In Ausnahmefällen kann jedoch von der Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

abgesehen werden, weil die Indizwirkung des Regelbeispiels in Bagatellfällen<br />

entfällt. Dies hat das AG im vorliegenden Fall bejaht: der dann Beschuldigte hat<br />

im fahruntüchtigen Zustand seinen PKW aus einer Tiefgarage nur wenige Meter<br />

bis an den Fahrbahnrand der öffentlichen Straße geführt.<br />

AG Oldenburg, Beschluss vom 14.2.2008, 6 Ds jug. 202/07 = SVR 2008, 230 =<br />

BA 2008, 323<br />

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IV. StGB – allgemeiner Teil<br />

1. Entziehung der FE, § 69 StGB<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Burhoff, Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, gibt es Vereidigungsansätze?,<br />

VRR 2009, 172<br />

Deutscher, Arbeitshilfe: Rechtsprechung zu Nachschulungsmaßnahmen nach<br />

Trunkenheitsfahrt bei §§ 69, 69 a StGB, VRR 2010, 247<br />

Fromm, Schmidt, Der Vorrang des Strafverfahrens bei der<br />

Fahrerlaubnisentziehung, NZV 2007, 217<br />

Gehrmann, Grenzwerte für Drogeninhaltsstoffe im Blut und die Beurteilung der<br />

Eignung im Fahrerlaubnisrecht, NZV 2008, 377<br />

Göbner/Krumm, Verteidigungsstrategien bei drohender<br />

Fahrerlaubnisentziehung<br />

NJW 2007, 2801<br />

Kotz, Entschädigung für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, VRR 2009,<br />

367<br />

Krumm: Verteidigungsstrategie, vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis,<br />

SVR 2007, 236<br />

Pott, Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde nach<br />

rechtskräftigem Strafurteil, NZV 2010, 282<br />

Schmidt u.a., Trunkenheitsdelinquenz im Straßenverkehr und<br />

Atemalkoholanalytik BA 2008, 281<br />

Zopfs, Fahrerlaubnisentzug (§ 69 StGB) auch bei Mitfahrern, Kfz-Haltern oder<br />

Tatbeteiligten?, NZV 2010, 179<br />

Fahren ohne Fahrerlaubnis<br />

Die Entziehung der Fahrerlaubnis kommt in Betracht, wenn jemand eine typische<br />

Verkehrsstraftat begeht (BGHSt 50, 93). Hierzu gehört insbesondere auch das<br />

Fahren ohne Fahrerlaubnis (BGH, Beschluss vom 5.9.2006, 1 StR 107/06). Das<br />

Fahren ohne Fahrerlaubnis ist eine typische Pflichtverletzung im Zusammenhang<br />

mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges.<br />

Zeitpunkt<br />

Die Ungeeignetheit eines Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen ist für<br />

den Zeitpunkt der Hauptverhandlung festzustellen. Dabei muss auch sein<br />

Verhalten nach der Tat berücksichtigt werden, insbesondere, wenn er seit dem<br />

Tatzeitpunkt mehr als 20 Monate am Straßenverkehr ohne Beanstandung<br />

teilgenommen hat.<br />

Seite 12 von 150


OLG Oldenburg, Beschluss 17.1.2005, Ss 428/04 (I 2) = BA 2006, 403<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Hohes Alter<br />

Allein das hohe Alter eines Betroffenen rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass<br />

körperliche Mängel dem sicheren Führen eines Fahrzeuges entgegenstehen; es<br />

ist immer erforderlich, dass die charakterliche Ungeeignetheit festgestellt wird..<br />

OLG Celle, Beschluss vom 7.8.2007, 32 Ss 113/07 = SVR 2008, 226 = VRR<br />

2007, 472<br />

Motorboot<br />

Das Führen eines Motorbootes in alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit<br />

kann nicht zur Entziehung der Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im<br />

Straßenverkehr führen. Boote fallen ebenso wenig wie Lokomotiven unter den<br />

Begriff des Kraftfahrzeuges im Sinne von § 69 Abs. 1 StGB. Hätte der<br />

Gesetzgeber etwas anderes gewollt, hätte er längst eine andere Formulierung,<br />

etwa entsprechend § 1 Abs. 2 StVG bei § 69 StGB verwendet.<br />

Brandenburgischen OLG – Schifffahrtsobergericht – Urteil vom 16.4.2008,<br />

1 Ss 21/08 = DAR 2008, 393 = VRS 114, 366 = zfs 2008, 466 = NZV 2008, 474 =<br />

BA 2008, 317<br />

Der Betroffene war angetroffen worden, während er ein Motorboot führte. Hierbei<br />

wurde eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 ‰ festgestellt. Das LG hat die<br />

vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben. Danach ist ein Motorboot<br />

kein Kraftfahrzeug im Sinne von § 69 Abs. 1 StGB.<br />

LG Oldenburg, Beschluss vom 7.8.2007, 250 Js 32918/07 – 1 Qs 338/07 = NZV<br />

2008, 50<br />

Eine Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt nicht, bei einer Trunkenheitsfahrt mit<br />

Booten.<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 26.6.2008, 1 Ss 95/08 I 49/08 = VRS 115, 129 =<br />

NZV 2008, 472 = VA 2008, 155 = VRR 2008, 430<br />

Auch ein Motorboot ist ein Kraftfahrzeug im Sinne von § 69 StGB.<br />

§ 315c StGB verbietet das Führen eines Fahrzeuges im Straßenverkehr,<br />

während § 316 StGB lediglich auf den Verkehr abstellt – somit auch See- und<br />

Binnenschifffahrt erfasst ist. Eine Legaldefinition des Kraftfahrzeuges fehlt. § 1<br />

Abs. 2 StVG lautet allerdings:<br />

„Als Kfz im Sinne dieses Gesetzes gelten Landfahrzeuge, die durch<br />

Maschinenkraft bewegt werden, oder an Bahngleise gebunden sind.“<br />

LG Kiel, Beschluss vom 23.8.2006, 3 Qs 62/06 = DAR 2006, 699 = NZV 2007,<br />

160 = BA 2007, 189<br />

Nach herrschender Meinung sind Motorboote nicht unter dem Begriff des<br />

Kraftfahrzeuges zu subsumieren. Zur Begründung wird von den Vertretern diese<br />

Ansicht auf die Legaldefinition in § 248b Abs. 4 StGB sowie in § 1 Abs. 2 StVG<br />

verwiesen. Danach sind Kraftfahrzeuge Landfahrzeuge.<br />

Die Kammer schließt sich jedoch der Gegenauffassung an, wonach Motorboote<br />

auch von § 69 StGB erfasst werden (LG Kiel, BA 2007, 189, Tröndle/Fischer §69<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Rn. 3). Der Begriff des Kraftfahrzeuges ist autonom auszulegen und erfasst auch<br />

Motorboote.<br />

LG Oldenburg, Beschluss vom 23.11.2007, 4 Qs 515/07=BA 2008, 319<br />

Entziehung der ausländischen Fahrerlaubnis<br />

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht zulässig, wenn ein Deutscher die<br />

Fahrerlaubnis im Ausland erworben hat, er einen Wohnsitz im Inland hat, aber<br />

nicht auszuschließen ist, dass der Inhaber die Fahrerlaubnis in Deutschland nicht<br />

nutzen will.<br />

Grundsätzlich ist nach § 69b Abs. 1 StGB auch bei ausländischen<br />

Fahrerlaubnissen der Entzug möglich. Dies gilt insbesondere, wenn der<br />

Angeklagte berechtigt ist, mit einem (hier: irischen) Führerschein in Deutschland<br />

Pkws zu führen.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 16.5.2008, 181 Ss 17/08<br />

Entziehung in sonstigen Fällen<br />

Auch ein Fremdschaden, der bei 1.220,00 € liegt, mithin unterhalb der Grenze<br />

eines bedeutenden Schadens, kann zu Entziehung der Fahrerlaubnis führen.<br />

Dies gilt insbesondere dann, wenn das sonstige Verhalten ein hohes Maß an<br />

Gleichgültigkeit erkennen lässt.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 31.3.2010, 534 Qs 40/10 = NZV 2010, 476 = DAR<br />

2010, 533 = VRS 119, 224<br />

Absehen von der Entziehung, IVT-Hö<br />

Der Angeklagte war mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,12 ‰ Auto<br />

gefahren. Das AG hat ihn zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 €<br />

verurteilt und ihm verboten, für die Dauer von zwei Monaten Kraftfahrzeuge aller<br />

Art zu führen. Die Berufung der Staatsanwaltschaft hatte keinen Erfolg.<br />

Beginnt ein Angeklagter, der wegen einer BAK von 2,1 ‰ angeklagt ist, während<br />

des Strafverfahrens direkt nach der Tat eine Verkehrstherapie und nimmt dann<br />

dieser Maßnahme auch nachweisbar ernsthaft teil, kann dies ein Absehen von<br />

der Regelfolge des § 69 Abs. 2 StGB rechtfertigen.<br />

LG Düsseldorf, Urteil vom 11.4.2008, 24a Ns 26/07 = BA 2009, 48 = DAR 2008,<br />

597, mit Anmerkungen Himmelreich<br />

Trunkenheitsfahrt<br />

Nach einer freiwillig durchgeführten MPU kann bei einer Blutalkoholkonzentration<br />

von 1,29 ‰ von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden.<br />

AG Reinbeck, Urteil vom 15.9.2008, 2 Ds 760 Js 22035/08 (257/08) = SVR 2008,<br />

471<br />

Trotz einer Blutalkoholkonzentration von 1,48 ‰ hat das Gericht von einer<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis nach Ablegung einer MPU abgesehen.<br />

AG Pinneberg, Urteil vom 13.2.2008, 33 Ds 302 Js 23702/07 (118/07) = SVR<br />

2008, 471<br />

Ist der wegen Trunkenheit im Straßenverkehr Angeklagte bereits seit sechs<br />

Monate ohne Führerschein, seit der Tat alkoholabstinent und befindet sich in<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

einer psychosozialen Betreuung und unterzieht sich einer Suchtberatung, spricht<br />

dies gegen die Ungeeignetheit.<br />

AG Iserlohn, Urteil vom 23.6.2009, 17 Cs – 874 Js 1168/08 – 110/09 = zfs 2010,<br />

48<br />

Von der Entziehung der Fahrerlaubnis kann jedenfalls dann abgesehen werden,<br />

wenn seit der Tat und der Sicherstellung des Führerscheins zehn Monate<br />

vergangen sind und der Angeklagte in dieser Zeit eine intensive<br />

verkehrspsychologische Maßnahme durchlaufen hat und hierdurch seine<br />

Fahreignung wieder hergestellt wird. In einem solchen Fall wird ein Fahrverbot<br />

ausgesprochen.<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 2.3.2010, 9 Ds- 82 Js 3375/09- 111/09= VA 2010,<br />

118 = DAR 2010, 280 = NZV 2010, 272 = BA 2010, 250 = VRR 2010, 311<br />

Eine vor der Hauptverhandlung erfolgreich durchgeführte Verkehrstherapie kann<br />

dazu führen, dass der Angeklagte nicht mehr ungeeignet zum Führen eines Kfz<br />

ist und nur noch ein Fahrverbot angeordnet werden muss.<br />

AG Bremen, Urteil vom 1.12.2009, 82 Cs 600 Js 50024/09 (455/09) = VerkA<br />

2010, 108<br />

Reduzierung der Sperrfrist<br />

Die Absolvierung einer zehnstündigen anerkannten Verkehrstherapie lässt noch<br />

nicht die Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges bei einem<br />

einschlägig vorbestraften Angeklagten entfallen. Sie rechtfertigen deshalb, eine<br />

an sich angemessene Sperrfrist von 12 Monaten auf 4 Monate zu reduzieren.<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 15.7.2008, 9 Ds 82 Js 2342/08- 70/08= BA 2008,<br />

323 = NZV 2008, 530<br />

Unerlaubtes Entfernen<br />

Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis im Falle des Verdachts des § 142<br />

StGB scheidet aus, wenn aufgrund der Größe des Fahrzeuges der subjektive<br />

Tatbestand nicht eindeutig erfüllt sein muss.<br />

LG Braunschweig Beschluss vom 26.3.2008, 1 Qs 70/08 = NZV 2009, 253<br />

Voraussetzung für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. 111a StPO<br />

ist der dringende Verdacht, dass die Voraussetzungen für die endgültige<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegen.<br />

Auch im Falle der Unfallflucht kann von der Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

abgesehen werden. Ermöglicht der Beschuldigte nachträglich freiwillig die<br />

Feststellung seiner Unfallbeteiligung, kann das auch bei einem schwerwiegenden<br />

Verstoß milder beurteilt werden.<br />

LG Köln, Beschluss vom 20.10.2009, 103 Qs 86/09= VRR 2010, 110<br />

Der Betroffene wurde wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Danach<br />

erwirbt er eine neue Fahrerlaubnis und nimmt für drei Monate unbeanstandet am<br />

öffentlichen Straßenverkehr teil. Hieraus kann das Gericht ersehen, dass der<br />

charakterliche Mangel weggefallen ist und kann von einer Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis Abstand nehmen. Ein Fahrverbot ist in der Regel geboten.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 14.9.2010, 9 Ds 82 Js 3172/10-86/10, 9 Ds 86/10 =<br />

BA 2010, 435 = NZV 2011, 102<br />

notfallbedingtes Versagen<br />

Der Angeklagte hat sich noch in der Nacht der Trunkenheitsfahrt selbst bei der<br />

Polizei gemeldet und so seine Tat erst bekannt gemacht. Er hatte Alkoholkonsum<br />

begonnen, als nicht absehbar war, dass er nachts zu einer Brandmeldung ins<br />

Krankenhaus gerufen wurde. Die Stelle als technischer Leiter hatte er zur Tatzeit<br />

erst einen Monat inne, so dass es sich um seine erste Notfallbenachrichtigung<br />

handelte, in der er kopflos reagierte. Er bildete sich ein, selbst unbedingt der<br />

Feuerwehr helfen zu müssen und den Brandmelder ausfindig machen zu<br />

müssen. Angesichts dieser Umstände reicht eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen<br />

aus. Die Regelvermutung des § 69 Abs. 2, Nr. 2 StGB ist dagegen widerlegt.<br />

AG Hameln, Urteil vom 6.2.2008, 11 Cs 7471 Js 89812/07(328/07) =DAR 2008<br />

655<br />

Zeitablauf nicht entscheidend<br />

Der bloße Zeitablauf rechtfertigt kein Absehen von der Maßregel der Entziehung<br />

der Fahrerlaubnis. Der charakterliche Mangel wird kraft Gesetzes vermutet. Das<br />

Gericht kann daher nur absehen, wenn besondere Umstände die Annahme<br />

rechtfertigen, dass der Eignungsmangel nicht mehr besteht. Reiner Zeitablauf<br />

gehört nicht hierzu.<br />

KG, Beschluss vom 1.11.2010, (3) 1 Ss 317/10 (180/10) = VA 2011, 85<br />

Fürsorglicher Entzug der Fahrerlaubnis<br />

Besteht nach den Umständen auch nur ein vager Verdacht, dass der Angeklagte<br />

in Besitz einer ausländischen Fahrerlaubnis ist, so ist die vorsorgliche Entziehung<br />

der Fahrerlaubnis möglich und geboten. Das Gericht hielt es für geboten,<br />

vorsorglich die Entziehung der Fahrerlaubnis auszusprechen, obwohl nicht<br />

feststeht, ob der Angeklagte überhaupt in Besitz einer ausländischen<br />

Fahrerlaubnis ist.<br />

AG Laar, Urteil vom 18.2.2008, 3 Ds 6 Js 12423/07 = NZV 2008, 640<br />

Keine Entziehung ausländischer Fahrerlaubnis<br />

Das AG hatte den Angeklagten wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt und<br />

ihm vorsorglich eine eventuell in der Zwischenzeit erteilte ausländische<br />

Fahrerlaubnis entzogen. Der Angeklagte hat auf Frage die Auskunft verweigert,<br />

ob ihm in der Zwischenzeit eine österreichische Fahrerlaubnis erteilt sei. Ein<br />

Bedürfnis für eine Verdachtsentziehung besteht nicht mehr. Nach § 28 Abs.<br />

4 Nr. 4 FeV berechtigt eine EU-Fahrerlaubnis während des Laufs einer gerichtlich<br />

angeordneten Sperrfrist nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Wer<br />

dagegen handelt, macht sich in der Regel strafbar. Nach § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV<br />

neuer Fassung berechtigt überdies eine EU-Fahrerlaubnis in aller Regel nicht<br />

zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Inland, wenn der Berechtigte ausweislich<br />

des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender<br />

unbestreitbare Information seinen ordentlichen Wohnsitz zum Zeitpunkt der<br />

Erteilung der Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik hatte. Eine solche<br />

Rechtsprechung entspricht der Richtlinie 91/439/EWG.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.9.2010, 5 Ss 471/10 = DAR 2010, 710 = NZV<br />

2011, 101 = NJW 2010, 3591 = VA 2011, 11 = BA 2010, 431 = StRR 2011, 115 =<br />

VRS 119, 348 = VRR 2010, 471<br />

Ausnahmen von der Sperre<br />

Stellt das Gericht am Tag der Entscheidung das Fehlen charakterlicher<br />

Zuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen fest, kann eine Ausnahme von<br />

der Sperre gemäß § 69 Abs. 2 StGB nicht festgestellt werden, insbesondere nicht<br />

für solche Fahrzeuge, deren Führen wegen der von ihm ausgehenden<br />

besonderen, höheren Betriebsgefahr, ein erhöhtes Verantwortungsbewusstsein<br />

erfordert. Besondere Umstände können eine Ausnahme aber bewirken: Wenn<br />

der verkehrsrechtlich bislang noch nicht vorgeahndete Berufskraftfahrer mit<br />

seinem Privatfahrzeug eine Trunkenheitsfahrt unternahm und die<br />

Wahrscheinlichkeit einer Trunkenheitsfahrt mit dem Dienstfahrzeug äußerst<br />

gering ist. In diesem Fall kann z.B. eine Ausnahme für ein Müllfahrzeug erteilt<br />

werden.<br />

AG Frankfurt, Urteil vom 25.10.2006, 920 Cs –213 Js 23993/06 = NJW 2007, 312<br />

= NZV 2007, 159 = NZV 2007, 261<br />

Sonstige Ausnahme von der Sperre<br />

Fahrzeuge der Bundeswehr der Klassen B und CE mit Anhänger können von der<br />

Sperre nach Entziehung einer Fahrerlaubnis ausgenommen werden.<br />

AG Kiel, Beschluss vom 10.4.2007, 35 Cs 554 Js 351/07 – 191/07 = SVR 2008,<br />

146<br />

Bei Entziehung der Fahrerlaubnis kann eine Ausnahme von der Sperre<br />

hinsichtlich der Kraftfahrtzeuge der Klassen T und L angezeigt sein, wenn zur<br />

Fortführung der Ausbildung eines Landwirtes es notwendig ist, dass der<br />

Angeklagte diese Führerscheinklassen behalten kann.<br />

Der Betroffene war mit einer Alkoholkonzentration von 1,35 ‰ mit einem Roller<br />

unterwegs gewesen.<br />

Dies gilt auch für vorläufige Maßnahmen (AG Gießen, Beschluss vom 2.9.2009,<br />

5609 Gs- 601 Js 19356/09)<br />

AG Alsfeld, Urteil vom 22.10.2009, 4 Ds- 601 Js 19356/09=zfs 2010, 168<br />

Beschränkung der Berufung – Entziehung der Fahrerlaubnis bei Motorboot<br />

Die Beschränkung der Berufung auf den Gesichtspunkt der Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis ist wirksam, wenn die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil des Urteils selbstständig beurteilt<br />

werden kann.<br />

Brandenburgischen OLG – Schifffahrtsobergericht – Urteil vom 16.4.2008,<br />

1 Ss 21/08 = DAR 2008, 393 = VRS 114, 366 = zfs 2008, 466 = NZV 2008, 474 =<br />

BA 2008, 317<br />

Beschränkung des Rechtsmittels<br />

Eine Beschränkung auf die Frage der Bewährung ist grundsätzlich möglich. Sie<br />

ist jedoch unzulässig, wenn zwischen der Aussetzungsfrage und der Verhängung<br />

der Maßregel eine untrennbare Wechselbeziehung besteht. Eine solche<br />

Wechselbeziehung besteht dann, wenn trotz des Vorliegens einer Katalogtat<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

nach § 69 StGB Anlass dazu besteht, die Frage der charakterlichen<br />

Ungeeignetheit des Angeklagten im Einzelnen zu überprüfen. Gleiches gilt in<br />

Bezug auf die Anordnung der Nebenstrafe eines Fahrverbots.<br />

Ein solcher Anlass kann dann bestehen, wenn der Täter im fahruntüchtigen<br />

Zustand nur ein Leichtmofa geführt und mit diesem nur eine kurze Fahrtstrecke<br />

zurückgelegt hat. Dies gilt besonders, wenn Auslöser der Fahrt nur eine<br />

altruistische Motivation ist.<br />

OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.1.2007, 2 St OLG Ss 280/06 = Blutalkohol<br />

2007, 378<br />

Verschlechterungsverbot<br />

Das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO verhindert aber, dass<br />

gegen einen Angeklagten, gegen den in erster Instanz lediglich eine isolierte<br />

Sperre verhängt wurde, im Berufungsverfahren die Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

erfolgt.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 9.6.2010, 2 Ws 361/10 = NZV 2010, 633 = BA 2011,<br />

110<br />

Gesamtstrafe<br />

Haben sich im früheren Urteil angeordnete Maßnahmen (etwa die Entziehung<br />

einer Fahrerlaubnis), aus welchen Gründen auch immer erledigt – z. B. durch<br />

Eintritt der Rechtskraft des früherer Urteils – so fehlt es an der Notwendigkeit<br />

gleichwohl über ihre Aufrechterhaltung zu befinden, wenn dies auch regelmäßig<br />

unschädlich ist.<br />

BGH, Beschluss vom 28.10.2009, 2 StR 351/09 = NZV 2010, 211<br />

Bei der Gesamtstrafenbildung ist, wenn ein Urteil einzubeziehen ist, das unter<br />

anderem auf Entziehung der Fahrerlaubnis und Anordnung einer Sperrfrist<br />

erkannt hat, zu prüfen, ob sich die Sperrfrist in Folge Zeitablaufs erledigt hat.<br />

Sollte sich die Sperrfrist erledigt haben, ist lediglich die Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis, nicht aber auf die Sperrfrist aufrecht zu erhalten.<br />

BGH, Beschluss vom 14.2.2008, 1 StR 542/07 = VA 2008, 121<br />

Freiheitsberaubung<br />

Auch beim Vorwurf der Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB müssen im Urteil<br />

genaue Feststellungen getroffen werden zu den Voraussetzungen des § 69<br />

StGB. Mögliche Feststellungen sind etwa, dass das Opfer sich während der<br />

Freiheitsberaubung und der Fahrt im PKW körperlich widersetzte, wodurch eine<br />

mögliche Gefährdung des Straßenverkehrs in Betracht kommt.<br />

BGH, Beschluss vom 18.12.2007, 1 StR 86/05 = VA 2008, 65<br />

2. Isolierte Sperrfrist und die Regel des §69a StGB<br />

Sperrfrist<br />

Bei der Bemessung einer Sperrfrist für die Wiedererteilung einer<br />

Fahrerlaubnis muss das Gericht auch das Verhalten des Angeklagten nach der<br />

Tat berücksichtigen. Bei therapeutischer Beratung durch einen Facharzt für<br />

Neurologie und Psychiatrie ist eine Sperrfrist von noch vier Monaten<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

ausreichend, wenn bei ihm keine Alkoholkrankheit vorliegt und er seit<br />

Begehung der Tat abstinent lebt.<br />

Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in<br />

Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60<br />

Tagessätzen verurteilt, ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen und eine<br />

Sperrfrist von vier Monaten angeordnet.<br />

LG Dresden, Urteil vom 31.08.2006, 12 Ns 708 Js 5101/06 = zfs 2007, 53 =<br />

BA 2007, 263<br />

Absehen von einer Sperre<br />

Die Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs<br />

(Alkohol 1,05 ‰) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 20,00 € verurteilt.<br />

Die Fahrerlaubnis wurde entzogen und der Führerschein eingezogen und eine<br />

Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis bestimmt. Insoweit wurde<br />

ausgenommen das Recht, Rettungsfahrzeuge und Krankentransportfahrzeuge<br />

zu führen. Die Angeklagte befand sich in der Ausbildung als<br />

Rettungsassistentin, einen ersten Ausbildungsabschnitt hatte sie bestanden.<br />

Notwendig war es, dass sie jetzt eine praktische Ausbildung von 1.600<br />

Stunden ableistet und hierzu sowohl Rettungswagen als auch<br />

Krankentransporte führt. Zur Fortsetzung der Ausbildung war es notwendig,<br />

Rettungsfahrzeuge und Krankentransportfahrzeuge von der Sperrfrist<br />

auszunehmen. Dabei wurde berücksichtigt, das die Angeklagte bislang<br />

strafrechtlich und verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten war, der<br />

Blutalkoholwert knapp unter der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit lag,<br />

sie nicht realisiert hatte, das sie noch einen hohen Restalkoholspiegel hatte<br />

und die Fahrt nicht im Zusammenhang mit einem Krankentransport stand.<br />

AG Celle, Urteil vom 20.4.2006, 20b Cs 4202 Js 1506-65/06 = Mitteilungsblatt<br />

2006,168<br />

Wiedereinsetzung, Sperrfrist bei Gesamtstrafe<br />

Eine Zustellung, die entgegen der Bestimmung des § 145a Abs. 3 S. 2 StPO<br />

alleine an den Angeklagten erfolgt, ohne das der Verteidiger eine Abschrift<br />

erhält, ist wirksam, sie begründet jedoch in der Regel die Wiedereinsetzung.<br />

Der Angeklagte darf darauf vertrauen, dass entsprechend der Vorschrift des<br />

§ 145 Abs. 3 S. 2 StPO verfahren wird. Eine entsprechende Nachfrage bei<br />

Gericht oder dem Verteidiger ist nicht notwendig.<br />

Bei der Bildung einer Gesamtstrafe, bei der jeweils unabhängig voneinander<br />

Sperrfristen festgelegt wurden, ist das Gericht gehalten, eine einheitliche<br />

Sperrfrist zu bestimmen. Dabei darf einerseits die Höchstdauer einer Sperrfrist<br />

von 5 Jahren nicht überschritten werden und nicht die Mindestfrist<br />

unterschritten werden. Die Mindestfrist ist die zuletzt ablaufende Sperrfrist aus<br />

einem der einbezogenen Urteile.<br />

Seite 19 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

LG Zweibrücken, Beschluss vom 14.2.2007, Qs 137/06 = VRS 112, 271 = NZV<br />

2007, 431<br />

Lebenslage Sperre<br />

Auch im Falle der Anordnung einer lebenslangen Sperrfrist kann eine<br />

Aufhebung der Sperre erfolgen. Eine solche kommt aber nur in Betracht, wenn<br />

aufgrund neuer Tatsachen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass<br />

der Betroffene sich im Straßenverkehr nicht mehr als gefährlich erweisen wird.<br />

Verbleibende Zweifel gehen zu seinen Lasten.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 27.11.2008, 2 Ws 362/08 = BA 2009, 101 = VRR<br />

2009, 189<br />

Auch nach 45 Jahren kann eine lebenslange Sperrfrist für die Erteilung einer<br />

Fahrerlaubnis Bestand haben. Dies gilt insbesondere, wenn der Verurteilte in<br />

der Vergangenheit erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und nicht<br />

bereit ist Schulungen zu absolvieren.<br />

AG Bochum, Beschluss vom 22.10.2010, 29 AR 16/10 = VRR 2011, 32 = VA<br />

2011, 50 = DAR 2011, 97<br />

EU- Fahrerlaubnis<br />

Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinien 91/439/EWG sind die EU- Mitgliedsstaaten<br />

grundsätzlich zur vorbehaltslosen gegenseitigen Anerkennung vom<br />

Führerschein verpflichtet. Die Prüfung der Voraussetzung für die Erteilung<br />

einer Fahrerlaubnis und die Einhaltung der gemeinschaftlichen<br />

Mindestvorgaben fallen ausschließlich in die Kompetenz des den Führerschein<br />

ausstellenden Staates. Nach § 8 Abs. 4 und Abs. 2 der Richtlinien erlaubt die<br />

Vorschrift einem Mitgliedsstaat der EU die Gültigkeit eines vom einem anderen<br />

Mitgliedsstaat ausgestellten Führerschein dann nicht anzuerkennen, wenn<br />

auch dessen Inhaber in seinem Hoheitsgebiet eine innerstaatliche Vorschrift<br />

über die Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der<br />

Fahrerlaubnis angewandt wurde. Es kommt darauf an, ob nach Erteilung der<br />

ausländischen Fahrerlaubnis die Sperrfrist in Kraft trat. Eine Sperrfrist lässt<br />

jedoch die Wirksamkeit der Erteilung einer ausländischen Fahrerlaubnis<br />

unberührt.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 9.6.2010, 2 Ws 361/10 = NJW 2010, 2817<br />

Nach § 69a Abs. 7 StGB kann das Gericht eine Sperre vorzeitig aufheben, wenn<br />

sich ein Grund zu der Annahme ergibt, dass der Betroffene zum Führen von<br />

Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. Bei der Prüfung der Möglichkeit der<br />

Abkürzung muss in jedem Einzelfall eine genaue Prüfung der neu<br />

hervorgetretenen Tatsachen erfolgen. Gründe wie: Alleinernährer, bessere<br />

Verdienst- und Arbeitsmöglichkeit sind dagegen nicht geeignet, zu einer Kürzung<br />

der Sperrfrist zu gelangen. Auch allein der Zeitablauf oder andere wirtschaftliche<br />

Gesichtspunkte reichen ebenfalls nicht. Aufgrund neuer Tatsachen muss<br />

vielmehr ersichtlich sein, dass nunmehr die Annahme gerechtfertigt ist, der<br />

Verurteilte besitze entgegen der Prognose des Tatrichters das für einen<br />

Kraftfahrer erforderliche Verantwortungsbewusstsein.<br />

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OLG Hamburg, Beschluss vom 12.3.2007, 2 Ws 258/07 = NZV 2007, 250<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Die Abkürzung der Sperrfirst ist ein Ausnahmefall. Sie bedarf daher in jedem Fall<br />

einer genauen Prüfung neu hervorgetretener Umstände. Die günstige<br />

Sozialprognose einer Strafvollstreckungskammer sowie die besseren<br />

Erwerbsmöglichkeiten sind nicht solche Gründe.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2007, 2 Ws 58/07 = BA 2007, 261<br />

Die Abkürzung einer Sperrfrist kommt nur dann in Betracht, wenn Grund zur<br />

Annahme besteht, dass der Täter zum Führen von Fahrzeugen nicht mehr<br />

ungeeignet ist. Diese abweichende Würdigung vom Urteil muss auf neuen<br />

Tatsachen beruhen. Bloßer Zeitablauf genügt nicht. Auch Nachteile, die nicht nur<br />

dem Verurteilten, sondern auch dessen Familie treffen, reichen nicht aus. Als<br />

neue Tatsachen können keine jetzt detailliert vorgetragenen Umstände gewertet<br />

werden, die bereits beim Erlass des Urteils bekannt waren.<br />

LG Koblenz, Beschluss vom 19.11.2007, 1 Qs 277/07 = NZV 2008, 103<br />

Die Vorschrift des § 69a Abs. 7 StGB ist grundsätzlich nicht geeignet, die<br />

Verkürzung einer Sperrfrist für eine in der Zukunft liegenden Zeitpunkt<br />

anzuordnen. Diese Ausnahmeregelung erlaubt vielmehr nur die vorzeitige<br />

Aufhebung einer bestimmten Sperrfrist, wenn der Zweck der Maßnahme vorzeitig<br />

erreicht ist. Dann muss Grund zur Annahme bestehen, dass der Täter im<br />

Zeitpunkt des Beschlusses nicht mehr zum Führen eines Kraftfahrzeuges<br />

ungeeignet ist. Diese Feststellung kann nur nach eingehender Prüfung getroffen<br />

werden, allein die Teilnahme an einer Nachschulung ist hierzu nicht ausreichend.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 13.2.2008, 502 Qs 13/08=BA 2008, 320<br />

LG Berlin, Beschluss vom 25.1.2011, 506 Qs 8/11 = VRS 120, 199<br />

Bei Verkehrsteilnehmern, die mit einer Blutalkoholkonzentration von bis zu 1,6 ‰<br />

mit Alkohol erstmals einschlägig auffällig geworden sind, kann die erfolgreiche<br />

Teilnahme an einem geeigneten Nachschulungskurs zu einer Verkürzung der<br />

Sperrfrist führen.<br />

LG Flensburg, Beschluss vom 8.4.2005, II Qs 36/05 = BA 2006, 157<br />

Eine hohe Blutalkoholkonzentration (2,0 ‰) spricht nicht gegen den Wegfall des<br />

Eignungsmangels. Bei der Prüfung einer Sperrfristverkürzung begründet die<br />

erfolgreiche Teilnahme an einer mehrerer Monate dauernden Verkehrstherapie<br />

regelmäßig die Annahme, dass der bei ihm festgestellte Eignungsmangel<br />

weggefallen ist.<br />

LG Potsdam, Beschluss vom 2.11.2004, 23 Qs 151/04 = BA 2006, 156<br />

Auch nach einer Trunkenheitsfahrt mit 2,18 ‰ ist die Verkürzung der Sperrfrist<br />

möglich. Der Betroffene hat eine Nachschulung durchgeführt und damit<br />

insbesondere durch die Intensivberatung mit Einzelgesprächen Grundlage<br />

gesetzt, anzunehmen, dass er nicht mehr ungeeignet ist.<br />

LG Leipzig, Beschluss vom 12.8.2009, 1Qs 210/09 = NZV 2010, 105<br />

Eine vorzeitige Aufhebung der Sperre gemäß § 69a StGB kann auch bei hoher<br />

Blutalkoholkonzentration (2,82 ‰) erfolgen. Hierbei kann besonders<br />

Berücksichtigung finden, dass der Verurteilte durch eine Nachschulung oder ein<br />

Seite 21 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Aufbauseminar eine risikobewusste Einstellung entwickelt hat. Eine solche<br />

Entwicklung ist belegt, wenn der Täter an einer Verkehrstherapie, zum Beispiel<br />

IVT-Hö Berlin-Brandenburg teilgenommen hat.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 2.8.2010, 533 Qs 97/10 = DAR 2010, 712<br />

Der Angeklagte erreicht eine Verkürzung der Sperrfrist von acht Monaten auf fünf<br />

Monate. Der Betroffenen war wegen Trunkenheit im Verkehr mit einer<br />

Blutalkoholkonzentration von 1,14 ‰ verurteilt worden. Das LG Aachen erkennt<br />

die hervorragende Wirkung der TÜV-Nachschulung für Trunkenheits-Ersttäter an.<br />

Ebenso erfolgreich sind andere Nachschulungen wie „IVT-Hö“, „AFN“ oder<br />

„impuls“.<br />

LG Aachen, Beschluss vom 25.11.2005, 65 Qs 122/05 = SVR 2006, 193 = BA<br />

2007, 262<br />

Die Verkürzung der Sperre in Deutschland ist jedenfalls für österreichische<br />

Staatsangehörige auch auf Grundlage einer Nachschulung in Österreich<br />

möglich.<br />

AG Eggenfelden, Beschluss vom 18.11.2010, 2 Cs 11 Js 8410/10 = DAR 2011,<br />

421<br />

AG Eggenfelden, Beschluss vom 23.11.2006, 22 Ls 6 Js 12101/04 = DAR 2007,<br />

408<br />

Die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Maßnahme muss nicht im<br />

Sinne eines Automatismus zu einer Verkürzung der Sperrfrist führen.<br />

Insbesondere bei hohen Alkoholkonzentrationen muss der Nachweis der<br />

tatsächlichen und nachhaltigen Bewältigung des Alkoholproblems über einen<br />

längeren Zeitraum vorliegen.<br />

BVerfG, Beschluss vom 20.6.2006, 2 BvR 1082/06 = BA 2007, 242<br />

Mindestsperre 1 Jahr<br />

Die Dreijahresfrist berechnet sich ab Rechtskraft der die frühere Sperre<br />

anordneten Entscheidung (§ 69a Abs. 3 StGB).<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 27.11.2009, 1 Ss 314/09=VRS 118,279 = BA<br />

2010, 362<br />

Keine Beschränkung der Fahrerlaubnissperre<br />

Eine Ausnahme nach § 69a StGB ist möglich, wenn eine Gefahr für die<br />

Allgemeinheit „abgeschirmt“ werden kann. Dies ist jedenfalls nicht der Fall, wenn<br />

der Arbeitgeber keinerlei Kontrollen vor Fahrtantritt vornimmt. Die<br />

Fahrabschirmung liegt auch nicht vor, wenn bei einer BAK Rückrechnung auf den<br />

Zeitpunkt des üblichen Fahrtantritts eine BAK von 0,7 ‰ festgestellt wird.<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 8.12.09, 9 Ds – 82 Js 5515/09 – 156/09 = NJW<br />

2010, 310 = VA 2010, 30 = VRR 2010, 37 = NZV 2010, 164 = BA 2010, 142<br />

Seite 22 von 150


V. Straftatbestände<br />

1. Bedeutender Schaden<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Wertgrenze<br />

Die Wertgrenze für den erheblichen, bedeutenden Schaden beträgt weiterhin<br />

1.300,00 €. Zum Schaden gehören auch die Kosten eines<br />

Sachverständigengutachtens.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 12.3.2007, 536 Qs 40/05 = NZV 2007, 537<br />

So auch LG Wuppertal, Beschluss vom 9.10.2006, 25 Qs 79/06 = DAR 2007,<br />

660<br />

Ein Sachschaden von 500 € entspricht nicht einem Schaden an einer fremden<br />

Sache von bedeutendem Wert. Diese dürfte frühestens bei 1.300 € liegen.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 17.9.2008, 1 Ss 167/08 = SV 2009, 194<br />

1228,33 € sind noch kein bedeutender Fremdschaden. Die Grenze hierfür sollte<br />

neu bei 1400,00 € gezogen werden.<br />

LG Frankfurt, Beschluss vom 13.5.2008, 5/91 Qs 5/08 – 322 Js 1558/08 = = StV<br />

2009, 649VRR 2008, 430<br />

Die Grenze zum bedeutenden Schaden liegt bei 1.500,00 €.<br />

LG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2007, 603 Qs 318/07 = DAR 2008, 219, AG<br />

Saalfeld DAR 2005, 52<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.9.2010, III 3 RVs 72/10 = NZV 2011, 356<br />

Hanseatisches OLG Hamm, Beschluss vom 8.3.2007, 2 Ws 43/07 = zfs 2007,<br />

409<br />

Berechnung<br />

§ 142 StGB zielt auf die Sicherung zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche<br />

eines Geschädigten. Aus diesem Grunde ist für die Berechnung des<br />

„bedeutenden Schaden“ die zivilrechtliche Anspruchsgrundlage entscheidend.<br />

Entstehen durch einen Unfall Reparaturschäden in Höhe von 2.600,00 € an<br />

einem Fahrzeug, das lediglich einen Wiederbeschaffungswert von 1.150,00 €<br />

hat, liegt kein bedeutender Schaden vor, denn die Grenze für den erheblichen<br />

Sachschaden im Sinne von § 69<br />

StGB liegt bei ca. 1.300,00 €.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.9.2010, III 3 RVs 72/10 = NZV 2011, 356<br />

Fremde Sachen von bedeutendem Wert berechnen sich bei dem<br />

Gefährdungsschaden des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB nach der Gefährdung. Der<br />

tatsächlich eingetretene Schaden kann zwar geringer sein - maßgeblich ist aber<br />

der Gefährdungsschaden. Der bedeutende Schaden muss „drohen“.<br />

Das erfordert eine gewisse Wahrscheinlichkeit – er darf aber nicht fern liegen.<br />

Der maßgebliche Grenzwert für den bedeutenden Schaden lag zum Tatzeitpunkt<br />

(?) bei 1.500 DM.<br />

BGH, Beschluss vom 12.4.2011, 4 StR 22/11 = DAR 2011, 398<br />

So schon für 750 € BGH, Beschluss vom 28.9.2010, 4 StR 245/10 = StRR 2011,<br />

112 = VRR 2010, 70 = VA 211, 47<br />

Seite 23 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

§ 315b StGB setzt für die konkrete Gefährdung fremder Sachen einen solchen<br />

Gefährdungsschaden von bedeutendem Wert voraus. Dies sind mindestens 750<br />

€.<br />

BGH, Beschluss vom 29.4.2008, 4 StR 617/07 = DAR 2008, 487<br />

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr<br />

Voraussetzung für einen gefährlichen Eingriff im Sinne von § 315b StGB ist eine<br />

die Wertgrenze überschreitende konkrete Gefährdung der an dem Unfall<br />

beteiligten Fremdfahrzeuge.<br />

BGH, Beschluss vom 27.9.2007, 4 StR 1/07 = NZV 2008, 272 = VRR 2008, 70<br />

Konkrete Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert<br />

Fährt ein Fahrzeug absichtlich, beispielsweise um sich einen Fluchtweg zu<br />

öffnen, mit geringer Geschwindigkeit gegen ein anderes Fahrzeug ist dies noch<br />

keine Gefährdung eines wirtschaftlich bedeutenden Wertes. Es muss vielmehr<br />

eine konkrete drohende Gefahr eines Schadens bestehen.<br />

BGH, Beschluss vom 16.3.2010, 4 StR 82/10 = StraFo 2010, 259<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis,§ 142 StGB<br />

Auch bei dem Fremdschaden, der bei 1.220,00 € liegt, mithin unterhalb der<br />

Grenze eines bedeutenden Schadens, kann es zu einer Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das sonstige Verhalten<br />

des Angeklagten ein hohes Maß an Gleichgültigkeit erkennen lässt.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 31.3.2010, 534 Qs 40/10 = NZV 2010, 476 = DAR<br />

2010, 533 = VRS 119, 224<br />

2. Fahrlässige Körperverletzung<br />

Pießkalla, Zur Fahrlässigkeit, zur Strafbarkeit §§ 223, 229, 222 und 315c<br />

bei Unfällen im Rahmen von Einsatzfahrten, NZV 2007, 438<br />

Einwilligung<br />

Die Einwilligung von Wageninsassen, die die besondere Gefährdung<br />

durch die Fahruntüchtigkeit des Führers des Kraftfahrzeuges erkennen,<br />

hat im Sinne von § 229 StGB rechtfertigende Kraft. Es ist anerkannt, dass<br />

eine die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung ausschließende<br />

Einwilligung auch bei fahrlässiger Körperverletzung im Straßenverkehr<br />

denkbar ist. Sie besteht in dem rein seelischen Vorgang der Aufgabe des<br />

Rechtsschutzwillens. Gegenstand der Einwilligung ist bei der fahrlässigen<br />

Körperverletzung nicht der von dem Einwilligenden ebenso wenig gewollte<br />

Erfolg, sondern das Vorhaben des Handelnden, das im gegebenen<br />

Einzelfall ein über das normale erlaubte Risiko hinaus ein größeres Risiko<br />

einschließt. Eine solche Einwilligung verstößt auch nicht gegen die guten<br />

Sitten. Ein solcher Verstoß liegt nur dann vor, wenn die Körperverletzung<br />

für sich betrachtet sittenwidrig erscheint. Dies ist bei Trunkenheitsfahrten<br />

regelmäßig nicht der Fall. Dies kann der Fall sein, wenn sie zu schweren,<br />

insbesondere dauernden Körperschädigungen führen.<br />

Seite 24 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

AG Saalfeld, Urteil vom 24.2.2004, 635 Js 25 691/03 2 Ds jug. = BA 2007,<br />

44<br />

Autorennen<br />

Die Abgrenzung von selbst- und einverständlicher Fremdgefährdung<br />

richtet sich bei Fahrlässigkeitsdelikten nach der Herrschaft über den<br />

Geschehensablauf.<br />

Die Einwilligung kommt nur dann in Betracht, wenn keine Sittenwidrigkeit<br />

gegeben ist. Dies ist der Fall, wenn bei vorausschauender objektiver<br />

Betrachtung eine konkrete Todesgefahr nicht gegeben ist (BGHSt 49, 34,<br />

166).<br />

BGH, Urteil vom 20.11.2008, 4 StR 328/08 = DAR 2009, 151 = NZV 2009,<br />

199 = VRR 2009, 109<br />

Gefährliche Körperverletzung<br />

Ein Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass<br />

die Körperverletzung durch ein von außen auf den Körper des Tatopfers<br />

einwirkendes gefährliches Tatmittel verursacht wird. Ein fahrendes<br />

Kraftfahrzeug kann eine solches Werkzeug sein, wenn es konkret zur<br />

Verletzung einer Person eingesetzt wird. Fällt eine Person aus einem<br />

Fahrzeug, ist der Körperverletzungserfolg erst durch den nachfolgenden<br />

Aufprall auf dem Gehsteig und nicht mittels des Kraftfahrzeuges<br />

eingetreten.<br />

BGH, Beschluss vom 16.1.2007, 4 StR 524/07 = NZV 2007, 481<br />

Körperverletzung und Kraftfahrzeug<br />

Die Verwirklichung des Tatbestands gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt<br />

voraus, dass die Verletzung durch die Einwirkung des Kraftfahrzeuges auf<br />

dem Körper des Geschädigten erfolgt. Verletzungen, die nicht unmittelbar<br />

durch die Berührung mit dem Fahrzeug verursacht werden, erfolgen nicht<br />

„mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs“.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 18.9.2007, 1 Ss 191/07 = NZV 2008, 366<br />

Schwere Körperverletzung § 226 StGB<br />

Auch Narben, wenn sie verunstaltend sind, können das Gesicht eines<br />

Opfers erheblich entstellen. Es muss aber ein Grad an Verunstaltung<br />

erreicht sein, der in Relation zu den anderen schweren Folgen im Sinne<br />

von § 226 Abs. 1 StGB steht.<br />

BGH, Urteil vom 28.6.2007, 3 StR 185/07 = StraFo 2007, 428<br />

3. Fahrlässige Tötung<br />

Rennen<br />

Ein Handeln ist zwar auch dann ursächlich, wenn es erst durch ein daran<br />

anknüpfendes Verhalten eines Dritten zum Erfolg führt. Durch ein<br />

Seite 25 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

solches wird der Kausalzusammenhang nicht nur nicht unterbrochen,<br />

sondern gerade erst vermittelt. Ob ein Handeln auch nach rechtlichen<br />

Maßstäben für den Erfolg bedeutsam ist, bedarf jedoch einer wertenden<br />

Betrachtungsweise. In diesem Sinne zurechenbar ist ein durch<br />

menschliches Verhalten verursachter Erfolg deshalb nur dann, wenn<br />

dieses Verhalten eine rechtlich missbilligende Gefahr für das verletzte<br />

Rechtsgut geschaffen und gerade diese Gefahr sich im<br />

tatbestandmäßigen Erfolg verwirklicht hat.<br />

Ein vorheriges Kräftemessen mit einem anderen Kraftfahrer führt nicht<br />

unbedingt zu einem zurechenbaren Erfolg. Grundsätzlich hat jeder sein<br />

Verhalten so einzurichten, dass sein Verhalten Rechtsgüter Dritter nicht<br />

gefährdet.<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.4.2011, 2 Ss 14/11 = DAR 2011, 415<br />

(anders die Rechtsprechung in der Schweiz)<br />

Fahren auf Sicht<br />

Fahren auf Sicht im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 18 Abs. 6 StVO kann nachts<br />

auf unbeleuchteter Autobahn für einen Lkw-Fahrer bedeuten, dass er bei<br />

Abblendlicht mit 30 Metern Sichtweite eine Geschwindigkeit von 45 km/h<br />

nicht überschreiten darf. Fährt er gleichwohl schneller und prallt auf ein<br />

unbeleuchtetes Unfallfahrzeug, wodurch ein Mensch getötet wird, macht<br />

er sich der fahrlässigen Tötung gem. § 222 StGB schuldig.<br />

Nichts anderes ergibt sich aus § 18 Abs. 6 StVO. Danach braucht ein<br />

Kraftfahrer seine Geschwindigkeit nicht der Reichweite des Abblendlichts<br />

anzupassen, wenn die Schlussleute des vorausgefahrenen<br />

Kraftfahrzeuges klar erkennbar ist und ein ausreichender Abstand von ihm<br />

eingehalten wird oder der Verlauf der Fahrbahn durch Leiteinrichtungen<br />

mit Rückstrahlern und, zusammen mit fremdem Licht, Hindernisse<br />

rechtzeitig erkannt werden können.<br />

Das LG hat den Angeklagten unter Vorbehalt einer Strafe verwarnt.<br />

LG Freiburg, Urteil vom 25.2.2008, 7 Ns 520 Js 14833/06 – AK 174/07 =<br />

Die Justiz 2008, 128<br />

Werkstattleiter<br />

Ein Werkstattleiter hat eine Garantenstellung inne und damit auch eine<br />

Erfolgsabwendungspflicht gegenüber Verkehrsunfallopfern. Dem steht<br />

nicht entgegen, dass nach dem Gesetz für den verkehrssicheren Zustand<br />

der Halter und Kraftfahrzeugführer verantwortlich ist. Der Halter kann<br />

seine Verantwortlichkeit schon durch die Bestellung einer sachkundigen<br />

und zuverlässigen Hilfsperson einschränken. Verantwortlich ist der<br />

Werkstattleiter (der firmeneigenen Werkstatt) jedoch nur, wenn es in<br />

seiner Macht steht, von sich aus Fahrzeuge bis zur Durchführung der<br />

notwendigen Reparaturen stillzulegen. Ansonsten reicht die Unterrichtung<br />

der Firmenleitung.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

BGH, Beschluss vom 6.3.2008, 4 StR 669/07 = DAR 2008, 346 = NZV<br />

2008, 360 = BGHSt 52, 159 = VRR 2008, 271<br />

Vollstreckung einer Freiheitsstrafe<br />

Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Tötung und grob<br />

verkehrswidrigem und rücksichtslosem Fahren an unübersichtlichen<br />

Stellen zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten ohne Bewährung<br />

verurteilt. Das LG reduzierte lediglich die Sperrfrist von fünfzehn auf elf<br />

Monate. Die Revision war erfolglos. Eine Vollstreckung der Strafe ist zur<br />

Verteidigung der Rechtsordnung geboten.<br />

Nach § 56 Abs. 3 StGB wird bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe<br />

von mindestens sechs Monaten die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn<br />

die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet. Die<br />

Verteidigung der Rechtsordnung erfordert eine Vollstreckung der<br />

Freiheitsstrafe, wenn eine Strafaussetzung im Hinblick auf<br />

schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine<br />

Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsse und dadurch das<br />

Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts<br />

erschüttert würde (BGHSt 24, 40).<br />

Dabei dürfen die hierbei zum Ausdruck kommenden generalpräventiven<br />

Erwägungen nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder<br />

Tatbestandsgruppen von der Möglichkeit der Aussetzung der Strafe zur<br />

Bewährung generell auszuschließen. In jedem Einzelfall bedarf es<br />

vielmehr einer den besonderen Umständen gerecht werdenden<br />

Abwägung, bei der Tat und Täter umfassend gewürdigt werden müssen.<br />

Nimmt der Tatrichter bei einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr an,<br />

dass besondere Umstände vorliegen, die eine Strafaussetzung<br />

begründen, aber die Verteidigung der Rechtsordnung einer Bewährung<br />

entgegenstehe, bedarf auch dies besonderer Darlegung und Begründung.<br />

Auch bei Fahrlässigkeitsdelikten kann bei Freiheitsstrafen von<br />

mindestens sechs Monaten das Kriterium der Verteidigung der<br />

Rechtsordnung die Vollstreckung gebieten. Erforderlich ist dann jedoch,<br />

dass sowohl das Erfolgs- als auch das Handlungsunrecht besonders<br />

schwer wiegen und durch eine stringente Anwendung des Strafrechts das<br />

Vertrauen der Bevölkerung in die Wirksamkeit des Rechtsgüterschutzes<br />

gesichert werden muss.<br />

Dies gilt nicht nur bei Trunkenheitsdelikten, sondern auch bei anderen<br />

schweren Verkehrsverstößen, wenn diese Zuwiderhandlungen mit<br />

erheblichen, insbesondere tödlichen Unfallfolgen einhergehen.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.3.2008, 1 Ss 127/07 = VRS 114, 363 =<br />

NZV 2008, 467 = zfs 2008, 349 = VRR 2008, 314 = VA 2008,117<br />

Seite 27 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Vorsätzliche Tötung / Versuch<br />

Die Darstellung im Urteil ist nicht konsequent. Die Annahme einer nur<br />

fahrlässigen Körperverletzung stimmt nicht überein mit dem bedingten<br />

Gefährdungsvorsatz des § 315c Abs. 1 StGB. Überfährt ein<br />

Kraftfahrzeugführer eine rote Ampel und rechnet damit, dass die<br />

Fußgängerampel grün zeigt, sodass sich Fußgänger auf der Fahrbahn<br />

befinden können, um die Straße zu überqueren, so nimmt er deren<br />

Gefährdung – und Verletzung – billigend in Kauf. Dann reicht es nicht<br />

aus, einfach den Tötungsvorsatz auszuschließen.<br />

BGH, Urteil vom 15.4.2008, 4 StR 639/07 = DAR 2008, 390<br />

4. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort<br />

Bach, Wertgrenzen für den Sachschaden bei tätiger Reue im Sinne von §<br />

142 Abs. 4 StGB, DAR 2007, 667<br />

Blum, Überblick über den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom<br />

Unfallort, SVR 2007, 163<br />

Blum, Das unvorsätzliche Sich-Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB),<br />

NZV 2008, 495<br />

Himmelreich, Nicht Bemerkbarkeit durch „Ablenkungen“ im Rahmen der<br />

Verkehrsunfallflucht, DAR 2010, 45<br />

Himmelreich, Bagatellfremdschaden , DAR 2007, 669<br />

Krumm/Himmelreich/Staub, Die „OWi-Unfallflucht“, DAR 2011, 6<br />

Krumm, Arbeitshilfe: Vorwurf der Unfallflucht nach erlaubten Entfernen - §<br />

§ 142 Abs. 2 StGB, NZV 2008, 497<br />

Laschewski, Vorsatzloses Entfernen vom Unfallort – weiterhin strafbar?,<br />

NZV 2007, 444<br />

Lenhart, Verteidigung bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort<br />

NJW 2010, 2184<br />

Mitsch, Vollendung und Beendigung der „Unfallflucht“, NZV 2009, 105<br />

Mitsch, § 142 bei Unfällen auf der Autobahn ,NZV 2010, 225<br />

Mitsch, Die verfassungskonforme Anwendung des § 142 Abs.2 Nr. 2<br />

StGB, NZV 2008, 217<br />

Begriff des Unfalls<br />

Ein Verkehrsunfall im Sinne von § 142 Abs. 1 StGB liegt nicht vor, wenn<br />

im stehenden Verkehr bei noch nicht beendeten Be- oder Entladen ein<br />

Gegenstand von einem Lkw auf einen danebenstehenden Pkw fällt.<br />

Hierdurch verwirklicht sich nicht ein typisches Unfallrisiko des<br />

Straßenverkehrs.<br />

AG Berlin-Tiergarten, Beschluss vom 16.7.2008, 290 Cs 3032 PLs<br />

5850/08 (145/08) = NZV 2009, 94 = DAR 2009, 45 = VRS 115, 300 = NJW<br />

2008, 3728 = VRR 2009, 70 = VA 2009, 67<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Vorsatz<br />

Der Vorsatz nach § 142 Abs. 1 StGB muss sich auf alle Merkmale des<br />

äußeren Tatbestandes beziehen. Der Täter muss dabei erkannt haben<br />

oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass er einen<br />

Gegenstand angefahren, überfahren oder jemanden verletzt oder getötet<br />

hat, sowie das ein nicht völlig bedeutungsloser fremder Sachschaden<br />

entstanden ist. Dass der Angeklagte die Entstehung eines nicht<br />

unerheblichen Schaden hätte erkennen können und müssen, reicht nicht<br />

aus, dies ist kein bedingter Vorsatz sondern lediglich Fahrlässigkeit.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 7.7.2005, 1 Ss 161/04 = zfs 2006, 529<br />

Feststellungspflicht<br />

Das AG hat den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort<br />

zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt und ihm zugleich wegen<br />

fahrlässigen Verstoßes gegen eine Vorschrift über das allgemeine<br />

Verhalten im Straßenverkehr eine Geldbuße von 35,00 € auferlegt,<br />

Berufung und Revision blieben erfolglos.<br />

Fraglich kann nur die allgemeine Feststellungspflicht nach § 142 Abs. 1<br />

Nr. 1 StGB sein. Ein Unfallbeteiligter muss nach dem Wortlaut die<br />

Feststellung seiner Person, seines Fahrzeuges und der Art seiner<br />

Beteiligung ermöglichen. Neben der allgemeinen Anwesenheitspflicht wird<br />

hier eine Mitwirkungspflicht geschaffen. Ausreichend ist dabei die<br />

Mitteilung, dass das eigene Verhalten zur Verursachung eines Unfalls<br />

beigetragen hat. Deshalb muss der Unfallbeteiligte nicht unbedingt seinem<br />

Namen nennen oder gar unter Vorlage von Papieren ausweisen. Gibt ein<br />

Unfallbeteiligter aber lediglich seine Taxinummer bekannt, führt dies<br />

jedenfalls dazu, dass der Geschädigte keine Feststellung über die Person<br />

des Angeklagten als Führer des Kraftfahrzeuges treffen konnte. Der<br />

Angeklagte hätte deshalb, solange der Geschädigte seine Anwesenheit<br />

verlangte, die Unfallstelle nicht verlassen dürfen. Auch die Bagatellgrenze<br />

wurde überschritten. Die Bagatellgrenze liegt derzeit bei 50,00 €.<br />

OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.1.2007, 2 St OLG Ss 300/06 = NZV<br />

2007, 535<br />

Straßenverkehr<br />

Das Vorbeischieben von auf Rollen beweglichen Mülltonnen an parkenden<br />

Fahrzeugen steht im natürlichen Zusammenhang mit Verkehrsgeschehen<br />

und ist somit ein Geschehen „im Straßenverkehr“ im Sinne von § 142<br />

StGB.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 27.6.2006, 526 Qs 162/06 = NZV 2007, 322 =<br />

NStZ 2007, 100<br />

Vorsätzliche Schädigung<br />

Das vorsätzliche Herbeiführen des Schadens steht der Annahme eines<br />

Unfalles nicht zwingend entgegen (so auch BGH VRS 108, 427). Auch in<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

einem solchen Fall ist vielmehr maßgeblich, ob sich ein verkehrstypisches<br />

Unfallrisiko realisiert hat oder ob das Schadenereignis schon nach seinem<br />

äußeren Erscheinungsbild Folge einer deliktischen Planung ist.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 18.9.2007, 1 Ss 191/07 = NZV 2008, 366<br />

Vorsatz Sprungrevision<br />

Die Sprungrevision ist auch ohne weitere Voraussetzungen statthaft, wenn<br />

auf nicht mehr als 15 Tagessätze Geldstrafe erkannt ist.<br />

Zur Tatsachenfeststellung bei Unfallflucht muss das Gericht vorsätzliches<br />

Handeln feststellen. Dabei reicht bedingter Vorsatz aus. Vom<br />

Vorstellungsbild des Täters müsse allerdings erfasst sein, dass bei dem<br />

Unfall ein nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden ist. Der Vorsatz<br />

muss sich auch auf die mögliche Mitverursachung beziehen.<br />

OLG Schleswig, Beschluss vom 14.11.2007, 2 Ss 193/07 = VRR 2008,<br />

150<br />

Unvorsätzliches Entfernen<br />

Die Vorschrift des § 142 StGB erfasst nicht die Fälle des unvorsätzlichen<br />

Entfernens vom Unfallort.<br />

BVerfG, Beschluss vom 19.3.2007, 2 BvR 2273/06 = SVR 2007, 268 =<br />

SVR 2007, 389 = StraFo 2007, 213 = VRR 2007, 232 = NZV 2007, 368<br />

Vorsatzloses Sich Entfernen<br />

Das vorsatzlose Sich Entfernen vom Unfallort begründet nicht die Pflicht<br />

der Rückkehr gem. § 142 Abs. 2 und Abs. 3 StGB. Den Straftatbestand<br />

des § 142 StGB verwirklicht aber der Unfallbeteiligte, der den Unfall nicht<br />

bemerkt, deshalb seine Fahrt zunächst fortsetzt, aber noch innerhalb<br />

eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit dem<br />

Unfallgeschehen von diesem erfährt. Ein solcher räumlicher<br />

Zusammenhang besteht nicht mehr, wenn der Unfallbeteiligte nach dem<br />

Unfall innerorts 5 bis 10 Minuten weiter gefahren ist und in dieser Zeit<br />

etwa 3 km zurückgelegt hat.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.10.2007, III – 2 Ss 142/07 – 69/07 III =<br />

DAR 2008, 154 = NZV 2008, 107 = VRS 113, 429 = VRR 2008, 109<br />

Unvorsätzliches Entfernen<br />

Ein Fahrer ist nicht nach § 142 StGB strafbar, wenn er erst nach<br />

Verlassen des Unfallortes auf einen Unfall hingewiesen wird. Ein Anhaltort<br />

wird auch nicht dadurch zum Unfallort, dass der Betroffene im fließenden<br />

Verkehr angehalten wird. Der Angeklagte streifte mit dem rechten<br />

Außenspiegel seines LKW einen anderen LKW und beschädigte diesen.<br />

Ca. 1,5 km vom Unfallort entfernt kam er zum Stehen und wurde auf den<br />

Unfall aufmerksam gemacht. Ohne Angaben zu machen, setzte er die<br />

Fahrt fort. Der Angeklagte wurde freigesprochen.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Hamburg, Beschluss vom 27.3.2009, 3 - 13/09 (Rev) = NZV 2009, 01<br />

= VA 2009, 106 = StRR 2009, 312<br />

Wiederaufnahme<br />

Die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil<br />

abgeschlossenen Strafverfahrens nach § 79 Abs. 1 BVerfGG ermöglicht<br />

nicht die Aufhebung von rechtskräftigen Urteilen, die lediglich<br />

rechtfehlerhaft sind.<br />

Der Angeklagte war nicht wegen unvorsätzlichen Entfernen vom Unfallort<br />

(§ 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB) verurteilt worden, sondern nach dessen Nr. 1.<br />

Der beantragte die Wiederaufnahme, weil er der Meinung ist, allein nach<br />

Nr. 2 hätte er bestraft werden können. Eine solche Regelung ist jedoch<br />

nicht von § 79 Abs. 1 BVerfGG gedeckt.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 19.12.2007, 2 Ws 683/07 = NZV 2008, 533<br />

Beihilfe zur Unfallflucht<br />

Das AG hat einen Fall des unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu<br />

entscheiden. Der Bruder des Angeklagten war (betrunken) mit seinem<br />

Mercedes-Kastenwagen verunglückt. Der Angeklagte habe sich zum<br />

Unfall begeben und versucht, das Fahrzeug zu bergen. Sein Bruder hatte<br />

sich währenddessen verbogen gehalten. Der Angeklagte hatte sich<br />

gegenüber der Polizei als Fahrer zu erkennen gegeben.<br />

Das AG hat zu entscheiden, ob das „unerlaubte Entfernen“ bereits<br />

beendet gewesen sei, dann scheidet eine Strafbarkeit gem. §§ 142, 27<br />

StGB aus. Nach Beendigung der Haupttat ist eine strafbare Beihilfe nicht<br />

mehr möglich.<br />

Das AG geht jedoch weiter: Es sagt, eine Beihilfe sei nur bis zur formellen<br />

Deliktsvollendung möglich.<br />

AG Blomberg, Beschluss vom 2.11.2007, 1 Ds 35 Js 2417/07 (363/07) =<br />

VRR 2008, 116<br />

Verfahrenseinstellung<br />

Verzichtet eine mehr als 80-jährige Verkehrsteilnehmerin nach einer<br />

Unfallflucht mit einem Schaden von 300,00 € freiwillig auf die<br />

Fahrerlaubnis, kann das Verfahren nach § 153 StPO eingestellt werden.<br />

AG Lüdinghausen, Beschluss vom 22.4.09, 9 Ds 81 Js 38/09- 54/09 =<br />

NZV 2009, 305<br />

Reichweite der Einstellung<br />

Sieht die Anklage eine Tat im prozessualen Sinne als Ordnungswidrigkeit<br />

und als Vergehen der Unfallflucht an, so werden durch eine Einstellung<br />

nach § 153 StPO auch die Teile von der Einstellung erfasst, die als<br />

Ordnungswidrigkeit angeklagt werden.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 9.3.2007, (576) 95/124 P1S4333/05 Ns (17/06)<br />

= VRS 113, 116<br />

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5. Fahren ohne Fahrerlaubnis<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Führen eines Kraftfahrzeuges<br />

Der vergebliche Versuch, ein im Waldboden feststeckendes Fahrzeug frei<br />

zu bekommen, stellt kein Führen eines Kraftfahrzeuges im Sinne von §<br />

316 StGB, § 24a StVG dar. Dies gilt selbst im Falle minimaler<br />

Fortbewegung, sofern das Fahrzeug im Ergebnis sich nicht von seinem<br />

Standort fortbewegt.<br />

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 20.12.2005, 2 Ss (OWi) 266<br />

B/05 = BA 2007, 43<br />

EU-Führerschein<br />

Der deutsche Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis macht sich nicht strafbar, wenn die<br />

Fahrerlaubnis nach Ablauf einer inländischen Sperrfrist ausgestellt wurde.<br />

OLG Karlsruhe Urteil vom 26.8.2004, 3 Ss 103/04 = DAR 2004, 714 = VRS Bd.<br />

107, 382 = zfs 2004, 531 =StV 2005, 93<br />

Wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis macht sich strafbar, wer sich während<br />

des Laufs einer isolierten Sperre nach § 69 a Abs. 1 S. 3 StGB eine zuvor<br />

erworbenen EU-Fahrerlaubnis bedient. Das Verschlechterungsverbot<br />

des § 331 Abs. 1 StPO verhindert aber, dass gegen einen Angeklagten,<br />

gegen den in erster Instanz lediglich eine isolierte Sperre verhängt wurde,<br />

im Berufungsverfahren die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 9.6.2010, 2 Ws 361/10 = NZV 2010, 633 = BA<br />

2011, 110<br />

Wird eine europäische Fahrerlaubnis während einer verhängten Sperrfrist<br />

ausgestellt, berechtigt diese auch nicht nach Ablauf der Sperre zum<br />

Führen von Kraftfahrzeugen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 24.6.2009, 3 Ss 235/09 = NZV 2010, 162<br />

Dauer der Tat<br />

Fahren ohne Fahrerlaubnis wird nicht durch einen Tankvorgang<br />

unterbrochen.<br />

BGH, Beschluss vom 22.7.2009, 5 StR 268/09 =DAR 2010, 273<br />

Die Dauerstraftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis endet regelmäßig erst<br />

mit Abschluss einer von vornherein für eine längere Wegstrecke geplanten<br />

Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbstständige Taten<br />

aufgespalten. Dies gilt auch für Hin- und Rückfahrten. Dies gilt teils sogar<br />

bei längeren Gaststättenbesuch (2 Stunden, BayObLG, NStZ 1987, 114).<br />

BGH, Beschluss vom 30.9.2010, 3 StR 294/10=VRR 2010, 469<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Eine 15-minütige Fahrtunterbrechung aufgrund einer<br />

Geschwindigkeitskontrolle mit polizeilicher Anzeigenaufnahme beendet<br />

das Delikt des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 2.2.2010, 9 Ds – 82 Js 8979/09 – 186/09<br />

=NZV 2010, 365.<br />

Die Dauerstraftat des Verfahrens ohne Fahrerlaubnis wird durch kürze<br />

Unterbrechungen nicht in zwei Taten aufgespaltet, da eine natürliche<br />

Handlungseinheit besteht. Eine Tat wird auch nicht am Zielort<br />

unterbrochen, wenn von vorne herein die Absicht zur Rückfahrt besteht.<br />

Dies gilt auch für ein unerwartet auftretendes Ereignis (hier eine<br />

Verkehrskontrolle).<br />

LG Potsdam, Urteil vom 4.12.08, 27 Ns 116/08 = DAR 2009, 285<br />

Zustellung des Beschlusses über die Entziehung<br />

Das bloße Unterlassen der Ummeldung nach einem Umzug begründet<br />

keine Zugangsfiktion bei Zustellung an der alten Anschrift, wenn der<br />

Empfänger keine Kenntnis hatte.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 9.6.2009, 83 Ss 40/09 = VRR 2010, 30<br />

EU Führerschein, Sperrfrist<br />

Wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis macht sich strafbar, wer keine<br />

deutsche Fahrerlaubnis innehat und entgegen § 28 Abs. 4 Nr. 4 FeV<br />

während des Laufs einer rechtskräftig verhängenden Sperrfrist von seiner<br />

ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch macht.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 8.12.2009, 3 Ss 382/09 = VRR 2010, 108 =<br />

VA 2010, 102<br />

Strafbar macht sich, wer während des Laufs einer inländischen Sperrfrist<br />

im EU-Ausland eine während dieser Sperrfrist erlangte Fahrerlaubnis nach<br />

Ablauf der Sperrfrist nutzt. Dabei ist unschädlich, wenn diese<br />

Fahrerlaubnis durch eine inländische Behörde nicht entzogen oder<br />

beschränkt wurde.<br />

Thüringer OLG, Urteil vom 1.4.2009 1 Ss 164/09 = VRs 116, 457<br />

Eine vor Ablauf einer im Inland verhängten Sperrfrist im EU-Ausland<br />

erworbene Fahrerlaubnis berechtigt nicht dazu, im Inland Kraftfahrzeuge<br />

zu führen.<br />

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.3.2009, 2 Ss 81/08 = VRS 117,<br />

212<br />

Wer nach Entzug der deutschen Fahrerlaubnis unter Vortäuschung eines<br />

Aufenthalts im Ausland einen ausländischen EU-Führerschein erhält, ist<br />

nicht berechtigt in Deutschland ein Kraftfahrzeug zu führen.<br />

OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.3.2011, 1 Ss 32/11 = VRS 120, 346 =<br />

BA 2011, 180 = VRR 2011, 269<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Die vorbehaltslose Anerkennung von Fahrerlaubnissen innerhalb der EU<br />

dient der Gewährleistung der Freizügigkeit. Wenn allerdings dieses Recht<br />

überhaupt nicht in Anspruch genommen wird, sondern unter bewusster<br />

Umgehung der Regeln für die Erteilung einer Fahrerlaubnis im EU-<br />

Ausland eine Fahrerlaubnis erworben wird, kann ein Führerscheininhaber<br />

sich auf dieses Recht nicht berufen.<br />

LG Meiningen, Beschluss vom 20.8.2009, 2 Qs 152/09=BA 2009, 428<br />

Die Verurteilung wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis begegnet keinen<br />

verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn dem Kraftfahrer zuvor unter<br />

Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wirksam untersagt wurde, von<br />

einer im EU Ausland erworbenen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu<br />

machen.<br />

BVerfG, Beschluss vom 13.2.2008, 2 BvR 42/08 = DAR 2008, 386 = VRR<br />

2008, 187<br />

Ein im Ausland ausgestellter Führerschein berechtigt dann nicht zum<br />

Führen eines Kraftfahrzeuges in Deutschland, wenn in ihm als Wohnsitz<br />

ein Ort in Deutschland angegeben ist. Bei einem Verbotsirrtum muss<br />

angegeben werden, welches Ergebnis eine Erkundigung bei einer<br />

deutschen Führerscheinbehörde ergeben hätte.<br />

OLG Oldenburg, Beschluss vom 6.4.2010, 1 Ss 25/10= SVR 2010, 219 =<br />

VA 2010, 123 = DAR 2010, 338 = NZV 2010, 305<br />

§ 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV ist mit der jetzt gültigen dritten<br />

Führerscheinrichtlinie vereinbar (2006/126/EG).<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.5.2010, 2 Ss 269/10 = NZV 2010, 631 =<br />

NJW 2010, 2818 = DAR 2010, 481 = StRR 2010, 353 = VA 2010, 156 =<br />

VRS 119, 51 = VRR 2010, 309<br />

Ausländische Fahrerlaubnis<br />

Das OLG spricht einen Angeklagten frei, der mit einem tschechischen<br />

Führerschein unterwegs war, der am 14.11.2005 ausgestellt war. Es kommt<br />

darauf an, dass die Benutzung der Fahrerlaubnis nach Ablauf einer<br />

inländischen Sperrfrist erfolgt.<br />

Thüringer OLG, Urteil vom 6.3.2007, 1 Ss 251/06= SVR 2010, 187<br />

Verbotsirrtum<br />

Einem juristischen Laien muss nicht zwangsläufig klar sein, dass eine auf<br />

zwei Monate befristete Nebenstrafe (Fahrverbot) sich auf unbestimmte<br />

Zeit verlängert, wenn der Führerschein nicht in amtliche Verwahrung<br />

gegeben wird. Dies gilt insbesondere, wenn der Annahme des<br />

Beschuldigten eine falsche Auskunft des Verteidigers vorliegt.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 6.4.2010, 1 Ss 185/09 = VRR 2010, 271<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Erkundigungspflicht<br />

Den Inhaber einer nach Entziehung der Fahrerlaubnis ausgestellten<br />

tschechischen Fahrerlaubnis trifft eine Erkundigungspflicht, ob er diese<br />

Fahrerlaubnis in Deutschland nutzen darf.<br />

OLG Koblenz, Urteil vom 7.2.2011, 2 Ss 222/10 = NZV 2011, 359 = VRR<br />

2011, 231 = VA 2011, 103<br />

Besonderheit in Altfällen<br />

Fahren ohne Fahrerlaubnis ist nur dann möglich, wenn die Sperre für die<br />

Fahrerlaubnis in Fällen vor dem 19.1.2009 auch im<br />

Verkehrszentralregister eingetragen ist.<br />

OLG Oldenburg, Beschluss vom 8.2.2010, 1 Ss 102/10 = SVR 2011, 76 =<br />

DAR 2011, 154 = NJW 2011, 870 = VRS 120, 200 = NZV 2011, 207<br />

Halter<br />

Der Halter ist verpflichtet, sich grundsätzlich einen Führerschein zeigen zu<br />

lassen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn er bereits vorher sichere<br />

Kenntnis davon hatte, dass der Betroffene eine Fahrerlaubnis hat. Er<br />

braucht nicht damit zu rechnen, dass diese in der Zwischenzeit entzogen<br />

sein könnte.<br />

KG, Beschluss vom 16.9.2005, (3) 1 Ss 240/05 (86/05) ) zfs 2006, 487<br />

Beschränkung der Berufung<br />

Bei einer Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis muss das<br />

tatrichterliche Urteil Feststellungen zu den Gegebenheiten der Fahrt<br />

enthalten (Anlass, Dauer, Handeln aus einem bestimmten Antrieb heraus,<br />

etc.). Fehlen diese Feststellungen, ist eine Beschränkung der Berufung<br />

auf den Rechtsfolgenausspruch in der Regel unwirksam.<br />

Eine Beschränkung der Berufung ist nur möglich, wenn die tatsächlichen<br />

Feststellungen im tatrichterlichem Urteil den Rechtsfolgenausspruch<br />

tragen, das heißt, die Angemessenheit der festgesetzten Rechtsfolgen<br />

durch das Revisionsgericht geprüft werden kann.<br />

Hierbei muss das Maß der Schuld des Täters im Einzelnen feststellen.<br />

Dieses Maß der Schuld wird beim Fahren ohne Fahrerlaubnis aber durch<br />

die Gegebenheiten der Fahrt selbst bestimmt.<br />

OLG München, Beschluss vom 3.7.2008, 5 St RR 119/07 = VA 2008, 174<br />

Beiordnung, § 21 StVG<br />

Die bedeutsame Frage, ob ein Mitgliedstaat der EU die Möglichkeit hat<br />

einem von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Führerschein die<br />

Anerkennung zu versagen, ist eine schwierige Rechtsfrage und rechtfertigt<br />

die Beiordnung eines Pflichtverteidigers.<br />

LG Zweibrücken, Beschluss vom 2.12.2008, Qs 136/08 = DAR 2009, 612<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Verwaltungsrechtliche Entziehung<br />

Bei einer Verurteilung wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis nach einer<br />

verwaltungsbehördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis überprüft das<br />

Strafgericht lediglich die formelle Wirksamkeit der behördlichen<br />

Entscheidung. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, auch deren sachliche<br />

Richtigkeit festzustellen.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 22.4.2008, 32 Ss 32/08 = SVR 2008, 101 =<br />

VRR 2008, 349<br />

6. Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer § 316a StGB<br />

Sowada, Der räuberische Angriff auf einen „Noch-nicht-Kraftfahrer“,<br />

HRRS 2008, 136.<br />

Krüger, Zum „Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des<br />

Straßenverkehrs“ im Sinne von § 316a StGB, NZV 2008, 234<br />

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer<br />

Das Tatbestandsmerkmal „Verübung eines Angriffs“ ist auch erfüllt, wenn<br />

das Opfer durch einen vor Fahrtantritt begonnenen Angriff zur Mitfahrt<br />

gezwungen wird und der Angriff während der Fahrt fortgesetzt wird.<br />

Die Angeklagten wollten das Opfer überfallen und beobachteten es,<br />

während es in ein Fahrzeug einstieg. Während er in das Fahrzeug<br />

einstieg, setzten sie sich auf die Rückbank und zwangen ihn, mit einer<br />

ungeladenen Gaspistole das Fahrzeug zu starten und auf einen<br />

abgelegenen Parkplatz abzustellen. Sie nahmen ihm dann während der<br />

Fahrt das Geld weg.<br />

Das LG hat die Angeklagten wegen Raubes und tateinheitlichen<br />

räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer zu drei Jahren und sechs Monaten<br />

Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision hatte keinen Erfolg. Entsprechend<br />

der Grundsatzentscheidung des BGH (BGHSt 49, 8) ist der Tatbestand<br />

nur erfüllt, wenn der Angriff sich gegen den Führer oder Mitfahrer eines<br />

Kraftfahrzeuges richtet. Erforderlich ist dabei, dass das Tatopfer diese<br />

Eigenschaft zum Tatzeitpunkt besitzt. Dies ist vorliegend auch erfüllt.<br />

Zwar hält sich das Tatopfer bereits im Fahrzeug auf, als der Angriff erfolgt.<br />

Es war aber zu dem Zeitpunkt des ersten Angriffes noch nicht mit der<br />

Bewältigung von Betriebs- und Verkehrsvorgängen befasst. Er war<br />

insoweit noch kein taugliches Angriffsziel im Sinne von § 316a StGB.<br />

Indem die Täter ihr Opfer aber während der anschließenden Fahrt<br />

zwangen und weiter bedrohten, ist der Tatbestand erfüllt. Die<br />

Anwendbarkeit des § 316a StGB erfordert nämlich nicht, dass das<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Tatopfer bereits zu Beginn des Angriffs Führer des Kraftfahrzeuges ist.<br />

Das Tatbestandsmerkmal „Verübung eines Angriffs“ ist vielmehr auch<br />

dann erfüllt, wenn ein Opfer durch einen vor Fahrtantritt begonnenen<br />

Angriffs zur Fahrt gezwungen wird und der Angriff während der Fahrt<br />

fortgesetzt wird. Erfasst wird damit auch der Zeitraum bis zur Beendigung<br />

des Angriffs. Dabei wurden auch die besonderen Verhältnisse des<br />

Straßenverkehrs ausgenutzt. Erforderlich ist insoweit, dass der Angriff<br />

unter den spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs erfolgt. Objektiv<br />

ist dies der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeuges im Zeitpunkt des<br />

Angriffs mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeuges und/oder mit der<br />

Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, sodass er gerade<br />

deshalb ein leichteres Angriffsobjekt ist. Dabei muss der Täter erkennen,<br />

dass die Abwehrmöglichkeiten des Opfers hierdurch deutlich<br />

eingeschränkt werden.<br />

BGH, Beschluss vom 25.9.2007, 4 StR 338/07 = SVR 2008, 189 = BGHSt<br />

52, 44 = NJW 2008, 451 = DAR 2008, 96 = NZV 2008, 256 = VRR 2008,<br />

71<br />

7. § 315c StGB, Straßenverkehrsgefährdung<br />

§ 315b StGB Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr<br />

Burhoff, Zwanzig Fragen zur Gefährdung des Straßenverkehrs nach §<br />

315c, VA 2008, 68<br />

Täter<br />

§ 315c StGB ist ein eigenhändiges Delikt. Bestraft werden kann nur, wer<br />

Führer eines Fahrzeuges ist. Ein Billigen im Rahmen einer verabredeten<br />

Verfolgungsfahrt reicht nicht aus.<br />

BGH, Beschluss vom 9.8.2007, 4 StR 339/07 = StraFo 2007, 475<br />

Übermüdung<br />

Nicht jedes langsame Abkommen von der Autobahn auf gerader Strecke<br />

ist durch Übermüdung zu erklären. Dies kann in der Regel nur durch ein<br />

rechtmedizinisches Gutachten geklärt werden.<br />

AG Aachen, Beschluss vom 23.2.2007, 41 Gs 421/07 = SVR 2008, 145<br />

Rücksichtslosigkeit<br />

Rücksichtsloses Verhalten ist nicht nur ein objektives Geschehen. Die<br />

Feststellung verlangt ein sich aus zusätzlichen Umständen ergebendes<br />

Defizit (Leichtsinn, Eigennutz oder Gleichgültigkeit), das weit über das<br />

hinausgeht, das normalerweise jedem begangenen Verkehrsverstoß<br />

zugrunde liegt.<br />

KG, Beschluss vom 25.5.2007, (3) 1 Ss 103/07 (46/07) = VRS 113, 291<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

• 315c gilt nur im öffentlichen Straßenverkehr<br />

• Täter: Voraussetzung ist, dass der Täter das Fahrzeug selbst<br />

geführt hat. Mittäterschaft ist möglich, wenn eine anteilige Führung<br />

des Kraftfahrzeuges vorgeworfen wird.<br />

• Anstiftung: Anstiftung und Beihilfe sind möglich. Dies kann der Fall<br />

sein, wenn der Halter oder Beifahrer den erkennbar fahruntüchtigen<br />

Fahrer nicht hindert.<br />

• Deliktcharakter: § 315c StGB ist ein konkretes<br />

Gefährdungsdelikt. Erfasst wird auch ausschließlich<br />

verkehrswidriges Verhalten von Verkehrsteilnehmern. Ein<br />

verkehrsfremder Angriff von außen ist daher nicht erforderlich.<br />

• Tathandlungen: § 315c StGB umfasst die so genannten sieben<br />

Todsünden des Straßenverkehrs wie das Führen eines<br />

Kraftfahrzeugs in fahruntüchtigem Zustand<br />

o Sieben Todsünden: 1. Nichtbeachten der Vorfahrt, 2.<br />

falsches Fahren beim Überholen, 3. falschen Fahren an<br />

Fußgängerüberwegen, 4. zu schnelles Fahren an<br />

unübersichtlichen Stellen, 5. Nichteinhalten der rechten<br />

Fahrbahn, 6. falsches Fahren auf Autobahnen, 7. fehlendes<br />

Unterlassen der Kenntlichmachung haltender oder liegen<br />

gebliebener Fahrzeuge.<br />

• Trunkenheit: Nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB wird derjenige<br />

Täter, der im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er in Folge<br />

des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender<br />

Mittel nicht in der Lage ist das Kraftfahrzeug sicher zu führen.<br />

• Sonstige körperlichen oder geistigen Mängel: Nach § 315c Abs. 1<br />

Nr. 1b StGB ist der Tatbestand erfüllt, wenn sonstige geistige oder<br />

körperliche Mängel Ursache der Gefährdung sind. Ursache können<br />

damit dauerhafter körperliche Mängel sein, aber auch<br />

vorübergehende Krankheiten wie Grippe oder Übermüdung.<br />

• Taterfolg: Es muss eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben<br />

eines Anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert<br />

vorliegen.<br />

• Konkrete Gefahr: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn die<br />

Sicherheit des Betroffenen so stark beeinträchtigt ist, dass es vom<br />

Zufall abhängt, ob eine Beschädigung eintritt.<br />

• Tathandlung und konkrete Gefahr: Es muss eine konkrete<br />

Verknüpfung bestehen. Die konkrete Gefahr muss unmittelbare<br />

Folge der Tathandlung sein.<br />

• Gefährdungsobjekt: Leib oder Leben einer anderen Person. Die<br />

Eigengefährdung reicht nicht aus. Die gefährdeten Personen<br />

müssen sich aber nicht im Bereich des allgemeinen<br />

Straßenverkehrs aufhalten. Die konkrete Gefahr kann auch für<br />

Fahrzeuginsassen selbst entstehen. Diese erfolgt aber nicht bereits<br />

aus der abstrakten Gefährdung (Trunkenheit). Insoweit ist<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

wiederum eine konkrete Feststellung eines Tatgeschehens<br />

notwendig. Auch eine folgenloser Fahrfehler reicht nicht mehr aus<br />

(BGH, DAR 95, 296 = NZV 95, 325).<br />

• Fremde Sache: Die gefährdete Sache muss ebenfalls im fremden<br />

Eigentum stehen. Das vom Täter selbst geführte Fahrzeug ist keine<br />

fremde Sache im Sinne von § 315c StGB, auch wenn es im<br />

fremden Eigentum steht.<br />

• Bedeutender Wert: Hier ist der materielle Wert der Sache<br />

entscheidend. Der Betrag sollte wieder bei circa 1.300 € liegen;<br />

BGH 700 – 750 €.<br />

• Grob verkehrswidrig: Grob verkehrswidrig ist eine objektiv<br />

besonders verkehrsgefährdende Verhaltensweise des<br />

Kraftfahrzeugführers.<br />

• Rücksichtslos: Rücksichtslos ist die gesteigerte subjektive<br />

Vorwerfbarkeit. Rücksichtslos ist, wer sich entweder eigensüchtig<br />

über bekannte Pflichten hinweg setzt oder sich aus Gleichgültigkeit<br />

auf seine Fahrerpflichten nicht besinnt.<br />

Der Fahrzeugführer muss grob verkehrswidrig und rücksichtslos<br />

handeln. Beide Schuldmerkmale müssen erfüllt werden.<br />

Vorfahrt<br />

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH fallen unter dem Begriff der<br />

Vorfahrt im Sinne von § 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB die Verkehrsvorgänge im<br />

öffentlichen Straßenverkehr, bei denen die Fahrlinie zweier Fahrzeuge<br />

(bei unveränderter Fahrweise) zusammentreffen oder einander gefährlich<br />

nahekommen. Dazu gehören alle Fälle, im denen eine<br />

straßenverkehrsrechtliche Vorschrift einem Verkehrsteilnehmer den<br />

Fahrtvorrang einräumt.<br />

BGH, Beschluss vom 20.1.09, 4 StR 396/08 = VRR 2009, 227<br />

Rücksichtlosigkeit<br />

Bei der Frage der Rücksichtslosigkeit sind Motivation und Beweggründe<br />

entscheidend. Die Feststellung alleine zur subjektiven Seite, der<br />

Betroffene habe nur um des schnelleren Fortkommens willen gehandelt,<br />

reichen nicht aus.<br />

Rücksichtslosigkeit liegt vor, wenn sich der Verkehrsteilnehmer über seine<br />

Pflichten als Kraftfahrer im Klaren ist, sich aber darüber hinwegsetzt. Dies<br />

kann aus Gleichgültigkeiten erfolgen. Entsprechende Feststellungen sind<br />

hierzu notwendig.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 4.8.2008, 2 Ss 110/08 = SVR 2009, 426 =<br />

VRR 2009, 68<br />

Rücksichtslosigkeit<br />

Die Feststellungen müssen eine ausreichende Grundlage für die<br />

Überprüfung durch das Revisionsgericht bieten. Das Urteil ist fehlerhaft,<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

wenn die Feststellung hinsichtlich des Schuldspruches lückenhaft sind.<br />

Die Gefährdung des Straßenverkehrs muss erkennen lassen, ob der<br />

Betroffene vorsätzlich handelte und insbesondere rücksichtslos.<br />

Rücksichtsloses Verhalten versteht sich nicht für selbst bei jedem<br />

fehlerhaften Verfahren. Rücksichtslos handelt ein Kraftfahrer, der sich aus<br />

eigensüchtigen Motiven über seine Pflichten gegenüber anderen<br />

Verkehrsteilnehmern hinweg setzt oder aus Gleichgültigkeit Bedenken<br />

gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt und unbekümmert drauf los<br />

fährt. Durch diese Rücksichtslosigkeit muss eine Gefahr fahrlässig oder<br />

vorsätzlich verursacht werden.<br />

Gleiches gilt für den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Bei<br />

Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu den bewusst zweckwidrigen<br />

Einsatz des Fahrzeuges in verkehrswidriger Absicht hinzukommen, dass<br />

der Fahrer mit mindestens bedingten Schädigungsvorsatz handelt.<br />

KG, Beschluss vom 7.6.2006, 1 Ss 487/05 (12/06) = VRS 111, 184<br />

Grad der Gefährdung<br />

Die konkrete Gefährdung eines Anderen kann nicht schon deshalb<br />

angenommen werden, weil Unfälle einer bestimmten Art regelmäßig zu<br />

einem HWS führen.<br />

BGH, Beschluss vom 20.10.09, 4 StR 408/09 = StRR 2010, 73 = VA 2010,<br />

29 VRR 2010, 29 = NZV 2010, 261<br />

Fahren entgegen der Fahrtrichtung<br />

Befährt der Beschuldigte eine Kraftfahrtstraße entgegen der Fahrtrichtung<br />

ist eine konkrete Gefahr des sogenannten Beinaheunfalls nicht stets<br />

gegeben. Dass sich das weitere Geschehen alleine vom Zufall bestimmt,<br />

ob eine konkrete Gefährdung entsteht, reicht nicht aus.<br />

(vgl. auch BGH VRR 2010, 70 und BGH VRR 2010, 29)<br />

BGH, Beschluss vom 10.12.2009, 4 StR 503/09 = NZV 2010, 261 = BA<br />

2010, 296 = VRR 2010, 151<br />

§ 315b StGB; Flucht und Fahruntüchtigkeit<br />

Dass der Täter ein Fahrzeug als Fluchtmittel nutzt, reicht nicht aus für die<br />

Feststellung des gefährlichen Eingriffs. Hinzukommen muss eine<br />

Schädigungsabsicht. Eine auffällig regelwidrige und riskante Fahrweise<br />

eines alkoholisierten Kraftfahrers lässt regelmäßig den Schluss auf eine<br />

alkoholbedingte Enthemmung und eine damit einhergehende mangelnde<br />

Fahrtüchtigkeit zu. Zeigen sich diese Auffälligkeiten – abweichend vom<br />

Regelfall – nach zunächst normaler Fahrt, erst im Rahmen einer<br />

Polizeiflucht, bedarf es zusätzlicher Indizien für das Vorliegen<br />

alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 17.11.2005, 1 Ss 265/05<br />

Schädigungsabsicht<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Ein ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff, gemäß § 315b, Abs. 1 Nr. 3<br />

StGB setzt neben einem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeuges<br />

auch einen zumindest bedingten Schädigungsvorsatz voraus. Will der<br />

Angeklagte eine Kollision nicht herbeiführen, nimmt sie auch nicht<br />

billigend in Kauf, sondern geht davon aus, dass vorausfahrende<br />

Fahrzeuge anhalten und nicht seine Fahrbahn kreuzen werden, liegt<br />

weder ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr noch eine<br />

Straßenverkehrsgefährdung vor. 1<br />

BGH, Urteil vom 10.11.2005, 4 StR 432/05 = SVR 2006, 188<br />

Blutzeitalkohol, Selbstmordabsicht<br />

Bei der Ermittlung der Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt sind die<br />

beiden ersten Stunden nach Trinken grundsätzlich von der Rückrechnung<br />

auszunehmen.<br />

Hat der alkoholisierte Angeklagte sein Fahrzeug gezielt eingesetzt, um<br />

sich und seine Ehefrau zu töten, kommt neben einem gefährlichen Eingriff<br />

in den Straßenverkehr eine vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung nicht<br />

in Betracht.<br />

BGH, Beschluss vom 16.1.2007, 4 StR 598/06 = BA 2007, 243 = DAR<br />

2007, 526<br />

Zusammenhang zwischen Gefahr und Risiken ( 7 Todsünden)<br />

Auch wenn das Gericht annimmt, der Angeklagte habe grob<br />

verkehrswidrig und rücksichtslos gehandelt und hierdurch einen<br />

Verkehrsunfall verursacht, ist nicht auf jedem Fall eine Gefährdung des<br />

Straßenverkehrs gegeben. Die herbeigeführte Gefahr muss in einem<br />

inneren Zusammenhang mit den Risiken stehen, die bei dieser<br />

Tatbestandsalternative (unübersichtliche Stellen, Straßeneinmündungen)<br />

typischerweise ausgehen. Erfolgt der Gefahrenerfolg nur gelegentlich des<br />

zu schnellen Fahrens, reicht dies nicht. Es muss ein so genannter<br />

Gefahrenverwirklichungszusammenhang zwischen dem<br />

Unfallgeschehen und der Situation an der Einmündung bestehen.<br />

Klageerzwingung<br />

Der Betroffene eines konkreten Gefährdungsdeliktes ist Verletzter im<br />

Sinne des § 172 StPO. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nach dem<br />

zugrunde gelegten Sachverhalt ein tödlicher Ausgang des Unfalles<br />

nahegelegen hat. Nach § 173 Abs. 3 StPO ist das OLG befugt,<br />

ergänzende Ermittlungen vorzunehmen. Hat jedoch die<br />

Staatsanwaltschaft die Aufnahme von Ermittlungen abgelehnt, ist dies<br />

nicht möglich.<br />

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 17.3.2008, 1 Ws 125/07 = VRS<br />

114, 374<br />

1 siehe auch BGH SVR 2004, 70, Ferner <strong>Verkehrsstrafrecht</strong>, SVR 2004, 96 ff<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr<br />

Voraussetzung für einen gefährlichen Eingriff im Sinne von § 315b StGB<br />

ist eine die Wertgrenze überschreitende konkrete Gefährdung der an dem<br />

Unfall beteiligten Fremdfahrzeuge. Es reicht nicht aus, dass eine<br />

Gefährdung fremder Sachen nur im unbedeutenden wirtschaftlichen<br />

Umfange erfolgt ist. Die Grenze liegt (so Burhoff) bei 1.300,00 €, BGH<br />

aber an anderer Stelle 750 €!.<br />

BGH, Beschluss vom 27.9.2007, 4 StR 1/07 = NZV 2008, 272 = VRR<br />

2008, 70<br />

Grad der Gefährdung bei § 315b StGB<br />

Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr setzt eine<br />

kritische Situation voraus, die die Sicherheit einer konkreten Person oder<br />

bestimmten Sache so stark beeinträchtigt, dass es nur noch vom Zufall<br />

abhängt, ob es zu einem Unfall kam.<br />

BGH, Beschluss vom 3.11.09, 4 StR 373/09 = StRR 2010, 71= VA 2010,<br />

29 = VRR 2010, 70<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Entfernung von Leitpfosten<br />

Das Entfernen von Leitpfosten (Zeichen 620 StVO) ohne Gefährdung<br />

Dritter ist weder nach § 303 StGB noch nach § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB<br />

strafbar.<br />

In Betracht kommt eine Strafbarkeit nach § 145 Abs. 2 Nr. 2 StGB.<br />

LG Marburg, Urteil vom 12.9.2007, 9 Ns 4 Js 11934/06 = NZV 2008, 533<br />

8. Alkohol und Drogen<br />

Gefährliche Körperverletzung – versuchte Tötung<br />

Die absolute Fahruntüchtigkeit unterscheidet sich von der relativen allein durch<br />

den Nachweis. Es erscheint daher fraglich, ob außerhalb des Bereichs bei<br />

Blutalkoholgrenzwerten der Begriff der absoluten Fahruntüchtigkeit überhaupt<br />

Verwendung finden kann. In Extremfällen (blinde Fahrzeugführer) mag dies<br />

zutreffen.<br />

Relative Fahruntüchtigkeit setzt voraus, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des<br />

Fahrzeugführers in Folge geistiger oder körperlicher Mängel soweit herabgesetzt<br />

ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere<br />

Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen sicher zu steuern. Die<br />

Fahrunsicherheit muss sich nicht unbedingt auf Fahrfehler auswirken. Vielmehr<br />

können unter Umständen zum Nachweis der Fahrunsicherheit auch sonstige<br />

Auffälligkeiten im Verhalten des Fahrzeugführers genügen. Es müssen jedoch<br />

konkrete Hinweise auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung der psychophysischen<br />

Leistungsfähigkeit, insbesondere seiner Wahrnehmungs- und<br />

Reaktionsfähigkeit gegeben sein. Dies ist bei Entzugssymptomen bislang jedoch<br />

noch nicht geklärt.<br />

Eine Untersuchung hat ergeben, dass erstmals mehr als 10 ng/ml freies<br />

Morphin im Serum bereits eine Stunde nach Mohnsamenkonsum<br />

nachgewiesen werden konnte. Diese Ergebnisse wurden erreicht nach<br />

dem Konsum von 100-200 g Mohnsamen. Dies entspricht zwei bis vier<br />

gängigen in Bäckereien angebotenen Mohnkuchenstücken.<br />

BGH, Beschluss vom 5.1.2005, 4 StR 545/04 = VRS 108, 427<br />

(Siehe auch BGH 47,158)<br />

Fahrfehler, Ausfallerscheinungen<br />

Bei einer relativen Fahruntüchtigkeit müssen sich die körperlichen bzw.<br />

geistigen Mängel nicht als Fahrfehler gezeigt haben. Unter Umständen<br />

können auch sonstige Auffälligkeiten im Verhalten des Fahrzeugführers<br />

genügen.<br />

BGH, Urteil vom 15.4.2008, 4 StR 639/07 = BA 2008, 309 = NZV 2008,<br />

528 = VRR 2008, 313 = VA 2008, 154 = VA 2008, 215<br />

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9. Nötigung<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Krumm, Probleme und Ansätze der Verteidigung gegen den Vorwurf der<br />

Nötigung im Straßenverkehr, VRR 2007, 290<br />

Rebler, Nötigung im Straßenverkehr, DAR 2011, 372<br />

Gewalt<br />

Gewalt im Sinne von § 240 StGB liegt vor, wenn der Täter durch<br />

körperliche Kraftentfaltung Zwang auf sein Opfer ausübt und dieser<br />

Zwang nicht lediglich psychisch wirkt, sondern körperlich empfunden wird.<br />

Von Bedeutung ist deshalb Dauer und Intensität des bedrängenden<br />

Auffahrens, die gefahrene Geschwindigkeit sowie die allgemeine<br />

Verkehrssituation. Hierbei kann auch ein Signalton oder Lichthupe<br />

verstärkend wirken. Bei bedrängender Fahrweise muss ein<br />

Fahrzeugführer damit rechnen, dass sein Verhalten zu Furchtreaktionen<br />

anderer Verkehrsteilnehmer führt. Deshalb kann auch über eine Strecke<br />

von ca. 300 Metern bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h bis 50 km/h mit<br />

Einsatz der Lichthupe ohne weiteres Nötigung angenommen werden.<br />

BVerfG, Beschluss vom 23.9.2007, 2 BVR 932/06 = SVR 2007, 269<br />

2. Reihe<br />

Die „zweite Reihe Rechtsprechung“ des BGH verstößt nicht gegen das<br />

Analogieverbot.<br />

BVerfG, Beschluss vom 7.3.2011, 1 BvR 388/05 = StRR 2011, 184 = VRR<br />

2011, 187<br />

Verwerfliches Handeln<br />

Nicht jeder vorsätzliche Verkehrsverstoß erfüllt zugleich die<br />

Voraussetzungen des § 240 StGB.<br />

Gewalt setzt eine Zwangswirkung von gewisser Dauer voraus.<br />

Behinderungen durch kurzfristiges, wenn auch bedrängendes, Auffahren<br />

sind hierbei nicht ausreichend. Die Verwerflichkeit erfordert<br />

erschwerende Umstände, die dem Verhalten des Täters den Makel der<br />

sittlichen Missbilligung, des verwerflichen und sozial unerträglichen<br />

Handelns anhaften lassen. Grobe Behinderungen und Belästigungen<br />

reichen hierfür nicht.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 8.3.2007, 1 Ss 283/06 = VRR 2007, 314<br />

Nötigung und Gefährdung, § 5 StVO<br />

Die Behinderung des Gegenverkehrs reicht nicht aus, um eine fahrlässige<br />

Straßenverkehrsgefährdung anzunehmen. Bei einem Verstoß gegen § 5<br />

StVO ist nicht nur auf den Beginn, sondern auf den gesamten Verlauf<br />

eines Überholvorganges abzustellen. Dieser Überholvorgang ist erst mit<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Wiedereinscheren mit ausreichendem Abstand gegenüber dem überholten<br />

Fahrzeug beendet.<br />

Um eine Gefährdung festzustellen, ist beispielsweise die gesamte Breite<br />

der Straße, die Sichtverhältnisse sowie die gefahrene Geschwindigkeit<br />

von Bedeutung.<br />

Überholen<br />

Der rücksichtslose Überholer macht sich nicht wegen Nötigung strafbar.<br />

Die Einwirkung seines Fahrverhaltens auf andere Verkehrsteilnehmer ist<br />

im Zweifel nicht der Zweck, sondern nur die in Kauf genommene Folge<br />

seiner Fahrweise.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9.8.2007, III-5 Ss 130/07 –617/07 = NZV<br />

2007, 584 (Anmerkung König, NZV 2008, 46) = DAR 2007, 713 = StraFo<br />

2007, 386 = NJW 2007, 3219 = VRS 113, 289<br />

Herunterbremsen<br />

Gewalt im Sinne von § 240 StGB setzt eine körperliche Kraftentfaltung und<br />

ein damit verbundenen Zwang auf das Opfer aus. Dieser Zwang muss<br />

auch körperlich empfunden werden. Einfaches Herunterbremsen reicht<br />

damit nicht aus.<br />

OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.01.09, 300 Ss 1/09 = VRR 2009, 196<br />

Fußgänger<br />

Stellt sich ein Fußgänger dem herannahenden Kraftfahrer lediglich 30<br />

Sekunden in den Weg, liegt Gewalt nicht vor.<br />

OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.11.2010, 2 Ss 274/10 = StRR 2011,<br />

187 = VRR 2011, 152 = VA 2011, 119<br />

Auffahren<br />

Nötigung liegt vor, wenn ein Fahrzeugführer auf einer Wegstrecke von 2<br />

km und einer Geschwindigkeit von 100 bis 120 km/h mehrfach bis auf 4<br />

Meter auf das vorausfahrende Fahrzeug auffährt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 19.3.2007, 2 Ss 50/07 = SVR 2007, ?<br />

Angstreaktion<br />

Nach herrschender Meinung liegt im Straßenverkehr Gewalt im Sinne von<br />

§ 240 StGB vor, wenn der Täter durch körperliche Kraftentfaltung Zwang<br />

auf sein Opfer ausübt und dieser Zwang nicht nur psychisch wirkt, sondern<br />

körperlich empfunden wird. Dabei können Dauer und Intensität einer<br />

bedrängenden Einwirkung, die allgemeine Verkehrssituation und weitere<br />

Umstände berücksichtigt werden. Ausreichend für das Vorliegen von<br />

Gewalt ist es, wenn bei dem Opfer eine physisch merkbare<br />

Angstreaktion auftritt.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Vorliegend hat der Betroffene die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges<br />

vermindert bis zum Stillstand – also nicht durch abruptes Abbremsen die<br />

Geschädigte zu einem Bremsvorgang oder einer Vollbremsung veranlasst.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 3.12.2008, 32 Ss 172/08 = NZV 2009. 199 =<br />

VA 2009, 64 = VRR 2009, 148 = StRR 2009, 233<br />

Innerstädtischer Verkehr<br />

Auch im innerstädtischen Verkehr kann ein dichtes und bedrängendes<br />

Auffahren von solcher Intensität sein, dass sich die Fahrweise des<br />

Dränglers als Gewaltanwendung darstellt. Das AG hat den Angeklagten<br />

wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je<br />

60,00 € verurteilt.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 14.3.2006, 83 Ss 6/06 = VRS 110, 412 = DAR<br />

207, 39<br />

VI. Verfahrensrecht<br />

1. Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis § 111a StPO<br />

Einstweilige Entziehung, Drogen langer Zeitraum<br />

Angesichts der besonderen Gefahren im Straßenverkehr begegnet es keinem<br />

verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn Fahrzeugführern im Rahmen der<br />

Gefahrenabwehr die Fahrerlaubnis entzogen wird und ihnen hierbei Nachteile im<br />

beruflicher und privater Hinsicht entstehen. Beruht der Fahrerlaubnisentzug indes<br />

auf einen Drogenkonsum, der mehr als 3 Jahre zurückliegt und hat der<br />

Beschwerdeführer sich während dieser Zeit beanstandungsfrei im<br />

Straßenverkehr verhalten, kann bei einem offenen Ausgang des Hauptverfahrens<br />

hingenommen werden, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung in der<br />

Hauptsache einstweilen wieder am Straßenverkehr teilnimmt.<br />

BVerfG, Beschluss vom 5.3.2007, 1 BvR 305/07 = BA 2008, 73<br />

Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

Die Anordnung gemäß § 111a StPO verlangt das Vorliegen dringender Gründe<br />

für die Annahme, dass die Fahrerlaubnis in der Hauptverhandlung entzogen wird.<br />

Dies ist nicht mehr der Fall, wenn nach dem jeweiligen Verfahrensstand keine<br />

dringenden Gründe mehr dafür vorliegen, weil diese zum Zeitpunkt der<br />

Hauptverhandlung weggefallen sein werden.<br />

AG Cottbus, Beschluss vom 29.6.2005, 70 Gs 1009/04 = Blutalkohol 2007, 383<br />

Vier Monate nach der Tat<br />

Wird einem Verkehrsteilnehmer nach einem Verstoß der Führerschein nicht<br />

entzogen, kann dies 4 Monate nach dem Verstoß, ohne das weitere<br />

verkehrsrechtlichen Verstöße vorliegen, nicht mehr nachgeholt werden. Vielmehr<br />

ist die Hauptverhandlung abzuwarten.<br />

So auch OLG Hamm NZV 2002, 380, OLG Koblenz VRS 68, 118, OLG Karlsruhe<br />

VRS 68, 360, OLG Düsseldorf NZV 1992, 331<br />

LG Kiel, Beschluss vom 7.4.2008, 46 Qs 25/08 = VA 2008, 141<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Aufgrund des langen Zeitablaufes können Gründe des Vertrauensschutzes einer<br />

vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis entgegenstehen, wenn die Vorwürfe<br />

den Behörden ein Jahr lang bekannt sind, ohne dass diese die vorläufige<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt hatten.<br />

Hierbei muss berücksichtigt werden, ob der Angeklagte in dieser Zeit<br />

ununterbrochen am Straßenverkehr teilgenommen hat, ohne nachteilig<br />

aufzufallen. Vorliegend ging es um die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund<br />

unerlaubten Entfernens vom Unfallort.<br />

LG Bonn, Beschluss vom 22.1.2010, 24 Qs 112 Js 376/09 – 5/10 = NZV 2010,<br />

214<br />

7 Monate<br />

Auch wenn ein Zeitraum von sieben Monaten zwischen Tat und Antrag vorliegt,<br />

rechtfertigt dies nicht, von einer vorläufigen Entziehung abzusehen. Zu beachten<br />

ist aber auf jeden Fall der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.<br />

LG Kleve, Beschluss vom 21.4.2011, 120 Qs 40/11=VRR 2011, 270<br />

Berufung<br />

Wird einem Betroffenen die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, sind die Verfahren<br />

mit besonderer Beschleunigung zu führen. Allerdings gelten nicht<br />

uneingeschränkt die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bei<br />

Untersuchungshaft.<br />

Eine Unzulässigkeit der Aufrechterhaltung einer einstweiligen Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis kommt nur in Betracht, wenn es zu von der Justiz zu vertretenden<br />

Verzögerungen gekommen ist.<br />

Der berufungsführende Angeklagte muss allerdings damit rechnen, dass der<br />

bloße Zeitablauf der erstinstanzlich angeordneten Sperrfrist während der<br />

Berufungsfrist nicht zu der Annahme zwingt, die endgültige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis werde nicht mehr erfolgen.<br />

OLG Hamm Beschluss vom 21.3.2007 4 Ws 152/07 = SVR 2008, 113 = BA<br />

2008, 138 = NJW 2007, 3299 = NZV 2007, 639 = VRR 2007, 233<br />

Vorläufige Entziehung vor der Berufung<br />

Das Berufungsgericht kann vor der Berufungsverhandlung die Fahrerlaubnis<br />

vorläufig entziehen, wenn das AG dem Beklagten die Fahrerlaubnis entzogen<br />

hat, aber einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis nicht beschieden hat und das Berufungsgericht sich dabei die<br />

Tatwürdigung des AGs zu eigen macht.<br />

OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.9.2010, 1 Ws 522/09= SVR 2010, 226<br />

Vor einer Berufungshauptverhandlung hat sich die nach § 111a Abs. 1 StPO<br />

anzustellende Prognose regelmäßig an der erstinstanzlichen Beurteilung zu<br />

orientieren. Hiervon muss das Gericht jedoch abweichen, wenn die<br />

erstinstanzlichen Feststellungen offensichtlich fehlerhaft sind oder die Frage der<br />

Eignung fehlerhaft beantwortet ist. Dies gilt auch, wenn nach der<br />

Hauptverhandlung neue Umstände entstanden sind.<br />

Dies kann auch dazu führen, dass die Staatsanwaltschaft erst nach der<br />

Hauptverhandlung die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt. Das<br />

AG kann auch die versehentlich unterbliebene Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

durch einen Beschluss nach § 111a StPO nachholen. Dies kann auch nach 14<br />

Monaten Zeitablauf seit der Tat erfolgen.<br />

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.4.2009, 1 Ws 102/09= BA 2009, 284 = VA<br />

2009, 215<br />

Amphetamin<br />

Allein auf Grund der Feststellung eines Amphetaminkonsums ist die Prognose, in<br />

einer künftigen Hauptverhandlung werde dem Betroffenen die Fahrerlaubnis<br />

endgültig entzogen, nicht möglich.<br />

AG Bielefeld, Beschluss vom 24.5.2008, 9 Gs – 23 Js 721/08 – 1849/08 = NZV<br />

2008, 420 = zfs 2008, 530 = VRR 2008, 317 = VA 2008, 141<br />

Bestätigung der Beschlagnahme<br />

Die Bestätigung der Beschlagnahme eines Führerscheins ist eine Entscheidung<br />

über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn eine solche Maßnahme<br />

§ 111a Abs. 4 StPO ansteht.<br />

Liegen die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB<br />

nicht vor, scheidet die vorläufige Entziehung aus.<br />

Wird als einziges Beweisanzeichen für eine Fahruntüchtigkeit eine<br />

drogenbedingte Pupillenerweiterung festgestellt, so ist die Annahme einer<br />

relativen Fahruntüchtigkeit auch im Falle eines so genannten Multiintoxikation<br />

nicht gerechtfertigt, selbst wenn die festgestellte Blutalkoholkonzentration des<br />

Betroffenen knapp unter dem Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit liegt<br />

(1,05 ‰).<br />

Thüringer OLG; Beschluss vom 22.6.2006, 1 Ws 54/06 = BA 2007, 182<br />

Berufungsinstanz<br />

Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch in der Berufungsinstanz<br />

möglich.<br />

Eine vorläufige Entziehung muss jedoch dazu führen, dass eine zeitnahe<br />

Terminierung erfolgt. Ein Verfahren, in dem eine Maßnahme nach § 111a StPO<br />

angeordnet wurde, muss ebenso beschleunigt erledigt werden wie eine<br />

Haftsache.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 7.11.2006, 4 Ws 556/06 = BA 2007, 379<br />

Aufhebung der vorläufigen Entziehung<br />

Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann zwei Jahre nach einer<br />

Trunkenheitsfahrt aufgehoben werden, wenn der im Verfahren ergangene<br />

Strafbefehl dem Angeklagten trotz bekannten Wohnsitzes im EU-Ausland nicht<br />

zugestellt werden kann und nicht absehbar ist, ob und wann die Zustellung<br />

erfolgen wird.<br />

Mit dieser Entscheidung liegt das AG Lüdinghausen im Einklang mit der<br />

ständigen Rechtsprechung, nach der die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

bei langem Zeitablauf aufzuheben ist. Allerdings halten viele Gerichte bereits<br />

deutlich kürzere Fristen für ausreichend, als sie das AG Lüdinghausen<br />

angenommen hat (z.B. OLG Hamm für 10 Monate). Auch das BVerfG fordert<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

eine beschleunigte Erledigung von Verfahren, in denen es um die Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis geht.<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 21.9.2006, 16 Cs 62 Js 1349/05 -123/04 = SVR<br />

2007, 432 = DAR 2007, 222<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

Legt die Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss, mit dem die vorläufige<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben wurde, keine Beschwerde ein, besteht<br />

eine beschränkt materielle Rechtskraft des Beschlusses. Ein erneuter Antrag ist<br />

nur zulässig, wenn dieser auf neue Tatsachen gestützt wird.<br />

LG Zweibrücken, Beschluss vom 14.2.2008, Qs 19/08 = BA 2008, 202 = VRS<br />

114, 284 = NZV 2008, 259<br />

Fürsorglich bei Strafbefehl<br />

Die vorläufige Entziehung einer Fahrerlaubnis kann nicht unter einer Bedingung<br />

bestimmt werden, zum Beispiel, dass gegen Strafbefehl kein Einspruch eingelegt<br />

wird.<br />

AG Montabaur, Beschluss vom 1.9.2010, 2040 Js 30257/10 42 Cs = VA 2011, 11<br />

Der Einspruch gegen einen Strafbefehl ist keine neue Tatsache, die die<br />

vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigt.<br />

LG Berlin, Beschluss vom 24.07.2006, 514 Qs 67/06 = Mitteilungsblatt 2007, 33<br />

= zfs 2007, 228<br />

Das LG Stuttgart entscheidet anders als das LG Berlin und das AG Montabaur<br />

(VRR 2010, 431), dass der Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

im Strafbefehlverfahren für den Fall, dass Einspruch eingelegt wird, zulässig ist.<br />

LG Stuttgart, Beschluss vom 17.3.2011, 18 Q = DAR 2011, 419 = VRR 2011, 271<br />

Beschwerde<br />

Gegen eine in der Berufungsverhandlung bestimmte vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis ist die Beschwerde möglich.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 31.07.08, 1 Ws 315/08 = VRS 115, 353<br />

Zuständigkeit für Beschwerde gegen Beschluss gemäß § 111 a StPO<br />

Für die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach<br />

Erlass des Strafbefehls zuerst eine Entscheidung des zuständigen Gerichts<br />

herbeizuführen. Erst nach einer solchen Entscheidung ist eine Beschwerde<br />

möglich.<br />

LG Arnsberg, Beschluss vom 3.11.09, 2 Qs – 150 Js 424/09 – 87/09 = NZV<br />

2010, 367.<br />

Revision<br />

Feststellungen des Tatgerichts sind nicht bindend für das Revisionsgericht, das<br />

über die Fortdauer der vorläufigen Entziehung zu entscheiden hat. Sie entfalten<br />

jedoch eine Indizwirkung. Auch ein Zeitablauf von zwei Jahren und zwei Monaten<br />

indiziert noch nicht, dass allein aufgrund des Zeitablaufs ein charakterlicher<br />

Mangel entfallen ist.<br />

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 2.12.2009, 1 Ws 229/09 = BA 2010,<br />

299<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

§ 111 a StPO Begründung<br />

Ein Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist zu<br />

begründen. Dazu reicht die knappe Mitteilung des Sachverhalts, seine<br />

strafrechtliche Würdigung und die Angabe der Gründe, aus denen sich die<br />

Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt.<br />

LG Zweibrücken, Beschluss vom 17.9.2010, Qs 94/10 = VRS 119, 365 = BA<br />

2011, 182<br />

2. Entbindung von der Pflicht in der Hauptverhandlung zu<br />

erscheinen<br />

Burhoff, Entbindung vom persönlichen Erscheinen, VRR 2007, 250<br />

Fromm, Die Entbindung des Betroffenen, SVR 2010, 86<br />

Krumm, Probleme im Bußgeldverfahren bei der Entbindung des Betroffenen von<br />

der Pflicht zum persönlichen Erscheinen, DAR 2008, 413<br />

Meyer, Fortwirkung des Entbindungsbeschlusses nach § 73 Abs. 2 OWiG bei<br />

Verlegung der Hauptverhandlung, NZV 2010, 496<br />

Die gesetzliche Regelung<br />

Der Betroffene ist von Gesetzes wegen verpflichtet in der Hauptverhandlung zu<br />

erscheinen (§ 73 Abs. 1 OWiG). Der Betroffene kann aber einen Antrag auf<br />

Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen stellen: Voraussetzung<br />

ist, dass er sich bereits zur Sache geäußert hat oder er erklärt, dass er in der<br />

Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht – auch zu den persönlichen<br />

Verhältnissen -Gebrauch machen wird. Weitere Voraussetzung ist, dass zur<br />

Aufklärung des Sachverhaltes seine Anwesenheit nicht erforderlich ist.<br />

Eine früher übliche kommissarische Vernehmung des Betroffenen ist nach einer<br />

Gesetzesänderung nicht mehr möglich.<br />

Kein Ermessen des Gerichts<br />

Liegen die Voraussetzungen vor, muss das Gericht den Betroffenen entbinden,<br />

es hat hierbei keinen Beurteilungsspielraum. 1 Es kann auch nicht eine<br />

Entbindung ablehnen mit der Begründung, der Betroffene werde vielleicht<br />

aufgrund des Eindruckes des Beweisaufnahme sich gleichwohl zur Sache<br />

äußern, obwohl er im Vorfeld erklärt hat, er werde von seinem Schweigerecht<br />

Gebrauch machen.<br />

Ein Betroffener kann durch das Ablehnen des Antrages auf Entbindung von der<br />

Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht gezwungen werden, in der<br />

Hauptverhandlung seine Ankündigung keine Angaben zu machen zu<br />

überdenken.<br />

LG Dessau, Beschluss vom 06.11.2006, 6 Qs 275/06 OWi = zfs 2007, 293<br />

Die Entscheidung über das Entbinden des Betroffenen ist nicht in das Ermessen<br />

des Gerichts gestellt. Sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG<br />

vorliegen, muss eine Entbindung erfolgen. Alleine die theoretische Möglichkeit,<br />

1 OLG Celle zfs 2000,365; BayObLG DAR 2002,133<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

der Betroffene werde seinen Entschluss zum Schweigen in der<br />

Hauptverhandlung überdenken, reicht nicht aus, die Befreiung zu verweigern.<br />

Erfolgt trotz Vorliegens der Voraussetzungen der Entbindung eine Verwerfung,<br />

kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegen. Dies gilt umso mehr,<br />

wenn das Gericht den Betroffenen in den vorangegangenen vier Terminen von<br />

der Pflicht zum persönlichen Erscheinen befreit hat.<br />

KG, Beschluss vom 22.2.2007, 3 Ws (B) 93/07 = VRS 113, 63<br />

KG, Beschluss vom 10.3.2011, 3 Ws (B) 78/11-2 Ss 30/11 = VRS 120, 341VRR<br />

2011, 235<br />

Wenn der Betroffene seine Täterschaft einräumt und darüber hinaus erklärt, in<br />

der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache zu machen, muss ihn das<br />

Amtsgericht von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbinden.<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.4.2007, 4 Ss 163/07 = zfs 2007, 656<br />

Allein die theoretische Möglichkeit, der Betroffene werde seinen Entschluss zum<br />

Schweigen überdenken, reicht nicht aus, ihn von der Erscheinenspflicht nicht zu<br />

entbinden.<br />

KG, Beschluss vom 4.9.2006, 2 Ss 213/06 – 3 Ws (B) 447/<br />

Liegen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vor, muss das Amtsgericht<br />

entbinden. Die Entscheidung des Gerichts über den Entbindungsantrag ist isoliert<br />

nicht anfechtbar, eine Überprüfung ist alleine möglich im Zusammenhang mit<br />

der Rechtsbeschwerde. Aus diesen Gründen muss umfassend der Sachverhalt<br />

und die Beweissituation dargelegt werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 2.8.2007, 2 Ss OWi 464/07 = VRR 2007, 435<br />

Das Gericht ist verpflichtet, einem Entbindungsantrag stattzugeben, wenn die<br />

Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen. Die Annahme, der Betroffene<br />

werde auf Grund der Beweiserhebung den Entschluss zum Schweigen ändern,<br />

ist nicht ausreichend, die Entbindung zu versagen.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 17.8.2009, 3 Ss OWi 780/09= SVR 2009, 393<br />

Erklärt der Betroffene, in der Hauptverhandlung keine Angaben machen zu<br />

wollen, muss er entbunden werden.<br />

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.06.2008, 1 Ss 92/08 = VA 2008, 198<br />

Hat der Betroffene seine Fahrereigenschaft eingeräumt, ist seine persönliche<br />

Anwesenheit in der Regel entbehrlich. Die Anwesenheit kann dann noch zur<br />

weiteren Sachaufklärung dienen, wenn hierfür seine bloße physische Präsenz<br />

ausreichend ist. Die bloße Möglichkeit, dass ein Zeuge eine bessere Erinnerung<br />

an den Vorfall hat, reicht für eine Anwesenheitspflicht nicht (OLG Köln, NZV<br />

2009, 52).<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.8.2010, 1 (8) SsBs 366/09 = NZV 2011, 95 =<br />

zfs 2011, 411 = VRR 2010, 433<br />

Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Amtsgericht den Betroffenen von seiner<br />

Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung, wenn er sich zur Sache<br />

geäußert hat oder erklärt, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht äußern<br />

werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Sachverhalts nicht erforderlich ist. Dabei hat das Gericht kein Ermessen, sondern<br />

es ist vielmehr verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen, wenn die<br />

Voraussetzungen vorliegen. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass<br />

durch die persönliche Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ein<br />

wesentlicher Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts zu erwarten ist, kann von<br />

einer Entbindung abgesehen werden. Diese tatsächlichen Umstände müssen<br />

aber bereits vor der Hauptverhandlung erkennbar und beschreibbar sein. Allein<br />

eine rein theoretische, durch keine auf den Einzelfall bezogene konkrete<br />

Tatsachen gestützte Möglichkeit, polizeiliche Zeugen könnten sich nach längerer<br />

Zeit an ein von ihnen beobachtetes Verhalten eines Betroffenen im<br />

Straßenverkehr besser oder überhaupt erst erinnern, wenn sie den Betroffenen in<br />

der Hauptverhandlung sehen, reicht zur Ablehnung des Antrags nicht aus.<br />

KG, Beschluss vom 30.11.2010, 3 Ws (B) 626/10 = VRS 120, 188 = DAR 2011,<br />

146<br />

Der Antrag<br />

Der Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der<br />

Hauptverhandlung ermöglicht eine Durchführung der Hauptverhandlung in<br />

Abwesenheit des Betroffenen. Hierdurch wird seine Rechtstellung gemindert. Aus<br />

diesem Grunde bedarf der Verteidiger einer schriftlichen Vertretungsvollmacht für<br />

diesen Antrag. Zum vollständigen Vortrag innerhalb der Rechtsbeschwerde<br />

gehört es daher, dass der Verteidiger auch vorträgt, dass eine solche Vollmacht<br />

bei Antragstellung dem Gericht vorgelegen hat.<br />

KG Berlin, Beschluss vom 11.1.2011, 3 Ws (B) 12/11 = VRS 120, 200<br />

Der Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen kann<br />

auch durch den Verteidiger gestellt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass eine<br />

zur Vertretung im Sinne von § 73 OWiG ermächtigende Vollmacht des<br />

Betroffenen für den Verteidiger sich bei den Akten befindet. In diesen Fällen ist<br />

der Verteidiger berechtigt in der Hauptverhandlung den Betroffenen zu vertreten.<br />

Hat dagegen der Betroffene sich entschuldigt (Urlaubsreise oder Krankheit) darf<br />

nicht ohne ihn verhandelt werden, auch wenn ein Verteidiger mit entsprechender<br />

Vollmacht an der Hauptverhandlung teilnimmt. Ein Vertagungsantrag darf vom<br />

Tatrichter nicht ein einen Antrag auf Entbindung von der Pflicht zu Erscheinen<br />

umgedeutet werden.<br />

Eine Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen ist nur möglich,<br />

wenn von dem Betroffenen ein entsprechender Antrag gestellt wird. Entbindet<br />

das Gericht ohne Antrag, kann eine Hauptverhandlung nicht stattfinden. Eine<br />

Hauptverhandlung würde gegen das Recht des Betroffenen auf Teilnahme an der<br />

Hauptverhandlung verstoßen und seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen<br />

Gehörs verletzten. 1<br />

Achtung: Bei einem Antrag des Verteidigers ist in der Vollmacht eine<br />

ausdrückliche Vertretungsvollmacht notwendig. Es reicht nicht aus, dass eine<br />

über die Verteidigervollmacht ausgestellte Urkunde vorgelegt wird. Weitere<br />

Besonderheit: eine für ein vorausgegangenes Strafverfahren erteilte Vollmacht<br />

1 Thüringer OLG, Beschluss vom 6.6.2005, 1 Ss 95/05 = VRS 110, 13<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

gilt nicht für das nachfolgende Bußgeldverfahren, z.B. in Fällen der Trunkenheit –<br />

von dem Vorwurf des § 316 StGB nimmt die Staatsanwaltschaft Abstand und gibt<br />

das Verfahren an die Verwaltungsbehörde ab. Der Verteidiger benötigt, wenn er<br />

bereits in dem Strafverfahren tätig war, für das Bußgeldverfahren nach § 24a<br />

StVG eine neue Vollmacht.<br />

Folgen des Fernbleibens<br />

Hat der Betroffene dagegen keinen Antrag auf Entbindung gestellt und ist er<br />

nicht genügend entschuldigt, muss das Gericht zwingend den Einspruch durch<br />

Urteil ohne Verhandlung zur Sache verwerfen (§ 74 Abs. 2 OWiG). Gegen diese<br />

Entscheidung kann der Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />

beantragen oder Rechtsbeschwerde einlegen.<br />

Erscheint zur Hauptverhandlung weder der Betroffene noch der Verteidiger und<br />

ist der Betroffene von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden,<br />

scheidet eine Verwerfung des Einspruchs durch Beschluss aus. Das Gericht<br />

muss die Hauptverhandlung durchführen und die notwendigen Beweise erheben.<br />

Das Amtsgericht hat den Betroffen von der Verpflichtung, in der<br />

Hauptverhandlung zu erscheinen, entbunden. In der Hauptverhandlung erschien<br />

weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Das Amtsgericht verwarf den<br />

Einspruch mit der Begründung, der Verteidiger habe sein Fernbleiben nicht<br />

entschuldigt. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das OLG Düsseldorf<br />

verlangt, dass in diesem Fall vorgetragen wird, was zur Verteidigung vorgetragen<br />

worden wäre. Es muss dargestellt werden, welchen Sachvortrag das Gericht<br />

gem. § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG hätte einführen müssen. Diese Erklärungen sind in<br />

der Rechtsbeschwerde vollständig vorzutragen.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4.4.2011, IV-3 RBs 52/11 = VRS 120, 343<br />

Die frühere Rechtsprechung, wonach die Verwerfung des Einspruchs unzulässig<br />

war, wenn der Betroffene der Hauptverhandlung ferngeblieben ist, sein<br />

Verteidiger aber nicht ordnungsgemäß zum Termin geladen war, gilt noch fort.<br />

Jetzt allerdings kann der Einspruch des abwesenden Betroffenen auch dann<br />

verworfen werden, wenn sein Verteidiger zur Hauptverhandlung erschienen ist. 1<br />

Ist der Betroffene jedoch von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen<br />

entbunden, kann ein Einspruch nicht nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen werden,<br />

wenn weder er noch sein Verteidiger zur Hauptverhandlung erschienen ist. 2 Ist<br />

der Betroffene entbunden, dürfen in der Hauptverhandlung nur Beweismittel<br />

verwendet werden, die in der Ladung mitgeteilt wurden.<br />

Ist der Betroffene entbunden von seiner Pflicht in der Hauptverhandlung zu<br />

erscheinen, verwirft das Amtsgericht gleichwohl den Einspruch, liegt eine<br />

Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Zu dem notwendigen Vortrag in der<br />

Rechtsbeschwerde gehört, welche Ordnungswidrigkeit dem Betroffenen<br />

vorgeworfen wurde und dass eine Entbindung erfolgt ist. Dann fehlt es für die<br />

Verwerfung des Einspruchs an einer Rechtsgrundlage. § 74 Abs. 2 OWiG gilt<br />

1 BayObLG DAR 2001, 37<br />

2 OLG Frankfurt zfs 2000, 272<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

nur, wenn der Betroffen ohne genügenden Entschuldigung nicht erschienen ist.<br />

Dass auch der Verteidiger nicht erscheint, ist unerheblich.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.2.2011, III-2 RBs 146/10 = zfs 2011, 411<br />

Verhandlung ohne den Betroffenen<br />

In der Verhandlung ohne den Betroffenen kann eine schriftliche Äußerung des<br />

Betroffenen verlesen werden, es kann auch reichen, dass der wesentliche Inhalt<br />

dieser Erklärung in der Hauptverhandlung mitgeteilt wird (§ 74 Abs. 1 OWiG).<br />

Ein wesentlicher Gesichtspunkt des Sachverhaltes ist natürlich die Identität.<br />

Gesteht der Betroffene ein, der Fahrer gewesen zu sein, und erklärt weiter, dass<br />

er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache einlassen wird, muss er von der<br />

Pflicht zum Erscheinen befreit werden. Das Amtsgericht hat hierzu kein<br />

Ermessen. Erscheint der Betroffene in der Hauptverhandlung nicht, ohne<br />

entschuldigt oder entbunden zu sein, ist die Durchführung einer<br />

Hauptverhandlung mit Beweisaufnahme unzulässig. Das Amtsgericht muss dann<br />

entweder vertagen oder den Einspruch verwerfen. 1 Das Gericht kann allerdings<br />

noch zu Beginn der Hauptverhandlung den Betroffenen von seiner Pflicht zu<br />

erscheinen entbinden.<br />

Verwerfung des Einspruchs<br />

Geht der Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen erst<br />

vier Stunden vor Terminbeginn bei Gericht ein, darf der Einspruch nicht ohne<br />

Entscheidung über diesen Antrag entschieden werden. Auf Kenntnis des<br />

Tatrichters kommt es dabei nicht an. Der Betroffene hatte in der Begründung<br />

seines Entbindungsantrages eindeutig und unmissverständlich erklärt, dass er<br />

die Fahrereigenschaft einräumt. Das Amtsgericht hätte deshalb dem Antrag auf<br />

Entbindung entsprechen müssen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der<br />

Tatrichter von dem Antrag tatsächlich Kenntnis hatte. Maßgeblich ist, dass nach<br />

Aktenlage dieser Antrag vier Stunden vor Termin bei dem Amtsgericht<br />

eingegangen war und deshalb ohne weiteres bei ordnungsgemäßer Organisation<br />

des Gerichtes dem Gericht hätte vorgelegt werden können.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 30.10.2007, 2 Ss OWi 1409/07 = NZV 2008, 259<br />

Nr. doppelt, siehe oben?<br />

Sehr später Entbindungsantrag<br />

Vor einer Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG gebietet es die<br />

Fürsorgepflicht, dass der Richter sich vor der Verkündung des Verwerfungsurteils<br />

bei seiner Geschäftsstelle informiert, ob dort eine Entschuldigungsnachricht des<br />

Betroffenen vorliegt. Die Aufklärungspflicht gebietet es allerdings nicht, auch bei<br />

der allgemeinen Posteingangsstelle nachzufragen.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 27.1.09, 2 Ss OWi 1613/08 = zfs 2009, 290 =<br />

VRR 2009, 229<br />

Ablehnung des Antrages<br />

Entsprechende Anträge auf Entbindung des Verteidigers werden oft mit<br />

floskelhaften Verfügungen abgelehnt. Wird die Entbindung von der Pflicht zum<br />

1 Thüringer OLG, Beschluss vom 06.06.2005, 1 Ss 95/04 = zfs 2006, 348<br />

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Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

persönlichen Erscheinen abgelehnt, kann der Betroffene sich konsequenterweise<br />

in der Hauptverhandlung auch nicht mehr von einem Verteidiger vertreten lassen.<br />

Die gesetzliche Regelung geht davon aus, dass der Betroffene zur<br />

Hauptverhandlung erscheinen muss – auf der anderen Seite hat der Betroffene<br />

natürlich auch das Recht, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Dies hat zur<br />

Folge, dass der Richter ohne einen ausdrücklichen Antrag des Betroffenen nicht<br />

entbinden kann. Somit besteht in diesen Fällen auch keine Möglichkeit die<br />

Hauptverhandlung in Abwesenheit zu führen. Ein mit schriftlicher Vollmacht<br />

ausgestatteter Verteidiger kann allerdings auf das Anwesenheitsrecht des<br />

Betroffenen verzichten. 1<br />

Auf die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung kann nicht<br />

verzichtet werden, wenn er die Fahrereigenschaft bestreitet und eine<br />

Identifizierung anhand eines Fotos oder durch Zeugen möglich erscheint; ein<br />

Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung<br />

ist also in der Regel chancenlos, 2 wenn der Betroffene die Tat bestreitet. Aus<br />

diesem Grunde hat in vergleichbaren Fällen der Betroffene nur eine Chance auf<br />

Entbindung, wenn er die Täterschaft einräumt. Dies kann allerdings auch durch<br />

schriftliche Erklärung des Verteidigers erfolgen.<br />

Die persönliche Anwesenheit des Betroffenen ist nicht erforderlich, wenn der<br />

Tatrichter lediglich behauptet, die Anwesenheit sei notwendig, um sich einen<br />

persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen. 3 Eine persönliche<br />

Anwesenheit ist auch nicht notwendig, um ein Augenblickversagen oder die<br />

Möglichkeit des Absehens von einem Fahrverbot überprüfen zu können. 4<br />

Zeitpunkt des Antrages<br />

Umstritten war, bis zu welchem Zeitpunkt spätestens der Antrag gestellt sein<br />

muss. Das OLG Naumburg hat entschieden, 5 dass der Verteidiger den Antrag<br />

auf Entbindung noch zu Beginn der Hauptverhandlung, d.h. nach Aufruf der<br />

Sache stellen kann. Es darf aber noch nicht zur Sache verhandelt worden sein. 6<br />

Der Antrag, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen in der<br />

Hauptverhandlung zu entbinden, kann noch zu Beginn der Hauptverhandlung<br />

gestellt werden.<br />

KG Beschluss vom 26.10.2006, 2 Ss 243/06 – 3 Ws (B) 501/06 = VRR 2007, 116<br />

OLG Celle, Beschluss vom 12.6.2009, 311 SsBs 54/09 = VRS 2009, 451 = NZV<br />

2010, 420<br />

Der Antrag auf Entbindung kann noch bis zu Beginn der Hauptverhandlung<br />

gestellt werden. Eine Verwerfung des Einspruches kann nicht darauf gestützt<br />

werden, dass der Betroffene in einem früheren Termin nicht erschienen war.<br />

1 BayObLG DAR 2000,174; BayObLG NZV 2001,221<br />

2 OLG Hamm, Beschluss vom 5.10.2004, 4 Ss OWi 524/04 = NZV 2005, 386<br />

3<br />

OLG Karlsruhe zfs 1999,538; OLG Stuttgart zfs 2002,252; OLG Dresden zfs 2003,98<br />

4<br />

BayObLG DAR 2002,133<br />

5<br />

zfs 2002,595<br />

6<br />

KG, Beschluss vom 26.10.2006, 2 Ss 243/06 – 3 Ws (B) 510/06<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Naumburg, Beschluss vom 19.10.2010, 1 Ss (BZ) 74/10=VA 2011, 35 =<br />

VRR 2011, 74<br />

Der Verteidiger kann einen Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum<br />

persönlichen Erscheinen noch in der Hauptverhandlung stellen, wenn er<br />

auch eine entsprechende schriftliche Erklärungsvollmacht hat und diese dem<br />

Gericht vorliegt. 1 Die Antragstellung enthält eine Verfügung über ein Recht des<br />

Betroffenen, dessen Ausübung diesem selbst vorbehalten ist und nicht ohne<br />

weiteres auf den rechtlich selbstständig neben ihm stehenden Verteidiger<br />

übertragen ist. Allerdings kann die schriftliche Vollmacht, wenn eine<br />

entsprechende mündliche Ermächtigung vorliegt, von dem Verteidiger selbst<br />

mit dem Namen des Betroffenen unterzeichnet werden. 2<br />

Das Gericht ist verpflichtet, einem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn die<br />

Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen. 3 Wird trotz des<br />

entsprechenden Antrages eine Entbindung nicht ausgesprochen und der<br />

Einspruch verworfen, muss der Betroffene dies mit der Verfahrensrüge geltend<br />

machen. Dabei muss der Betroffene darstellen, aus welchen Gründen der<br />

Tatrichter von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung eine weitere<br />

Aufklärung nicht erwarten durfte. Hierzu muss zum Bußgeldbescheid, zu dem<br />

dort erhobenen Vorwurf und zur Beweislage vorgetragen werden. Dargelegt<br />

werden muss auch, wann und mit welcher Begründung der Antrag auf<br />

Entbindung von der Verpflichtung gestellt wurde und wie das Amtsgericht diesen<br />

beschieden hat. 4<br />

Rechtliches Gehör<br />

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann darin liegen, dass zu Unrecht ein<br />

Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht<br />

stattgegeben wurde oder zu Unrecht über einen solchen Antrag nicht<br />

entschieden wurde. Dabei muss der Betroffene darlegen, aus welchem Grunde<br />

das Gericht dem Antrag auf Entbindung hätte stattgegeben müssen. Dies<br />

beinhaltet auch eine Begründung, weshalb das Gericht durch die Anwesenheit in<br />

der Hauptverhandlung keinen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhaltes erwarten<br />

dürfte. Hierzu muss auch zu dem Bußgeldbescheid, dem Tatvorwurf und der<br />

Beweisanlage detailliert vorgetragen werden. Mit Datum ist auch darzulegen,<br />

wann ein Antrag auf Entbindung gestellt wurde und wie das Gericht über diesen<br />

Antrag entschieden hat. Außerdem muss auf diesem Verfahrensfehler das Urteil<br />

beruhen. Auch hierzu muss der Betroffene sich verhalten. 5<br />

Außerdem muss der Beschwerdeführer auf die Beruhensfrage eingehen und<br />

zusätzlich darlegen, dass der Verteidiger eine Vertretungsmacht 6 hatte, wenn er<br />

namens des Betroffenen den Antrag gestellt hat. 7<br />

1<br />

BayObLG NZV 2001, 221<br />

2<br />

BayObLG NZV 2002, 199<br />

3<br />

BayObLG DAR 2001, 371; OLG Hamm VRS 107, 124<br />

4<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 28.2.2005, 1 Ss OWi 131/05<br />

5<br />

OLG Brandenburg, zfs 2004, 235; OLG Naumburg zfs 2002, 595; KK-OWiG-Senge § 73 Rn. 23<br />

6<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 18.5.2006, 2 Ss (OWi) 314/05 = VRR 2006, 397<br />

7<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 16.8.2006, 2 Ss OWi 348/06 = zfs 2006, 710 = VRR 2006, 394 = VRS<br />

111, 370<br />

Seite 56 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör wird verletzt, wenn das<br />

Amtsgericht seinen Antrag auf Entbindung zu Unrecht nicht entspricht und den<br />

Einspruch gem. § 74 Abs. 2 OWiG verwirft.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.6.2007, IV- 2 Ss (OWi) 60/07 = NZV 2007,<br />

586<br />

Ebenso OLG Koblenz, Beschluss vom 10.7.2007, 2 Ss 160/07 = NZV 2007, 587<br />

Lehnt das Gericht ohne nachvollziehbare Gründe eine Entbindung zu der Pflicht<br />

zum persönlichen Erscheinen ab, ist dies eine Verletzung des Anspruchs auf<br />

rechtliches Gehör. Es ist nicht ausreichend, wenn das Gericht in der Begründung<br />

mitteilt, eine Gegenüberstellung mit dem Zeugen sei unabdingbar.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008, 83 Ss – OWi 97/08 = NZV 2009, 52<br />

Der Betroffene räumte ein, Fahrer zum Zeitpunkt einer Ordnungswidrigkeit<br />

gewesen zu sein. Dies ließ er durch seinen Verteidiger, der eine entsprechende<br />

Erklärungsvollmacht vorlegte, vortragen. Das Amtsgericht hat den Antrag<br />

zurückgewiesen und den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verworfen. Die<br />

Rechtsbeschwerde war erfolgreich.<br />

§ 73 Abs. 2 OWiG beinhaltet eine Verpflichtung des Amtsgerichts zur<br />

Entbindung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Erfolgt dies nicht,<br />

liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 11.1.2011, 322 SsBs 451/10 = VA 2011, 17<br />

Liegt dem Gericht eine Vertretungsvollmacht vor, kann der Verteidiger auch<br />

Erklärungen für den Mandanten abgeben. Er sollte dabei aber immer klar<br />

unterscheiden, was eine Einlassung zur Sache sein soll und was eine (in der<br />

Hauptverhandlung nicht verlesbare) Erklärung als Verteidiger ist.<br />

Die Entscheidung des Gerichts<br />

Hat der Betroffene rechtzeitig die Entbindung von der Verpflichtung zum<br />

persönlichen Enterscheinen beantragt, ist es rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht<br />

über diesen Antrag nicht vor der Hauptverhandlung entscheidet. Die<br />

rechtsfehlerhafte Verwerfung des Einspruchs ist nicht nur ein Verstoß gegen<br />

einfaches Verfahrensrecht, sondern zugleich auch eine Verletzung des<br />

rechtlichen Gehörs.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 12.3.2008,2 Ss OWiG 269/08 =zfs 2008, 413<br />

Dieser Antrag muss grundsätzlich rechtzeitig vor der Hauptverhandlung<br />

entschieden werden. Ist über den Antrag nicht entschieden, kann sein<br />

Fernbleiben entschuldigt sein. 1<br />

Das Gericht kann einen Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen<br />

Erscheinen zunächst ohne Begründung ablehnen. Aber spätestens im Urteil<br />

muss das Gericht darstellen, warum es dem Antrag des Betroffenen nicht<br />

stattgegeben hat. 2<br />

1 OLG Karlsruhe zfs 1999, 538<br />

2 KG, Beschluss vom 17.3.2006, 3 Ws (B) 136/06 = VRS 111, 146 = NZV 2007, 253<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Dauer der Entbindung<br />

Der Antrag muss wiederholt werden, wenn es zu einer Verlegung oder<br />

Aussetzung der Hauptverhandlung kommt. 1 Dem kann hinsichtlich der Verlegung<br />

oder Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht zugestimmt werden – dies gilt<br />

nur wenn die Hauptverhandlung ausgesetzt wird. In allen Fällen muss der<br />

Betroffene allerdings nochmals ordnungsgemäß geladen werden. Der Antrag<br />

kann auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden. 2<br />

Voraussetzungen:<br />

Der Betroffene muss sich zur Sache erklärt haben, oder angegeben haben, dass<br />

er sich in der Hauptverhandlung zur Sache und den persönlichen Verhältnissen<br />

nicht äußern wird. Eine Äußerung liegt vor, wenn die eingereichte Stellungnahme<br />

in der Hauptverhandlung verwertet werden kann. Frage: Angaben des<br />

Betroffenen sind nicht verwertbar wegen Verstoß gegen das Belehrungsgebot?<br />

Weitere Aufklärung nicht erforderlich oder möglich: dies gilt insbesondere die<br />

Frage der Identifizierung kann durch Anwesenheit des Betroffenen in der<br />

Hauptverhandlung nicht geklärt werden.<br />

Allgemein muss der Verteidiger beachten: Das Erscheinen muss dem<br />

Betroffenen auch zumutbar sein. Dies gilt insbesondere bei geringfügigen<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> und weit entferntem Wohnsitz. Ist der Betroffene nicht<br />

entbunden und nicht erschienen, muss der Einspruch verworfen oder die<br />

Hauptverhandlung vertagt werden.<br />

Die Verwerfung des Einspruchs kann mit der Rechtsbeschwerde angegriffen<br />

werden und es muss die Verfahrensrüge erhoben werden. Dabei muss der<br />

Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein<br />

aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt.<br />

Der Verteidiger muss dann darlegen, aus welchen Gründen der Tatrichter von<br />

der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung unter keinen<br />

Umständen einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhaltes erwarten durfte. 3<br />

Ist der Betroffene von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden, gilt<br />

dies auch für eine Fortsetzungsverhandlung. Hiervon unterschieden werden<br />

muss eine andere Fallgestaltung: Hat der Betroffene einen Antrag auf<br />

Entbindung vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung gestellt, muss<br />

der Antrag bei einer Verlegung des Hauptverhandlungstermins spätestens zu<br />

Beginn des neu terminierten Hauptverhandlungstermins wiederholt werden. 4<br />

Bei einer Fortsetzung der Hauptverhandlung muss der Betroffene von Amts<br />

wegen von einer in seiner Abwesenheit beschlossenen Fortsetzung der<br />

Hauptverhandlung benachrichtigt werden, selbst wenn in diesem Termin nur das<br />

1<br />

KG VRS 99, 372<br />

2<br />

OLG Hamm, VRS 111, 370<br />

3<br />

OLG Hamm, VRS 111, 370<br />

4<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.01.2006, 2 Ss OWi 612/05 = SVR 2006, 232; OLG Hamm,<br />

Beschluss vom 29.4.2004, 4 Ss OWi 195/04<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Urteil verkündet werden soll. 1 Diese Aufgabe kann nicht dem Verteidiger<br />

übertragen werden.<br />

Die Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der<br />

Hauptverhandlung wirkt stets nur für die laufende Hauptverhandlung. Sie gilt<br />

nicht für eine neue Hauptverhandlung nach Aussetzung, allerdings für eine<br />

Fortsetzungsverhandlung.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 9.6.09, 1 Ss 101/09 = Zfs 2010, 109 = VRS 117,<br />

342<br />

Fehlerhafte Entscheidungen<br />

Es ist falsch, von einer Entbindung abzusehen, weil in der Gegenwart des<br />

Betroffenen zuverlässigere Angaben des Zeugen zu erwarten waren. Es ist<br />

bereits nicht ersichtlich, weshalb von einem in der Hauptverhandlung<br />

anwesenden, jedoch schweigenden Betroffenen überhaupt Auswirkungen auf<br />

das Aussageverhalten eines zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichteten<br />

Tatzeugen zu erwarten wären; unklar bleibt auch, warum von Zeugen in dieser<br />

Situation grade zuverlässigere Angaben zu erwarten wären und nicht im<br />

Gegenteil von einem dem Betroffenen tendenziellen entlastenden<br />

Aussageverhalten auszugehen wäre. 2<br />

Alleine die theoretische Möglichkeit, der Betroffene werde seinen Entschluss zum<br />

Schweigen in der Hauptverhandlung überdenken, reicht nicht aus, ihm die<br />

Befreiung von der Erscheinungspflicht zu verweigern. 3<br />

Eine rechtswidrige Ablehnung der Entbindung von der Pflicht, in der<br />

Hauptverhandlung zu erscheinen und eine darauf beruhende Verwerfung des<br />

Einspruches führt zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Wird die<br />

Fahrereigenschaft eingeräumt und erklärt, dass keine weiteren Angaben<br />

gemacht werden, muss entbunden werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 5.1.2010, (4) 6 Ss OWi 958/09 (469) = NZV 2010,<br />

214<br />

Ablehnung der Entbindung<br />

Erwartet das Gericht eine weitere Aufklärung, kann es einen Entbindungsantrag<br />

ablehnen. Dies kann vorliegen, wenn der Betroffene sich auf<br />

Augenblicksversagen beruft. 4<br />

Ein zulässiges Aufklärungsbedürfnis des Gerichtes, mithin die Möglichkeit eine<br />

Entbindung abzulehnen, soll auch vorliegen, wenn ein Betroffener vor der<br />

Hauptverhandlung erklärt hat, er werde in der Hauptverhandlung schweigen, ihm<br />

jedoch die Beweisergebnisse der Hauptverhandlung unmittelbar zur Kenntnis<br />

1 BayObLG DAR 1999,175<br />

2 OLG Bamberg, Beschluss vom 10.08.2006, 3 Ss OWi 1064/06 = zfs 2006, 708<br />

3 KG, Beschluss vom 03.09.2006, 2 Ss 213/06-3Ws (B) 447/06 = zfs 2006, 709 = VRS 111, 429<br />

4 OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2006, 3 Ss OWi 171/06 = VRR 2006, 395. Anders allerdings<br />

OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, 273; OLG Karlsruhe, zfs 2005, 154; BayObLG, DAR 2002, 133; OLG<br />

Zweibrücken, zfs 2004, 481; OLG Rostock, DAR 2003, 531; OLG Zweibrücken NZV 2000, 304; OLG<br />

Hamm, zfs 2004, 584; BayObLG, zfs 2002, 597; OLG Frankfurt, zfs 2000, 266; OLG Dresden, zfs<br />

2003, 374; BayObLG, zfs 2001, 185.<br />

Seite 59 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

gebracht werden sollen und ihm hierbei die Möglichkeit gegeben werden soll, die<br />

Entscheidung keine Angaben zu machen, zu revidieren. Dabei berufen sich<br />

einige Gerichte auf eine alte Rechtsprechung des BGH, die aber durch<br />

Gesetzesänderung überholt ist. 1<br />

Eine Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen ist nicht möglich,<br />

wenn der Betroffene lediglich „nicht bestreitet“, zum Tatzeitpunkt Fahrer des<br />

Fahrzeuges gewesen zu sein.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2006, IV-2 Ss (OWi) 180/06 – (OWi)<br />

92/06 III = SVR 2008, 147<br />

Bei der Beurteilung, ob die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung<br />

wesentlicher Gesichtspunkte erforderlich ist, muss das Amtsgericht zwischen der<br />

Aufklärungspflicht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abwägen. Für<br />

die Ablehnung des Entbindungsantrags reichen formelhafte Gründe nicht aus.<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 19.12.2007, 2 Ss (OWiG) 281/07 I 220/07 I Ws<br />

447/07 = DAR 2008, 400 = VRS 115, 138.<br />

Rechtsbeschwerde<br />

Ein Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG muss mit der Verfahrensrüge gerügt<br />

werden. Hierbei gelten die strengen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2<br />

StPO. Der Tatsachenvortrag muss so vollständig sein, dass das<br />

Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann,<br />

ob ein Verfahrensfehler möglich ist. Es genügt dann nicht, wenn die<br />

Rechtsbeschwerde nur mitteilt, dass der Betroffene seine Täterschaft nicht in<br />

Abrede gestellt hat, er sich außergerichtlich zur Sache geäußert hat und seine<br />

Verteidigerin bevollmächtigt gewesen sei, weitgehende Erklärungen abzugeben.<br />

Es fehlt dann eine Darstellung, wie sich der Betroffene zum Vorwurf bislang<br />

geäußert hat.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 13.12.2007, 2 Ss OWi 799/07 = VRS 113, 439 =<br />

VRR 2008, 158<br />

Zur ordnungsgemäßen Begründung der Rechtsbeschwerde, mit der die<br />

Fehlerhaftigkeit einer Ablehnung des Entbindens vom Erscheinen in der<br />

Hauptverhandlung begründet werden soll, bedarf es des Hinweises, dass die<br />

Voraussetzungen für eine Entbindung vorgelegen haben: Ordnungsgemäßer<br />

Antrag, Vollmacht, entsprechende Beweislage. Diese Beweislage muss vom<br />

Beschwerdeführer dargestellt werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.3.2006, 3 Ss OWi 171/06 = SVR 2007, 183 =<br />

VRS 113, 309<br />

Zu einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge, mit der die gesetzwidrige<br />

Einspruchsverwerfung geltend gemacht wird, muss in der Rechtsbeschwerde<br />

dargelegt werden, wann der Antrag auf Entbindung gestellt wurde und ob der<br />

Verteidiger insoweit vertretungsberechtigt war.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 19.1.2007, 1 Ss OWi 799/06 = VRS 113, 65<br />

1 BGHSt 38, 251 anders aber OLG Zweibrücken zfs 1999, 537; OLG Dresden zfs 2003, 78<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

In der Rechtsbeschwerde muss der Betroffene darlegen, aus welchen Gründen<br />

der Tatrichter von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur<br />

Aufklärung des Sachverhaltes unter keinen Umständen hätte erwarten dürfen.<br />

Hierzu ist es erforderlich, den im Bußgeldbescheid erhobenen Tatvorwurf und die<br />

Beweislage im Einzelnen vorzutragen. Es muss aber auch die Begründung des<br />

Antrages sowie die Entscheidung des Gerichts mitgeteilt werden. Der Anspruch<br />

des Betroffenen auf rechtliches Gehör ist nur dann verletzt, wenn die<br />

Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht. Bleibt der Betroffene der<br />

Hauptverhandlung fern, kann unter Umständen gem. § 74 Abs. 2 OWiG der<br />

Einspruch verworfen werden. Dies scheidet jedoch aus, wenn das Amtsgericht<br />

dem Antrag hätte stattgeben müssen. Erklärt der Betroffene, er werde keine<br />

Angaben machen, ist damit in der Regel eine weitere Aufklärung durch seine<br />

Anwesenheit nicht mehr zu erwarten, wenn er eingeräumt hat, Fahrer des<br />

Fahrzeuges gewesen zu sein.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 2.8.2007, 2 Ss OWi 462/07 = NZV 2007, 632 = VRS<br />

113, 362<br />

Liegen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vor, muss das Gericht einen<br />

Entbindungsantrag positiv entscheiden. Ein Ermessen steht ihm nicht zu. In der<br />

Rechtsbeschwerde ist im Fall der Verwerfung eine lückenlose Darstellung des<br />

Verfahrens im Vorfeld des Verwerfungsurteils sowie die Mitteilung des Inhalts<br />

derjenigen Schriftsätze, Einlassungen oder sonstigen Stellungnahmen<br />

unverzichtbar, denen der Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG entnommen werden<br />

soll.<br />

Eine unzulässige Verwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG verletzt nicht nur das<br />

Verfahrensrecht, sondern zugleich den Anspruch auf rechtliches Gehör. Dies ist<br />

jedenfalls dann der Fall, wenn die sachlichen Einwendungen des Betroffenen im<br />

Verfahren nicht berücksichtigt werden. Der Entbindungsantrag eines Betroffenen<br />

ist weder an eine Form gebunden noch bedarf er einer besonderen Begründung.<br />

Der eindeutige Wille muss jedoch zu erkennen sein.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 7.8.2007, 3 Ss OWi 764/07 = VRS 113, 284<br />

Der Entbindungsantrag und der ablehnende Gerichtsbeschluss muss in der<br />

Rechtsbeschwerde vollständig mitgeteilt werden. Der Betroffene muss weiter<br />

darlegen, weshalb ein Rechtsanspruch auf Entbindung bestand. Hierzu gehört,<br />

dass er darlegt, dass der Betroffene sich geäußert hat bzw. sein Verteidiger im<br />

Fall einer Anhörung in der Hauptverhandlung zur Sache vorgebracht hätte. Der<br />

Tatvorwurf und die Beweislage müssen beschrieben werden. Es muss auch<br />

dargestellt werden, wann der Antrag gestellt wurde. Es müssen die Tatsachen<br />

konkret dargestellt werden, um die Beruhensfrage zu prüfen.<br />

Es ist in der Rechtsbeschwerde allerdings nicht ausreichend, wenn der<br />

Betroffene beanstandet, das Amtsgericht habe dem Antrag, auf Entbindung von<br />

der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu Unrecht nicht entsprochen. Eine<br />

solche Rüge erfordert einen Tatsachenvortrag, der so vollständig ist, dass das<br />

Beschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein<br />

Verfahrensfehler vorliegen kann.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Es obliegt daher dem Beschuldigten darzulegen, aus welchem Grund das Gericht<br />

seinem Entbindungsantrag hätte stattgeben müssen. Der Betroffene muss also<br />

genau darlegen, dass sämtliche Voraussetzungen der Vorschrift gegeben waren<br />

und dass der Tatrichter unter keinen Umständen von der Anwesenheit des<br />

Betroffenen in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur Sachaufklärung hätte<br />

erwarten dürfte. Hierzu ist es erforderlich, den im Bußgeldbescheid erhobenen<br />

Tatvorwurf und die konkrete Beweislage im Einzelnen vorzutragen.<br />

Da der Anspruch auf rechtliches Gehör zudem nur dann verletzt ist, wenn die<br />

ergangene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in<br />

unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der<br />

Partei hat, müssen in der Beschwerdeschrift konkret die Tatsachen dargelegt<br />

werden, anhand derer die Beruhensfrage geprüft werden kann. Wenn der<br />

Verteidiger für den Betroffenen, einen Antrag auf Entbindung gestellt hat, muss<br />

dargelegt werden, dass neben der allgemeinen Verteidigervollmacht zusätzlich<br />

eine besondere Vertretungsvollmacht erteilt ist, die der Schriftform bedarf. Es<br />

gehört weiter zum ordnungsgemäßen Vortrag, dass der Verteidiger, der einen<br />

Entbindungsantrag gestellt hat, die besondere schriftliche Vertretungsmacht für<br />

den Betroffenen hatte und diese dem Tatgericht auch nachgewiesen hat. 1<br />

Hat das Amtsgericht nicht über den Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum<br />

persönlichen Erscheinen vor der Hauptverhandlung entschieden, muss es sich<br />

mit diesem Antrag in dem Verwerfungsurteil auseinandersetzen.<br />

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nur geltend gemacht werden, wenn<br />

der Betroffene und / oder sein Verteidiger geltend machen, dass sie im Falle<br />

einer Anhörung in der Hauptverhandlung noch etwas vorgebracht hätten und in<br />

der Beschwerdebegründung ist darzulegen, was dies gewesen wäre (so auch<br />

OLG Hamm, VRS 113, 439; OLG Karlsruhe, VRS 109, 282; KG VRS 104, 139).<br />

Die Beschwerde kann aber auch auf § 74 Abs. 2 OWiG gestützt werden. Hierzu<br />

bedarf es jedoch der genauen Darlegung der Einzelumstände, die den<br />

Rechtsanspruch auf Entbindung begründen. Dieser Anspruch auf Entbindung<br />

steht nicht im Ermessen des Gerichts. Das Gericht kann ihn lediglich ablehnen,<br />

wenn von der Anwesenheit – auch im Falle des Schweigens – weitere Aufklärung<br />

zu erwarten ist. Allerdings kommt es bei der Frage der Anordnung eines<br />

Fahrverbots regelmäßig auf den persönlichen Eindruck nicht an.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 20.8.2008, 322 SsBs 187/08 = NZV 2008, 582 = VRS<br />

115, 305 = VRR 2008, 471 = VA 2008, 216 = VRR 2009, 69<br />

Bei der Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Entbindungsantrages liegt eine<br />

Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nur vor, wenn nicht<br />

zweifelhaft ist, dass der Antrag unter Verstoß gegen das Willkürverbot aus<br />

offensichtlich unzutreffenden verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt wurde.<br />

Dies muss in der Rechtsbegründung ausgeführt werden. Dargestellt werden<br />

muss aber, dass der Rechtsfehler auf Willkür und nicht auf einer einfachen<br />

Fehleinschätzung gegebener Umstände liegt.<br />

OLG Frankfurt, Beschluss vom 6.7.09, 2 Ss-OWi 329/09 = NZV 2009, 615<br />

1 Thüringer OLG, Beschluss vom 4.1.2006, 1 Ss 224/05 = VRS 111, 56<br />

Seite 62 von 150


3. Terminierung und Verwerfung des Einspruchs<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Ladung<br />

Ist der Betroffene nicht auf freiem Fuß, so ist er gem. § 216 Abs. 2 StPO, § 71<br />

Abs. 1 OWiG durch Bekanntgabe des Termins gem. § 35 Abs. 2, 3 StPO zu<br />

laden. Dabei ist ohne Bedeutung, ob das Gericht von der Inhaftierung weiß.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 12.9.2007, 1 Ss 244/07 = VRS 111, 328<br />

Terminierung<br />

Auch im <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren hat der Betroffene grundsätzlich das<br />

Recht, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.<br />

Der Vorsitzende ist verpflichtet, über Anträge auf Terminverslegung nach<br />

pflichtgemäßen Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung,<br />

der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der<br />

Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen der<br />

Prozessbeteiligten zu entscheiden. Stellt der Verteidiger rechtzeitig und mit<br />

nachvollziehbarer Begründung erstmals einen Antrag auf Verlegung, so wird<br />

einem solchen Antrag in der Regel zu entsprechen sein. Ausnahmen sind<br />

denkbar, wenn es ich um einen eher einfach gelagerten Sachverhalt handelt,<br />

zu dem der Betroffene ausreichend unter Wahrung seiner Verteidigungsrecht<br />

selbst Stellung nehmen kann.<br />

Wird der Termin nicht verlegt, ist dies mit der Verfahrensrüge, der Verletzung<br />

des rechtlichen Gehörs, geltend zu machen.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.1.2006, 1 Ss 165/05 = SVR 206, 388 = zfs<br />

2006, 354<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 27.1.2006, 2 Ss OWi 3/06 = SVR 2006, 388<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 8.9.2005, 2 Ws 218/05 = SVR 2006, 388<br />

Verlegung wegen Verhinderung des Verteidigers<br />

Der Grundsatz der fairen Verhandlung erfordert auf Seiten des Gerichts<br />

angemessene Rücksicht auf eine etwaige Verhinderung des Verteidigers.<br />

Wenn nur knapp die Einhaltung der Ladungsfrist Hauptverhandlungstermine<br />

anberaumt werden und der Verteidiger zwangsläufig kurzfristig vor dieser<br />

Hauptverhandlung Terminkollisionen geltend macht, hat der Richter dem<br />

Rechnung zu tragen oder zumindest, falls er die Erklärung des Verteidigers für<br />

nicht ausreichend erachtet, im Freibeweis aufzuklären.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 22.03.2006, 2 Ss OWi 319/06 = zfs 2006, 656<br />

Der Betroffene hat grundsätzlich das Recht, sich durch einen Rechtsanwalt<br />

seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Terminverlegung ist jedoch eine<br />

Einzelfallentscheidung. Hierbei müssen die prozessuale Führsorgepflicht so<br />

wie das faire Verfahren beachtet werden. Beachtet werden muss die<br />

Bedeutung der Sache, die Lage des Verfahrens bei Eintritt des<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Verhinderungsfalles, der Anlass, die Voraussehbarkeit und die<br />

voraussichtliche Dauer der Verhinderung. Berücksichtigt werden muss auch<br />

die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und damit die Fähigkeit des<br />

Betroffenen, sich selbst zu verteidigen. Das Gebot der<br />

Verfahrensbeschleunigung und die berechtigten Belange der übrigen<br />

Prozessbeteiligten. Schließlich noch die eigene Dienstplanung und die<br />

Gesamtbelastung des Spruchkörpers.<br />

OLG Thüringen, Beschluss vom 31.8.2007, 1 Ss 145/07<br />

Beschleunigungsgebot<br />

Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen hat eine hohen Stellenwert. Haft von<br />

mehr als einem Jahr ist nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen akzeptabel. In<br />

absehbar umfangreichen Verfahren fordert das Beschleunigungsgebot stets<br />

eine vorausschauende auch größere Zeiträume umgreifende<br />

Hauptverhandlungsplanung mit mehr als nur einem Verhandlungstag pro<br />

Woche.<br />

Terminkollisionen des Verteidigers entlasten die Justiz nicht. Das Gericht darf<br />

nicht ausnahmslos auf Terminkollisionen Rücksicht nehmen. Unter Umständen<br />

ist zu prüfen, ob nicht andere Pflichtverteidiger bestellt werden können oder<br />

der Verteidiger verpflichtet werden kann, andere Termine zu verschieben.<br />

BVerfG, Beschluss vom 23.01.2008, 2 BvR 2652/07<br />

Rechtliches Gehör<br />

Die Ablehnung eines Antrages auf Verlegung des Hauptverhandlungstermins<br />

führt zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn sie auf sachfremden<br />

und nicht mehr nachvollziehbaren Gründen beruht und dem Betroffenen<br />

dadurch der erste Zugang zum Gericht genommen wird. Der Hinweis, eine<br />

Verlegung der Hauptverhandlung könne aus dienstlichen Gründen nicht<br />

erfolgen, ist eine nicht nachvollziehbare Begründung. Auch die angespannte<br />

Terminlage eines Richters ist kein objektivsachlicher und den berechtigten<br />

Interessen der anderen Beteiligenden berücksichtigender Grund.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 22.7.2010, III -3 RBs 200/10 = zfs 2010, 649<br />

Dienstliche Gründe<br />

Alleine der bloße Hinweis des Gerichts, eine Terminverlegung könne aus<br />

dienstlichen Gründen nicht erfolgen, stellt keine nachvollziehbare Begründung<br />

dar und führt zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 26.4.2007, 4 Ss OWi 303/07 = SVR 2010, 473<br />

faires Verfahren<br />

Ein kurzfristig bestellter Pflichtverteidiger hat bei umfangreichen Akten unter<br />

Umständen einen Anspruch auf Unterbrechung der Hauptverhandlung.<br />

Termine sind den Wünschen und Möglichkeiten eines Verteidigers auch<br />

anzupassen.<br />

BGH, Beschluss vom 24.6.2009, 5 StR 181/09= StRR 2009, 383<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Beschwerde<br />

Die Beschwerde gegen einen Antrag auf Terminverlegung ist im<br />

Bußgeldverfahren immer unzulässig.<br />

LG München, Beschluss vom 6.11.2008, 24 Qs 123/08= StRR 2009<br />

Eine Beschwerde ist in Anlehnung der Rechtsprechung zu § 305 StPO auch in<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren zulässig.<br />

LG Darmstadt, Beschluss vom 30.9.2005 - 12 Qs 577/05 = NZV 2006, 442<br />

Mehrfache Verlegung des Termins<br />

Ein Antrag auf Verlegung des Hauptverhandlungstermins wegen Verhinderung<br />

des Verteidigers wurde als unzulässig verworfen. Das Rechtsmittel gegen die<br />

Verwerfung des Einspruchs hatte keinen Erfolg. Im vorliegenden Fall war der<br />

Hauptverhandlungstermin bereits mehrfach verlegt worden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 1.9.2009, 2 Ws 233/09= VRR 2010, 112<br />

Warten auf den Betroffenen<br />

Die Grundsätze eines fairen Verfahrens und die Fürsorgepflicht können es<br />

gebieten, im Einzelfall bei unentschuldigtem Fernbleiben des Angeklagten<br />

auch länger als 15 Minuten zu warten, wenn dieser noch vor Terminbeginn<br />

dem Berufungsgericht fernmündlich mitteilt, dass er sich irrig beim AG<br />

eingefunden hat anstatt beim LG.<br />

OLG München, Beschluss vom 5.7.2007, 4 StRR 122/07 = zfs 2007, 588<br />

Wird dem Gericht vor Ablauf der 15-minutigen Wartefrist mitgeteilt, der<br />

Betroffene werde 20 Minuten nach Terminsbeginn eintreffen, so verstößt es<br />

gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn bereits zuvor der Einspruch<br />

verworfen wurde.<br />

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.8.2007, 2 Ss – OWi 223/07 = DAR 2008, 33<br />

= zfs 2008, 113<br />

Ein Betroffener muss bei der Planung der Anfahrt zum Gerichtstermin zeitliche<br />

Verzögerungen einkalkulieren. Diese umfassen Probleme mit Verkehrsstaus<br />

und der Parkplatzsuche. Dies gilt es recht, wenn er sich mit einem sperrigen<br />

VW-Transporter zum Gericht begibt.<br />

KG, Beschluss vom 19.7.2006, 5 Ws (B) 384/06 = VRS 111, 432<br />

Entschuldigung<br />

Erscheinen überraschend zu einem Termin weder der Betroffene noch sein<br />

Verteidiger, muss sich der Richter vor Verwerfung des Urteils erkundigen, ob<br />

eine Mitteilung über die Behinderung des Betroffenen vorliegt. Liegt eine<br />

solche Entschuldigung vor, ist die fehlende Kenntnis unbeachtlich. Das<br />

Verwerfungsurteil unterliegt in diesem Fall der Aufhebung.<br />

KG, Beschluss vom 5.6.2009, 2 Ss 125/09- 3 Ws (B) 245/09 = NZV 2009, 518<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Entschuldigung<br />

Der Betroffene war als Insolvenzverwalter beim AG vorgeladen, das Gericht<br />

verwarf gleichwohl den Einspruch mit der Begründung, private Gerichtstermine<br />

gehen anderen beruflichen Terminen vor.<br />

Das OLG hob die Entscheidung auf.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 12.9.2006, 3 Ss OWi 1140/06 = VRR 2007, 74<br />

Verhinderung des Betroffenen<br />

Teilt der Verteidiger einen Verhinderungsgrund des Betroffenen mit, muss dies<br />

seitens des Gerichts überprüft und dokumentiert werden. Ansonsten kann<br />

keine Verwerfung erfolgen. Es kommt nicht darauf an, ob der Betroffene sich<br />

genügend entschuldigt hat, sondern allein, ob er objektiv entschuldigt ist.<br />

Maßgeblich ist dabei nicht, was er selbst vorgetragen hat, sondern ob sich aus<br />

den Umständen, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt<br />

sind und im Wege des Freibeweises feststellbar sind, eine ausreichende<br />

Entschuldigung ergibt. Glaubhaftmachung ist nicht erforderlich. Hat das<br />

Gericht Zweifel. Ob der Betroffene genügend entschuldigt ist und ist eine<br />

weitere Klärung im Freibeweisverfahren nicht möglich, darf der Einspruch nicht<br />

verworfen werden.<br />

KG, Beschluss vom 16.6.2010. 3 Ws (B) 203/10 = SVR 2010, 474<br />

Erkrankung des Verteidigers<br />

Der Betroffene war zur Hauptverhandlung nicht erschienen. Das AG hat den<br />

Einspruch verworfen, weil die Erkrankung des Verteidigers zur Entschuldigung<br />

nicht ausreichte. Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht<br />

erkennt eine prozessuale Fürsorgepflicht des AGs an. Hieraus ergibt sich eine<br />

Verpflichtung der Verlegung des Hauptverhandlungstermins, wenn der<br />

Verteidiger erkrankt ist. Hierzu ist das Gericht auch verpflichtet, wenn keine<br />

Vollmacht des Verteidigers vorliegt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 21.1.2008, 4 Ss OWi 741/07 = SVR 2008, 387 =<br />

VA 2008, 85<br />

Ein Betroffener ist auch dann ausreichend entschuldigt, wenn er wegen einer –<br />

mit seiner Drogensucht in Verbindung stehenden – Erkrankung nicht zum<br />

Termin erscheinen kann und sich nicht rechtzeitig in ärztliche Behandlung<br />

begeben hat. Bei der Prüfung der Entschuldigungsgründe ist eine großzügige<br />

Anwendung zugunsten des jeweilig Betroffenen erforderlich. Dies ist Ausfluss<br />

des rechtsstaatlichen Verfahrens.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 24.10.2008, 33 Ss 76/08 = VA 2009, 13<br />

Eine bereits vor Terminierung der Hauptverhandlung gebuchte Pilgerreise<br />

nach Mekka entschuldigt das Fernbleiben.<br />

LG München I, Beschluss vom 29.11.2010, 16 Qs 69/10 = VA 2011, 36<br />

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Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Entschuldigung<br />

Der Begriff genügender Entschuldigung darf nicht eng ausgelegt werden. Eine<br />

Entschuldigung ist dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden<br />

Belange des Angeklagten einerseits und seiner öffentlich-rechtliche Pflicht zum<br />

Erscheinen in der Hauptverhandlung den Entschuldigungsgrund als triftig<br />

erscheinen lassen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Antrag auf<br />

Terminverlegung abgelehnt wurde. Diese Ablehnung war willkürlich. Eine<br />

Ablehnung kann nicht damit begründet werden, dass der Verteidiger in einer<br />

Anwaltskanzlei mit 23 Anwälten tätig ist.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 27.7.2009, 1 Ss 102/09= SVR 2009, 388 =zfs<br />

2010, 289 = DAR 2010, 401<br />

Ein Angeklagter ist entschuldigt, wenn zum Termin der Hauptverhandlung eine<br />

Zwangsräumung der Wohnung angedroht ist.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 10.12.2010, III-1 Ws 159/10 = VA 2011, 53<br />

Nebenklägerin<br />

Die Verhinderung des Nebenklägervertreters begründet regelmäßig keinen<br />

Anspruch auf Terminverlegung.<br />

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 23.10.08, 2 Qs 54/08 = VA 2009, 31<br />

Revisionsgrund<br />

Die Ablehnung eines Antrages auf Terminverlegung kann eine Behinderung<br />

der Verteidigung darstellen im Sinne von § 338 Nr. 8 StPO.<br />

OLG Braunschweig, Beschluss vom 27.2.2009, Ss (OWi) 37/09 = VA 2009,<br />

108 = VRR 2009, 232<br />

4. Akteneinsicht<br />

Vor Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft hat der Verteidiger<br />

nach § 69 Abs. 3 OWiG Anspruch auf unbeschränkte Akteneinsicht. Es ist<br />

auch sinnvoll diese Akteneinsicht wahrzunehmen. Nur so kann der<br />

Verteidiger überprüfen, ob die Verwaltungsbehörde tatsächlich<br />

Einwendungen, die nach dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid<br />

vorgetragen wurden, nachgegangen ist und notwendige Erkundigungen<br />

eingeholt hat. Das Ergebnis dieser Nachforschungen – z.B.<br />

Stellungnahme der Polizeibeamten, die die Messung durchgeführt haben<br />

– werden dem Verteidiger nicht automatisch übersandt; der Verteidiger<br />

kann nur durch Akteneinsicht die weitere Verteidigung auf die neuen<br />

Erkenntnisse aufbauen.<br />

Im OWiG-Verfahren können die Akten sowohl bei der Verwaltung als auch<br />

bei den Gerichten elektronisch geführt werden. Der neue § 110c OWiG<br />

erhält eine dem § 130b ZPO entsprechende Regelung über gerichtliche<br />

Dokumente. Nach § 110d Abs. 2 OWiG kann eine elektronische<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Akteneinsicht durch Wiedergabe auf dem Bildschirm oder durch<br />

Aktenausdruck erfolgen. Die elektronisch geführt Akte wird in diesen<br />

Fällen die alleinige Grundlage des Verfahrens.<br />

1. Umfang der Akteneinsicht<br />

Der Umgang der Akteneinsicht ist streitig<br />

Der Verteidiger hat das Recht, Akteneinsicht in alle Unterlagen, die auch<br />

dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden. Diese<br />

Akteneinsicht wird in den Räumen der Verwaltungsbehörde gewährt.<br />

Dies gilt auch, wenn der Verteidiger nicht ortsansässig ist. Der Fertigung<br />

von Kopien der Unterlagen stehen allerdings urheberrechtliche<br />

Bestimmungen entgegen. (Ähnlich auch AG Bad Kissingen, VA 2007, 37;<br />

AG Neuruppin, zfs 2009, 178)<br />

AG Gelnhausen, Urteil vom 14.9.2010, 44 OWi – 2949 Js 13251/10 = NZV<br />

2011, 362 = DAR 2011, 421= VA 2011, 16<br />

1.1. Bedienungsanleitung<br />

Zum Akteneinsichtsrecht gehört auch ein Blick in die<br />

Bedienungsanleitung des Geschwindigkeitsmessgerätes. Ansonsten ist<br />

eine Befragung des Messbeamten nicht möglich. Ist die Entfernung<br />

zwischen Sitz der Kanzlei des Verteidigers und dem Gericht sehr groß, hat<br />

er Anspruch auf Übersendung.<br />

LG Ellwangen, Beschluss vom 14.9.2009, 1 Qs 166/09 = DAR 2011, 418<br />

= StRR 2011, 116 = VRR 2011, 117<br />

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hinsichtlich Akteneinsicht, die mit<br />

dem Messverfahren zusammenhängenden Unterlagen wurde<br />

stattgegeben. Dem steht nicht das Urheberrecht des Verfassers der<br />

Bedienungsanleitung entgegen.<br />

LG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 24.5.2011, 6 Qs 393 Js 23360/10<br />

(101/11)=VRR 2011, 275<br />

Der Bedienungsanleitung kommt bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten<br />

eines Einspruchs eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Damit lässt sich<br />

feststellen, ob Anhaltspunkte für eine Fehlmessung aufgrund<br />

unsachgemäßer Bedienung vorliegen. Die Verwaltungsbehörde muss<br />

daher auf Anforderung den Verteidiger zur Verfügung stellen, wenn sie in<br />

ihrem Besitz ist. Die Einsichtnahme in den Räumen der Behörde ist nicht<br />

ausreichend, wenn der Verteidiger nicht ortsansässig ist.<br />

AG Kleve, Urteil vom 3.8.2008, 11 OWi 164/08 (b) = VA 2008, 177<br />

Akteneinsicht, Bedienungsanleitung<br />

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Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Nein: AG Aachen, Urteil vom 24.2.2011, 449 OWi-505 Js 63/11 – 41/11 =<br />

VA 2011, 86<br />

Ja: AG Oberhausen, Beschluss vom 20.12.2010, 26 OWi 845/10 = VA<br />

2011, 86<br />

LG Ellwangen, Beschluss vom 25.10.2010, 5 OWi 146/10<br />

1.2. Lebensakte<br />

Dem Verteidiger ist im Bußgeldverfahren auch Einsicht in sogenannte<br />

Lebensakte zu gewähren. Einem entsprechenden Antrag gem. § 62 OWiG<br />

kann stattgegeben werden.<br />

AG Erfurt, Beschluss vom 25.3.2010, 64 OWi 624/10 = DAR 2010, 713 =<br />

StRR 2010, 227 = VA 2010, 125<br />

Lebensakte und Bedienungseinleitung<br />

Zu den Unterlagen des Bußgeldverfahrens gehören sämtliche verfahren<br />

bezogenen Unterlagen der Verwaltungsbehörde, die zu den Akten<br />

genommen werden. Hierzu gehört die Bedienungseinleitung, nicht jedoch<br />

die Lebensakte (vgl. auch AG Bad Kissingen, zfs 2006, 706; AG<br />

Neuruppin; AG Kleve, VRR 2008, 357).<br />

AG Schwelm, Beschluss vom 13.4.2010, 64 OWi 18/10 (b) = StRR 2010,<br />

228 = VA 2010, 103<br />

1.3. Akteneinsicht des Sachverständigen<br />

Hat ein Verteidiger in einem Bußgeldverfahren einem öffentlich bestellten<br />

und allgemein vereidigten Sachverständigen Untervollmacht zur<br />

Einsichtnahme in die Messdatei erteilt, hat er ein Recht darauf diese an<br />

seinem Geschäftssitz in Augenschein zu nehmen.<br />

AG Senftenberg, Beschluss vom 26.4.2011, 59 OWi 93/11 = DAR 2011,<br />

422<br />

1.4. Name des Messbeamten<br />

Der Betroffene kann auch den Namen des Messbeamten und seinen<br />

Ausbildungsnachweis verlangen. Weigert sich die Behörde, hat ein<br />

entsprechender Antrag bei Gericht § 62 OWiG Erfolg.<br />

AG Meißen, Beschluss vom 3.3.2011, 13 OWi 23/11 = NZV 2011, 362 =<br />

VRR 2011, 276<br />

1.5. Digitale Kopie des Messfotos<br />

Der Betroffene hat auch Anspruch auf Herausgabe einer digitalen Kopie<br />

des Tatfotos. Dies gilt insbesondere bei dem Einseitensensor ESO. Das<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

originäre Beweismittel ist hierbei das digitale Foto. Dabei kann man von<br />

dem Verteidiger verlangen, dass er eine leere CD zur Verfügung stellt.<br />

AG Lemgo, Beschluss vom 14.4.2011, 22 OWi 62/11 11 = VA 2011, 102 =<br />

VRR 2011, 276<br />

1.6. Einsicht am Ort der Verwaltungsbehörde<br />

Es ist ausreichend, wenn dem Betroffenen von der Verwaltungsbehörde<br />

Einsicht in die Bedienungsanleitung am Sitz der Polizeibehörde gewährt<br />

wird.<br />

AG Hamm, Beschluss vom 18.5.2011, 12 OWi 283/11=VRR 2011, 275<br />

1.7. Mögliche Folge der Weigerung<br />

Das Amtsgericht Lippstadt, Urteil vom 23.2.2011, 7 OWi 38 Js 111/11-<br />

62/11 ist davon ausgegangen, dass, wenn die Behörde sich weigert, das<br />

Beweismittel herauszugeben, dieses Beweismittel nicht vorhanden ist und<br />

mithin kein standardisiertes Messverfahren vorliegt.<br />

1.8. Verfahren bei Ablehnung<br />

Lehnt die Bußgeldstelle eine weitere Akteneinsicht ab, so ist dagegen ein<br />

Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig. Zu den Unterlagen, die<br />

vorzulegen sind, gehören sämtliche verfahrensbezogenen Unterlagen, die<br />

auch zu den Akten genommen werden und auf die der Vorwurf in<br />

tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird. Dazu gehört auch die<br />

Bedienungsanleitung, nicht jedoch die Lebensakte.<br />

AG Verden, Urteil vom 23.8.2010, 9b OWi 764/10=VA 2010, 190<br />

AG Gütersloh, Urteil vom 10.8.2010, 12 OWi 582/10=VA 2010, 190 = VRR<br />

2011, 75<br />

• Identifizierung anhand von Lichtbildern.<br />

Demandt, Lichtbildidentifizierung im <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>verfahren, SVR<br />

2009, 379<br />

Schott, Identitätsgutachten, NZV 2011, 169<br />

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Identifikation in der Verhandlung<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Es ist Aufgabe des Tatrichters zu beurteilen, ob ein gefertigtes Foto zur<br />

Identifizierung des Fahrers geeignet ist. Er muss sich hierzu nicht eines<br />

Sachverständigen bedienen. 1<br />

Wenn ausreichende individuelle Merkmale, die eine Person erkennen<br />

lassen, vorhanden sind, kann auch ein Beweisantrag ohne Verstoß gegen<br />

das rechtliche Gehör oder das Willkürverbot abgelehnt werden. Etwas<br />

anderes gilt aber, wenn vorgetragen wird, dass ein Dritter dem Betroffenen<br />

täuschend ähnlich sieht. Liegen ausreichend gute Beweisfotos vor, reicht<br />

es nicht aus, dass der Betroffene nur einen Zeugen als angeblichen<br />

Fahrer bezeichnet. In einem entsprechenden Beweisantrag müsste auch<br />

etwas zur Identifizierung und zur Ähnlichkeit vorgetragen werden.<br />

Der Richter kann nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO im Urteil auf das in den<br />

Akten vorhandene Foto verweisen. Dann braucht er keine näheren<br />

Ausführungen über die Identifikationsmöglichkeiten zu machen. Es reicht<br />

auch, wenn er mitteilt, dass es sich um ein Radarfoto, an einem<br />

bestimmten Ort und zu einer bestimmten Aufnahmezeit aufgenommen,<br />

handelt und das Gesicht einer männlichen oder weiblichen Person zeigt.<br />

Die Bezugnahme im Urteil ist insbesondere möglich, wenn einzelne<br />

Gesichtszüge deutlich erkennbar sind. 2<br />

Nach einer Entscheidung des OLG Hamm 3 reicht es allerdings nicht aus,<br />

wenn das Urteil lediglich mitteilt, dass das Foto in der Hauptverhandlung in<br />

Augenschein genommen wurde.<br />

1.9. Gutachten<br />

Stützt ein Tatrichter den Schuldspruch auf ein<br />

Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine<br />

verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zu<br />

Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen<br />

Befundtatsachen und der das Geschehen tragenden fachlichen<br />

Begründung erforderlich. Um dem Rechtsbeschwerdegericht die<br />

Überprüfung der gedanklichen Schlüssigkeit eines anthropologischen<br />

Identitätsgutachten und seines Beweiswertes zu ermöglichen, bedarf es<br />

dabei über die Aufzählung der mit dem Foto übereinstimmenden<br />

morphologischen Merkmalsausprägungen des Betroffenen<br />

hinausgehende Angaben. Grundsätzlich ist zur Überprüfung erforderlich:<br />

Angaben zum Verbreitungsgrad der verschiedenen Merkmalsausprägung,<br />

1 BGH NZV 2000, 48; OLG Düsseldorf NStZ RR 96, 17.<br />

2 BGH NStZ 96, 150; BGH St 41, 376.<br />

3 OLG Hamm VRS 95, 232.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

das heißt zu deren Häufigkeit bzw. Seltenheit und konkreter Angaben<br />

dazu, auf welche Art und Weise der Sachverständige die<br />

Übereinstimmungen ermittelt hat. Fehlen diese, teilt das Amtsgericht<br />

jedoch ausführlich und detailliert mit, auf welche und wie viele<br />

übereinstimmende Körpermerkmale der Sachverständige seine<br />

Begutachtung gestützt hat und welche Schlüsse er aus dem gestellten<br />

Übereinstimmungen gezogen hat, so reicht dies aus.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.4.2008 2Ss OWi 226/08=VRS 115, 54<br />

Die Grundsätze für die Identifizierung anhand eines Messfotos ergeben<br />

sich aus der Rechtsprechung des BGH 1 sowie den „Standards für die<br />

Identifikation lebender Personen nach Bildern“ der AGIB. 2<br />

Auch im Falle einer Beiziehung eines Gutachters müssen die Lichtbilder<br />

eine gewisse Qualität aufweisen, um als Identifizierungsgrundlage dienen<br />

zu können. Dies unterliegt der sachlich rechtlichen Überprüfung durch das<br />

Revisionsgericht. Unterbleibt eine Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 S. 3<br />

StPO muss das Gericht eine ausführliche Beschreibung des Messfotos in<br />

das Urteil aufnehmen. 3<br />

OLG Hamm, Urteil vom 15.04.2008, 4 Ss 86/08 = DAR 2008, 395<br />

Dabei soll der Gutachter sein Gutachten in der Regel schriftlich erstellen<br />

und „Gleiches mit Gleichem“ vergleichen; d.h. er soll in der Regel ein<br />

Beweisfoto mit einem Vergleichsfoto und nicht mit einer lebenden Person<br />

vergleichen. Das Vergleichsfoto soll dasselbe Format und gleiche<br />

Eigenschaften aufweisen – so zum Beispiel denselben Blickwinkel wie das<br />

Beweisfoto aufweisen.<br />

Identitätsgutachten<br />

Es reicht nicht aus, wenn im Urteil nur das Ergebnis des anthropologischen<br />

Identitätsgutachtens mitgeteilt wird. Es ist darzulegen, auf welche und wie viele<br />

übereinstimmende, metrische und deskriptive Körpermerkmale sich der<br />

Sachverständige bei seiner Bewertung gestützt hat. Es kommt auch darauf an,<br />

auf welche Art und Weise er diese Übereinstimmung ermittelt hat. Weiter ist<br />

notwendig, dass dargelegt wird, wie häufig diese beschriebenen Merkmale in<br />

einer bestimmten Bevölkerungsgruppe vorkommen.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 6.4.2010, 3 Ss OWi 378/10 = zfs 2010, 469 =<br />

DAR 2010, 390 = VA 2010, 138<br />

1<br />

Exemplarisch: BGH, Beschluss vom 19.12.1995, 4 StR 170/95 = BGH St 41, 376, NZV 1996, 157<br />

2<br />

s. www.bildidentifikation.de.<br />

3<br />

Vgl. auch Buhmann u. a.: Grundlagen, Kriterien und Verfahrensregeln für Gutachten NStZ 1999,<br />

230. Zur neuen Rechtsprechung BGH siehe StV 2005, 374.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

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1.10. Ladung des Sachverständigen<br />

Der Amtsrichter kann in seinem Urteil nicht Bezug nehmen auf<br />

Ausführungen eines Sachverständigen. Dadurch würde er die<br />

Entscheidung, ob der Betroffene auch Täter ist, aus der Hand geben. Der<br />

Antrag des Betroffenen, den Sachverständigen mündlich zu hören, kann<br />

nicht zurückgewiesen werden, da die Identifizierung durch<br />

Lichtbildvergleich kein standardisiertes Messverfahren ist.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.9.2008, IV – 5 Ss – OWi 129/08 –<br />

(OWi) 75/08 I = zfs 2008, 704 = VA 2009, 49<br />

Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich dem Tatgericht vorbehalten. Eine<br />

inhaltliche Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht scheidet aus. Die<br />

Beweiswürdigung kann jedoch dann angegriffen werden, wenn sie<br />

Lücken, Widersprüche, Unklarheiten oder Verstöße gegen Denkgesetze,<br />

gefestigte Erfahrungswerte oder gesicherte wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse enthält.<br />

Ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass zur Identifizierung des<br />

Betroffenen ein Sachverständigengutachten eingeholt wurde, muss aus<br />

den Urteilgründen erkennbar sein, aus welchen Gründen das Amtsgericht<br />

sich den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen hat. Im<br />

Urteil müssen die zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und die<br />

daraus gezogenen Schlussfolgerungen wiedergegeben werden. Bei<br />

anthropologischen Gutachten bedarf es daher über die Aufzählung der mit<br />

dem Foto übereinstimmenden morphologischen Merkmalsprägungen<br />

hinaus weiterer Angaben. Hierzu gehört, dass der Verbreitungsgrad der<br />

verschiedenen Merkmalsprägungen mitgeteilt wird.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 30.9.08, 1 Ss 187/08 = NZV 2009, 246=<br />

zfs 2009, 228<br />

1.11. Notwendige ergänzende Angaben<br />

Eine vom Sachverständigen festgestellte hohe Identitätswahrscheinlichkeit<br />

reicht für eine Verurteilung nicht aus, wenn das Foto eine mindere Qualität<br />

aufweist. Erforderlich sind zumindest Feststellungen, dass der Betroffene<br />

entweder Halter des PKW ist oder in einer solchen Beziehung zu dem<br />

Halter steht, dass ein Zugriff auf den PKW zu der fraglichen Zeit nicht<br />

auszuschließen ist.<br />

OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.9.2008, Ss 324/08 = DAR 2009, 43 =<br />

NZV 2009, 52 = VRS 115, 362<br />

Macht ein Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs.1 S. 3 StPO<br />

Gebrauch, so sind in der Regel darüber hinausgehende Ausführungen<br />

entbehrlich. Dies gilt jedoch nur, wenn das Foto nach Inhalt und Qualität<br />

zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist. Liegt eine schwache<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Qualität vor, bedarf es näherer Ausführungen. Dies gilt insbesondere,<br />

wenn das Radarfoto unscharf ist, klare Konturen von Nase, Mund und<br />

Augen nicht erkennbar sind und Stirnpartie und Haaransatz durch den<br />

Rückspiegel verdeckt sind.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.2.2011, IV-4 RBs 29/11 = DAR 2011,<br />

408<br />

2.6. Beweisantrag<br />

Die Zurückweisung eines Beweisantrags des Betroffenen in einem<br />

Bußgeldverfahren wegen Verkehrssachen verletzt diesen in seinen<br />

Rechten, wenn der Antrag zurückgewiesen wird, weil die Beweiserhebung<br />

zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei. Es gilt insbesondere,<br />

wenn der Beweisantrag darauf gerichtet war, dass der Bruder des<br />

Betroffenen gefahren sei und der Bruder dem Betroffen gleiche wie ein Ei<br />

dem anderen.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 31.8.2010, 311 Ss RS 54/10 = NZV 2010, 634<br />

= NJW 2010, 3794 = VA 2011, 13 = VRR 2010, 474<br />

2.7. Urteil:<br />

Durch das Urteil muss dem Rechtsbeschwerdegericht die Geeignetheit<br />

eines Fotos zur Identifizierung des Betroffenen eröffnet werden. Dies kann<br />

geschehen, in dem auf das Foto, das sich in den Akten befindet, gemäß §<br />

267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG Bezug<br />

genommen wird. In diesem Fall ist eine weitere Beschreibung von<br />

Identifizierungsmerkmalen nicht erforderlich. Diese Bezugnahme muss<br />

jedoch deutlich und zweifelsfrei erfolgen. Aus der Begründung muss<br />

erkenntlich sein, dass das Foto Bestandteil der Urteilsurkunde werden soll.<br />

Wird in den Urteilsgründen lediglich darauf hingewiesen, dass die<br />

Feststellungen auf dem Lichtbild der Geschwindigkeitsanzeige beruhen,<br />

reicht dies nicht aus.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 3.1.2008, 3 Ss OWi 822/07 = zfs 2008, 294<br />

Die Urteilsgründe müssen bei Identifizierung an Hand von Lichtbildern so<br />

gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob<br />

durch das Beweisfoto überhaupt eine Identifizierung einer Person möglich<br />

ist. Dies kann durch Bezugnahme oder durch ausführliche Beschreibung<br />

erfolgen. Dabei muss das Urteil Ausführungen zu Bildqualität, Bildschärfe<br />

und Bildinhalt enthalten und die abgebildete Person präzise beschreiben.<br />

Bei Geschwindigkeitsüberprüfungen müssen Videoaufnahmen in den<br />

Urteilsgründen ebenfalls die Feststellungen zu dem Fahrzeugabstand und<br />

der Geschwindigkeit des Tatfahrzeuges enthalten. Die bloße Mitteilung<br />

des Ergebnisses der Überzeugungsbildung reicht nicht aus.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 21.4.2008, 2 Ss OWi 499/08 = NZV 2008,<br />

469<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Der Richter kann auch das Foto in die Urteilsgründe einkopieren. Eine<br />

ausdrückliche Bezugnahme nach § 267 StPO bedarf es dann nicht mehr. 1<br />

Aber nicht ausreichend ist es, wenn in dem Urteil nur mitgeteilt wird, das<br />

Bild sei in Augenschein genommen worden und mit der Person des<br />

Betroffenen verglichen worden und hierbei auf eine Fundstelle in den<br />

Akten verwiesen wird. Verzichtet der Richter auf eine Bezugnahme, muss<br />

er Einzelheiten zur Identifizierungsfähigkeit und zur Qualität des Bildes<br />

darlegen. Hierbei reicht es nicht aus, allgemeine Merkmale wie Augen-<br />

und Nasenpartie, Haaransatz auszuführen. Verzichtet er hierauf, leidet<br />

das Urteil an einem sachlich rechtlichen Mangel und kann auf die<br />

Sachrüge hin aufgehoben werden.<br />

Hat der Tatrichter den Betroffenen anhand eines gefertigten Lichtbildes als<br />

Fahrer identifiziert, müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das<br />

Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Foto überhaupt geeignet<br />

ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Im Urteil sind<br />

Beschreibungen des Fahrers entbehrlich, wenn das Foto zur<br />

Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist. Ist das Foto nur<br />

eingeschränkt geeignet, muss der Tatrichter darstellen, warum ihn die<br />

Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind höhere<br />

Anforderungen an die Begründung zu stellen, wenn die Qualität des Fotos<br />

schlecht ist. Insbesondere muss der Tatrichter die charakteristischen<br />

Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung der Identität<br />

waren, genau beschreiben.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 10.9.2009, 1 Ss Bs 25/09 = SVR 2009, 467<br />

Bezugnahme<br />

Teilt der Richter im Urteil mit, dass die für die Identifizierung des<br />

Betroffenen bedeutsamen Lichtbilder in Augenschein genommen wurden<br />

und erwähnt die Fundorte der Lichtbilder, so ist dies keine ausreichende<br />

Bezugnahme im Sinne von § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 26.11.07, 2 Ss OWi 757/07 = VRS 113, 432<br />

Sieht der Tatrichter von einer Bezugnahme gem. § 267 StPO auf das<br />

Beweisfoto ab, genügt es nicht, wenn der Tatrichter das Ergebnis seiner<br />

Überzeugungsbildung mitteilt und auch nicht, wenn er die von ihm zu<br />

Identifizierung herangezogene Merkmale auflistet. Er muss vielmehr<br />

ausführlich das Foto beschreiben, so dass eine Überprüfung durch das<br />

Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Beschreibung möglich ist.<br />

Das Urteil muss insbesondere Ausführungen enthalten zur Bildqualität,<br />

insbesondere Bildschärfe und die abgebildete Person oder jedenfalls<br />

mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenarten<br />

1 BayObLG NStZ- RR 1996, 211.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht an Hand der<br />

Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die<br />

Überprüfung dessen Ergiebigkeit und dessen Eignung zur Identifizierung<br />

ermöglicht wird.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 16.11.2007, 3 Ss OWi 1510/07 = NZV<br />

2008, 166 = DAR 2008, 348<br />

Nimmt der Tatrichter nicht Bezug im Sinne von § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf<br />

das in der Akte befindliche Foto, muss er in den Urteilsgründen die<br />

Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, wie sie bei einer<br />

Betrachtung des Lichtbildes wahrgenommen werden. Hierzu muss sich<br />

das Urteil auch zu Bildqualität und Bildschärfe äußern. Eine Bezugnahme<br />

auf Sachverständigengutachten ist nicht möglich. Der Inhalt eines<br />

Sachverständigengutachtens ist auf jeden Fall darzulegen. Soweit der<br />

Betroffene mit Hinweis auf drohende Kündigung ein Absehen vom<br />

Fahrverbot beantragt, darf eine eventuell vorgelegte Bescheinigung nicht<br />

unkritisch übernommen werden.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 8.6.2011, 2 Ss OWi 757/10 = DAR 2011,<br />

401<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 10.3.2011, 2 Ss OWi 1889/10 = DAR<br />

2011, 401<br />

Der Hinweis auf ein in der Akte befindliches Lichtbild ist keine<br />

Bezugnahme im Sinne von § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 17.8.2010, 1 SsBs 97/10 = VA 2010, 197<br />

Rückgriff auf die Lichtbilder durch das Beschwerdegericht<br />

Auf Lichtbilder kann das Rechtsbeschwerdegericht nur zurückgreifen,<br />

wenn diese entsprechend den Aufforderungen der §§ 267 Abs. 1 Satz 3<br />

StPO, 71 Abs. 1 OWiG zum Bestandteil der Urteilsgründe wurden.<br />

KG, Beschluss vom 4.6.2007, 3 Ws (B) 620/06 = VRS 113, 13<br />

Nimmt das Tatgericht in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich und<br />

eindeutig auf das in den Akten befindliche Meßfoto Bezug, wird dieses<br />

nicht zum Bestandteil der Urteilsurkunde. Die bloße Fundstelle reicht nicht<br />

aus. Erfolgt keine Bezugnahme, muss das Foto im Detail und ausführlich<br />

beschrieben werden. Hierbei muss sich das Gericht, insbesondere mit der<br />

Qualität des Bildes und der Möglichkeit aufgrund des Bildes<br />

Identifizierungen vorzunehmen, auseinandersetzen.<br />

Es ist auch nicht ausreichend, dass ein Gericht sich ohne nähere<br />

Diskussion einem Gutachten eines anthropologischen Sachverständigen<br />

anschließt. Im Urteil müssen die wesentlichen Gründe des Gutachtens<br />

und die diesen Gründen zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen<br />

dargestellt werden.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 20.02.2008, 2 Ss OWi 180/08 = VRS 114,<br />

285 = NZV 2008, 211<br />

Identifizierung und Personalausweis 1<br />

Die Bußgeldbehörde kann das bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit<br />

aufgenommene Foto zum Zweck der Fahreridentifizierung mit dem bei der<br />

Meldebehörde hinterlegtem Ausweisfoto vergleichen. Werden dabei<br />

datenschutzrechtliche Bestimmungen unzureichend beachtet, führt dies<br />

nicht zu einem Verfahrenshindernis – in der Regel ergibt sich hieraus kein<br />

Beweisverwertungsverbot.<br />

1.12. Rechtsbeschwerde<br />

Der Tatrichter hat aufgrund eines Lichtbildes den Betroffenen als Fahrer<br />

identifiziert. Wendet sich der Betroffene hiergegen, setzt die zulässige<br />

Aufklärungsrüge voraus, dass behauptet wird, der benannte Zeuge, der<br />

gefahren sein soll, müsse nahezu identisch aussehen wie der Betroffene.<br />

Betrachtet der Richter während der Hauptverhandlung das äußere<br />

Erscheinungsbild des Betroffenen und seine Körperbeschaffenheit so ist<br />

dies kein förmlicher Augenschein, der im Protokoll vermerkt werden muss.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 30.10.2007, 1 Ss 84/07 = VRS 114, 447<br />

Das Rechtsbeschwerdegericht kann prüfen, ob ein Belegfoto überhaupt<br />

geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Hierzu kann<br />

der Richter Bezug nehmen auf das in den Akten befindliche Lichtbild.<br />

Erfolgt dies, kann das Gericht prüfen, ob das Amtsgericht auch<br />

ausreichend Individualmerkmale im Urteil festgestellt hat.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 6.7.2008, Ss (OWi) 420/08 = zfs 2008, 707<br />

Ausführliche Beschreibung eines Falles, bei dem es aufgrund fehlender<br />

Fotodokumentation zu nicht eindeutigen Identifizierungen kommen kann.<br />

AG Herford, Urteil vom 12.9.08, 11 OWi 53 Js 2782/07 – 980/07 = DAR<br />

2009, 97<br />

Checkliste zur Fahreridentifizierung<br />

Grundsatz<br />

1 BayObLG Beschluss vom 27.8.2003, 1 ObOWi 310/03 = VRS 106, 72.<br />

Grundsätzlich ist es allein Aufgabe des<br />

Tatrichters zu beurteilen, ob ein anlässlich<br />

eines Verkehrsverstoßes gefertigtes Foto die<br />

zuverlässige Feststellung erlaubt, dass der<br />

Betroffene der auf dem Lichtbild abgebildete<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Fahrer des Fahrzeugs im Zeitpunkt des<br />

Verkehrsverstoßes gewesen ist 1 . Beruht die<br />

Annahme des Tatgerichts von der Täterschaft<br />

des Betroffenen darauf, dass dieser anhand<br />

eines Lichtbildes identifiziert worden ist, muss<br />

in den Urteilsgründen der Beweiserhebungsakt<br />

nachvollziehbar dargestellt werden 2 .<br />

Wahllichtbildvorlage Es gelten die Regeln der Gegenüberstellung<br />

Urteilsgründe Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung<br />

zu der Frage Stellung genommen, wie die<br />

Urteilsgründe des Tatrichters gefasst sein<br />

müssen, wenn der Fahrer anhand eines<br />

Ausdrückliche Bezugnahme<br />

Verweis auf das vom<br />

Verkehrsverstoß gefertigte<br />

Foto:<br />

Lichtbildes identifiziert wird 3 .<br />

Es ist eine ausdrückliche Bezugnahme<br />

notwendig. Lässt sich den Urteilsgründen<br />

lediglich entnehmen, dass die<br />

„Inaugenscheinnahme der Lichtbilder auf Blatt<br />

... d, A.“ erfolgt ist, ist dies für eine<br />

Bezugnahme im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz<br />

3 StPO nicht ausreichend<br />

Der Tatrichter darf in den Urteilsgründen<br />

gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in<br />

Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG auf das in<br />

der Akte befindliche Foto des<br />

Verkehrsverstoßes Bezug nehmen. Dann wird<br />

das Lichtbild zum Bestand der Urteilsgründe 4 .<br />

In diesem Fall sind dann weitere Ausführungen<br />

zur Beschreibung des abgebildeten<br />

Fahrzeugführers grundsätzlich entbehrlich 5 . Es<br />

ist ausreichend, wenn im Urteil mitgeteilt ist,<br />

dass es sich bei dem in Bezug genommenen<br />

Lichtbild um ein nach Ort und Zeit näher<br />

bezeichnetes Radarfoto handelt, das das<br />

Gesicht einer männlichen oder weiblichen<br />

Person zeigt.<br />

Der Amtsrichter muss in<br />

prozessordnungsgemäßer Weise auf das von<br />

dem Verkehrsverstoß gefertigte Lichtbild<br />

Bezug genommen haben 6 . Nur dann wird das<br />

1 OLG Zweibrücken, zfs 2000, 513 = StraFo 2001, 135.<br />

2 OLG Hamm, VA 2002, 90.<br />

3 BGH, NJW 1990, 1420.<br />

4 BayObLG, DAR 1998, 147; OLG Brandenburg, DAR 1998, 112; OLG Dresden, DAR 2000,279; OLG Hamm, NStZ-RR 1998 238 = VRS 1995, 232.<br />

5 BGHSt 41, 376; BayObLG, NZV 1998, 339; OLG Düsseldorf, zfs 1997, 194; OLG Hamm, NStZ-RR 1998, 238; OLG Dresden, DAR 2000, 279.<br />

6 OLG Hamm, NZV 1996, 466.<br />

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Schlechtes Foto<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Lichtbild Gegenstand der Urteilsurkunde und<br />

kann dann vom Rechtsbeschwerdegericht<br />

uneingeschränkt eingesehen werden. Für eine<br />

ordnungsgemäße Bezugnahme muss<br />

erkennbar sein, dass der Amtsrichter mit<br />

seinen Ausführungen das Lichtbild zum<br />

Gegenstand der Urteilsurkunde machen wollte<br />

und nicht nur den Beweiserhebungsvorgang<br />

beschreibt 1 . Eine ordnungsgemäße<br />

Bezugnahme erreicht der Amtsrichter auf<br />

jeden Fall damit, dass er den Gesetzeswortlaut<br />

des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwendet. 2<br />

Nicht ausreichend ist die Formulierung:<br />

„Aufgrund des Vergleichs des Betroffenen mit<br />

den vom Gericht in Augenschein genommenen<br />

Fotos ... stand zur Überzeugung des Gerichts<br />

zweifelsfrei fest, dass der Betroffene zum<br />

Tatzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs war.“ 3<br />

„Dieser Sachverhalt ... steht fest aufgrund der<br />

Inaugenscheinnahme des Radarfotos, Blatt 11<br />

der Akte.“ 4<br />

„Die Lichtbilder Blatt 1 in Verbindung mit Blatt<br />

12 d. A. ... und die überbrachten weiteren<br />

Vergrößerungen im<br />

Hauptverhandlungstermin.“ 5<br />

Ist das Foto von schlechter Bildqualität, also z.<br />

B. unscharf, oder das Gesicht des Fahrers<br />

durch den Rückspiegel teilweise verdeckt und<br />

lässt das Bild deshalb eine Identifizierung des<br />

abgebildeten Fahrers nur eingeschränkt zu,<br />

dann muss der Tatrichter in den Urteilsgründen<br />

umfassend darlegen, warum er gleichwohl den<br />

Fahrer an Hand des Lichtbildes hat<br />

identifizieren können 6 . Er muss insbesondere<br />

darlegen, welche charakteristischen<br />

Eigenarten das Bild geeignet erscheinen<br />

lassen, den Betroffenen sicher als die auf dem<br />

1 OLG Brandenburg, DAR 1998, 112; BayObLG, DAR 1998, 147; OLG Hamm, NStZ-RR 1998, 238; OLG Dresden, DAR 2000, 279; OLG Zweibrücken,<br />

StraFo 2001, 135.<br />

2 OLG Hamm, NZV 1998,179 = VRS 94, 348.<br />

3 OLG Dresden, DAR 2000, 279; OLG Hamm, VRS 93, 349 = StraFo 1997, 115.<br />

4 OLG Düsseldorf, 26.09.2000, 2a Ss (OWi) 214/01.<br />

5 OLG Zweibrücken, StraFo 2001, 135.<br />

6 OLG Hamm, VRS 1991,369; BGH, St 41, 376; OLG Zweibrücken, StraFo 2001, 135.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Radarfoto abgebildete Person erkennen zu<br />

können. Lassen sich auf einem unscharfen<br />

Radarfoto weder die Haartracht noch die<br />

Gesichtszüge der am Steuer des Fahrzeugs<br />

sitzenden Person hinreichend konturiert<br />

erkennen, dann muss der Tatrichter näher<br />

erörtern., welche charakteristischen Merkmale<br />

für seine Überzeugungsbildung bestimmend<br />

waren. Anderenfalls ist das Urteil aufzuheben<br />

und die Sache zurückzuverweisen 1 .<br />

Es liegt ein Erörterungsmangel vor, wenn das<br />

Amtsgericht zwar durch eine deutliche und<br />

zweifelsfreie Bezugnahme gemäß § 267 Abs.<br />

1 Satz 3 StPO, 71 Abs. 1 OWiG die Radarfotos<br />

zum Bestand der Urteilsgründe gemacht hat<br />

und dem Senat hierdurch die Prüfung der<br />

Frage ermöglicht, ob die Lichtbilder<br />

grundsätzlich zur Identifizierung einer Person<br />

uneingeschränkt geeignet sind.<br />

Die Bezugnahme ermöglich es dem Senat, die<br />

Radarfotografien selbst zu sichten und zu<br />

bewerten. So kann das Beschwerdegericht<br />

dann feststellen, ob die Belegfotos aufgrund<br />

ihrer Unschärfe und der übergangslosen<br />

Kontraste weder die Haartracht noch die<br />

Gesichtszüge der am Steuer des Fahrzeugs<br />

sitzenden Person hinreichend konturiert<br />

erkennen lassen. Dann sind die in Bezug<br />

genommenen Fotographien zur Identifizierung<br />

einer Person nur eingeschränkt geeignet.<br />

Dann muss der Tatrichter in den<br />

Entscheidungsgründen des Urteils die aus<br />

seiner Sicht gleichwohl zu bejahende<br />

Möglichkeit der Identifizierung näher erörtern.,<br />

indem er die – auf dem Foto erkennbaren –<br />

charakteristischen Merkmale, die für die<br />

richterliche Überzeugungsbildung bestimmend<br />

waren, benennt und beschreibt 2 .<br />

Fragen: Welche Ausbildung und Qualifikation hat der Sachverständige?<br />

Ist er Mitglied der AGIB? Wenn nein, warum nicht? Liegt ein schriftliches<br />

Gutachten vor? Wie stellt er die besonderen Merkmale fest? Wie weit sind<br />

1 OLG Düsseldorf, Mitteilungsblatt der AG Verkehrsrecht 2002, 60.<br />

2 BGHSt 41, 376.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

diese Merkmale in der „Spezifischen Bevölkerungsgruppe“ verbreitet?<br />

Wurde Bild mit Bild verglichen?<br />

Durchsuchung<br />

§ 25 Abs. 2 S. 4, Abs. 4 S. 1 StVG ist eine Ermächtigungsgrundlage für<br />

die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung beim Betroffenen zur<br />

Auffindung des Führerscheins zur Vollstreckung eines Fahrverbots. Die<br />

Verwaltungsbehörde ist antragsberechtigt, wenn es um die Vollstreckung<br />

eines Fahrverbots auf Grund eines bestandskräftigen Bußgeldbescheid<br />

geht.<br />

LG Lüneburg, Beschluss vom 8.7.2010, 26 Qs 155/10 = NZV 2011, 153 =<br />

DAR 2011, 275<br />

2. Ergänzung eines Urteils<br />

Die nachträgliche Ergänzung eines abgekürzten Urteils ist nach gefestigter<br />

Rechtsprechung im Straf- und Bußgeldverfahren grundsätzlich nicht zulässig,<br />

wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben<br />

worden ist, es sei denn, das Gesetz lässt hierzu Ausnahmen zu.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 30.6.2006, 3 Ss OWi 650/06 = zfs 2006, 592 =<br />

NZV 2007, 152<br />

Ein abgekürztes Urteil, das den internen Dienstbetrieb bereits verlassen hat,<br />

kann nicht mehr nachträglich begründet werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 17.9.2007, 4 Ss OWi 491/07 = SVR 2008, 150<br />

Eine nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe ist unzulässig, wenn<br />

das Urteil bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichtes<br />

herausgegeben wurde. Dieser Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn<br />

ausdrückliche Ausnahmen gegeben sind. Eine Herausgabe ist bereits erfolgt,<br />

wenn der Tatrichter das Urteil der Staatsanwaltschaft zustellen wollte.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 15.1.2009, 3 Ss OWi 1610/08= zfs 2009, 648<br />

Beginn der Frist bei Wiedereinsetzung<br />

Nach Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der<br />

Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt die Frist zur Ergänzung der<br />

abgekürzten Urteilsgründe mit dem Eingang der Akten bei dem für die<br />

Ergänzung zuständigen Gericht.<br />

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 13.7.2009, 1 Ss (OWi) 114B/09<br />

Nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen die Versäumung der Frist<br />

zur Einlegung der Rechtsbeschwerde, beginnt die Frist zur Ergänzung der<br />

abgekürzten Urteilsgründe mit dem Eingang der Akte bei dem für die<br />

Ergänzung zuständigen Gericht.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 22.5.2009, 2 Ss OWi 368/09= VRR 2009, 358<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Ergänzung nur bei abgekürztem Urteil<br />

Die Ergänzung von Urteilsgründen setzt voraus, dass der Tatrichter von der<br />

Möglichkeit eines abgekürzten Urteils im Sinne von § 267 Abs. 4 Satz 1 und<br />

Satz 2 StPO Gebrauch gemacht hat (eventuell auch Absehen gem. § 77b Abs.<br />

1 OWiG). Hat er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, und ist ein<br />

Urteil mit vollständigen Gründen aus dem Geschäftsbereich des Gerichts<br />

herausgelangt, scheitert eine Urteilergänzung aus.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 29.1.2009, 3 Ss OWi 90/09 = zfs 2009, 232<br />

Aktenversendungspauschale<br />

1.1. Versendung<br />

Die Regelung der Aktenversendungspauschale nach GVG ist<br />

verfassungsgemäß, allerdings darf für die Versendung kein Vorschuss<br />

verlangt werden 1 . Voraussetzung für die Fälligkeit der Gebühr ist, dass die<br />

Akteneinsicht durch Versendung erledigt wird. Die Akte muss an einen<br />

anderen Ort verschickt werden. Die bloße Aushändigung oder<br />

Deponierung im Gerichtsfach reicht nicht aus, um die Gebühr auszulösen.<br />

Ebenso fällt die Gebühr nicht an, wenn der Verteidiger die Akten durch<br />

Mitarbeiter abholt. Allerdings fällt die Versendungspauschale auch an,<br />

wenn sie mit einem Dienstfahrzeug statt mit der Post versandt wird.<br />

1.2. Feste Gebühren in Bußgeldverfahren<br />

Dieselbe Regelung gilt auch im Recht der <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong>. Die Höhe<br />

der Gebühr im Bußgeldverfahren ist gesetzlich in § 107 Abs. 5 OWiG<br />

geregelt. Sie beträgt 12 €, bei elektronischer Versendung einer<br />

elektronisch geführten Akte fällt eine Gebühr von 5,00 € an. Höhere<br />

Gebühren können auch durch eine Satzung nicht bestimmt werden.<br />

Vereinzelt ist eine Entscheidung des OLG Koblenz (in Zivilsachen)<br />

geblieben, dass die Versendungspausschale auch die Kosten der<br />

Rücksendung beinhaltet.<br />

Mit der Aktenversendungspauschale sind nicht auch die bei dem<br />

Rechtsanwalt nach Akteneinsichtnahme für die Rücksendung der Akten<br />

entstehenden Kosten abgegolten.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2005, 2 Ws 300/05 = VRS 110, 57<br />

1.3. Wer ist Kostenschuldner?<br />

Verteidiger haben noch bis vor kurzem mit der Position des<br />

durchlaufenden Posten argumentiert: danach sollte entscheidend sein, ob<br />

der Anwalt Akteneinsicht und Versendung im Namen des Mandanten oder<br />

in eigenem Namen beantragt. Wird die Aktenversendung vom Verteidiger<br />

ausdrücklich für den Betroffenen beantragt, handelt es sich um eine<br />

durchlaufenden Posten, der nicht umsatzbesteuert wird. Beantragt der<br />

Verteidiger dagegen die Versendung im eigenen Namen, wird er<br />

1 BVerfG NJW 1995, 3177; LG Göttingen StV 1996, 166<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Kostenschuldner, so dass die verauslagte Gebühr dem Entgelt<br />

zugerechnet wird und damit der Umsatzsteuer unterliegt.<br />

Schäpe, DAR 2008, 114<br />

Diese Auffassung ist nicht mehr haltbar! Kostenschuldner ist der<br />

Verteidiger, da nur er alleine Akteneinsicht nehmen kann. Für die<br />

Berechnung der Kosten bei dem Mandanten muss der Verteidiger<br />

Umsatzsteuer erheben.<br />

BGH, Urteil vom 6.4.2011, IV ZR 232/08 = StRR 2011, 279<br />

Portopauschale und Aktenversendung<br />

Der Verteidiger kann nicht neben der Akteneinsichtspauschale von 12,00<br />

€ zugleich die Postauslagenpauschale nach 7002 VV RVG geltend<br />

machen. Reisekosten des Verteidigers können, wenn der Angeklagte<br />

seinen Wohnort am Sitz des Prozessgerichts hat, in der Regel nicht<br />

festgesetzt werden. Eine Hinzuziehung eines auswärtigen Verteidigers ist<br />

nur dann notwendig, wenn es sich bei dem Strafverfahren um ein<br />

schwieriges und abgelegenes Rechtsgebiet handelt und deshalb ein<br />

Verteidiger mit besonderen Kenntnissen herangezogen werden muss.<br />

Grundsätzlich sind zwar auch Kosten privater Ermittlungen nicht<br />

erstattungsfähig, denn es ist Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden den<br />

Sachverhalt umfassend zu ermitteln. Ausnahmsweise kommt eine<br />

Erstattung von Privatgutachten aber in Betracht, wird im Vorfeld die<br />

Entbindung eines von der Staatsanwaltschaft beauftragten<br />

Sachverständigen beantragt und detailliert dargelegt, worin die Fehler des<br />

bisherigen Gutachtens liegen, kann sich mit Beantragung eines<br />

Strafbefehls die Situation für den Angeklagten derart verschlechtern, dass<br />

die Hinzuziehung eines eigenen Sachverständigen sachgerecht sein kann.<br />

LG Zweibrücken, Beschluss vom 26.10.2010, Qs 66/10 = VRS 120, 29<br />

Video- und Bildaufzeichnungen im Straßenverkehr<br />

Bull, Sind Videokontrollen „unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar“?,<br />

NJW 2009, 3279<br />

Wilcken, § 100h S.1 Nr. 1 StPO als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage?<br />

NZV 2011, 67<br />

Jede Beobachtung des einzelnen – auch in der Öffentlichkeit – durch eine<br />

staatliche Stellung ist ein Eingriff in das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung. Die Aufzeichnung einer solchen Beobachtung bedarf<br />

der gesetzlichen Ermächtigung. So auch Dolderer NVwZ 2001, 130.<br />

Schon die Aufnahme von Bildern ist danach ein Grundrechtseingriff. 1<br />

1 Bull, Sind Videokontrollen „unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar“?, NJW 2009,<br />

3279<br />

Seite 83 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Eingriff in die Rechte Beteiligter<br />

Die per Video erfolgte technische Fixierung von Verhaltensweisen<br />

identifizierbarer Personen im öffentlichen Raum und ihre spätere<br />

Verwendung in einem Bußgeldverfahren stellt einen Eingriff in das<br />

allgemeine Persönlichkeitsrecht dar.<br />

BVerfG, Beschluss vom 11.8.2009, 2 BvR 941/08 = HRRS 2009, 408=<br />

NJW 2009, 3293 = StRR 2009, 356<br />

AG Freiburg, Urteil vom 25.8.09, 31 OWi 530 Js 11165/09 – 731/09 =<br />

VRR 2009, 470<br />

AG Schweinfurt, Urteil vom 31.8.09, 12 OWi 17 Js 7822/09 = VRR 2009,<br />

470<br />

Beweiserhebung -Beweisverwertung<br />

Eine rechtsfehlerhafte Beweiserhebung führt nicht zwingend zur<br />

Unzulässigkeit der Verwertung des so erhobenen Beweises. Daher ist es<br />

von Verfassung wegen nicht zu beanstanden, dass Strafgerichte nicht<br />

bereits bei jedem Verstoß gegen die Beweiserhebungsvorschriften ein<br />

Beweisverwertungsverbot annehmen, sondern eine Einzelfallprüfung<br />

vornehmen. Ein Beweisverwertungsverbot ist jedoch geboten, bei<br />

schwerwiegenden, bewussten Verfahrensverstößen oder willkürlichen<br />

Beweiserhebungen, bei denen die Grundrechte völlig außer Acht bleiben. 1<br />

Ein Beweisverwertungsverbot gibt es auch bei Angriffen auf den absoluten<br />

Kernbereich privater Lebensgestaltung. 2<br />

Durch die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr setzt sich ein<br />

Verkehrsteilnehmer der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere<br />

Verkehrsteilnehmer aus. So kann auch die Kontrolle des Verhaltens im<br />

Straßenverkehr durch die Polizei überprüft werden. Außerdem erfolge<br />

diese Kontrolle nur über einen kurzen Zeitraum.<br />

BVerfG, Beschluss vom 20.5.2011, 2 BvR 2072/10 = VRR 2011, 27210 =<br />

VA 2011, 136<br />

Rechtsgrundlage<br />

Verdachtsunabhängige Bildaufzeichnungen haben ihre<br />

Ermächtigungsgrundlage im § 100h Abs. 1 StPO. Dies gilt auch für<br />

stationäre „Blitzer“.<br />

AG Meißen, Urteil vom 14.10.2009, 13 OWi 705 Js 30975/09 = NZV 2010,<br />

320; Beck RS 2009, 21189<br />

Rechtsgrundlage für die Bildaufzeichnung ist § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />

StPO.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 15.10.09, 2 Ss OWi 1169/08 = VRR 2009,<br />

470<br />

1 BVerfG, NJW 2006, 2684<br />

2 so das BVerfG, NJW 2004, 999 zum großen Lauschangriff<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

§ 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO ist eine ausreichende Rechtsgrundlage<br />

für das Messverfahren VAMA<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 16.11.09, 2 Ss OWi 1215/09 SVR 2010, 64<br />

= DAR 2010, 26<br />

§ 100h StPO ist eine ausreichende Rechtsgrundlage zur Aufzeichnung<br />

des fließenden Verkehrs.<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.1.2010, 4 Ss 1525/09= VRR 2010, 115<br />

= DAR 2010, 148 = NZV 2010, 317 = VRS 118, 178<br />

Eine ausreichende Rechtsgrundlage für Videoaufzeichnungen im<br />

Straßenverkehr ist § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO. Voraussetzung ist aber,<br />

dass nicht der gesamte laufende Verkehr überwacht wird.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 2.2.2010, Ss (OWi) 788/09= VRR 2010,<br />

154 = DAR 2010, 210<br />

§ 100h Abs. 3 StPO ist eine ausreichende Rechtsgrundlage für<br />

Aufnahmen eines Beifahrers im Falle von Geschwindigkeitsmessungen.<br />

Der Antrag nach § 62 OWiG ist daher zurückzuweisen.<br />

AG Herford, Beschluss vom 12.4.2010, 11 OWi 2835/09 (b) = DAR 2010,<br />

592<br />

§ 100h StPO ist eine Rechtsgrundlage zur Herstellung von Lichtbildern.<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.2.2010, 1 Ss (OWi) 23 Z/10= VRR<br />

2010, 152 = DAR 2010, 280 = NZV 2010, 318 = VRS 118, 290<br />

§ 100 h Abs. 1 Nr. 1 StPO ist eine ausreichende gesetzliche Grundlage.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 11.3.2010, 5 RBs 13/10 = VRR 2010, 315<br />

§ 100 h StPO ist eine ausreichende grundgesetzliche Grundlage für<br />

verdachtsabhängige Herstellung von Lichtbildern und Videoaufnahmen<br />

zur Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen in<br />

Bußgeldverfahren.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 30.3.2010, Ss Bs 152/10 = DAR 2011, 216<br />

Das Videobrückenmessverfahren ViBrAM begegnet hinsichtlich des<br />

Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keinen Bedenken. §100h ist<br />

eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5.5.2010, IV-4 RBs 143/09 = NZV 2010,<br />

474 = VRS 119, 43<br />

§ 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO ist nicht auf Beobachtung zu<br />

Observationszwecken beschränkt. Ein Tatverdacht besteht bereits ab dem<br />

Zeitpunkt, in dem das Messgerät eine Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

registriert. Nicht notwendig ist eine Auslösung des Fotos im Einzelfall.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

BVerfG, Beschluss vom 5.7.2010, 2 BvR 759/10 = SVR 2010, 433 = NZV<br />

2010, 582 = NJW 2010, 2717 StraFo 2010, 337 = DAR 2010, 508 = VA<br />

2010, 154 = StRR 2010, 315 = VRR 2010, 313<br />

Abstandsmessungen und Bildaufzeichnungen können ihre Grundlage in §<br />

100h Abs. 1 Nr. 1 StPO haben. Eine unverhältnismäßige Beschränkung<br />

liegt nicht vor.<br />

BVerfG, Beschluss vom 12.8.2010, 2 BvR 1447/10 = DAR 2010, 574 =<br />

VRR 2010, 394 = VA 2010, 172 = StRR 2010, 395<br />

Beweisverwertungsverbot - ja<br />

Sowohl die stationäre wie die mobile Geschwindigkeitsmessung verstoßen<br />

gegen das Willkürverbot.<br />

AG Grimma, Urteil vom 22.10.09, 3 OWi 151 Js 33023/09 = SVR 2010<br />

145 = VRS 118, 16<br />

Für ein verdachtsunabhängiges Videofotografieren des laufenden<br />

Verkehrs liegt in NRW keine gesetzliche Grundlage vor.<br />

AG Lünen, Beschluss vom 4.10.2009, 16 OWi – 225 Js 1519/09 – 447/09<br />

= DAR 2010, 35<br />

Auch bei Geschwindigkeitsmessungen durch das Messsystem ViDiStA<br />

2006 liegt ein Beweisverwertungsverbot vor.<br />

AG Lübben, Beschluss vom 8.12.2009, 40 OWi 1911 Js 19757/09<br />

(204/09) = DAR 2010, 149<br />

§ 163 Abs. 1 und § 100 h StPO setzen jeweils zumindest das Bestehen<br />

eines Anfangsverdachtes voraus.<br />

AG Lübben, Beschluss vom 17.12.2009, 40 OWi 1421 Js 39202/09<br />

(428/09) = DAR 2010, 219<br />

Videoaufzeichnungen (VKS 3.1)<br />

Ist bei der Verfolgung und Ahndung von Abstandsverstößen die<br />

Messtechnik nicht in der Lage ausschließlich verdachtsabhängige<br />

Messungen durchzuführen, kann dies nicht zu Lasten der Grundrechte<br />

des Betroffenen gehen.<br />

AG Kamen, Beschluss vom 18.12.2009, 3 OWi 210 Js 13895/09 =DAR<br />

2010, 101<br />

Erfolgt bei einer Abstandsmessung mit dem ViBrAM- System eine<br />

Videoüberwachung mit ständig laufender Kamera und wird eine<br />

Auswertung erst anschließend unter zu Hilfenahme von technischen<br />

Einrichtungen und einer zusätzlichen Software durchgeführt, dann liegt ein<br />

Beweisverwertungsverbot vor. Dies gilt auch, wenn die<br />

Überwachungskamera erst von einem Messbeamten bei Aufnahme eines<br />

Seite 86 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

konkreten Abstandsverstoßes eingeschaltet wird. Bereits die<br />

Primärüberwachung verstößt gegen das Recht des Betroffenen.<br />

Videoaufzeichnungen einer im Rahmen eines<br />

Brückenabstandsmessverfahren (ViBrAM) eingesetzten<br />

Übersichtskammer unterliegen daher mangels gesetzlicher<br />

Ermächtigungsgrundlage einem Beweiserhebungs- wie auch einem<br />

Beweisverwertungsverbot.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9.2.2010, IV- 3 RBs 8/10 = SVR 2010<br />

149 = DAR 2010, 213 = NZV 2010, 263 = VRS 118, 284 = VRR 2010, 154<br />

Aufzeichnungen des Gerätes Leivtec unterliegen einem<br />

Beweisverwertungsverbot.<br />

AG Prenzlau, Urteil vom 31.5.2010, 21 OWi 383 Js- OWi 41493/09<br />

(504/09)= VRR 2010, 396 = VA 2010, 191<br />

Aufnahmen mit VKS 3.01 sind nicht mehr verwertbar, wenn aufgrund der<br />

besonderen Verkehrsumstände die Laufzeiten der Filmsequenzen solange<br />

währen, dass nicht mehr festgestellt werden kann, welches Verhalten den<br />

Anlass für die Aufzeichnungen gab.<br />

AG Arnstadt, Beschluss vom 31.8.2010, 982 Js 202376/10 2 OWi = Zfs<br />

2011, 50<br />

Ergebnisse mit dem Infrarotgeschwindigkeitsmesser Leivtec in der<br />

Betriebsart automatisch unterliegen einem Beweisverwertungsverbot.<br />

AG Cloppenburg, Urteil vom 17.9.2010, 25 OWi 795 Js 28862/10 (484/10)<br />

= zfs 2011, 173<br />

Beweisverwertungsverbot - nein<br />

Verdachtsabhängige Videoaufnahmen zur Feststellung eines<br />

Geschwindigkeitsverstoßes sind nicht zu beanstanden.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 6.11.09, 1 Ss 291/09 = SVR 2010 148 =<br />

VRR 2010, 115 = NZV 2010, 266 = VRS 118, 288<br />

Eine vor dem 11.08.09 erfolgte Geschwindigkeitsmessung mit dem<br />

System VKS 3.0 muss nicht einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.09, 1 Ss OWi 960/09 = SVR 2010, 115<br />

= VRR 2010, 114<br />

Videoaufzeichnungen mittels ProVida 2000 unterliegen keinem<br />

Beweisverwertungsverbot.<br />

Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 29.12.2009, 2 Ss OWi<br />

135/09 (102/09)= zfs 2010, 171<br />

§ 100h Abs. 1 S. Nr. 1 StPO bildet für die im Saarland angewandten<br />

Videoabstandsverfahren (VAMA) eine hinreichende gesetzliche<br />

Ermächtigungsgrundlage.<br />

Seite 87 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Saarländisches OLG, Beschluss vom 26.2.2010, Ss (B) 107/09<br />

(126/09)=VRS 118, 268<br />

Die entgegenstehende Entscheidung des OLG Düsseldorf ist kein Grund,<br />

den Vorgang dem BGH als Divergenzvorlage vorzulegen. Die Frage, ob<br />

ein Beweisverwertungsverbot anzuwenden ist, ist eine<br />

Einzelfallentscheidung. Im konkreten Fall wird ein<br />

Beweisverwertungsverbot verneint.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 16.3.2010, 2 Ss OWi 235/10 = VA 2010,<br />

137<br />

Es besteht kein Verwertungsverbot für Lichtbilder einer automatisierten<br />

verdachtsabhängigen Geschwindigkeitsmessanlage.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 5.5.2010, 311 SsBs 41/10 = SVR 2010, 273 =<br />

StraFo 2010, 247 DAR 2010, 476 = VerkAnw 2010, 105 = NZV 2010, 363<br />

= VRS 119, 47<br />

Bei Abstandsmessungen mit dem Videobrückenabstandsmessverfahren<br />

ViBrAM besteht kein Beweiserhebungs- und verwertungsverbot.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.10.2010. 2 (6) SsBs 404/10 = NZV<br />

2011, 213<br />

ViBrAM<br />

Kein Beweisverwertungsverbot, da nicht unzulässig in ein Grundrecht<br />

eingegriffen wird. Die bisherige Rechtsprechung wird aufgegeben.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.11.2010, IV-3 RBs 152/10 = VA 2011,<br />

100<br />

Anfangsverdacht<br />

Ein Anfangsverdacht liegt vor bei „aufmerksamen Messbetrieb“. Der<br />

Messbeamte übersieht auf dem Monitor das Verkehrsgeschehen und löst<br />

bei Verdacht eine Abstandsunterschreitung die Videokamera<br />

(Aufzeichnung) aus.<br />

OLG Bremen, Beschluss vom 28.10.2010, 2 SsBs 70/10 = DAR 2011, 35<br />

Bei aufmerksamem Messbetrieb erfolgt die Videoauslösung erst bei<br />

Vorliegen eines erforderlichen Anfangsverdachts.<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 24.2.2010, 2 Ss (OWi 6/10 I 19/10) = VRS<br />

118, 359<br />

Nur ein Anfangsverdacht darf Anlass einer Videoaufzeichnung sein –<br />

nicht jeder Anlass. Das Beweiserhebungsverbot kann nicht mit der<br />

Begründung umgangen werden, die Videoaufzeichnungen dienten nur der<br />

Beweissicherung und das zulässige Beweismittel sei der Beamte als<br />

Zeuge.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

AG Demmin, Urteil vom 28.4.2011, 747 Js 13138/10 OWi StA NB (31 OWi<br />

342/10)=SVR 2011, 264<br />

Für eine Geschwindigkeitsmessung mit Traffipax (und entsprechenden<br />

Sensoren in der Fahrbahn) ist § 100h StPO eine ausreichende<br />

Ermächtigungsgrundlage. Der Anfangsverdacht besteht bereits zum<br />

Zeitpunkt, in dem das Messgerät die Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

registriert.<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 6.7.2010, 2 Ss (OWi) 147/10 I 119/10 =<br />

VRS 120, 25 = VRR 2010, 395 = VA 2010, 192<br />

Verhältnismäßigkeit<br />

Da auf Autobahnen Anhaltekontrollen mit einem viel zu hohen Risiko für<br />

alle Beteiligten verbunden sind, ergibt sich die Notwendigkeit und<br />

Verhältnismäßigkeit von Videoaufnahmen zur Identifizierung eines<br />

Kraftfahrers, der eine Ordnungswidrigkeit begangen hat.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 4.3.2010, 1 Ss Bs 23/10 = SVR 2010, 434<br />

Ausführungen im Urteil erforderlich<br />

Wird der Betroffene wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

verurteilt und beruht das Urteil auf einer Videoaufzeichnung, muss sich<br />

aus dem Urteil ergeben, dass die Aufzeichnung „anlassbezogen“ war.<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.1.2011, (1 B) 53 Ss-OWi 585/10<br />

(341/10) = VRR 2011, 113<br />

Rechtsbeschwerde<br />

Aus dem GG lassen sich Prozesshindernisse nicht ableiten. Für die<br />

Rechtsbeschwerde reicht es nicht aus, wenn ausgeführt wird, dass für<br />

ein bestimmtes Verfahren eine gesetzliche Grundlage fehle. Die zur<br />

Begründung notwendigen Tatsachen müssen im Einzelnen dargelegt<br />

werden.<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 16.11.2009, 2 Ss-OWi 257/09 I 188/09 =<br />

VRS 119, 28 = StRR 2010, 38 = VRR 2010, 35<br />

Der Tatrichter kann prüfen, ob in die Hauptverhandlung einzuführende<br />

Beweismittel einem Verwertungsverbot unterliegen. Allerdings muss er in<br />

diesen Fällen eine auf den Einzelfall bezogene Abwägung widerstreitende<br />

Interessen vornehmen: Was ist höher bewertbar, die<br />

Aufklärungsverpflichtung oder die Rechte des Einzelnen?<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 8.11.2010, 2 Ss Bs 100/10 = BA 2011, 111<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

§ 81a StPO<br />

Burhoff, Bestandsaufnahme: Richtervorbehalt für die Anordnung einer<br />

Blutprobe, VA 2010, 140<br />

Eidam/Moorkamp, Blutprobe – Verfahrensrechtlich verwertbar/nicht<br />

verwertbar?, DAR 2010, 668<br />

Elsner, Zur Streichung des Richtervorbehalts des § 81a Abs. 2 StPO,<br />

DAR 2010, 633<br />

Fromm, Die Einwilligung zur Entnahme einer Blutprobe, VA 2011, 2<br />

Heinrich, Kein Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO bei<br />

Blutentnahme zwischen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr, NZV 2010, 278<br />

Herbst/Theurer, § 81 a StPO NZV 2010, 544<br />

Rochholz/Kaatsch, Gefahr in Verzug!, Notwendigkeit einer zeitnahen<br />

Blutentnahme, BA 2011, 129<br />

Vergho, Verteidigungsrelevante Aspekte, Richtervorbehalt § 81a Abs. 2,<br />

SVR 2011, 201<br />

Durchsetzung des Richtervorbehalts<br />

Der Betroffene wird in seinen Rechten verletzt, wenn nicht ausreichend<br />

Sorge getragen ist, dass der Richtervorbehalt verwirklicht wird. Allerdings<br />

führt eine Verletzung des Richtervorbehalts nicht automatisch zu einem<br />

Beweisverwertungsverbot.<br />

BVerfG, Beschluss vom 11.6.2010, 2 BvR 1046/08=BA 2010, 356 = VRR<br />

2010, 307<br />

Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges besteht die Möglichkeit,<br />

im Falle von Gefahr in Verzug die Anordnungskompetenz der<br />

Staatsanwaltschaft und nachrangig der Ermittlungsperson. Die<br />

Gefahrenlage muss im Einzelfall begründet werden und dokumentiert sein.<br />

BVerfG, Beschluss vom 11. 6.2010, 2 BvR 1046/08 = SVR 2010, 432 =<br />

NZV 2010, 628 = zfs 2010, 525 = VA 2010, 173 = StRR 2010, 302 StV<br />

2011, 1 = BA 2010, 356<br />

Aus der Verletzung der Dokumentationspflicht ergibt sich noch kein<br />

Beweisverwertungsverbot. Als Gesichtspunkt ist es bei der Abwägung<br />

aber zu berücksichtigen. Ein richterlicher Eildienst in der Nacht ist nicht<br />

erforderlich.<br />

BVerfG, Beschluss vom 24.2.2011, 2 BvR 1596/10; 2 BvR 2346/10 = zfs<br />

2011, 287 = StRR 2011, 154 = DAR 2011, 196 = BA 2011, 170 = VRR<br />

2011, 151 = VA 2011, 83<br />

Gefahr in Verzug<br />

Im Urteil müssen auch die Einlassung bzw. die Einwendungen des<br />

Angeklagten wiedergegeben werden. Bei einer Verurteilung wegen einer<br />

Trunkenheitsfahrt muss sich das Gericht auch mit Umständen<br />

auseinandersetzen, die geeignet sind, den Schuldumfang näher zu<br />

bestimmen und einzugrenzen. Gefahr in Verzug liegt vor, wenn die<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

praktische Durchführung der Blutentnahme zu einem Zeitpunkt notwendig<br />

ist, der erheblich von der Möglichkeit abweicht, eine richterliche<br />

Entscheidung zu erlangen. Ein Polizist ist nicht verpflichtet, zuvor zu<br />

versuchen den Staatsanwalt zu erreichen.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 21.12.2010, III-1 RVs 220/10 = DAR 2011, 150<br />

= VA 2011, 51<br />

Die Anordnungskompetenz entsteht, wenn der Beschuldigte einen AAK-<br />

Test nicht durchführt, aber der Verdacht von Nachtrunk besteht.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 22.3.2011, 3 Ss 14/11 = DAR 2011, 268 =<br />

StRR 2011, 196 = BA 2011, 174 = VRR 2011, 190 = VA 2011, 118 = zfs<br />

2011, 350<br />

Einzelentscheidung<br />

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung führt nicht jeder Verstoß gegen<br />

ein Beweiserhebungsverbot zu einem strafprozessualen<br />

Verwertungsverbot. Erforderlich ist eine Entscheidung im Einzelfall, bei der<br />

sämtliche Umstände abzuwägen sind. Zu bedenken ist, dass die Annahme<br />

eines Verwertungsverbotes eines der wesentlichen Prinzipien des<br />

Strafverfahrensrechts einschränkt – die Wahrheitserforschung. Außerdem<br />

soll die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel erstreckt<br />

werden, die von Bedeutung sind. An diesem Auftrag gemessen ist ein<br />

Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme. Dabei kann auch<br />

berücksichtigt werden, dass bei Einschaltung eines Ermittlungsrichters,<br />

dieser höchstwahrscheinlich eine Blutentnahme angeordnet hat.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.2.2011, IV-4 RBs 33/11 = DAR 2011,<br />

336<br />

Keine Notwendigkeit erst die StA zu fragen<br />

Zwischen Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsbehörden besteht im<br />

Hinblick auf die Eilzuständigkeit keine Rangfolge. Das Fehlen einer<br />

Entscheidung eines Richters zur Nachtzeit führt nicht zu einem<br />

Beweisverwertungsverbot.<br />

Macht ein Beschwerdeführer in der Rechtsbeschwerde geltend, durch<br />

fehlenden richterlichen Notdienst werde das Richterprivileg des § 81a<br />

StPO umgangen, ist notwendig für eine zulässige Rüge, dass dargestellt<br />

wird, wie der Richternotdienst organisiert ist.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 15.7.2010, 322 SsBs 159/10= NZV 2011, 46 =<br />

VRR 2010, 352 = VA 2010, 174 = StraFo 2010, 463 = VA 2010, 194 =<br />

StRR 2010, 424<br />

Pflichtverteidigerbestellung<br />

Im Falle einer Entnahme einer Blutprobe ohne richterliche Anordnung<br />

können die Voraussetzungen der Beiordnung eines Pflichtverteidigers<br />

gem. § 140 Abs. 2 StPO vorliegen.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.1.2009, 1 Ws 7/09 = NZV 2010,<br />

310<br />

Auch wenn das Beschwerdegericht die Verwertbarkeit einer ohne<br />

richterliche Anordnung erlangten Blutprobe bejaht hat, kann die<br />

Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten sein.<br />

LG Zweibrücken, Beschluss vom 29.10.2009, Qs 98/09 = VRS 117, 292<br />

Pflichtverteidiger im OWi- Verfahren<br />

Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Bußgeldverfahren kommt in<br />

Betracht, wenn es um die Verwertung einer Blutprobe geht (so auch OLG<br />

Bremen, VRR 2009, 356).<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 19.11.2009, 5 Ss OWi 401/09 = VRR 2010,<br />

35<br />

Notdienst<br />

Ein richterlicher Bereitschaftsdienst ist auch für die Nacht einzurichten,<br />

wenn in den in Frage stehenden Zeiträumen dem Richtervorbehalt<br />

unterliegende Ermittlungsmaßnahmen nicht nur ausnahmsweise anfallen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2009, 3 Ss 497/09 = NZV 2010, 308 =<br />

StV 2010, 620<br />

Angesichts der Anordnung des Bayrischen Staatsministeriums der Justiz<br />

vom 10.12.2007, nach der lediglich zwischen 06:00 Uhr und 21.00 Uhr ein<br />

Eildienst an den Gerichten einzurichten ist, kann außerhalb dieser Zeiten<br />

Gefahr in Vollzug bejaht werden. Das Fehlen der Dokumentation führt<br />

nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 18.12.2009, 2 Ss OWi 1423/09 = NZV<br />

2010, 310<br />

Es gibt keine Pflicht zu jederzeitigen Erreichbarkeit eines Richters. Aus<br />

diesem Grund muss auch kein Notdienst eingerichtet werden. Eine nachts<br />

entnommene Blutprobe ist daher verwertbar.<br />

LG Krefeld, Beschluss vom 10.9.2009, 21 Qs-16 Js 928/09 – 171/09 =<br />

NZV 2010, 307<br />

Unabhängig von der Anzahl der nächtlich auftretenden Fälle gebietet es<br />

der Richtervorbehalt nicht, einen richterlichen Notdienst auch zur<br />

Nachtzeit einzurichten. Der Eingriff nach § 81 a StPO ist von geringer<br />

Natur. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber durch die Reglung der<br />

Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und der<br />

Ermittlungsbehörden zu erkennen gegeben hat, dass er von dem<br />

Richtervorbehalt aus objektiver Sicht zum Abweichen bereit ist. Dies ergibt<br />

sich aus der nur einfach gesetzlichen Ausgestaltung des Vorbehalts.<br />

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.9.2010, 1 SsBs 6/10= DAR 2010,<br />

711 = StraFo 2010, 464 = BA 2010, 419 = VRS 119, 353<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Der Umstand, dass die Ermittlungsperson nicht versucht hat, den<br />

zuständigen Staatsanwalt zu erreichen, führt nicht zu einem<br />

Verwertungsverbot. Der Einrichtung eines richterlichen Notdienstes in der<br />

Nacht bedarf es nicht.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 25.1.2010, 322 Ss Bs 315/09 = BA 2010, 303<br />

= VRS 118, 204<br />

Für den Geschäftsbereich des OLG Naumburg besteht auf Grund der<br />

geringen Fallzahlen kein Bedürfnis für einen nächtlichen richterlichen<br />

Bereitschaftsdienst.<br />

OLG Naumburg, Beschluss vom 7.2.2011, 1 Ss 38/10 = StRR 2011, 200 =<br />

VRR 2011, 194<br />

Gefahr in Verzug, Festhalterecht<br />

Aus § 81a Abs. 2 StPO ergibt sich kein Festhalterecht der Polizeibeamten<br />

(so auch OLG Bamberg, NJW 2009, 2146; KG, Beschluss vom 20.1.2010<br />

(3) 1 Ss 426/09), 165/09; a.A. OLG Hamm, NJW, 2009, 242).<br />

Allerdings ergibt sich aus der Ankündigung, fortzugehen, Gefahr in<br />

Verzug, die die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe durch<br />

Polizeibeamte rechtfertigt.<br />

LG Hamburg, Beschluss vom 6.5.2010, 603 Qs 165/10 = VA 2010, 155 =<br />

BA 2010, 306 = StR 2010, 307 = VRR 2010, 274<br />

Nach § 81 a Abs. 2 StPO ist der Richter originär für eine Entscheidung<br />

über die Blutentnahme zuständig. Aus der Annexkompetenz kann der<br />

Beschuldigte bis zum Eingang der Entscheidung des Richters festgehalten<br />

werden.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 2.6.2009, 1 Ss 183/08=BA 2009, 422 =<br />

VRS 117, 93<br />

Ist zur Nachtzeit kein Eildienst eingerichtet, begründet dies die<br />

Zuständigkeit der Ermittlungsperson zur Prüfung einer Gefahr in Verzug.<br />

Dies gilt auch, wenn ein Ermittlungsrichter nur bereit ist nach Vorlage einer<br />

schriftlichen Akte zu entscheiden.<br />

LG Limburg, Beschluss vom 4.8.2009, 2 Qs 30/09=BA 2009, 426<br />

Verwertung ?<br />

Bei Anordnung einer Blutentnahme muss die Ermittlungsperson vor<br />

Inanspruchnahme eigener Eilkompetenz versuchen, eine richterliche<br />

Entscheidung herbeizuführen. Gelingt dies nicht, muss die Beweisperson<br />

die selbstständige Anordnung mit Tatsachen begründen und zeitnah in<br />

den Akten dokumentieren.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Allerdings nicht jeder Verstoß gegen diese Regeln führt zu einem<br />

Beweisverwertungsverbot.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 15.9.09, 322 Ss Bs 197/09 = BA 2009, 419 =<br />

NZV 2010, 417 = VRS 117, 294<br />

Bei hohen Blutalkoholkonzentrationen ist grundsätzlich ein Zuwarten bis<br />

zur Erreichbarkeit eines Richters möglich. Aber auch in diesen Fällen ist<br />

ein Beweisverwertungsverbot nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die<br />

Polizei objektiv willkürlich handelt. Willkür liegt dann nicht vor, wenn der<br />

Polizeibeamte allein wegen der langen Zeit zwischen Feststellung und<br />

Erreichbarkeit eines Richters eine Verschlechterung des<br />

Untersuchungserfolges befürchtet.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 10.6.2010, III-2 RWs 30/10 = VA 2010, 174<br />

Beweisverwertung nein<br />

Erfolgt die Anordnung einer Blutprobe zu einer Zeit, in der ein richterlicher<br />

Eildienst eingerichtet ist, führt ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt zu<br />

einem Beweisverwertungsverbot.<br />

LG Krefeld, Beschluss vom 4.11.2009, 21 Qs-12 Js 1482/09 – 224/09 =<br />

NZV 2010, 307<br />

Die Annahme von Gefahr in Verzug lässt sich grundsätzlich nicht allein<br />

damit begründen, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlicher Weise<br />

am späten Nachmittag oder frühen Abend nicht zu erlangen. Ein<br />

Beweisverwertungsverbot wird angenommen, wenn der Polizeibeamte<br />

die Voraussetzungen seiner Anordnungsbefugnis überhaupt nicht prüft<br />

oder Gefahr in Verzug angenommen hat, obwohl diese offensichtlich nicht<br />

vorliegen. Die richterliche Überzeugung von einer Trunkenheitsfahrt kann<br />

sich allerdings auch ohne Blutprobe oder bei Unverwertbarkeit einer<br />

Blutprobe aus anderen Beweismitteln ergeben. Dann müssen sich diese<br />

Umstände aber zweifelsfrei feststellen lassen.<br />

LG Schwerin, Beschluss vom 9.2.2009, 33 Qs 9/09=BA 2009, 346<br />

Zu Tageszeiten muss die Polizei grundsätzlich versuchen einen Beschluss<br />

nach § 81 a Abs. 2 StPO zu erlangen. Ansonsten kann ein<br />

Beweisverwertungsverbot gerechtfertigt sein.<br />

Zur Prüfung einer richterlichen Anordnung bedarf es nicht zwingend der<br />

Vorlage schriftlicher Akten. Zur Vorbereitung einer Blutentnahme besteht<br />

in der Regel ausreichend Zeit, telefonisch eine richterliche Anordnung zu<br />

beantragen.<br />

Atemalkoholwerte sind nach derzeitigem wissenschaftlichen Stand nicht<br />

zur Bestimmung einer bestimmten Blutalkoholkonzentration anerkannt,<br />

weil es viele Störfaktoren, insbesondere Feuchtigkeit, Temperatur,<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Mundrestalkohol, Atemkapazität und Atemtechnik gibt, die das Ergebnis<br />

beeinträchtigen können. Abweichungen von 20% sind beobachtet worden.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 6.8.2009, 32 Ss 94/09=BA 2009, 416 = VRS<br />

117, 298<br />

Beweisverwertung vielleicht<br />

Die Verletzung des Richtervorbehalts führt zu einem<br />

Beweisverwertungsverbot, wenn die eine Blutprobeentnahme<br />

anordnenden Polizeibeamten willkürlich das Vorliegen von Gefahr in<br />

Verzug annehmen und bewusst die Verwirklichung des Richtervorbehalts<br />

vereiteln.<br />

Soweit die Polizeibeamten lediglich keine Gedanken über die<br />

Anordnungskompetenz machen, weil sich der Betroffene gegen die<br />

Anordnung nicht wehrt, kann von einer willkürlichen Verletzung nicht<br />

ausgegangen werden. Das Gericht geht aber davon aus, dass in Zukunft<br />

der Richtervorbehalt beachtet wird.<br />

KG, Beschluss vom 1.7.2009, (3) 1 Ss 204/09 (71/09)=BA 2009, 341 =<br />

VRS 117, 98<br />

Ein Rechtssatz dahingehend, dass bei Straftaten unter Alkoholeinfluss<br />

generell von einer Gefährdung des Untersuchungserfolges auszugehen<br />

ist, existiert nicht. Ein Beweisverwertungsverbot liegt vor, wenn durch die<br />

Polizeibeamten bewusst kein Versuch unternommen wurde, einen Richter<br />

zu erreichen.<br />

OLG Dresden, Urteil vom 11.5.2009, 1 Ss 90/09=BA 2009, 344<br />

Erfolgt eine Beweiserhebung unter bewusster Umgehung des<br />

Richtervorbehaltes, ist ein Beweisverwertungsbot möglich<br />

Allerdings führt die fehlende Einrichtung eines Notdienstes nicht zu einem<br />

Beweisverwertungsverbot.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.3.2010, III-3 RVs 7/10 = zfs 2010, 407 =<br />

Verkehrsanwalt 2010, 76 = StRR 2010, 305<br />

Ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt verstößt dann zu einem<br />

Beweisverwertungsverbot, wenn der Polizist selbst davon ausgeht, dass<br />

Gefahr in Verzug nicht vorliegt.<br />

OLG Nürnberg, Beschluss vom 7.12.2009, 1 St OLG Ss 232/09=StV 2010,<br />

624<br />

Eine unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt entnommene Blutprobe<br />

unterliegt einem Verwertungsverbot. Eine vorläufige Entziehung der<br />

Fahrerlaubnis ist daher aufzuheben.<br />

LG Frankfurt, Beschluss vom 2.6.2010, 5/9a Qs 37/10 = StV 2010, 628 =<br />

BA 2011, 113<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Verwertung ja<br />

Die Rechtsprechung des 3. Strafsenats des OLG Hamm (anlässlich einer<br />

Wohnungsdurchsuchung) kann nicht auf Fälle des § 81 a StPO<br />

übertragen werden. Für die Frage des Verstoßes gegen den<br />

Richtervorbehalt des § 81 a StPO ist es unerheblich, ob ein<br />

Organisationsverschulden des Gerichts vorliegt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 10.9.2009, 4 Ss 316/09 = BA 2010, 302<br />

Ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt führt nicht zu einem<br />

Verwertungsverbot.<br />

OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.4.2010, 2 Ss Bs 59/10 = BA 2010, 304<br />

= VRS 119, 40<br />

Eine fehlende Kontaktaufnahme eines Polizeibeamten zum<br />

Bereitschaftsstaatsanwalt führt nicht zu einer Unverwertbarkeit einer<br />

Blutprobe.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 25.1.10, 322 Ss Bs 315 /09 = NZV 2010, 362.<br />

Beweisanzeichen<br />

Wenn der Polizeibeamte sich darauf beruft, dass die Anordnung von<br />

Blutentnahme durch Polizeibeamte an seiner Dienststelle bisher<br />

(15.8.2008) gängige Praxis gewesen sei, lässt sich bei dem konkreten<br />

Sachverhalt jedenfalls ein tatsächlich und eindeutig unangemessenes<br />

Verhalten nicht annehmen. Dies gilt erst recht, wenn aufgrund des<br />

festgestellten Alkoholgeruchs, sowie des zunächst durchgeführten<br />

Alkoholtests mit dem nicht gerichtsverwertbaren Handgerät der vermutete<br />

Alkoholisierungsgrad des Betroffenen mit 0,8 Promille in einem Bereich ist,<br />

bei dem es auf die genaue und zeitnahe Ermittlung des BAK besonders<br />

ankommt. Dies gilt insbesondere, wenn keine Anhaltspunkte für<br />

alkoholbedingte Fahrfehler festgestellt wurden.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 16.7.2009, 2 Ss OWi 755/09 = NZV 2010,<br />

583<br />

Geringer Alkoholwert und Nachtrunk<br />

Je unklarer das Ermittlungsbild oder je komplexer der Sachverhalt ist und<br />

je genauer die BAK-Ermittlung sein muss, umso eher wird man die<br />

Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden bejahen müssen. Haben<br />

Polizeibeamte eine Atemalkoholmessung durchgeführt und deutet diese<br />

nur auf eine geringfügige Alkoholisierung hin, liegt Gefahr in Verzug nahe.<br />

Ebenso kommt es bei behauptetem Nachtrunk auf eine möglichst zeitnahe<br />

Messung des Blutalkoholwertes an.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.8.2008, 3 Ss 318/08 = BA 2008, 388 =<br />

NZV 2009. 90 = NJW 2009, 242 = VRR 2008, 472 = VA 2009, 28<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

AAK, Grenzbereich absoluter Fahruntüchtigkeit<br />

Die Anordnung einer Blutentnahme steht gem. § 81 a Abs. 2 StPO unter<br />

Richtervorbehalt. Jedoch kann nach dieser Vorschrift auch die<br />

Ermittlungsperson eine Blutentnahme anordnen, wenn eine Gefährdung<br />

des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung besteht. Eine solche<br />

Eilkompetenz hat vorgelegen, denn der Betroffene lag mit der<br />

festgestellten BAK von 1,0 Promille im Grenzbereich zur absoluten<br />

Fahruntüchtigkeit. Die zuvor durchgeführte Atemalkoholmessung ergab<br />

Werte von 1,09 und 1,07 Promille.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 2.12.2010, 2 Ss Bs 140/10 = BA 2011, 113<br />

Verwertung, nachts<br />

Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens über eine BAK ist<br />

auch möglich, wenn die Entnahme einer Blutprobe nicht durch einen<br />

Richter angeordnet wurde. Dies gilt insbesondere, wenn dies außerhalb<br />

des Notdienstes des Gerichtes (zwischen 21 Uhr und 6 Uhr) erfolgt ist.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 20.11.2009, 2 Ss OWi 1283/09= SVR<br />

2010, 189 = BA 2010, 136 = StV 2010, 621<br />

Verwertung Vortest<br />

Die Anordnung einer Blutentnahme ist Sache des Gerichts. Aus einem<br />

Verstoß gegen den Richtervorbehalt folgt nicht generell ein<br />

Beweisverwertungsverbot, sondern nur in krassen Ausnahmefällen. Dies<br />

ist der Fall bei einer systematischen Missachtung des Richtervorbehaltes.<br />

Bei der zu erfolgenden Abwägung muss berücksichtigt werden, dass<br />

Gewicht des in Rede stehenden Verfahrensverstoßes und auf der anderen<br />

Seite die betroffenen Rechtsgüter. Dabei sind die Erfordernisse einer<br />

funktionstüchtigen Strafrechtspflege „in den Blick zu nehmen“.<br />

Vorliegend erfolgte die Blutentnahme um 18:25 Uhr, nachdem um 17:10<br />

Uhr ein Vortest mit dem Gerät Dräger 6510 einen Wert der AAK von 0,79<br />

mg/ml anzeigte.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.1.2010, III-1 RVs 1/10 = NZV 2010,<br />

306<br />

Einwilligung<br />

Einwilligung in Entnahme einer Blutprobe<br />

Bei Einwilligung bedarf es keiner Anordnung einer Blutentnahme. Die<br />

Einwilligung muss aber ausdrücklich geschehen und aus freiem<br />

Entschluss erfolgen. Bei mittlerer Alkoholisierung ist eine<br />

Einwilligungsfähigkeit naheliegend.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 2.11.2010, III – 3 RVs 93/10 =StRR 2011, 24<br />

= VRR 2010, 31 = VA 2011, 50<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Auch bei einfach gelagerten Trunkenheitsfahrten sind<br />

Mindestfeststellungen zu inneren Tatzeit erforderlich. Die Einwilligung in<br />

die Blutentnahme ist auch bei Alkoholkonzentration von mehr als 2 ‰<br />

möglich.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 20.2.2011, 3 RVs 104/10 = BA 2011, 178 =<br />

StRR 2011, 198 = VRR 2011, 191 = VA 2011, 101<br />

Rechtsbehelfe<br />

Die Beschwerde des Verteidigers gegen die Anordnung einer Blutprobe,<br />

nach dem Polizeibeamte überhaupt nicht versucht hatten, einen Richter zu<br />

erreichen, ist erfolgreich.<br />

LG Osnabrück, Beschluss vom 22.10.2008, 15 Qs 931/08 = VRR 2008,<br />

475<br />

Revision<br />

Will der anwaltlich verteidigte Angeklagte ein Beweisverwertungsverbot<br />

geltend machen, muss er in der Hauptverhandlung der Verwertung der<br />

Blutprobe widersprechen. Wer in der Hauptverhandlung widerspruchslos<br />

das Gutachten entgegennimmt, kann sich in der Rechtsbeschwerde nicht<br />

auf ein Verwertungsverbot berufen.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 30.5.2011, 1 Ss Bs 23/11 = NJW-Spezial<br />

2011, 427<br />

Aus der Rechtsbeschwerde muss sich ergeben, wann einer Verwertung<br />

der Blutprobe bzw. des Gutachtens erstmals widersprochen wurde.<br />

OLG Schleswig- Holstein, Beschluss vom 24.6.2010, 1 Ss OWi 88/10=VA<br />

2010, 193<br />

Zu den erforderlichen Ausführungen in der Revision gehört, dass der<br />

Betroffene darlegt, dass auch bereits in erster Instanz Widerspruch gegen<br />

die Verwertung eingelegt wurde. Dies gilt auch, wenn in erster Instanz „ein<br />

Freispruch droht“.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8.3.2010, 2 (9) Ss 18/10= VRR 2010, 354<br />

= StRR 2010, 306<br />

Die fehlende Erreichbarkeit eines Richters ist ein<br />

Justizorganisationsmangel, der zu einem Beweisverwertungsverbot führen<br />

kann.<br />

In der Revision muss auch dargelegt werden, wann der Verwertung des<br />

Sachverständigengutachtens widersprochen wurde und dass dies<br />

spätestens nach der ersten Einführung des Gutachtens (auch bei<br />

ausgesetzter Hauptverhandlung) erfolgte.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 11.8.2010, 32 Ss 101/10 = BA 2010, 425 =<br />

NZV 2011, 48 = VRS 119, 356<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Darstellungserfordernis in Revision<br />

Beruht die Annahme von Gefahr in Verzug auf einer evident fehlerhaften<br />

Beurteilung, liegt ein Beweisverwertungsverbot vor. In der Revision bzw.<br />

Rechtsbeschwerde muss dargestellt werden:<br />

Die Anordnung durch den Polizeibeamten, die darauf erfolgte Entnahme,<br />

die Umstände, aufgrund derer der Polizist von Gefahr in Verzug ausgeht,<br />

welcher Verdacht bezüglich welcher Droge besteht. Außerdem ist von<br />

Bedeutung, welche Wirkstoffkonzentration festgestellt wurde und dass der<br />

Widerspruch des Betroffenen gegen die Blutentnahme bzw. keine<br />

Freiwilligkeit vorliegt.<br />

Einer Verwertung muss in der Hauptverhandlung widersprochen werden<br />

und die Tatsachen, aus denen sich ein Verwertungsverbot ergeben soll,<br />

müssen vorgetragen werden. Dabei ist ein ausdrücklicher Widerspruch<br />

des Betroffenen gegen die Blutentnahme nicht erforderlich. Lässt ein<br />

Betroffener sich widerstandslos einer polizeilichen Anordnung folgen, eine<br />

Blutprobe entnehmen, ist dies keine Einwilligung.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 16.6.2009, 311 SsBs 49/09=BA 2009, 342 =<br />

VRS 117 99<br />

Der Widerspruch gegen die Verwertung als Beweismittel muss bereits in<br />

der ersten Tatsacheninstanz erhoben werden. In der Rechtsbeschwerde<br />

muss vorgetragen werden, welche Gründe die Polizei zur Annahme einer<br />

Gefahr in Verzug angenommen hat. Sind diese Gründe nicht<br />

dokumentiert, verkürzt sich die Darlegungslast der Revision entsprechend.<br />

Die grundsätzliche und ausnahmslose Weigerung eines<br />

Ermittlungsrichters, ohne schriftlichen Vorgang fernmündlich zu<br />

entscheiden, verletzt die Rechtschutzgarantie des Art. 19 GG<br />

Zum notwendigen Vortrag gehört auch, dass die näheren Umstände der<br />

Blutentnahme dargelegt werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.10.2010, 3 RVs 85/10 = StRR 2011, 199 =<br />

VRR 2011, 153= NZV 2011, 210 = VA 2011, 35<br />

Wird ein Widerspruch gegen die Verwertung eines Beweismittels erhoben,<br />

muss auch im Bußgeldrecht die Richtung des Widerspruchs dargestellt<br />

werden.<br />

Gem. § 79 Abs. 3 OWiG gelten für die Rechtsbeschwerde die Vorschriften<br />

der StPO. Hierzu gehören auch die Vorschriften der §§ 344, 345 StPO.<br />

Beschwerdeanträge und Rechtsbeschwerdeanträge müssen gestellt<br />

werden und die Rechtsbeschwerde muss begründet werden.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Für die Geltendmachung von Beweisverwertungsverboten muss bis<br />

spätestens zum Zeitpunkt des § 257 StPO Widerspruch erhoben werden.<br />

Der Widerspruch muss begründet werden und seine Angriffsrichtung<br />

erkennen lassen. Es reicht nicht aus, dass der Verwertung nur<br />

widersprochen wird. Erforderlich ist vielmehr eine spezifizierte Begründung<br />

des Widerspruchs, in der auch anzugeben ist, unter welchem<br />

Gesichtsgrund der Betroffene das Beweismittel für unverwertbar hält. Dies<br />

ergibt sich daraus, dass der Beweisrichter nicht allen möglichen und<br />

denkbaren Verfahrensfehlern nachzugehen hat. Möglich ist insoweit die<br />

mögliche Unterlassung der Belehrung über die Freiwilligkeit der<br />

Mitwirkung, die Nichtbeachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und<br />

die Eingriffsvornahmen durch einen Nichtarzt. Dies muss sich auch aus<br />

der Rechtsbeschwerde ergeben.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 24.8.2010, 3 RBs 223/10 = NZV 2011, 212 =<br />

NJW 2011, 467<br />

1. Grundsatz der Öffentlichkeit<br />

Augenschein<br />

Sind Ort und Zeitpunkt einer in Augenscheinnahme in der Hauptverhandlung<br />

nicht konkret genannt, muss ein Aushang am Sitzungssaal oder sonst im<br />

Gerichtsgebäude erfolgen.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 25.0.2005 - 222 Ss 69/05 (OWi) = NZV 2006, 443<br />

Der Wechsel des Sitzungssaals zur Inaugenscheinnahme eines Videobandes<br />

ohne Hinweis an der Gerichtstafel kann den Öffentlichkeitsgrundsatz verletzen.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 11.12.2008, 2 Ss 562/08 = DAR 2009, 212<br />

Wechsel des Sitzungssaales<br />

Findet in einem AG die Verhandlung in einem anderen Sitzungssaal, als<br />

ursprünglich mitgeteilt, statt, muss sowohl am neuen Saal wie am ursprünglich<br />

vorgesehenen Saal ein Hinweis erfolgen. Zur Wahrung der Öffentlichkeit reicht<br />

es allerdings aus, wenn mögliche Interessenten ohne besondere<br />

Schwierigkeiten vor Ort sich Kenntnis verschaffen können. Dies gilt<br />

insbesondere bei kleinen Gerichten (hier AG Linz).<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 7.2.2011, 2 SsBs 144/10 = SVR 2011, 114 =<br />

NZV 2011, 266<br />

VII. Einzelne <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />

1. Alkohol und Fahranfänger<br />

Bode, Absolutes Alkoholverbot für Fahranfänger, zfs 2007, 488<br />

Bei Fahranfängern sind Strategien der Wahrnehmung und Automatismen<br />

der Fahrzeugbeherrschung erst im Aufbau begriffen. Daher ist Alkohol für<br />

Fahranfänger besonders unheilvoll: Hier treffen Unerfahrenheit und<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

gesteigerter Leichtsinn durch Alkohol zusammen und erhöhen das<br />

Unfallrisiko merklich.<br />

Zuwiderhandlungen können aber nicht nur durch eine Blutprobe oder<br />

Atemalkoholuntersuchung erfolgen. Auch Zeugenaussagen reichen für<br />

den Nachweis der Tat aus. Unter der Wirkung im Sinne der Vorschrift<br />

steht jemand, wenn der aufgenommene Alkohol zu einer Veränderung<br />

psychischer und physischer Leistungsfähigkeit führen kann und in einer<br />

nicht völlig unerheblichen Konzentration im Körper vorhanden ist.<br />

Abgestellt wird auf alkoholische Getränke; die Aufnahme alkoholhaltiger<br />

Lebensmittel oder von Medikamenten ist daher von dem Tatbestand nicht<br />

erfasst.<br />

Die Vorschrift des § 24c Abs. 1 StVG beinhaltet ein absolutes<br />

Konsumverbot von Alkohol während des Führens von Kraftfahrzeugen. Es<br />

wurde auch Kritik geäußert: Das absolute Verbot, alkoholische Getränke<br />

zu sich zu nehmen, könnte gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen.<br />

Einschränkungen dieses Freiheitsrechtes setzen zumindest eine abstrakte<br />

Gefahr voraus, es müsste zumindest theoretisch die Möglichkeit bestehen,<br />

dass eine leistungsbeeinträchtigende Wirkung aufgrund der<br />

Alkoholaufnahme möglich ist. Bei einem einzigen Schluck ist dies aber<br />

nicht der Fall. Die Bundesregierung hat gleichwohl das absolute Verbot im<br />

Gesetz belassen, da ansonsten das Gebot aufgeweicht werden könnte.<br />

Nach der zweiten Alternative der Vorschrift ist es verboten, unter der<br />

Fortwirkung zuvor getrunkenen Alkohols eine Fahrt anzutreten. Auf eine<br />

konkrete Gefährdung kommt es dabei nicht an, eine mögliche<br />

Beeinflussung muss dagegen gegeben sein. Eine solche Wirkung ist erst<br />

möglich ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille bzw. 1,0 mg/l<br />

Alkohol in der Atemluft.<br />

Ursprünglich war nur ein Alkoholverbot während der Probezeit<br />

vorgesehen. Um zu vermeiden, dass die Probezeit als Kleinkraftradfahrer<br />

einbezogen wird, wurde auf Vorschlag des Bundesrates auch ein<br />

Lebensalter unter 21 Jahren mit in die Bestimmung aufgenommen. Das<br />

Alkoholverbot gilt für die gesamte Probezeit, auch für eine etwaige auf vier<br />

Jahre verlängerte Probezeit.<br />

1.1. Rechtsfolgen:<br />

Nach Nr. 243 Bußgeldkatalog ist eine Geldbuße von 250 € vorgesehen.<br />

Nach Anlage 13 der Fahrerlaubnisverordnung sind zwei Punkte im<br />

Verkehrszentralregister vorgesehen. Ein Verstoß gegen § 24c StVG wird<br />

als schwere Zuwiderhandlung nach § 34 Abs. 1 FeV. Dies hat ein<br />

besonderes Aufbauseminar zur Folge. Die Probezeit verlängert sich weiter<br />

auf vier Jahre.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Fahrverbot und medizinische psychologische Untersuchung sind nicht<br />

vorgesehen.<br />

1.2. Wirkung Alkohol<br />

Das Tatbestandsmerkmal Wirkung liegt nur vor, wenn eine AAK von<br />

mindestens 1 mg/l beziehungsweise BAK von mindestens 0,2 Promille<br />

festgestellt wird.<br />

AG Langenfeld, Urteil vom 20.4.2011, 20 OWi 30 Js 1563/11 (42/11) = VA<br />

2011, 141<br />

Ein Verstoß gegen § 24 c StVG ist nicht bereits dann gegeben, wenn<br />

Alkohol im Blut nachgewiesen wird – es bedarf einer gewissen<br />

Alkoholkonzentration. Bei dem Betroffenen wurde eine<br />

Atemalkoholkonzentration von 0,13 mg/l festgestellt. Das Amtsgericht hat<br />

den Betroffenen freigesprochen. Bei einer derartigen Alkoholkonzentration<br />

kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug „unter<br />

Wirkung“ alkoholischer Getränke geführt wurde. Der Sachverständige<br />

führte aus, dass eine alkoholische Wirkung erst ab einer<br />

Mindestkonzentration von 0,26‰ möglich sei, je nach Konstitution auch<br />

erst ab einer BAK von 0,3‰.<br />

3. Handyverbot, § 23 Abs. 1a StVO<br />

Burhoff, Die Benutzung von Mobil- und Autotelefon im Straßenverkehr, VRR 2008,<br />

14<br />

Krumm, Telefonieren mit dem Handy, § 23 Abs. 1a StVO, SVR 2006, 357<br />

Seibel, Handy am Steuer – alles verboten? NZV 2007, 176<br />

Ternig, Handy im Straßenverkehr, zfs 2007, 482<br />

Handyverbot<br />

Das Handyverbot ist verfassungsgemäß. Bei beharrlichen Verstößen kann der<br />

sechsfache Satz der Regelbuße genommen werden.<br />

BVerfG, Beschluss vom 18.4.2008, 2 BvR 525/08 = DAR 2008, 387 = VRR<br />

2008, 233 = VA 2008, 119<br />

Die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO ist verfassungswidrig.<br />

AG Gummersbach, Beschluss vom 8.7.2009, 85 OWi 196/09= VRR 2009, 353<br />

= SVR 2009, 430 = VA 2009, 209<br />

Handynutzung<br />

Hält jemand sein Handy ans Ohr, um Musik zu hören, ist dies eine<br />

unberechtigte Nutzung im Sinne der StVO.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 12.8.2009, 83 Ss OWi 63/09 = DAR 2011, 95 = VA<br />

2009, 192 = VRR 2009, 468 = NZV 2010, 270<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

SIM-Karte<br />

Nutzung des Autotelefons liegt auch vor, wenn der Fahrer während der Fahrt<br />

den Telefonhörer aufnimmt und die Telefonkarte hin und her schiebt, um das<br />

Autotelefon funktionsfähig zu machen.<br />

OLG Hamm, Urteil vom 23.1.2007, 2 Ss OWi 25/07 = SVR 2007, 473 = DAR<br />

2007, 219 = NZV 2007, 249 = VRS 112, 291 = DAR 2007, 401 mit Anm.<br />

Hufnagel<br />

Benutzung liegt auch vor, wenn der Betroffene sein Handy an das Ohr hält, um<br />

einen Signalton abzuhören.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 28.12.2006, 2 Ss OWi 805/06 = DAR 2007, 402 =<br />

NZV 2008,49<br />

Der Betroffene wurde festgestellt, als er das Handy in Höhe des linken Ohrs<br />

hielt. Damit kann ein Verlegen ausgeschlossen werden. Es ist zwar<br />

wünschenswert, wenn das Tatgericht die konkrete Funktion des Mobiltelefons<br />

feststellt. Der Begriff der Benutzung eines Handys wird aber von der<br />

Rechtsprechung weit ausgelegt.<br />

Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, besteht auch nicht die<br />

Möglichkeit, eine an sich wünschenswerte Reduzierung der Geldbuße<br />

vorzunehmen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 15.10.2007, 2 Ss OWi 614/07 = VRS 113, 374<br />

Die tatsächlichen Feststellungen für einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO<br />

sind leicht zu treffen: Hält ein Betroffener während der Fahrt ein Mobiltelefon<br />

ans Ohr, kann davon ausgegangen werden, dass er auch telefoniert hat.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 19.11.2008, 2 Ss OWi 547/08 = VA 2009, 30<br />

Es ist auch untersagt, ein Mobiltelefon als Navigationshilfe zu benutzen. Der<br />

Begriff der Benutzung im Sinne von § 23 Abs. 1 StVO beinhaltet jede Nutzung<br />

oder Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen eines Mobiltelefons.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 26.6.2008, 81 Ss – OWi 49/08 = NZV 2008, 466 =<br />

NJW 2008, 3368 = VRR 2008, 353 = VA 2008, 195<br />

Ein Fahrzeugführer, der auf einer Kraftfahrstraße anhält und während der<br />

Standzeit mit laufendem Motor ein Telefonat mit einem Mobiltelefon führt,<br />

verstößt gegen § 18 Abs. 8 StVO in Tateinheit mit § 23 Abs. 1a StVO. Dabei<br />

bedarf es keiner Entscheidung, ob für die Verbotslockerung des § 23 Abs. 1a<br />

StVO eine Teilnahme am fließenden Verkehr erforderlich ist, denn dies ist<br />

vorliegend erfolgt.<br />

Der Betroffene stand während der Benutzung des Mobiltelefons mit laufendem<br />

Motor nicht etwa auf einem Parkplatz, sondern auf einem Seitenstreifen einer<br />

Kraftfahrstraße. Der Seitenstreifen, auch als Standspur bezeichnet, ist nicht<br />

rechtlich selbstständige Verkehrsfläche: Der Seitenstreifen ist vielmehr ein<br />

Seite 103 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

unselbstständiger Bestandteil der Richtungsfahrbahn der Autobahn oder<br />

Kraftfahrstraße und bildet mit dem angrenzendem Fahrstreifen eine Fahrbahn<br />

im Rechtssinne. Während des vorübergehenden Haltens auf dem<br />

Seitenstreifen, bleibt der Betroffene Teilnehmer des fließenden Verkehrs.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3.6.2008, IV- 2 Ss (OWi) 84/08- OWi 39/08 III<br />

= DAR 2008, 708 = VRS 115, 144 = NZV 2008, 584<br />

Fahrlehrer<br />

Der Fahrlehrer, der sich während einer Fahrschulübungsfahrt auf dem<br />

Beifahrersitz befindet, gilt als Fahrzeugführer und begeht daher eine<br />

Ordnungswidrigkeit, wenn er während der Fahrt ein Mobiltelefon nutzt.<br />

OLG Bamberg, Beschluss am 24.3.2009, 2 Ss OWi 127/09 = NZV 2009, 517 =<br />

NJW 2009 2393<br />

Verbotswidriges Benutzen eines Mobiltelefons liegt auch vor, wenn der<br />

Fahrzeugführer das Gerät aufnimmt, um das Telefon einzuschalten, das<br />

Einschalten aber wegen entladenem Akku nicht möglich ist.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 14.04.09, 83 Ss – OWi 32/09 = NZV 2009, 304<br />

Ein Funkgerät ist ein Mobiltelefon, wenn hiermit auch eine Kommunikation im<br />

öffentlichen Fernsprechnetz möglich ist.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 17.6.2009, 311 Ss Rs 29/09 = VRS 116, 461 =<br />

DAR 2009, 655<br />

Ein mit Mobiltelefonfunktion ausgestatteter Palm-Organizer ist ein<br />

Mobiltelefon im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO. Die Benutzung eines<br />

Mobiltelefons ist dann auch erfüllt, wenn dieses Gerät bei eingeführter aber<br />

auch deaktivierter Mobilkarte benutzt wird.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.11.06, 3 Ss 219/05 = SVR 2007, 309 =<br />

DAR 2007, 99 = NZV 2007, 48 = VRS 111, 444 = Justiz 2007, 196<br />

Auch ein Walkie-Talkie ist ein Mobiltelefon. Allerdings: auch wenn der Begriff<br />

des Mobiltelefons nicht definiert ist, muss doch eine Kommunikation über ein<br />

Telefonnetz erfolgen. Dies ist bei einem Walkie-Talkie nicht möglich.<br />

AG Sonthofen, Urteil vom 1.9.2010, 144 Js 5270/10 = NZV 2011, 214 = DAR<br />

2011, 99 = VA 2011, 13 = VRR 2010, 475<br />

Keine Nutzung<br />

Die Nutzung eines Mobiltelefons als Wärme-Akku ist nicht bußgeldbewehrt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 13.9.2007, 2 Ss OWi 606/07 = VRS 113, 376= zfs<br />

2008, 51<br />

Das Mobilteil des zu einem Festnetzanschluss gehörenden schnurlosen<br />

Telefons ist kein Mobiltelefon.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 22.10.2009, 82 Ss – OWi 93/09 = NJW 2010, 546<br />

DAR 2009, 712 = NZV 2010, 268 VRS 117, 313<br />

Seite 104 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Die Ordnungswidrigkeit setzt voraus, dass das Gerät zum Zwecke der Nutzung<br />

aufgenommen oder gehalten wird. Erforderlich ist deshalb, dass die<br />

Handhabung einen Bezug zu seiner Funktion aufweist (siehe auch OLG<br />

Hamm, NJW 2003, 912; NJW 2005, 2469; OLG Köln NZV 2005 547).<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 27.4.2007, 3 Ss OWi 452/07 = DAR 2007, 395<br />

Die Nutzung eines Mobiltelefons bei ausgeschaltetem Motor ist nicht mit einem<br />

Bußgeld bewehrt. Soweit ein Gericht annimmt, dass dem Ausschalten des<br />

Motors vor einer Rotlicht zeigenden Ampel keine Bedeutung beizumessen sei,<br />

so ist dies eine unzulässige Ausdehnung, die mit Artikel 103 Abs. 2 GG nicht<br />

vereinbar ist.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 6.9.2007, 2 Ss OWi 190/07 = SVR 2008, 312 =<br />

zfs 2008, 50 = VRS 113, 379<br />

Freisprecheinrichtung<br />

Es liegt keine unerlaubte Benutzung des Mobiltelefons vor, wenn ein<br />

Betroffener sein Auto mit einer Freisprecheinrichtung ausgerüstet hat und<br />

diese Freisprecheinrichtung während eines Halts an einer roten Ampel (mit<br />

eingeschaltetem Motor) wegen eines Defektes in die Hand nimmt.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 15.11.2007, 3 Ss OWi 744/07 = DAR 2008,<br />

217 = NZV 2008, 214 = VRR 2008, 35 = NJW 2008, 599 = zfs 2008, 52<br />

Legt der Kraftfahrer das in einer Handyvorrichtung befindliche Mobiltelefon<br />

unter Benutzung eines Headsets (über Bluetooth) an sein Ohr, ist der<br />

Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO nicht erfüllt. Es gilt auch, wenn zur<br />

Verbesserung der Hörqualität das über eine Spange am Ohr gehaltene<br />

Headset mit der Hand an das Ohr gedrückt wird.<br />

Der Betroffene hatte das Mobiltelefon in eine fest eingebaute Schale eingelegt.<br />

Das AG war der Auffassung dass das Einlegen des Mobiltelefons in die<br />

Schalle einem „Autotelefon“ entspricht und der „Führer“ mit dem Headset<br />

gleichzusetzen sei. Diese Auffassung verstößt gegen das Analogieverbot.<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.6.2008, 1 Ss 187/08 = DAR 2008, 654 =<br />

NZV 2009, 95 = NJW 2008, 3368 = VRS 115, 209 = VA 2008, 208<br />

Tateinheit<br />

Das Führen eines Kraftfahrzeuges mit überhöhter Geschwindigkeit und<br />

gleichzeitiges Benutzen eines Mobiltelefons stehen zueinander in Tateinheit.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 15.10.2009, 1 Ss 230/09 = DAR 2010, 31 =<br />

VRS 117, 352<br />

Tateinheit, § 24a StVG<br />

Die Rechtskraft eines Bußgeldbescheides wegen verbotener Benutzung eines<br />

Mobiltelefons steht der Ahndung eines Verstoßes gegen die 0,5 Promille-<br />

Grenze entgegen.<br />

Seite 105 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Nach § 84 Abs. 1 OWiG kann, wenn über die Tat als Ordnungswidrigkeit<br />

bereits rechtskräftig entschieden wurde, dieselbe Tat nicht mehr als<br />

Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Der Begriff der Tat richtet sich dabei nach<br />

dem prozessualen Tatbegriff des § 264 StPO, der auch im Verfahren über<br />

<strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> Geltung hat. Tat ist in diesem Sinne ist ein bestimmter<br />

Lebensvorgang, ein bestimmtes geschichtliches Ereignis, innerhalb dessen<br />

der Betroffene einen Bußgeldtatbestand verwirklicht hat. Ein solcher<br />

einheitlicher geschichtlicher Vorgang liegt vor, wenn einzelne<br />

Lebenssachverhalte und Verhaltensweise inhaltlich so miteinander verknüpft<br />

sind, dass sie nach der Lebensauffassung eine Einheit bilden. Eine<br />

Behandlung im getrennten Verfahren würde als unnatürliche Aufspaltung eines<br />

zusammengehörenden einheitlichen Geschehens erscheinen. Im Falle eines<br />

Bußgeldbescheides trifft die Verwaltungsbehörde eine umfassende<br />

„Kognitionspflicht“. Der geschichtliche Vorgang ist deshalb erschöpfend im<br />

Hinblick auf verwirklichte Tatbestände zu untersuchen. Ergeht ein<br />

Bußgeldtatbestand über die Tat im verfahrensrechtlichen Sinne und wird<br />

dieser rechtskräftig, so tritt damit eine Sperrwirkung hinsichtlich der Verfolgung<br />

aller Bußgeldtatbestände ein. Verfolgbar bleiben dann lediglich Vorgänge, die<br />

mit der Tat im verfahrensrechtlichen Sinne, die Verfahrensgegenstand des<br />

rechtskräftig abgeschlossenen Bußgeldverfahrens sind, weder in einem<br />

äußeren noch in einem inneren Zusammenhang stehen und deswegen<br />

selbstständige Taten sind.<br />

Das Führen des Kraftfahrtzeuges unter Alkoholeinfluss und das teils<br />

zeitgleiche Verwenden eines Mobiltelefons beruhen auf sich überlagernden<br />

Willensbetätigungen des Betroffenen und sie stellen sich als zeitgleich –<br />

einheitliches Handeln dar.<br />

Saarländisches OLG, Beschluss vom 24.03.2006, Ss (B) 2/06 (3/06) = BA<br />

2007, 175<br />

Beharrlicher Verkehrsverstoß, Geschwindigkeit-Handy<br />

Aus einem einmaligen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO kann auch bei einer<br />

wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ohne weiteres von einer<br />

Beharrlichkeit ausgegangen werden.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 4.10.2007, 3 Ss OWi 1364/07 = NJW 2007,<br />

3655<br />

Rechtsbeschwerde<br />

Die Frage der Benutzung eines Mobiltelefons ist in Rechtsprechung und<br />

Literatur ausreichend geklärt und bedarf daher nicht mehr der Zulassung der<br />

Rechtsbeschwerde. Dabei kann auch nicht die Rechtsbeschwerde darauf<br />

gegründet werden, dass das AG wegen des vorsätzlichen Verstoßes die<br />

Regelbuße von 40 auf 60 € erhöht hat. Nach allgemeiner Auffassung wird die<br />

Benutzung eines Mobiltelefons regelmäßig nur vorsätzlich begangen, sodass<br />

eine Erhöhung der Regelbuße nicht in Betracht kommt.<br />

Seite 106 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 31.07.2008, 2 Ss OWi 580/08 (92/08) = NZV<br />

2008, 583 = VRS 115, 207<br />

Der Begriff der Nutzung des Mobiltelefons ist in der Obergerichtlichen<br />

Rechtsprechung inzwischen ausreichend geklärt. Danach ist es dem<br />

Fahrzeugführer untersagt, im Rahmen der Nutzung das Mobiltelefon<br />

aufzunehmen oder zu halten. Nicht erforderlich ist, dass tatsächlich eine<br />

Telefonverbindung hergestellt wird. Eine Benutzung des Mobiltelefons liegt<br />

auch vor, wenn das Mobiltelefon in der Hand gehalten wird, um eine<br />

Kommunikation vorzubereiten. Dass kein ledigliches Umlegen vorliegt, ergibt<br />

sich bereits daraus, dass der Betroffene mit der linken Hand das Telefon am<br />

Ohr hielt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 20.04.2007, 2 Ss OWi 227/07 = NZV 2007, 483 =<br />

VRS 113, 75 = VRR 2007, 317<br />

Einstellung des Verfahrens<br />

Eine Einstellung kann gerechtfertigt sein, wenn eine etwaige Ahndung der Tag<br />

unter Berücksichtigung des weiteren Verfahrensverlaufs in keinem Verhältnis<br />

zur Bedeutung der Tat steht. Hintergrund ist eine unzureichende Aufklärung<br />

des Sachverhaltes durch die Bußgeldbehörde.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.8.2009, 1 Ss 135/08 = VA 2009, 210<br />

4. Anlegen des Sicherheitsgurt § 21a Abs. 1 S. 1 StVO<br />

Ein Sicherheitsgurt ist nicht angelegt im Sinne von § 21a Abs. 1 Satz 1 StVO,<br />

wenn der Gurt lediglich über den linken Arm geführt wird. Notwendig ist also<br />

die Verwendung des Sicherheitsgurts in der vorgesehenen Form.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.2007, 2 Ss OWi 695/07 = DAR 2008, 34 =<br />

VRS 113, 373VA 2008, 18 = VRR 2008, 74<br />

Gurt<br />

Die Pflicht zum Anlegen des Sicherheitsgurtes entfällt nicht bei einem<br />

kurzfristigen, verkehrsbedingten Anhalten. Gleiches gilt für das Verbot des<br />

Benutzen eines Handys.<br />

OLG Celle, Beschluss vom 24.11.2005 - 211 Ss 111/05 (OWi) = SVR 2006,<br />

232<br />

5. Fahrverbot<br />

Backmann, Europarechtliche Vorgaben für Ausnahmen vom Entzug der<br />

Fahrerlaubnis und vom Fahrverbot, BA 2010, 189<br />

Burhoff, Neue Rechtsprechung zum Fahrverbot, VA 2010, 159<br />

Burhoff: Rechtsprechung zum Fahrverbot, Teil 3 (berufliche Folgen), VRR<br />

2010, 293<br />

Burhoff, Vollstreckung mehrerer Fahrverbote, VRR 2008, 409<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Burhoff, Arbeitshilfe, Rechtsprechung zum Fahrverbot Teil 2 VRR 2010,<br />

52 Burhoff,<br />

Deutscher, Die Entwicklung des straßenverkehrsrechtlichen Fahrverbots<br />

im Jahr 2009, NZV 2010, 175<br />

Deutscher, das Fahrverbot bei beharrlicher Pflichtwidrigkeit, VRR<br />

2007,169<br />

Deutscher, Die Entwicklung des strassenverkehrsrechtlichen Fahrverbots<br />

im Jahr 2006, NZV 2007, 161<br />

Deutscher, Die Entwicklung des straßenverkehrsrechtlichen Fahrverbots<br />

im Jahre 2007, NZV 2008, 182<br />

Deutscher, die Entwicklung des straßenverkehrsrechtlichen Fahrverbots<br />

im Jahre 2008, NZV 2009, 111<br />

Deutscher, Das bußgeldrechtliche Fahrverbot bei Trunkenheitsfahrten<br />

VRR 2009, 248<br />

Deutscher, Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und vom<br />

Fahrverbot VRR 2010, 8<br />

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Fahrverbots als Hauptstrafe,<br />

Blutalkohol 2008, 238<br />

Fromm, Neues zum Parallelvollzug von Fahrverboten VRR 2010, 368<br />

Fromm: Fahrverbot Kontra Augenblicksversagen, VRR 2010, 410<br />

Fromm, Arbeitsplatz oder Verkehrssicherheit? Neue praktische Erfahrung<br />

mit dem Wegfall von (Regel-) Fahrverboten NZV 2010, 1<br />

Himmelreich, Unfallflucht (§ 142 StGB): Wegfall oder Verkürzung der<br />

Fahrerlaubnisentziehung und Fahrverbot bei Nachschulung und Therapie;<br />

DAR 2008, 69<br />

Janker, Fahrverbot und Fahrerlaubnisentzug in Deutschland nach<br />

Verstößen in Ausland, DAR 2009, 314<br />

Koehl, Effektiver Rechtschutz gegen Auferlegung eines Fahrverbotes,<br />

NZV 2008, 169<br />

Krumm, Fahrverbot, Die wichtigsten Leitsätze 2010, SVR 2011, 170<br />

Krumm, Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und vom Fahrverbot,<br />

ZRP 2010, 11<br />

Krumm, Fahrverbot, Verkehrsjurist 2007, 1<br />

Krumm, Absehen vom Regelfahrverbot bei Selbstständigen, SVR 2006,<br />

412<br />

Krumm, Absehen vom (Regel-)Fahrverbot, DAR 2011, 379<br />

Krumm, Bußgeldverstöße und Fahrverbot bei verbotswidriger Querung<br />

des Bahnübergangs, NZV 2010, 602<br />

Mietsch, Die Strafbarkeit der Fahrverbotübertretung – ein Unikum,<br />

NZV 2007, 66<br />

Rebler, Die Beschränkung eines Fahrverbots auf Kraftfahrzeuge einer<br />

bestimmten Art, DAR 2011, 109<br />

Schäfers, Fahrverbot für wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitungen,<br />

DAR 2011, 190<br />

Schäpe, Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und vom Fahrverbot,<br />

BA 2011, 194<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Schröder, § 25 StVG, Parallelvollstreckung von Fahrverboten, SVR 2010,<br />

452<br />

Voraussetzungen für die Anordnung eines Fahrverbots<br />

Grundlage für ein Fahrverbot ist stets § 25 Absatz 1 StVG. Im<br />

Bußgeldkatalog sind einige besondere typisierte Fälle aufgeführt worden,<br />

insbesondere der Fall des beharrlichen Verkehrsverstoßes (neben dem<br />

groben Verkehrsverstoß) gemäß § 4 Absatz 2 Satz 2 BKatV.<br />

Beharrlicher Pflichtenverstoß<br />

Die Anordnung eines Fahrverbotes kommt in Betracht, wenn zwar der<br />

Pflichtverstoß außerhalb des Regelfalles ist, die erneute<br />

Geschwindigkeitsüberschreitung jedoch wertungsmäßig einen<br />

beharrlichen Pflichtenverstoß gleichsteht.<br />

Da das Fahrverbot nicht isoliert angefochten werden kann, ist es<br />

gerechtfertigt, im Falle das erkennbar das einzige Ziel des Betroffenen der<br />

Wegfall des Fahrverbotes ist und er dieses in der Rechtsbeschwerde<br />

erreicht, die Kosten Rechtsmittel insgesamt der Staatskasse aufzuerlegen.<br />

Beharrlichkeit: Verkehrsverstöße, die zwar objektiv nicht zu den groben<br />

Zuwiderhandlungen zählen, die aber durch ihre zeit- und sachnahe<br />

wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Täter subjektiv für<br />

die Teilnahme am Straßenverkehr notwendigen rechtstreuen Gesinnung<br />

und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt. Folge dieser Einstellung<br />

und Handlung ist die wiederholte Überschreitung von<br />

Verkehrsvorschriften.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 10.4.2008, 3 Ss OWi 376/08 = zfs 2008,<br />

470<br />

Zu Annahme einer Beharrlichkeit bedarf es näherer Feststellungen. Nur<br />

wenn die Beharrlichkeit der Pflichtverletzung von ähnlich starkem Gewicht<br />

ist, wie der Regelfall des § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV, kann das Gericht auf ein<br />

Fahrverbot erkennen. Stellt das Gericht fest, dass zahlreiche<br />

Voreintragungen vorhanden sind, die aber länger zurückliegen und im<br />

letzten Jahr lediglich einen Verstoß erfolgt ist, kann es gefertigt sein, einen<br />

Regelfall zu verneinen.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2007, 2Ss OWi 953/08= NJW 2008<br />

3155<br />

Die Verhängung eines Fahrverbotes kommt nur dann in Betracht, wenn<br />

die Beharrlichkeit der Pflichtverletzung von ähnlich starkem Gewicht ist<br />

wie im Regelfall des § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Die Entscheidung des Tatrichters kann dabei vom<br />

Rechtsbeschwerdegericht nur auf einen Ermessensfehler überprüft<br />

werden.<br />

Überschreitet ein Verkehrsteilnehmer die zulässige Höchstgeschwindigkeit<br />

um 40 km/h und wurde jeweils wegen Geschwindigkeitsüberschreitung ein<br />

Jahr und zwei Monate zuvor wegen 25 km/h und ein Jahr und neun<br />

Monate zuvor wegen 33 km/h rechtskräftig mit einem Bußgeld belegt, ist<br />

aus zeitlichen Gründen keine beharrliche Pflichtverletzung notwendig<br />

festgestellt.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 15.10.2007, 2 Ss OWi 263/07 = DAR<br />

2008, 150<br />

Liegen als aktuelle Taten eine Überschreitung der Geschwindigkeit von 22<br />

km/h und als Voreintragung eine Geschwindigkeit um 32 km/h außer Orts<br />

(3 Jahre) und eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von 37 km/h<br />

außer Orts (16 Monate) vor, dann muss kein beharrlicher Pflichtenverstoß<br />

bejaht werden.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2007, 2 Ss OWi 1691/07 = DAR<br />

2008, 152<br />

Das AG hat den Betroffenen wegen Unterschreitung des notwendigen<br />

Abstandes zu einer Geldbuße von 200,00 € verurteilt und ein Fahrverbot<br />

von einem Monat angeordnet. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg:<br />

Das AG hat das Fahrverbot wegen eines beharrlichen Verkehrsverstoßes<br />

angeordnet. Die Feststellungen zu den Vorahndungen war fehlerfrei, aber<br />

für die Feststellung eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines<br />

Regelfalles ist neben den Angaben zur Tatzeit und zur Rechtskraft der<br />

Entscheidung auch die Mitteilung des konkreten Ausmaßes einer früheren<br />

Abstandsunterschreitung nicht verzichtbar, zumal auch diese Angaben<br />

regelmäßig der Auskunft aus dem Verkehrszentralregister entnommen<br />

werden können. Beharrlich begangen sind Verkehrsverstöße, die zwar<br />

nach ihrer Art oder den Umständen ihrer Begehung für sich allein<br />

betrachtet nicht bereits zu den objektiv oder subjektiv groben<br />

Zuwiderhandlungen zählen, die aber durch ihre zeit- und sachnah<br />

wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es den Täter an der für die<br />

Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und<br />

an der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt. Selbst<br />

eine Häufung von nur leicht fahrlässig begangenen Verkehrsverstößen<br />

kann unter solchen Umständen mangelnde Rechtstreue offenbaren.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 27.3.2007, 3 Ss OWi 334/07 = NZV 2007,<br />

534<br />

Der Betroffene war wegen vier Geschwindigkeitsüberschreitungen (23<br />

km/h, 34 km/h, 23 km/h, 36 km/h) verurteilt worden. Abweichend vom<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Bußgeldbescheid verhängte das AG kein Fahrverbot. Die<br />

Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg.<br />

Beharrlich sind Pflichtverletzungen, die den Umständen des Einzelfalles<br />

nach bereits zu den objektiven oder subjektiven groben<br />

Zuwiderhandlungen zählen.<br />

Hierdurch zeigt der Betroffene, dass ihm die für die Teilnahme am<br />

Straßenverkehr erforderliche rechtstreue Gesinnung fehlt. Dabei ist nicht<br />

jede wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitung ein Anzeichen hierfür, §<br />

4 Abs. 2 Satz 2 BKatV schildert lediglich einen Regelfall. Aber eine<br />

Vielzahl von Vorverurteilungen kann ebenfalls zwingend zu diesem<br />

Schluss führen.<br />

KG, Beschluss vom 22.8.2007, 2 Ss 193/06 – 3 Ws (B) 429/06 = DAR<br />

2007, 712 = VRS 114, 58 = VRR 2007, 434<br />

Gegen den Betroffenen war zuletzt wegen der Überschreitung der<br />

zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h eine Geldbuße von 40,00 €<br />

angeordnet worden, weiter ein Bußgeld wegen Benutzung eines<br />

Mobiltelefons. Wegen eines weiteren Verstoßes (zwei Jahre<br />

zurückliegend) war wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um<br />

24 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft ein Bußgeld von 40,00 €<br />

verhängt worden.<br />

Das AG hat jetzt wegen beharrlichen Verkehrsverstoßes ein Fahrverbot<br />

angeordnet. Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 4.10.2007, 3 Ss OWi 1364/07 = NZV 2008,<br />

48 =zfs 2007, 707 = DAR 2008, 152<br />

Kein Absehen bei grober und beharrlicher Pflichtverletzung<br />

Die Messung mit dem Gerät ES 3.0 ist ein standardisiertes<br />

Messverfahren. Ein Absehen vom Fahrverbot scheidet aus, wenn ein grob<br />

pflichtwidriger Geschwindigkeitsverstoß zugleich eine beharrliche<br />

Verkehrsübertretung ist.<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 27.10.2008, 19 OWi - 89 Js 1585/08 –<br />

146/08 = NZV 2009, 205 = VA 2009, 103 = VRR 2009, 150<br />

Ein Fahrverbot kommt also in der Regel in Betracht, wenn ein<br />

Fahrzeugführer wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von<br />

mindestens 26 km/h bereits innerhalb eines Jahres verurteilt wurde.<br />

Maßgeblich dabei ist der Eintritt der Rechtskraft der ersten Verurteilung.<br />

Entsprechende Feststellungen müssen aus dem Verkehrszentralregister<br />

erhoben. Der Richter kann grundsätzlich davon ausgehen, dass ein<br />

beharrlicher Verkehrsverstoß vorliegt. Einwendung müssen seitens des<br />

Betroffen dargelegt werden.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Allerdings kann auch in Fällen in denen ein längerer Zeitraum als 12<br />

Monate zwischen den Verurteilungen liegt, ein Fahrverbot angeordnet<br />

werden. Zwischen den Taten hinaus muss darüber hinaus ein engerer<br />

Zusammenhang bestehen. 1 Maßgeblich sind hierbei Art, Anzahl und<br />

Schwere der Verstöße so wie ein zeitlicher Zusammenhang. Ein<br />

Zusammenhang wird angenommen bei<br />

Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandsverstößen,<br />

Rotlichtverstößen sowie Benutzung des Mobiltelefons bei zahlreichen<br />

Vorbelastungen. 2<br />

Tat Zeitraum Beharrlichkeit Fundstelle<br />

29 + 32 km/h 4 Monate Ja OLG Düsseldorf NZV 1994,<br />

91<br />

14, 17 und 13 mal 19 30 Monate Ja OLG Bamberg, VRR<br />

km/h<br />

2006,432<br />

24 und 29 plus 8 Monate Ja BayObLG DAR 2004, 230<br />

Überholverstoß<br />

41 und 102 1 Jahr und ein Ja OLG Koblenz, NJW 2005,<br />

Tag<br />

1061<br />

24, 33 und 38 km/h 17 Monate Angenommen Ja OLG Bamberg 2006, 147<br />

22, und 25 km/h Weniger als 2<br />

Jahre<br />

Angenommen Ja BayObLG NZV 2004, 48<br />

4 mal erhebliche 2,5 Jahre Angenommen Ja OLG Düsseldorf 1999, 178<br />

Geschwindigkeitsüber<br />

schreitung<br />

Fahrverbot<br />

ein<br />

9 Verstöße, 6 2,5 Jahre Angenommen Ja AG Lüdinghausen NZV 2005,<br />

Fahrverbote<br />

(3 Monate 332<br />

3 mal Rotlichtverstoß, 16 Monate<br />

Fahrverbot)<br />

Angenommen Ja OLG Karlsruhe NJW 2003,<br />

einmal qualifiziert<br />

(aber<br />

Augenblicksvers<br />

agen)<br />

3719<br />

21, 24 und 28 km/h 21 Monate Nein OLG Bamberg, DAR 2006,<br />

514<br />

21, 24 und 26 km/h Weniger als 3 Nein OLG Bamberg DAR 2006,<br />

Jahre<br />

336<br />

Zwei<br />

Rotlichtverstoß<br />

Mal Fast 2 Jahre Nein OLG Hamm, NZV 2001 ,221<br />

Dreimal<br />

2 Minuten Nein Thüringisches OLG, NZV<br />

Rotlichtverstoß,<br />

mehrere<br />

Vorbelastungen<br />

1999, 304<br />

1 BayObLG NZV 2004, 102<br />

2 Thüringisches OLG, RR 2007, 157<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Droht die Anordnung eines Fahrverbotes von mehreren Monaten, muss<br />

der Verteidiger, auch wenn ein Absehen wegen Vorverurteilungen<br />

ausscheidet, prüfen und gegebenenfalls darlegen, ob gerade durch das<br />

mehrmonatige Fahrverbot eine besondere Existenzgefährdung entstehen<br />

kann. Auch in diesen Fällen muss das Gericht wegen des<br />

Übermaßverbotes sorgfältig prüfen, ob Besonderheiten der Tat oder in der<br />

Persönlichkeit des Betroffenen eine Beschränkung auf eine bestimmte Zeit<br />

rechtfertigt.<br />

Weiter muss der Verteidiger darauf achten, ob vom Fahrverbot eine<br />

bestimmte Fahrzeugart ausgenommen werden kann. Kreditaufnahme:<br />

Kann der Betroffene zur Überbrückung der besonderen Schwierigkeiten<br />

einen Kredit aufnehmen? Bei Selbstständigen soll dies grundsätzlich<br />

zumutbar sein, bei abhängig Beschäftigten lehnen dies einige Gericht ab.<br />

Voreintragungen Verkehrsstraftaten<br />

Solche dürfen nach fünf Jahren, selbst wenn sie noch nicht tilgungsreif<br />

sind, gemäß § 29 Abs. 8 StVG nicht berücksichtigt werden.<br />

Achtung Augenblicksversagen: Dies kann nicht zu einer Erhöhung der<br />

Geldbuße führen. 1<br />

Augenblicksversagen wurde bejaht:<br />

• Ortsunkundige Fahrer, nachts, Schild nur einmal, nicht<br />

wahrgenommen, OLG Hamm VA 2006, 121<br />

• Beginn einer 30er-Zone nur einmal ausgeschildert, AG Hanau zfs<br />

2006, 654<br />

Dagegen nicht:<br />

• Beschränkung nur als Lärmschutzmaßnahme, OLG Bamberg VA<br />

2007, 50; KG VRS 109, 132, andere Ansicht AG Frankfurt DAR<br />

2007, 278<br />

• Geschwindigkeitsüberschreitung nachts bei fast fehlendem<br />

Verkehrsaufkommen, OLG Bamberg VRR 2007, 235; OLG Hamm<br />

VA 2006, 103<br />

• Betroffener übersieht Rotlicht einer Ampel, weil er von einem liegen<br />

gebliebenen Kfz abgelenkt war, OLG Karlsruhe VRS 111, 439,)<br />

• Verkehrsverstoß ereignet sich auf dem täglichen Weg zur Arbeit,<br />

Geschwindigkeitsbeschränkung drängt sich durch eine<br />

Tunneldurchfahrt und einen nahe gelegene Schule auf, OLG Hamm<br />

VA 2006, 138<br />

1 OLG Zweibrücken NJW 2006, 1301<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Aus beruflichen Gründen kann vom Fahrverbot abgesehen werden:<br />

• Busfahrer mit mehreren Voreintragungen – beschränkt auf Klasse<br />

D, OLG Bamberg VA 2006, 102<br />

• Busfahrer in der Probezeit, AG Gelnhausen NZV 2006, 327<br />

• Gastwirt, wenn weitere Umstände vorliegen wegen<br />

Existenzgefährdung vorliegen OLG Hamm, VA 2004, 138<br />

• Selbstständige Unternehmer für Hausmeisterdienste, OLG Köln<br />

VRS 111, 438<br />

• Vermögensberater mit Kunden in drei Städten, OLG Hamm VA<br />

2007, 129<br />

• Außendienstmitarbeiter mit monatlichem Fixum von 500,00 €, OLG<br />

Hamm NZV 2007, 261<br />

• Handelsvertreter im Außendienst, der Musterwaren mit sich führen<br />

muss, AG Hof DAR 2007, 40<br />

Dagegen scheidet es aus,<br />

• wenn der Arbeitsgeber bei Fahrverbot eine Kündigung in Aussicht<br />

stellt – vielmehr muss die Kündigung ausgesprochen werden, OLG<br />

Hamm VA 2007, 33<br />

• Zirkusdirektor, OLG Hamm, Beschluss vom 30.10.2006, 4 Ss OWi<br />

690/06<br />

• Rechtsanwältin, die im Umkreis von 250 bis 300 km überregionale<br />

Besprechungs- und Gerichtstermine wahrnehmen muss, OLG<br />

Hamm, Beschluss vom 20.7.2006, 3 Ss OWi 325/06<br />

Die Anwältin hätte im Einzelnen konkret darlegen müssen, wie die<br />

Mandate im Einzelnen wahrgenommen werden, an wie vielen Tagen<br />

wöchentlich und ob bei überregionalen Terminen öffentliche<br />

Verkehrsmittel zur Verfügung stehen.<br />

Zeitablauf, siehe AG Bensheim NZV 2006, 442 – ein Absehen ist auch<br />

bei einer Zeitdauer von weniger als 22 Monaten möglich.<br />

Fahrverbot nach § 44 StGB<br />

Auch das Fahrverbot nach § 44 StGB ist eine Besinnungsstrafe. Die<br />

Denkzettelfunktion steht im Vordergrund. Das Fahrverbot verliert daher<br />

seinen Sinn, wenn der Zeitraum zwischen Tat und Entscheidung<br />

besonders lang ist. Nach einer Zeit von 21 Monaten liegt es nahe, dass<br />

die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt ist.<br />

OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.10.2010, 2 St OLG Ss 147/10 = VA<br />

2011, 49<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Folgen eines Verstoßes gegen das Fahrverbot<br />

Die Fahrerlaubnis ist ein Verwaltungsakt 1 im Sinne von § 35 VwVfG. Mit<br />

der Erteilung einer Fahrerlaubnis wird das Führen eines<br />

erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr<br />

gestattet. Ist die Fahrerlaubnis nicht befristet – etwa nach § 23 Abs. 1 Satz<br />

2 FeV erlischt dieses Recht, wenn dem Inhaber die Fahrerlaubnis wieder<br />

entzogen wird – etwa nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG. Die Entziehung kann<br />

durch die Behörde erfolgen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG) oder durch ein<br />

Strafgericht (§ 69 StGB).<br />

Dagegen ist das Fahrverbot eine Maßnahme des Strafrecht oder des<br />

Rechts der <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> nach § 44 StGB oder § 25 StVG. Diese<br />

Fahrverbote sind Nebenfolgen einer Hauptstrafe bzw. einer Geldbuße<br />

gem. § 17 OWiG. Voraussetzung für die Anordnung eines Fahrverbots ist<br />

jeweils eine schuldhafte und vorwerfbare Tat.<br />

Gründe für eine Bestrafung<br />

Strafvorschriften sind rechtstaatlich dann legitimiert, wenn sie ein<br />

verhältnismäßiges, erforderliches und damit geeignetes Mittel zur<br />

Verhinderung von Verletzungen Rechtsgüter Dritter werden. Das Fahren<br />

ohne Fahrerlaubnis muss daher ein Verhalten sein, durch das ein<br />

schutzwürdiges und schutzbedürftiges Rechtsgut verletzt wird. Hierfür<br />

genügt die abstrakte Gefährlichkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens.<br />

Es muss daher der Abwehr der verkehrstypischen Gefahren und Risiken<br />

dienen und Personen, die hierzu zur Wahrung der Sicherheit anderer nicht<br />

in der Lage sind, vom Verkehr ausschließen. Die ausreichenden<br />

Schutzgüter sind das Leben, die Gesundheit, die körperliche<br />

Unversehrtheit der Menschen sowie das Eigenturm Dritter, die mit<br />

Verkehrsvorgängen in Berührung kommen.<br />

Der Entzug der Fahrerlaubnis kann nach § 69 StGB oder nach § 3 Abs. 1<br />

StVG erfolgt, wenn der Betroffene ungeeignet ist zum Führen von<br />

Kraftfahrzeugen. Nimmt eine solche Person am öffentlichen<br />

Straßenverkehr teil, liegen Gefahren auf der Hand. Ein ungeeigneter<br />

Kraftfahrzeugführer ist eine Gefahrenquelle und ein Risiko für sich selbst<br />

und Dritte. § 21 Abs. 1 Nr. 1 ist also eine Schutzvorschrift, die letztlich den<br />

Schutz potenzieller individueller Opfer bezweckt. 2<br />

Wesen des Fahrverbotes<br />

Dagegen tangiert die Anordnung eines Fahrverbotes die Fahrerlaubnis<br />

nicht. Der Verurteilte bleibt weiterhin Inhaber der Fahrerlaubnis und<br />

braucht sich nach Ablauf der Verbotsfrist nicht um die Erteilung einer<br />

1<br />

Mietsch, Die Strafbarkeit der Fahrverbotübertretung – ein Unikum,<br />

NZV 2007, 66<br />

2 So auch Jakow, Straßenverkehrsrecht 19. Auflage, § 21 Rn. 1<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

neuen Fahrerlaubnis zu bemühen und muss auch keine neue Prüfung<br />

ablegen. Anderenfalls hätte ihn die Fahrerlaubnis entzogen werden<br />

müssen: Also ergibt sich, dass diese Person zum Führen eines<br />

Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr geeignet ist.<br />

Das Fahrverbot ist daher keine Präventivmaßnahme zur Gefahrenabwehr,<br />

sondern eine repressive Sanktion gegen pflichtvergessener Kraftfahrer. 1<br />

Hintergrund ist die so genannte Denkzettel- oder Besinnungsmaßnahme.<br />

Die Strafvorschrift des § 21 StVG kann in diesen Fällen nicht darauf<br />

gestützt werden, dass Dritte vor gefährlichen und ungeeigneten<br />

Kraftfahrzeugführern geschützt werden müssen.<br />

Sanktionsvoraussetzung ist daher lediglich der Ungehorsam gegenüber<br />

einem verhängten Verbot. Der Zwang zu Gehorsam und das<br />

Gehorsamswillen ist aber reine Willkür. 2<br />

Gründe gegen eine Strafbarkeit:<br />

• Grundsätzliche Straflosigkeit eigennütziger Sanktionsvereitelung<br />

• Vergleich mit Jagdausübung: Nach § 41a BJagdG ist ein Verstoß<br />

gegen das Verbot der Jagdausübung als Ordnungswidrigkeit<br />

ausgestaltet. Die Strafbarkeit ist daher eine Vollstreckungshilfe des<br />

Fahrverbotes.<br />

Adressat<br />

Die Verhängung eines Fahrverbots nach § 25 StVG ist nur gegen den Kfz-<br />

Führer möglich, nicht auch gegen mögliche Mitverantwortliche.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.7.2007, 4 Ss OWi 428/07 = DAR 2008,<br />

625 = VRR 2007, 435<br />

Bestimmung der Dauer des Fahrverbots<br />

Ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht nur eine grobe<br />

Pflichtverletzung, sondern zugleich auch eine beharrliche<br />

Pflichtverletzung, so dürfen beide Umstände nicht zu einer Addition beim<br />

Fahrverbot führen. Ein Fahrverbot von zwei Monaten erscheint in der<br />

pauschalen Form nicht gerechtfertigt.<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 4.1.2011, 53 Ss-OWi 546/10=VRR<br />

2011, 157<br />

Mindestdauer Fahrverbot<br />

Eine Verurteilung zu „einem halben Monat“ Fahrverbot ist unzulässig. Die<br />

Mindestdauer beträgt ein Monat.<br />

1<br />

Herzog im Nomos-Kommentar zum StGB, 2. Auflage, Rn. 823, § 44<br />

2<br />

Mietsch, Die Strafbarkeit der Fahrverbotübertretung – ein Unikum,<br />

NZV 2007, 66<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.12.2010, IV-3 RBs 210/10 = DAR<br />

2011, 149 = VRS 120, 202 = VRR 2010, 73 = VA 2011, 48<br />

StGB, § 44<br />

KG, Beschluss vom 10.1.2007, 1 Ss 389/06 (125/06) = VRS 113, 45<br />

Zwischen Haupt- und Nebenstrafe besteht eine Wechselwirkung. Die<br />

Nebenstrafe darf nur verhängt werden, wenn die Hauptstrafe alleine den<br />

mit der Nebenstrafe verfolgten spezialpräventiven Zweck nicht erreichen<br />

kann. Beide zusammen dürfen die Tatschuld nicht überschreiten.<br />

Wird ein Fahrverbot mit den „schweren Verletzungen des Geschädigten“<br />

begründet und der Hinweis auf die Tatsache, dass die Straftat beim<br />

Führen eines Kraftfahrzeuges begangen wurde, so reicht dies für die<br />

Annahme eines Fahrverbotes nicht aus.<br />

Bußgeldbescheid<br />

Das Bestimmtheitsgebot des § 66 OWiG ist erfüllt, wenn die<br />

entsprechenden Vorschriften erwähnt sind. Dies gilt beispielsweise, wenn<br />

ein Bußgeldbescheid lautet: „Das Fahrverbot ordne ich gem. § 4 Abs. 2<br />

der BKatV an.“ Hierbei ist zwar nicht angegeben, wie lange das<br />

Fahrverbot gelten soll, dies ergibt sich aber aus dem Gesetz. Zur<br />

Klarstellung ist aber im Tenor zu übernehmen, dass das Fahrverbot für ein<br />

Monat angeordnet wird.<br />

AG Gelnhausen, Urteil vom 18.6.2010, 44 OWi-2949 Js 6566/10=VerkA<br />

2010, 143<br />

Keine Beschränkung des Einspruchs<br />

Lässt sich der Betroffene dahingehend ein, es gehe ihm um das<br />

Fahrverbot, ist dies keine Einspruchsbeschränkung. Beabsichtigt das<br />

Gericht, wegen vorsätzlicher Begehung zu verurteilen, ist ein Hinweis<br />

gem. § 265 StPO notwendig.<br />

OLG Frankfurt, Beschluss vom 9.11.2008, 2 Ss OWi 441/07 = Mittl. 2008,<br />

28<br />

Das OLG muss eine Entscheidung des Tatrichters über das Fahrverbot bis<br />

zur Grenze des Vertretbaren hinnehmen. Es kommt nicht darauf an, ob<br />

auch eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 7.2.2008, 2 Ss OWi 29/08 = VRS 113, 383 =<br />

NZV 2008, 306 VA 2008, 142<br />

Aufklärungsverpflichtung<br />

Legt der Betroffene eine Bescheinigung seines Arbeitsgebers dar, aus der<br />

sich ergibt, dass er seinen Arbeitsplatz verliert, sind dem Gericht<br />

Anknüpfungstatsachen bekannt, die weitere Aufklärung bedürfen. Eine<br />

Darlegungspflicht durch den Betroffenen entsteht hierdurch nicht.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 26.1.2011, 3 Ss OWi 2/11 = DAR 2011,<br />

404<br />

Liegen Umstände vor, die es möglich erscheinen lassen, dass das<br />

Fahrverbot zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führt, muss<br />

sich der Tatrichter auseinandersetzen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 24.01.2007, 4 Ss OWi 891/06 = VRR 2007,<br />

236<br />

Zweifelt der Tatrichter den Wahrheitsgehalt einer<br />

Arbeitgerberbescheinigung an, muss er den Arbeitgeber vor einer<br />

Entscheidung weiter befragen. Weitere Darlegungslast darf dem<br />

Betroffenen nicht auferlegt werden.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 16.11.2007, 83 Ss – OWi 82/07 = VRS 113,<br />

441 = VRR 2008, 156= DAR 2008, 158<br />

Hinweispflicht<br />

Ist im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot nicht angeordnet worden, kann<br />

dies im gerichtlichen Verfahren nur nach Hinweis gem. § 265 Abs. 2 StPO<br />

erfolgen.<br />

Verstoß gegen diese Regel führt in der Regel zu einer Aufhebung des<br />

Urteils im Schuldspruch, da ansonsten dem Betroffenen die Möglichkeit<br />

genommen wäre, den Einspruch zurückzunehmen.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 26.2.2010, 1 Ss 270/09 = StraFo 2010,<br />

206 = NZV 2010, 311 = VA 2010, 155 = VRS 118, 365<br />

Auch eine Verdopplung des Regelsatzes bedarf in der Regel keines<br />

gerichtlichen Hinweises gem. § 265 StPO. 1 Anders wird es allgemein<br />

gesehen, wenn in einer Hauptverhandlung erstmals ein Fahrverbot<br />

verhängt werden soll. 2<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 11.10.2010, 3 Ss OWi 1380/10 = zfs 2011,<br />

410 = DAR 2011, 214 = VA 2011, 89<br />

Nur ein einheitliches Fahrverbot<br />

Wegen zwei in Tatmehrheit zueinander stehender <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong><br />

kann in einem einheitlichen Urteil nur ein einziges Fahrverbot erkannt<br />

werden.<br />

Tatmehrheit bei 24a StVG und Besitz von BtM.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2009, 3 Ss OWi 451/09= VRR 2010,<br />

155 = DAR 2010, 335 = NZV 2010, 159 = BA 2009, 29<br />

1 anderer Ansicht: OLG Hamm, VRR 2010, 99<br />

2 BGH NJW 80, 2479; Thüringer OLG, VA 2010, 155<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Abkürzung des Regelfahrverbotes,<br />

Es entspricht tatrichterlichem Ermessen, wenn aufgrund besonderer<br />

Sanktionsempfindlichkeit der Betroffene trotz zweier Voreintragungen im<br />

Verkehrszentralregister lediglich mit einem Fahrverbot von zwei Monaten<br />

belegt wird anstelle des dreimonatigen Regelfahrverbotes. Zugleich war<br />

die Geldbuße von der Regelbuße von 375,00 € auf 500,00 € erhöht<br />

worden.<br />

Der Betroffene war beruflich „besonders auf die Fahrerlaubnis<br />

angewiesen“ und aufgrund des positiven Eindrucks in der<br />

Hauptverhandlung erschien dem Gericht ein dreimonatiges Fahrverbot als<br />

unzumutbare Härte.<br />

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hatte keinen Erfolg: Es<br />

liegt grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Tatrichters, ob die<br />

Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere<br />

Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und<br />

Denkzettelfunktion eines Fahrverbotes nicht bedarf. Der Betroffene hatte<br />

nur ein Verkehrszeichen übersehen und das Amtsgericht ist von einfacher<br />

Fahrlässigkeit ausgegangen, hat aber gleichwohl die Verhängung eines<br />

Fahrverbots für erforderlich gehalten. Die Feststellungen zu den<br />

wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen waren ausführlich.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 19.1.2007, 2 Ss OWi 1653/05 = NZV 2007,<br />

213<br />

Beschränkung des Fahrverbots<br />

Das Gericht kann nur eine bestimmte Art von Kfz vom Fahrverbot<br />

ausnehmen. Hauptsächlich betrifft dies Kfz- Gruppen nach § 5 Abs. S. 2<br />

StVZO. Eine weitere Differenzierung kann nach dem Verwendungszweck<br />

möglich sein, insbesondere wenn bestimmte Ausrüstungen oder eine<br />

besondere Bauart dies bedingen. Nicht zulässig ist es, Fahrzeuge nach<br />

Fabrikat oder Zeit zu bestimmen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 20.4.2010, 2 RBs 31/10= VRR 2010, 352 =<br />

VA 2010, 139<br />

Beschränkung des Fahrverbots<br />

Ein Fahrverbot kann im Einzelfall auf Krafträder beschränkt werden, wenn<br />

ansonsten eine Existenzgefährdung eines Taxifahrers gegeben ist.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 19.10.2007, 3 Ss OWi 1344/07 = DAR<br />

2008, 33 = VRS 113, 357 = VA 2007, 219 = VRR 2008, 75<br />

Die Beschränkung des Fahrverbotes auf die Benutzung eines Kraftrades<br />

ist nicht möglich.<br />

KG, Beschluss vom 11.01.2006, 3 Ws (B) 5/06 = VRS 111, 204<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr und Krankenkraftwagen können als<br />

Kraftfahrzeugarten von einem Fahrverbot ausgenommen werden.<br />

Krankenkraftwagen sind gem. § 3 Abs. 1 RettG Nordrhein Westfalen<br />

Fahrzeuge, die für die Notfallrettung oder den Krankentransport<br />

besonders eingerichtet und nach dem Fahrzeugschein als<br />

Krankenkraftwagen anerkannt sind. Entsprechendes gilt für<br />

Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, die Sonderrechte in Anspruch nehmen<br />

können.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.9.2007, IV-2 Ss (OWi) 118/07 – (OWi)<br />

50/07 III = DAR 2008, 154 = NZV 2008, 104 = VRS 113, 442 = VRR 2008,<br />

114<br />

Erhöhung der Geldbuße?<br />

Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV kommt die Anordnung eines Fahrverbotes<br />

wegen grober Verletzungen der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in<br />

Betracht. Wird in einem solchen Fall ausnahmsweise von der Anordnung<br />

des Fahrverbotes abgesehen, soll nach § 4 Abs. 4 BKatV das für den<br />

Betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld<br />

angemessen erhöht werden. Dies gilt nach Auffassung des Thüringer OLG<br />

auch, wenn ein beschränktes Fahrverbot auf Kraftfahrzeuge einer<br />

bestimmten Art verhängt wird, da darin zugleich ein Absehen des<br />

Regelfahrverbotes enthalten ist. Werden nur bestimmte Arten von<br />

Kraftfahrzeugen ausgenommen, ist die vorgenommene Verdoppelung des<br />

Bußgeldes jedoch nicht mehr angemessen.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 7.12.2006, 1 Ss 285/06 = VRS 113, 71<br />

Tatbestandskatalog<br />

Der bundeseinheitliche Tatbestandskatalog für<br />

Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten entfaltet nur verwaltungsintern eine<br />

Bindungswirkung, keine für das Gericht. Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a<br />

StVO kann zu einem Fahrverbot führen. Siehe auch OLG Düsseldorf, DAR<br />

2004, 712; Schäpe. Anmerkung zu OLG Hamm, DAR 2005, 695.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 23.5.2006, 1 Ss 54/06 = VRS 111, 205 =<br />

DAR 2007, 157<br />

Keine Addition von Fahrverbot<br />

Bei Vorliegen eines groben und eines beharrlichen Pflichtverstoßes sind<br />

die verwirkten Fahrverbote nicht zu addieren. Erfüllt ein Verhalten mehrere<br />

in der Bußgeldkatalogverordnung aufgeführte Tatbestände, die ein<br />

Fahrverbot indizieren, so sind die in der Bußgeldkatalogverordnung<br />

vorgesehenen Verbotsfristen nicht ohne weiteres zu addieren. Dies ergibt<br />

sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 19 OWiG, 3 Abs. 5<br />

BKatV. Gemäß Bußgeldkatalogverordnung ist nur ein Regelsatz bei<br />

unterschiedlichen der höchste anzuwenden, wenn eine Handlung mehrere<br />

Tatbestände des Bußgeldkatalogs verwirklicht, die wie jeweils einen<br />

Bußgeldregelsatz von mehr als 35 € vorsehen.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 4.1.2011, (2 B) 53 Ss-OWi<br />

546/10 (257/10) = VRS 120, 339 = NZV 2011, 358 = DAR 2011, 215<br />

Vier-Monats-Frist (§ 25 Abs. 2 a StVG)<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.2.2009, IV – 2 Ss – OWi 9/09 – (OWiG)<br />

11/09 IV = SVR 2010, 472 = DAR 2009, 211 = BA 2009, 224 = NZV 2009,<br />

519<br />

Auch ein langer Zeitraum zwischen Begehung einer Ordnungswidrigkeit<br />

und Urteil führt nicht zum Wegfall der Vier-Monats-Frist.<br />

Fahrverbot, wirtschaftliche Verhältnisse<br />

Die Grenze für die Höhe der Geldbuße – insbesondere in Fällen des § 4<br />

Abs. 4 BKatV muss das Gericht beachten. Nach § 17 OWiG beträgt der<br />

Höchstbetrag 1.000,00 €, bei Fahrlässigkeit höchstens 500,00 €, bei<br />

Drogenfahrten das maximale Bußgeld 1.500,00 €(jetzt 3.000 €), bei<br />

Fahrlässigkeit 750,00 €.<br />

Bei geringfügigen Geldbußen bedarf es keiner Auseinandersetzung mit<br />

den wirtschaftlichen Verhältnissen. Die Grenze für die geringfügige<br />

Geldbuße beträgt ca. 200,00 €.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.10.2006, 4 Ss OWi 690/06 = SVR 2007,<br />

186<br />

Gegen ein Urteil in einem Strafverfahren ist Berufung und Revision<br />

möglich, selbst wenn in dem Urteil nur wegen einer Ordnungswidrigkeit<br />

verurteil wird.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 14.11.2006, 4 Ss 471/06 = SVR 2007, 188<br />

Urteilsgründe<br />

Auch im Falle eines Regelfalles gem. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV entfällt nicht<br />

die Notwendigkeit sich mit dem persönlichen Verhältnissen<br />

auseinanderzusetzen. Ohne Darstellung der persönlichen Verhältnisse<br />

kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht feststellen, ob die Anordnung<br />

eines Fahrverbotes unverhältnismäßig ist.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.8.2009, 2 Ss OWi 593/09 = VA 2009, 192<br />

In der Rechtsbeschwerde muss ausgeführt werden, dass ein Fahrverbot<br />

zu einer Existenzbedrohung geführt hat, wenn die Beschwerde darauf<br />

gestützt wird, dass dem Betroffenen ein Pflichtverteidiger hätte<br />

beigeordnet werden müssen.<br />

KG, Beschluss vom 10.7.2009, 1 Ss 138/09- 3 Ws (B) 283/09= VRR 2009.<br />

392<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Verschlechterungsverbot<br />

Das Verschlechterungsverbot gilt nicht bei Änderungen des<br />

Schuldspruchs.<br />

Eine Erhöhung der Geldbuße mit Rücksicht auf den Wegfall des<br />

Fahrverbots scheidet aus, wenn die Anordnung des Fahrverbotes<br />

deswegen unterbleiben muss, weil zwischen Tat und Ahndung ein<br />

erheblicher Zeitablauf liegt.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.8.2010, 1 (8) SsBs 382/09 – AK 100/09<br />

= zfs 2011, 231<br />

Trunkenheitsfahrt<br />

Ein Absehen vom Fahrverbot kommt in Fällen des § 24a StVG nur unter<br />

ganz besonderen Ausnahmeumständen in Betracht.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 24.04.2008, 5 Ss OWi 205/08 = DAR 2008,<br />

652 = VA 2008, 156 = VRR 2008, 434<br />

Der Betroffene ist selbstständiger Transportunternehmer. Wegen einer<br />

fahrlässigen Trunkenheitsfahrt nach § 24a mit einer<br />

Atemalkoholkonzentration von 0,26 mg/l hat das AG auf eine Geldbuße<br />

von 500,00 € erkannt und von einem Fahrverbot abgesehen. Die<br />

Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg: Auch wenn<br />

einschlägig Voreintragungen fehlen und die Grenze des § 24a StVG nur<br />

geringfügig überschritten ist, reicht eine Verdopplung des Bußgeldes nicht<br />

aus, um ein Fahrverbot zu vermeiden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 9.5.2006, 4 Ss OWi 896/05 = SVR 2007, 274<br />

= DAR 2007, 340<br />

Trunkenheit – deklaratorische Bedeutung<br />

Eine Trunkenheitsfahrt ist auch dann eine einheitliche Fahrt, wenn die<br />

Fahrt an einer Tankstelle zum Zwecke des Einkaufs von Spirituosen<br />

kurzfristig unterbrochen wird. Von der Anordnung eines Fahrverbots nach<br />

einer Trunkenheitsfahrt (§ 24a StVG) kann jedenfalls dann abgesehen<br />

werden, wenn dem Fahrverbot wegen Anrechnung einer vorläufigen<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis nur noch deklaratorische Bedeutung<br />

zukommt.<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 6.5.2008, 9 Ds – 82 Js 64/08-35/08 = SVR<br />

2008, 473 = DAR 2009, 102 = BA 2008, 269 = NZV 2008, 419 = VA 2008,<br />

142 = VRR 2008, 431<br />

Atemalkoholmessung ist ein standardisiertes Messverfahren, weitere<br />

Ausführungen bedarf es nicht, wenn keine Anhaltspunkte für eine<br />

Fehlmessung vorliegen.<br />

Auch das Fahrverbot ist angemessen. Zwar besteht in Ausnahmefällen die<br />

Möglichkeit unter Erhöhung der Geldbuße, von einem Fahrverbot<br />

abzusehen. Die bloße Behauptung des Verlusts der wirtschaftlichen<br />

Existenz reicht nicht aus.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 31.7.2006, 2 Ss OWi 423/06 = SVR 2008, 27<br />

Elektrorollstuhl<br />

Der Angeklagte befuhr mit seinem elektrobetriebenen Rollstuhl<br />

(Höchstgeschwindigkeit 6 km/h) den Bürgersteig. Eine entnommene<br />

Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,66 Promille. Das<br />

Amtsgericht hat ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die<br />

zur Bewährung ausgesetzt wurde. Darüber hinaus wurde ein Fahrverbot<br />

von drei Monaten angeordnet.<br />

Mit 1,66 Promille war der Betroffene absolut fahruntüchtig. Es ist<br />

angemessen, eine entsprechende Regelung wie beim Fahrradfahren bei<br />

1,66 Promille die absolute Fahruntüchtigkeit anzunehmen.<br />

Der Elektrorollstuhl ist ein Fahrzeug im Sinne von § 1 Abs. 2 StVG. Auf<br />

der anderen Seite ist der Betroffene auf die Benutzung des Rollstuhls<br />

angewiesen. Es bedarf daher einer besonderen<br />

Verhältnismäßigkeitsprüfung. Ohne Rollstuhl ist der Angeklagte nicht in<br />

der Lage, seine täglichen Geschäfte zur Deckung des Lebensunterhaltes<br />

zu erledigen oder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Von daher<br />

trifft ihn ein Fahrverbot härter als die Verhängung einer unbedingten<br />

Haftstrafe. Da der Betroffene aber auch im Besitz eines handbetriebenen<br />

Rollstuhles ist, ist das Fahrverbot noch verhältnismäßig.<br />

AG Löbau, Urteil vom 7.6.2007, 5 Ds 430 Js 17736/06 = SVR 2008, 266 =<br />

DAR 2008, 405 = NJW 2008, 530 = NZV 2008, 370 = NJW 2008, 530<br />

Rennen<br />

Gem. § 25 StVG in Verbindung mit Nr. 248 Bußgeldkatalog kommt bei<br />

Teilnahme an einem Rennen ein Fahrverbot in Betracht. Hiervon kann<br />

nicht mit der Begründung abgesehen werden, der Betroffene sei<br />

Fahranfänger und noch in der Probezeit und müsse daher mit besonders<br />

empfindlichen Maßnahmen nach § 2a StVG rechnen.<br />

Rennen sind auch wilde Rennen, nicht organisierte Rennen.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 29.11.2010, 3 Ss OWi 1756/10 = NZV<br />

2011, 208 = DAR 2011, 93 =VA 2011, 33 = VRR 2010, 71<br />

Berufliche und wirtschaftliche Nachteile<br />

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung hat der Betroffene berufliche<br />

und wirtschaftliche Nachteile als Folge eines angeordneten Fahrverbots<br />

regelmäßig hinzunehmen. Derartige Nachteile rechtfertigen daher kein<br />

Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern<br />

grundsätzlich nur Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z. B. ein<br />

drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust einer sonstigen<br />

wirtschaftlichen Existenzgrundlage. Hinsichtlich dieser Gründe bedarf es<br />

jedoch der positiven Feststellung durch den Tatrichter, der die<br />

entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen darlegen muss. Er hat<br />

Seite 123 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

die Angaben des Betroffenen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und im<br />

Urteil darzulegen, aus welchen Gründen er diese für glaubhaft erachtet.<br />

So muss dargestellt werden, wann ein Betroffener an seinem Arbeitsplatz<br />

erscheinen muss und wie die Verkehrsverbindungen vom Wohnort zur<br />

Arbeitsstelle sind. Werden Termine bei Kunden geltend gemacht, so<br />

müssen diese detailliert beschrieben werden. Ebenso müssen Angeben,<br />

dass die Inanspruchnahme eines Taxis finanziell nicht möglich ist,<br />

überprüft werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.10.2006, 2 Ss OWi 237/06 = VRS 112,<br />

131 = NZV 2007, 263<br />

Absehen vom Fahrverbot<br />

Will der Tatrichter im Regelfall von der Verhängung eines Fahrverbotes<br />

absehen, so muss er eine auf Tatsachen gestützte Begründung hierfür im<br />

Urteil niederlegen. Dabei muss zu erkennen sein, dass das Absehen<br />

einen Ausnahmecharakter hat.<br />

Das Absehen vom Fahrverbot ist ein Ausnahmefall. Dies kann erfolgen,<br />

wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen wesentliche<br />

Besonderheiten aufweist, wobei schon eine Vielzahl für sich genommen<br />

gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände ausreicht, wenn der<br />

Tatrichter aufgrund dessen die Überzeugung gewinnt, dass es der Warn-<br />

und Denkzettelfunktion eines Fahrverbotes im Einzelfall nicht bedarf. Im<br />

Urteil bedarf es hierzu einer eingehenden, auf Tatsachen gestützten<br />

Begründung. Das Gericht hat eine Geldbuße von 200,00 € festgesetzt und<br />

hat hierbei berücksichtigt, dass diese Geldbuße den vom Hilfsarbeiterlohn<br />

lebenden und drei Familienmitglieder unterhaltenden Betroffene<br />

besonders schwer trifft. Der Arbeitsplatz des Betroffenen, der in<br />

Wechselschicht arbeitet, liegt 15 km entfernt. Wegen der Wechselschicht<br />

ist dieser Arbeitsplatz nur schwer oder überhaupt nicht zu erreichen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 1.3.2007, 2 Ss OWi 82/07 = = SVR 2007,<br />

474 = NZV 2007, 258<br />

Beruft sich ein Betroffener in einem Verfahren darauf, dass der Verlust der<br />

Fahrerlaubnis zu einer Existenzgefährdung führt, muss sich das Gericht<br />

damit auseinandersetzen. Im Urteil muss angeführt werden, welchen Beruf<br />

der Betroffene ausübt und in wie weit er für seine berufliche Tätigkeit auf<br />

eine Fahrerlaubnis angewiesen ist.<br />

KG, Beschluss vom 09.06.2006, 3 Ws (B) 231/06 = VRS 111, 207<br />

Die Angaben im Urteil, der Betroffene sei Außendienstmitarbeiter und<br />

durch ein Fahrverbot sei seine wirtschaftliche Existenzgrundlage<br />

gefährdet, da sein wesentliches Einkommen auf Provisionsbasis verdient<br />

wird, sind nicht ausreichend. Es fehlen detaillierte Feststellungen dazu,<br />

wie sich die Tätigkeit im Einzelnen darstellt und ob nicht bei<br />

überregionalen Terminen die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel<br />

Seite 124 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

möglich ist. Auch alleine die Möglichkeit einer Kündigung ohne nähere<br />

Feststellungen reicht nicht aus. Insbesondere muss der Tatrichter<br />

beachten, wenn der Betroffene im laufenden Jahr mehrere<br />

Pflichtenverstöße begangen hat.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 2.11.2006, 2 Ss OWi 712/06 = VRS 112, 212<br />

= NZV 2007, 261 = VJ 2007, 11<br />

Allein die Feststellung, der Betroffene habe „große Angst um seinen<br />

Arbeitsplatz“ reicht zur Begründung für ein Absehen von Fahrverbot aus<br />

beruflichen Gründen nicht aus.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 6.3.2006, 3 Ss OWi 86/06 = SVR 2007, 150<br />

Vom Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn die Durchführung des<br />

Fahrverbotes für den Betroffenen mit schwer wiegenden Härten ganz<br />

außergewöhnlicher Art verbunden ist. Das Urteil muss aufgehoben<br />

werden, wenn sich aus den Urteilsgründen keine konkreten Tatsachen<br />

ergeben, die den Rückschluss zulassen, dass der Betroffene auch für den<br />

Fall, dass er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, der<br />

ernsthaften Gefahr ausgesetzt ist, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.<br />

Hierzu gehören: Urlaub, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Taxen,<br />

die Beschäftigung eines Aushilfsfahrers, Kreditaufnahme.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 14.2.2006, 3 Ss OWi 140/06 = SVR 2007,<br />

185<br />

Existenzgefährdung<br />

Ein Richter darf nicht auf ein Fahrverbot erkennen, wenn eine<br />

Existenzgefährdung unterstellt wird. Dies kann auch nicht mit der<br />

Begründung erfolgen, dass der Verkehrsverstoß an der oberen Grenze<br />

der Fahrlässigkeit erfolgte.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 22.1.2009, 2 Ss OWi 5/09 = NZV 2010, 46<br />

Für die Feststellung eines drohenden Arbeitsplatzverlustes eines<br />

Berufskraftfahrers infolge eines einmonatigen Fahrverbotes reicht<br />

ausnahmsweise dann alleine die Verlesung einer sogenannten<br />

Arbeitgeberbescheinigung aus, wenn der Arbeitgeber die Kündigung ohne<br />

Angaben von Gründen in der Probezeit jederzeit aussprechen darf. Hier<br />

bedarf es keiner Vernehmung des Arbeitgebers als Zeuge. Vorliegend war<br />

dem Betroffenen vorgeworfen worden, innerhalb einer geschlossenen<br />

Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 33 km/h überschritten<br />

zu haben. Er wurde zu einer Geldbuße von 300,00 €. Vom Fahrverbot<br />

wurde abgesehen.<br />

AG Lüdinghausen, Beschluss vom 12.11.2007, 19 OWi – 89 Js 1767/07 –<br />

183/07 = NZV 2008, 105 = DAR 2008,161 = VRR 1008, 117<br />

Wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers<br />

kann sowohl die Geldbuße erhöht werden, als auch ein Fahrverbot<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

angeordnet werden. Beruft sich ein Betroffener darauf, dass ein<br />

Fahrverbot existenzgefährdend sei, darf der Tatrichter dies nicht ohne<br />

weiteres übergehen. Er hat das Vorbringen von Amts wegen im Rahmen<br />

seiner Aufklärungspflicht aufzuklären. Ein solcher Aufklärungsmangel ist<br />

bereits auf die Sachrüge hin zu überprüfen.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 21.9.2007, 1 Ss 157/07 = VRS 113, 339 =<br />

NZV 2008, 372<br />

§ 24a StVG<br />

Auch in Fällen des § 24a StVG muss sich der Tatrichter davon<br />

überzeugen, dass ein Fahrverbot nicht zur Existenzvernichtung des<br />

Betroffenen führt. Ein Absehen vom Fahrverbot kommt allerdings nur in<br />

Härtefällen ganz außergewöhnlich Art oder wegen ganz besonderer<br />

Umstände des Tatgeschehens in Betracht. Die Angaben eines<br />

Betroffenen, es drohe im Falle des Fahrverbots ein Existenzverlust, darf<br />

der Amtsrichter aber nicht ungeprüft übernehmen<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 20.8.2008, 3 Ss OWi 966/08 = BA 2008,<br />

394 = DAR 2009, 39 = VRR 2009, 33 = VA 2009, 48<br />

wirtschaftliche Verhältnisse<br />

Ist der Betroffene Präsident eines Arbeitgeberverbandes und GmbH<br />

Geschäftsführer kann das Gericht auch ohne weitere Erkenntnisse zu den<br />

wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen davon ausgehen, dass<br />

dem Betroffenen die Möglichkeit der Anstellung eines Fahrers für die<br />

Dauer des Fahrverbots möglich ist.<br />

AG Lüdinghausen, Urteil vom 22.09.2008, 19 OWi – 89 Js 850/08 – 89/08<br />

= NZV 2009, 251 = VA 2009, 102 = VRR 2009, 199<br />

Friseur<br />

Das AG hatte vom Fahrverbot abgesehen und die Geldbuße verdoppelt<br />

mit der Begründung, der Betroffene als Friseur mache des Öfteren<br />

Hausbesuche. Es ist nicht ausreichend, dass das AG ungeprüft die<br />

Einlassung des Betroffenen übernimmt. Es gilt der Grundsatz, dass<br />

berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge des Fahrverbotes<br />

gewollt sind. Gleiches gilt für die ehrenamtliche Tätigkeit des Betroffenen.<br />

Die Unterstützung eines pflegebedürftigen Angehörigen erfordert<br />

detaillierte Angaben zum Umfang der erforderlichen Hilfeleistung und die<br />

auf Tatsachen gestützte Feststellung, dass diese Hilfeleistung von keiner<br />

anderen, unentgeltlichen Betreuungsperson gewährt werden könne.<br />

Weiter muss dargestellt werden, ob dem Bedürftigen das Engagement<br />

einer kostenpflichtigen Hilfe zugemutet werden kann.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 23.4.2009, 2 Ss OWi 213/09 = BA 2009, 337<br />

= VRR 2009, ?<br />

Seite 126 von 150


Absehen vom Fahrverbot<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Das AG hat bei Verdopplung der Geldbuße auf ein Fahrverbot bei einem<br />

Fahrzeuglackierer abgesehen. Die Rechtsbeschwerde der<br />

Staatsanwaltschaft hatte Erfolg. So ist es bei Selbständigen nicht<br />

ausreichend, wenn das AG keine Feststellungen zu den privaten<br />

Vermögensverhältnissen trifft.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.2007, 3 Ss OWi 414/07 = VRR 2008,<br />

115<br />

Macht ein Betroffener im Rahmen seiner Einlassung eine<br />

außergewöhnliche Härte dahingehend geltend, dass sein Arbeitsplatz<br />

gefährdet ist, muss sich das AG hiermit auseinandersetzen. Es reicht nicht<br />

aus, wenn das AG lediglich mitteilt, dass der Betroffene wegen eines<br />

Fahrverbotes seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht<br />

nachkommen könne. Der Betroffene muss allerdings darstellen, dass er<br />

einer drohenden Kündigung mit angemessenen Mitteln nicht<br />

entgegentreten kann. So muss er beispielsweise Urlaub nehmen, dies ist<br />

jedoch nur möglich, wenn feststeht, dass er tatsächlich noch über<br />

ausreichend Jahresurlaub verfügt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.8.2007, 2 Ss OWi 527/07 = VRS 113, 315<br />

Maßnahmen des Betroffenen<br />

Das AG hat den Betroffenen zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot von<br />

einem Monat verurteilt. Der Betroffene hatte vorgetragen, als<br />

Selbstständiger mit 15 Angestellten berufliche und wirtschaftliche<br />

Schwierigkeiten in Folge des Fahrverbotes zu bekommen.<br />

Das Gericht stellte klar, dass ein Betroffener verpflichtet ist, sämtliche<br />

Alternativmaßnahmen zu ergreifen und zu prüfen: Urlaub, öffentliche<br />

Verkehrsmittel und Taxis, Heranziehung Angestellter oder<br />

Familienangehöriger als Fahrer, Beschäftigung eines Aushilfsfahrers,<br />

Ausnutzen der 4-Monats-Frist und eine Kombination dieser Maßnahmen.<br />

Für hierdurch auftretende finanzielle Belastungen muss ein Kredit<br />

aufgenommen werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 25.4.2006, 3 Ss OWi 95/06 = SVR 2007, 274<br />

Kreditaufnahme<br />

Die Rechtsbeschwerde gegen ein Absehen vom Fahrverbot seitens der<br />

Staatsanwaltschaft hatte Erfolg. Berufliche und wirtschaftliche<br />

Schwierigkeiten als Folge eines Fahrverbotes rechtfertigen nur<br />

ausnahmsweise ein Absehen vom Verhängen dieses Regelfahrverbotes.<br />

Bei auftretenden finanziellen Belastungen muss notfalls ein Kredit<br />

aufgenommen werden. Insbesondere muss aus einem Urteil erkennbar<br />

sein, dass auch ein Mix verschiedener Positionen nicht zum Erfolg führt.<br />

Seite 127 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.1.2008, IV-5 Ss (OWi) 139/07-(OWi)<br />

54/05 IV = VRR 2008, 234 = VA 2008, 119<br />

Urlaub<br />

Will der Tatrichter auf ein in der Regel vorgesehenes Fahrverbot<br />

verzichten, muss seine Entscheidung auf Tatsachen begründet sein.<br />

Ein Absehen vom Fahrverbot scheidet aus, wenn der Betroffene einen<br />

gegebenenfalls drohenden Arbeitsplatzverlust mit zumutbaren Mitteln<br />

begegnet kann: So muss er in Kauf nehmen, dass das Fahrverbot<br />

während seines Urlaub vollstreckt wird. Hierzu muss das AG Feststellung<br />

zum Resturlaub erheben. Auch muss der Amtsrichter feststellen, ob<br />

öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung stehen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 07.08.2008, 2 Ss OWi 505/08 = NZV 2008,<br />

645 = DAR 2008, 708 = VRS 115, 204 = VA 2008, 193 = VRR 2008, 435<br />

Fahrverbot und Kreditaufnahme<br />

Das OLG hebt ein Urteil des AG auf und spricht die Regelgeldbuße sowie<br />

ein Fahrverbot von einem Monat aus (mit Vollstreckungsaufschub). Auch<br />

fehlende Eintragungen im Verkehrszentralregister und ein Geständnis<br />

beseitigen die Indizwirkung des Regelbeispiels nicht. Eine besondere<br />

Härte liege nicht vor, da der Betroffene ohne weiteres auch einen Kredit<br />

aufnehmen kann. Die Folgen eines Fahrverbots sind grundsätzlich als<br />

selbstverschuldet hinzunehmen.<br />

OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.10.2009, 2 Ss OWi 239/09 = SVR 2010,<br />

227 = VRR 2010, 74 = NZV 2010, 311<br />

Kredit: Eine Kreditaufnahme scheint bei abhängig Beschäftigten in der<br />

Regel unzumutbar zu sein, bei Selbstständigen und Freiberuflern muss die<br />

Möglichkeit einer Kreditaufnahme positiv festgestellt werden.<br />

Kein Fahrverbot, Augenblickversagen<br />

Beruft sich ein Betroffener darauf, ein Verkehrsschild übersehen zu<br />

haben, steigt zwar das objektive Gewicht des Verkehrsverstoßes mit dem<br />

Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, nicht jedoch die subjektive<br />

Vorwerfbarkeit. Diese besteht darin, dass der Betroffene die<br />

geschwindigkeitsbeschränkenden Verkehrszeichen übersehen hat. Ein<br />

Fahrverbot kommt nur dann in Betracht, wenn gerade diese Fehlleistung<br />

eine grob pflichtwidrige Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers ist.<br />

Entscheidend kann hierfür sprechen, dass ein Verkehrszeichen mehrfach<br />

wiederholt wurde oder beidseitig aufgestellt war.<br />

OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.7.2009, 2 Ss (OWi) 87 B/09 = VRR<br />

2010, 72 = VRS 117, 310<br />

Der Tatrichter muss bereits dann ein mögliches Augenblicksversagen<br />

prüfen, wenn der Betroffene sich dahingehend einlässt, er habe das die<br />

Geschwindigkeit beschränkende Schild nicht gesehen. Allein die<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Überschreitung der aus Sicht des Betroffenen geltenden hypothetischen<br />

Höchstgeschwindigkeit führt nicht zur Annahme einer groben<br />

Pflichtverletzung.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 19.04.2007, 1 Ss OWi 8/07 = SVR 2008, 311<br />

Vom Fahrverbot konnte abgesehen werden. Der Betroffene hat sich wie<br />

folgt eingelassen:<br />

„Er fädelte sich von einer Schnellstraße kommend, die autobahnähnlich<br />

ausgebaut ist, auf die „Limesspange“ ein. Hierbei musste er sich in der<br />

Einfädelspur, um Stau oder Unfall zu vermeiden, auf den von hinten<br />

kommenden Verkehr auf der Hauptstraße konzentrieren. Das die<br />

Geschwindigkeit beschränkende Schild war nur einmal und das genau am<br />

Ende der Einfädelspur angebracht. Zu dieser Zeit ist die Aufmerksamkeit<br />

in besonderem Maße abgelenkt.“<br />

Das AG schließ hieraus, dass lediglich ein Augenblickversagen vorliegt.<br />

Im Falle eines beharrlichen Verkehrsverstoßes muss der zweite Verstoß<br />

subjektiv grob fahrlässig sein. Dies scheidet vorliegend aus.<br />

Ist darüber hinaus eine Geschwindigkeitsbegrenzung lediglich aus<br />

Lärmschutzgründen angeordnet, so kann selbst bei grob fahrlässigem<br />

Nichtbeachten nicht ohne weiteres ein Fahrverbot indiziert sein<br />

(Hentschel, 38. Auflage, § 25 StVG, Anmerkung 22).<br />

AG Frankfurt, Urteil vom 26.10.2006, 903 OWi 434 Js 13759/06 =<br />

Mitteilungsblatt 2007, 128<br />

Rotlichtverstoß<br />

Vom Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn außergewöhnliche<br />

Umstände vorliegen, die einer groben Pflichtwidrigkeit widersprechen.<br />

Dies gilt insbesondere bei Augenblicksversagen, wenn der Betroffene an<br />

einer mehrspurigen Ampelanlage auf das falsche Lichtzeichen reagiert. In<br />

diesen Fällen kann vom Fahrverbot abgesehen werden.<br />

AG Frankfurt/Main, Urteil vom 28.11.2007, 912 B-OWi 37451/07 = NZV<br />

2008, 371<br />

Mitzieheffekt reicht alleine nicht aus<br />

Allein die Feststellung eines Mitzieheffektes reicht nicht aus, von einem in<br />

der Regel gebotenen Fahrverbot abzusehen. Es müssen weitere<br />

Umstände hinzukommen.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 24.07.2008, 3 Ss OWi 1774/07 = NZV<br />

2008, 596 = VA 2008, 196 = VRR 2008, 433<br />

1. Nur die Tatsache, dass der Betroffene das Rotlicht zunächst beachtet,<br />

dann jedoch auf Grund einer Fehlentscheidung als Frühstarter bei noch<br />

anhaltender Rotlichtstraße über die Ampelanlage fährt, rechtfertigt noch<br />

nicht das Absehen vom Fahrverbot.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

2. Ein Ausnahmefall von der Regel, dass bei einem qualifizierten<br />

Rotlichtverstoß ein Fahrverbot anzuordnen ist, kann jedoch vorliegen,<br />

wenn das missachtete Rotlicht gerade nicht im Schutz des Querverkehrs<br />

dient, sondern ausschließlich eine den Verkehrsfluss regelnde Funktion<br />

erfüllt und deshalb eine auch abstrakte Gefährdung anderer<br />

Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.<br />

Nr. 1 32.2 BKat will vorrangig Kraftfahrer erfassen, die bewusst das<br />

Gelblicht missachten, weil sie hoffen, Notfalls unter Erhöhung der<br />

Geschwindigkeit, noch bei spätem Gelb oder zumindest frühem Rot die<br />

Haltelinie passieren und die Kreuzung überqueren können. Ein solches<br />

Verhalten, dass zu besonders schwerwiegenden Unfällen führen kann,<br />

wollte der Verordnungsgeber nicht nur dann schärfer ahnden, wenn eine<br />

konkrete Gefahr eintritt, sondern auch dann, wenn die Rotphase bereits<br />

länger als eine Sekunde dauert- weil in solchen Fällen eine abstrakte<br />

Gefährdung naheliegt.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 29.6.2009, 2 Ss OWi 573/09 = DAR 2009,<br />

653 = NZV 2009, 616 = NJW 2009 3736 = VA 2009, 209 = VRR 2010, 34<br />

Grundsätzlich kann sich ein Betroffener nicht auf Augenblicksversagen<br />

berufen, wenn er die an sich zulässige Höchstgeschwindigkeit (innerorts<br />

50 km/h) um 30 % überschreitet. Will das AG gleichwohl vom Fahrverbot<br />

absehen, muss es ausführlich sämtliche Umstände und Gegebenheiten<br />

schildern.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 1.6.2010, 3 Ss OWi 814/10=VA 2010, 193<br />

Fußgängerampel<br />

Die Betroffene war von einer Kreuzung abgebogen und hatte kurz nach<br />

der Kreuzung an einem Rotlicht angehalten, um Fußgänger die Straße<br />

queren zu lassen. So dann ist sie weitergefahren, obwohl die<br />

Fußgängerampel noch Rotlicht zeigte.<br />

Dies ist ein qualifiziertes Rotlichtverstoß. Auch in diesen Fällen ist eine<br />

zumindest abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglich.<br />

Das Verhalten minderte die Gefährlichkeit nicht so stark, dass ein<br />

Absehen vom Regelfahrverbot geboten ist. Eine abstrakte Gefährdung für<br />

etwaige querende Fußgänger wird so nicht ausgeschlossen. Um die<br />

Tageszeit (18.00 Uhr) ist erfahrungsgemäß Fußgängerverkehr nicht nur<br />

rudimentär vorhanden. Plötzlich, noch auf die Fahrbahn tretende, vielleicht<br />

sogar rennende, Fußgänger können jederzeit auftreten.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 19.10.2009, 3 Ss OWi 763/09<br />

Linksabbieger<br />

Das Rotlicht für Linksabbieger verbietet nicht nur die Einfahrt in die<br />

Kreuzung auf ihr sondern untersagt jedwede Benutzung dieser Spur im<br />

gesamten Kreuzungsbereich. Dies gilt auch, wenn der Fahrzeugführer erst<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

nach Einfahrt in den Kreuzungsbereich von der freigegebenen<br />

Geradeausspur auf die linke Spur abbiegt.<br />

Allerdings führt es nicht zu einem Fahrverbot, wenn eine Gefährdung nicht<br />

gegeben war.<br />

KG, Beschluss vom 7.4.10, 3 Ws (B) 115/10 – 2 Ss 40/10 = NZV 2010,<br />

361.= VRS 110, 48<br />

Benutzung eines Sonderstreifens beim Rotlicht-Verstoß<br />

Benutzt ein Fahrzeugführer unberechtigt einen Sonderstreifen (z.B. für<br />

Linienbusse), gelten für ihn die Lichtzeichen des allgemeinen<br />

Fahrverkehrs auf den übrigen Fahrstreifen. Fährt er allerdings los, ist auch<br />

bei einer Rotlichtphase von mehr als einer Sekunde eine Gefährdung des<br />

Querverkehrs ausgeschlossen, sodass gegebenenfalls eine<br />

Unterschreitung der Regelgeldbuße und ein Absehen vom Fahrverbot<br />

möglich ist.<br />

KG, Beschluss vom 21.5.2010, 3 Ws (B) 138/10=VA 2010, 209<br />

Rotlichtverstoß<br />

Bei Lichtzeichenanlagen gilt für jede Spur einer Fahrbahn nur das dieser<br />

Spur zugeordnete Signal. Aus diesem Grunde ist auch ein Kraftfahrer, der<br />

auf einem Linksabbiegerstreifen, für den Rot gilt, in die Kreuzung einfährt<br />

und dann aber geradeaus weiterfährt zurecht wegen einer<br />

Ordnungswidrigkeit verfolgt. Das entsprechende Rotlicht sperrt die<br />

Einfahrt in die Kreuzung ohne jede Einschränkung. In solchen Fällen kann<br />

aber von einem an sich verwirkten Fahrverbot ohne Erhöhung der<br />

Geldbuße abgesehen werden.<br />

KG, Beschluss vom 18.3.2009, 3 Ws (B) 46/09 = VRS 117, 168<br />

Kein Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer<br />

Liegt ein Zeitraum von 15 Monaten zwischen der Tat und der<br />

Hauptverhandlung und hat der Angeklagte in dieser Zeit ohne weitere<br />

Beanstandungen am Straßenverkehr teilgenommen, kommt ein Absehen<br />

vom Regelfahrverbot in Betracht.<br />

Mit dieser Entscheidung „rettete“ das AG (Bensheim den Führerschein<br />

eines Autofahrers. Es verwies dabei auf die Rechtsprechung der<br />

Obergerichte. Danach könne ein Fahrverbot in der Regel nicht mehr<br />

verhängt werden, wenn ein langer Zeitraum zwischen dem<br />

Verkehrsverstoß und der Ahndung liege. Üblicherweise werde das ab<br />

einem Zeitraum von zwei Jahren angenommen. Allerdings habe das<br />

Oberlandesgericht Hamm schon vor einiger Zeit einen Zeitraum von rund<br />

22 Monaten für ausreichend erachtet. Das AG Bensheim hat diese Grenze<br />

jetzt noch weiter gesenkt.<br />

AG Bensheim, Urteil vom 4.4.06, 8229 Js 22570/05 5 Ds IX,<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

23 Monate<br />

Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines<br />

Kraftfahrzeuges mit einer AAK von mehr als 0,25 mg/l zu einer Geldbuße<br />

von 250,00 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.<br />

Auf die Rechtsbeschwerde hin entfiel das Fahrverbot. Vorliegend ist ein<br />

Abweichen von der Regelfolge gerechtfertigt, weil unter Beachtung des<br />

Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Verhängung eines Fahrverbotes<br />

nicht mehr geboten ist. Das Fahrverbot hat nach der gesetzgeberischen<br />

Intention eine Erziehungsfunktion und ist als „Denkzettel- und<br />

Besinnungsmaßnahme“ gedacht. Von ihm soll eine warnende Wirkung auf<br />

den Betroffenen ausgehen. Aus diesem Grunde kann das Fahrverbot<br />

seinen Sinn verlieren, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und dem<br />

Wirksamwerden der Methode ein erheblicher Zeitraum liegt und in der<br />

Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten festgestellt wird. Der<br />

spezialpräventive Zweck kann in diesen Fällen entfallen.<br />

Im vorliegenden Verfahren liegen zwischen der Tatbegehung und der<br />

Ahndung durch das AG etwa dreiundzwanzig Monate. Die lange<br />

Verfahrensdauer beruht auf Gründen, die außerhalb des<br />

Einflussbereiches des Betroffenen liegt.<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.6.2007, 1 Ss 44/07 = SVR 2008, 269 =<br />

DAR 2007, 528 = VRS 113, 123<br />

2 Jahre<br />

Eine Kreditaufnahme ist nur dann ausnahmsweise angezeigt, wenn sie<br />

zumutbar ist. Bei abhängig Beschäftigten dürfte dies in der Regel nicht der<br />

Fall sein. 1 Bei Selbstständigen hingegen kann die Kreditaufnahme ein<br />

geeignetes und zumutbares Mittel sein.<br />

Ob bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder alleine oder<br />

zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot<br />

rechtfertigt, ist eine Frage des Einzelfalles. Der Sinn eines Fahrverbot<br />

dürfte jedoch dann in Frage stehen, wenn die zu ahndende Tat mehr als<br />

zwei Jahre zurück liegt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 30.4.2007, 2 Ss 218/07 = VRS 113, 68 = zfs<br />

2007, 474 = NZV 2007, 583 = VRR 2007, 275.<br />

Ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren rechtfertigt es im Einzelfall, vom<br />

Fahrverbot abzusehen.<br />

KG, Beschluss vom 5.9.2007, 2 Ss 193/07 – 3 Ws (B) 459/07 = DAR<br />

2007, 711<br />

1 OLG Koblenz, NJW 2004, 1400<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Ein Fahrverbot hat seinen Sinn verloren, wenn zwischen der<br />

Zuwiderhandlung und der Anordnung ein erheblicher Zeitraum liegt, ohne<br />

dass der Betroffene die hierfür maßgeblichen Umstände wesentlich<br />

beeinflusst hat. Weitere Voraussetzung ist, dass er sich in der<br />

Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat. Ein solcher Zeitraum ist auf<br />

jeden Fall nach Ablauf von zwei Jahren gegeben.<br />

KG, Beschluss vom 25.02.2008, 3 Ws (B) 41/08 und 3 Ws 42/08 = VRS<br />

114, 381 = VA 2008, 179<br />

Andere Oberlandesgerichte akzeptieren auch kürzere Zeiträume (s. OLG<br />

Karlsruhe, VA 2007, 164). Wird ein Fahrverbot wegen der langen<br />

Verfahrensdauer nicht angeordnet, ist kein Grund vorhanden, die<br />

Geldbuße zu erhöhen.<br />

Enthält das Urteil des AGs keine Gründe und liegen die<br />

Voraussetzungen des § 77b OWiG nicht vor, muss das Urteil auf die<br />

Sachrüge hin aufgehoben werden. Nach einer Verfahrensdauer von 2<br />

Jahren kann ein Fahrverbot nicht mehr angeordnet werden, wenn es in<br />

der Zwischenzeit zu keinen weiteren Vorfällen gekommen ist.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 15.5.2008, 2 Ss OWi 681/08 = zfs 2008,<br />

469<br />

Die Angabe der Blattzahl reicht nicht aus, um eine Bezugnahme im Urteil<br />

gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO wirksam zu veranlassen.<br />

Vorsatz bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung liegt vor, wenn die<br />

zulässige Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h überschritten wird. Die 2-<br />

Jahresfrist ist kein Grund zum Absehen vom Fahrverbot, kann aber ein<br />

Anhaltspunkt sein.<br />

OLG Koblenz, Beschluss vom 2.10.2009, 2 Ss Bs 100/09= VRR 2010,<br />

194 = NZV 2010, 212<br />

2 Jahre nur Anhaltspunkt<br />

Der Zeitablauf von zwei Jahren führt nicht automatisch zu einem Absehen<br />

vom Fahrverbot. Es ist lediglich ein Anhaltspunkt.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 16.7.2008, 2Ss OWi 835/08 = DAR 2008,<br />

651 = zfs 2008, 591 = VA 2008, 194<br />

StGB § 44<br />

Ein Zeitraum von zwei Jahren und sechs Monaten ist zu lang für die<br />

Anordnung eines Fahrverbotes. Der spezialpräventive Zweck ist in diesen<br />

Fällen nicht mehr zu erreichen.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 23.7.2007, 2 Ss 224/07 = DAR 2007, 714 =<br />

VRS 113, 232 = VA 2007, 194<br />

Nötigung – zwei Jahre und vier Monate<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Der Betroffene war durch Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 70<br />

Tagessätzen verurteilt worden wegen Nötigung, gefährlichen Eingriffs in<br />

den Straßenverkehr sowie wegen Beleidigung. Außerdem wurde ein<br />

Fahrverbot von drei Monaten angeordnet. Auf die Berufung hin wurde das<br />

Fahrverbot auf einen Monat reduziert.<br />

Auf die Revision hin wurde der Betroffene wegen gefährlichen Eingriffs in<br />

den Straßenverkehr nicht mehr verurteilt. Eine neue Hauptverhandlung<br />

führte wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 40<br />

Tagessätzen, ein Fahrverbot von einem Monat wurde angeordnet.<br />

Mit der erneuten Revision greift der Angeklagte überwiegend das<br />

Fahrverbot an. Die zulässige Revision wird als eine Revision beschränkt<br />

auf den Rechtsfolgenausspruch behandelt.<br />

Hinsichtlich des Fahrverbotes hat die Revision Erfolg. Nach mehr als zwei<br />

Jahren und vier Monaten bedarf es einer besonderen Begründung,<br />

weshalb ein Fahrverbot als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme noch<br />

notwendig ist. Wird dies nicht ausreichend dargestellt, kann das<br />

Oberlandesgericht auch alleine über den Wegfall des Fahrverbots<br />

entscheiden.<br />

Thüringer OLG; Urteil vom 19.7.2006, 1 Ss 113/06 = VRS 112, 351<br />

Keine Erhöhung der Geldbuße<br />

Das AG hat den Betroffenen zu einer Geldbuße von 150,00 € und einem<br />

Fahrverbot verurteilt. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte<br />

Erfolg. Daraufhin hat das AG den Betroffenen wegen fahrlässiger<br />

Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zur einer Geldbuße von 300,00<br />

€ verurteilt und von einem Fahrverbot wegen langer Verfahrensdauer<br />

abgesehen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. Erfolgt<br />

das Absehen vom Fahrverbot wegen langer Verfahrensdauer, ist kein<br />

Raum mehr für eine Erhöhung der Geldbuße.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 2.7.2007, 3 Ss OWi 360/07 = NZV 2007, 635<br />

= zfs 2007, 591<br />

Verkehrsgerechtes Verhalten<br />

Lichtbilder werden nur dann zum Bestandteil des Urteils, wenn die<br />

Bezugnahme eindeutig und zweifelsfrei ist.<br />

Fahrverbot: ein Fahrverbot kann auch nach längerem Verfahren<br />

angeordnet werden. Es hat allerdings den Sinn verloren, wenn die zu<br />

ahndende Tat lange zurückliegt, die lange Verfahrensdauer außerhalb des<br />

Einflussbereichs des Betroffenen liegt und der Betroffene sich in der<br />

Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 10.10.2007, 1 Ss 356/06 = NZV 2008, 165<br />

= zfs 2008, 411<br />

Drei Jahre<br />

Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung bezüglich des Fahrverbots<br />

aufgehoben. Die Akte war beim Beschwerdegericht außer Kontrolle<br />

geraten, sodass dessen Beschwerde erst 21 Monate nach Eingang der<br />

Rechtsbeschwerde beim Beschwerdegericht bearbeitet werden konnte.<br />

Feststellungen dazu, ob der Betroffene sich in der Zwischenzeit<br />

verkehrsgerecht verhalten hat, waren daher nicht mehr nötig, da der<br />

Vorfall bereits mehr als drei Jahre zurücklag.<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 12.6.2008, 2 Ss (OWi) 271/06 I 169/06 =<br />

StV 2009, 363 = VA 2009, 11<br />

§ 44 StGB und 2 ½ Jahre<br />

Nach einem Zeitraum von 2 ½ Jahren nach der Tat (fahrlässige<br />

Gefährdung des Straßenverkehrs) kommt eine Verhängung eines<br />

Fahrverbots nicht mehr in Betracht.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 07.02.2008, 4 Ss 21 08 = BA 2009, 46<br />

Rotlicht-1 Jahr<br />

Ein Absehen vom Fahrverbot ist möglich bei einem Berufskraftfahrer, der<br />

2.000 € netto verdient, Angst um seinen Arbeitsplatz hat, dessen Ehefrau<br />

geringfügig beschäftigt ist und der Unterhalt für drei minderjährige Kinder<br />

aufzubringen hat. Dies ist insbesondere möglich, wenn bislang keine<br />

Eintragung im Verkehrszentralregister vorliegt, der Betroffene geständig ist<br />

und der Vorfall mehr als ein Jahr zurückliegt.<br />

AG Wuppertal, Urteil vom 25.1.2010, 28 OWi 923 Js 946/09 (58/10) =<br />

VerkA 2010, 108<br />

Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen im Bußgeldverfahren<br />

Auch im Bußgeldbereich muss eine Kompensation für rechtsstaatswidrige<br />

Verfahrensverzögerungen geschaffen werden. Eine<br />

Verfahrensverzögerung von sieben Monaten, die allen von der Justiz zu<br />

vertreten ist, rechtfertigt aber noch kein Absehen vom Fahrverbot.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 04.12.08, 3 Ss OWi 1386/08 = NZV 2009,<br />

201 = zfs 2009, 229 = VA 2009, 82 = VRR 2009, 152<br />

Vollstreckungslösung bei Verzögerung<br />

Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen im Bußgeldverfahren<br />

führen dazu, dass entsprechend der Anwendung der Vollstreckungslösung<br />

ein Fahrverbot teilweise als vollstreckt gilt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 24.3.2011, III-3 RBs 70/10 = DAR 2011, 409<br />

= VRR 2011, 232 = VA 2011, 137<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Sonstige Gründe<br />

Aufbauseminar<br />

Vom Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn ein Betroffener nach<br />

Begehung einer Ordnungswidrigkeit an einem Aufbauseminar für<br />

Kraftfahrer teilnimmt, welches zur Gewährung eines Punktabzuges von<br />

zwei Punkten im Verkehrszentralregister gemäß § 4 Abs. 4 StVG führt.<br />

Dies gilt auch in Fällen einer beharrlichen Verletzung der Pflichten eines<br />

Kraftfahrers.<br />

AG Esslingen, Urteil vom 5.3.2008, 5 OWi 75 Js 7057/08 = Mitteilungsblatt<br />

2008, 94<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 17.3.2008, 2 Ss OWi 265/08 = VRS 114,<br />

379 = VRR 2008, 272 = VA 2008, 120<br />

Allein der Umstand, dass ein betroffener Kraftfahrer schwerbehindert ist<br />

und auf Gehhilfen angewiesen ist, rechtfertigt ein Absehen vom<br />

Fahrverbot nicht. Dies gilt auch, wenn er an einem Aufbauseminar<br />

teilgenommen hat.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.2008, 5 Ss OWi 280/08 = VA 2008,<br />

194<br />

Besondere Umstände<br />

Betroffen war die Geschwindigkeitsüberschreitung von 32 km/h. Das AG<br />

hat vom Fahrverbot unter Verdreifachung der Regelgeldbuße abgesehen.<br />

Das Urteil ist rechtskräftig.<br />

Der Betroffene war verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten, als<br />

Krankentransportfahrer bei 13 Wochenstunden erzielt er ein monatliches<br />

Einkommen von 324,00 €, daneben eine Rente von 1.500,00 €. Bei der<br />

Fahrt transportierte er eine 80-jahre alte Dialysepatientin vom<br />

Krankenhaus zurück in ihre Wohnung, wobei während der Fahrt eine<br />

Blutung auftrat.<br />

AG Bochum, Urteil vom 14.11.2007, 33 OWi 54 Js 945/07 – 385/07 = VRR<br />

2008, 117<br />

geringe Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit<br />

Das Fahrverbot entfällt nicht, weil der Grenzwert nur um 1 km/h<br />

überschritten wurde.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.6.2009, 3 Ss OWi 68/09 = VRR 2009, 430<br />

Kranke Mutter<br />

Ein Fahrverbot muss nicht angeordnet werden, wenn der Betroffene in<br />

Anbetracht des schlechten Zustandes seiner Mutter diese möglichst<br />

schnell erreichen möchte und hierbei nicht immer die notwendige Obacht<br />

auf Geschwindigkeitsbeschränkungen hatte. Außerdem war die Messung<br />

in unmittelbarer Nähe des Ortausganges.<br />

Seite 136 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

AG Bad Salzungen, Urteil vom 19.09.07, 310 Js 8653/07 6 OWi = zfs<br />

2008, 168<br />

Schwerbehinderte<br />

Der Betroffene ist zu 50 % schwer behindert und verkehrsrechtlich nicht in<br />

Erscheinung getreten. Er verfügt über eine monatliche Rente von ca.<br />

950,00 €. Wegen eines Verstoßes gegen § 37 Abs. 2, 1 Abs. 2 StVO<br />

wurde er zu einer Geldbuße von 125,00 € verurteilt und ein Fahrverbot<br />

angeordnet. Der Betroffene hat nach 20 Sekunden ein Rotlicht überfahren.<br />

Augenblickversagen lag nicht vor. Der Betroffene hat ausgeführt, er fahre<br />

seit 37 Jahren Auto, sei zu 50 % gehbehindert, seine Wohnung liege 500<br />

Meter von einer Bushaltestelle entfernt auf einem Berg. Fahrten zum<br />

Einkaufen mit einem Taxi seien zu teuer, außerdem liege der Vorfall<br />

bereits mehr als 1 Jahr zurück. Die Überlegungen des AGs, von einem<br />

Fahrverbot nicht abzusehen, halten einer Überprüfung stand. Auch die<br />

Tatsache, dass der Vorfall bereits 19 Monate zurückliegt rechtfertigt ein<br />

Absehen nicht.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2006, 2 Ss OWi 687/06 = VRS 112,<br />

282<br />

Fahrverbot für allein erziehende Apothekerin<br />

Die Tatsache, dass die Kinder der Betroffenen in Nachbarstädten zur<br />

Schule gehen, rechtfertigt kein Absehen vom Fahrverbot.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 31.1.2008, 2 Ss OWi 7/08 = VRS 114, 295 =<br />

NZV 2008, 308<br />

Verbotsirrtum OWi<br />

Ein Irrtum über die objektiv beschränkte Wirkung von Zusatzschildern<br />

kann eine Ausnahme vom Fahrverbot rechtfertigen, wenn die<br />

Fehlvorstellung des Betroffenen angesichts der festgestellten<br />

Beschilderung nicht als fernliegend gewertet werden muss.<br />

OLG Bamberg, Beschluss vom 11.7.2007, 3 Ss OWi 924/07 = NZV 2007,<br />

633 = VA 2007, 185 = VRR 2007, 432<br />

Verstoß gegen die Richtlinien<br />

Wird ein Geschwindigkeitsmessgerät entgegen den Richtlinien unmittelbar<br />

nach der Ortstafel eingesetzt, so ist dies ein besonderer Tatumstand, der<br />

die Annahme einer Ausnahme vom Fahrverbot rechtfertigt.<br />

OLG Dresden, Beschluss vom 27.8.2009, Ss OWi 410/09 = DAR 2010, 29<br />

Wird innerhalb von Toleranzgrenzen gemessen, muss das AG sich mit der<br />

Frage auseinandersetzen, ob Ausnahmen von den Richtlinien vorlagen.<br />

Um feststellen zu können, ob tatsächlich keine Ausnahme vom Regelfall<br />

vorliegt, muss sich das AG damit aber auseinandersetzen. Eine<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Geschwindigkeitsmessung innerhalb von 98 m hinter einem Ortsschild ist<br />

ungewöhnlich, aber nicht unzulässig. In Baden-Württemberg ist ein<br />

Mindestabstand von 150 m vorgesehen. Erlasse sind zwar lediglich<br />

innerdienstliche Vorschriften, sie sichern jedoch auch eine<br />

Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer bei vergleichbaren<br />

Kontrollsituationen,<br />

OLG Stuttgart, Beschluss vom 3.2.2011, 2 Ss 8/11 = DAR 2011, 220 =<br />

VRR 2011, 235 = VA 2011, 122<br />

Aufbauseminar<br />

Hat der Betroffene an einem Aufbauseminar für Punkteauffällige (ASP)<br />

teilgenommen, kann davon ausgegangen werden, dass die Warnfunktion<br />

des Fahrverbots nicht notwendig ist.<br />

AG Miesbach, Beschluss vom 4.10.2010, 1 OWi 57 Js 26159/10 = DAR<br />

2010, 715<br />

Beschilderung<br />

Weigert sich eine Straßenverkehrsbehörde trotz Kenntnis einer<br />

unübersichtlichen Beschilderung, die Beschilderung zu ändern, kann dies<br />

zum Absehen vom Fahrverbot führen.<br />

AG Stollberg, Urteil vom 27.4.09, 2 OWi 550 Js 10913/08 = VRR 2009,<br />

473<br />

Fahrverbot trotz Voreintragung – Einwirkung durch erhöhte<br />

Geldbuße<br />

Trotz der Eintragung von vier Vorverurteilungen im VZR verhängt das AG<br />

kein Fahrverbot. Die erfolgt, weil bislang noch nicht versucht wurde, auf<br />

den Betroffenen durch eine erhöhte Geldbuße einzuwirken. Das AG<br />

verhängt deshalb für die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von<br />

21 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften (Regelbuße 70 €) ein<br />

Bußgeld von 350 € und ordnet kein Fahrverbot an.<br />

AG Günzburg, Beschluss vom 8.9.2010, 1 OWi 114 Js 13095/10 = NZV<br />

2011, 265<br />

Vollstreckung<br />

Fahrverbot und Haft<br />

Haftzeiten eines Freigängers sind in die Fahrverbotsfrist nicht<br />

einzurechnen.<br />

OLG Köln, Beschluss vom 11.05.2007, 2 Ws 233/07 = SVR 2007, 468 =<br />

BA 2008, 140 = StraFo 2007, 345<br />

Berechnung des Endes des Fahrverbots<br />

Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über das<br />

Ende eines Fahrverbotes ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung<br />

gem. § 458 Abs. 1 StPO. Ein Fahrverbot gem. § 44 StGB wird mit<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Rechtskraft der Entscheidung wirksam. Die Berechnung der Dauer des<br />

Fahrverbots bzw. deren Ende erfolgt ab dem Tag, an dem der<br />

Führerschein zwecks Vollstreckung des Fahrverbots in amtliche<br />

Verwahrung gegeben wird. Dadurch verlängert sich das Fahrverbot um die<br />

Zeit zwischen Rechtskraft und Beginn der Verwahrung.<br />

Hat der Verurteilte seinen Führerschein verloren, ist für die<br />

Fristberechnung weder der Verlust noch die Anzeige des Verlusts<br />

maßgeblich. Es wird stattdessen zunächst als gleichwertiger Ersatz für die<br />

Abgabe des Führerscheins angesehen, dass ein Ersatzführerschein in<br />

Verwahrung gegeben wird. Die Verbotsfrist beginnt sodann vom Zeitpunkt<br />

der Abgabe des Ersatzführerscheins. Soweit kein Ersatzführerschein in<br />

Verwahrung gegeben wird, ist nach § 463 b StPO zu verfahren (bei<br />

Fahrverboten nach § 25 StVG entsprechend § 25 Abs. 4 StVG).<br />

Dem vom Fahrverbot Betroffenen ist dann eine eidesstattliche<br />

Versicherung abzuverlangen. Mit dem Zeitpunkt der Abgabe der<br />

eidesstattlichen Versicherung beginnt die Verbotsfrist, unabhängig davon,<br />

welche Angaben der Verurteilte zum Zeitpunkt des Verlusts des<br />

Führerschein macht. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist als<br />

Ersatz für die Verwahrung anzusehen.<br />

Soweit der Führerschein verloren ist, hat der Betroffene die Verpflichtung,<br />

den Verlust unverzüglich anzuzeigen und sich ein Ersatzdokument zu<br />

besorgen. Es ist daher gerechtfertigt, den Beginn des Fahrverbotes ab<br />

dem Zeitpunkt der Hinterlegung des Ersatzführerscheins zu messen.<br />

AG Bremen, Beschluss vom 28.7.2010, 82 Cs 650 Js 62443/09 (12/10) =<br />

NZV 2011, 151<br />

Hat ein Betroffener sein Führerschein nach Rechtskraft der Entscheidung<br />

verloren, so ist für den Beginn der Verbotsfrist der Tag des Verlustes<br />

maßgeblich.<br />

AG Viechtach, Beschluss vom 24.7.2006, 7 II OWi 808/06 = NZV 2007,<br />

159<br />

Gemischte Fahrverbote<br />

Parallelvollstreckung<br />

Wenn gegen den Betroffenen mehrere Fahrverbote festgesetzt sind,<br />

bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob diese nacheinander<br />

oder nebeneinander vollstreckt wird:<br />

Handelt es sich um Mehrfachtäter laufen die Verbotsfristen<br />

nebeneinander, sodass die Verbotsfrist des zweiten Fahrverbots, wenn<br />

der Führerschein wegen des ersten bereits amtlich verwahrt wird, mit der<br />

Rechtskraft des zweiten Urteils zu laufen beginnt. 1<br />

1 OLG Karlsruhe, NZV 2005, 211, anderer Ansicht: AG Stuttgart, NZV 2006, 328<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Handelt es sich um einen Ersttäter und wird gegen diesen nach einem<br />

Fahrverbot gemäß § 25 Abs. 2a StVG ein weiteres Fahrverbot<br />

rechtskräftig, gilt Satz 2 dieser Vorschrift: Die Fahrverbote werden<br />

sukzessive vollstreckt.<br />

Entschieden ist bislang noch nicht, wie es bei gemischten Fahrverboten<br />

aussieht. Obergerichtliche Rechtsprechung gibt es hierzu nicht.<br />

AG Viechtach, Beschluss vom 22.02.2007, 7 II OWi 00289/07 = DAR<br />

2007, 411 = VRR 2007, 156<br />

Läuft bereits die Vollstreckung eines Fahrverbotes innerhalb der<br />

Viermonatsfrist und wird während der Vollstreckung ein weiteres<br />

Fahrverbot nach § 25 Abs. 2 StVG rechtskräftig, so werden ab Rechtskraft<br />

der zweiten Entscheidung beide Fahrverbote parallel vollstreckt.<br />

AG Münster, Beschluss vom 4.4.2007, 51 OWi-290/07 GE = DAR 2007,<br />

409<br />

Gegen den Betroffenen bestand ein Fahrverbot mit<br />

Vollstreckungsaufschub und ein weiteres Fahrverbot ohne<br />

Vollstreckungsaufschub. Das AG stellt fest, dass eine<br />

Parallelvollstreckung möglich ist. Treffen Fahrverbote mit und ohne<br />

Vollstreckungsaufschub aufeinander. Die Ausnahmevorschrift des § 25<br />

Abs. 2 a S. 2 StVG ist dagegen eng auszulegen. Hieraus ergibt sich eine<br />

sukzessive Vollstreckung nur, wenn sämtliche Fahrverbote mit<br />

Vollstreckungsaufschub versehen sind.<br />

AG Bremen, Beschluss vom 20.8.2010, 82 OWi 660 Js 71222/09 -4/10 =<br />

VRR 2010, 435 = NZV 2010, 50 = DAR 2010, 591 = Verkehrsanwalt 2010,<br />

141 = zfs 2010, 651 BA 2011, 114<br />

Das strafrechtliche Fahrverbot ist neben dem Bußgeldrechtlichen<br />

Fahrverboten zu vollstrecken.<br />

AG Passau, Beschluss vom 06.04.2005, 7 Cs 312 Js 17738/04 = BA<br />

2006, 159<br />

Sukzessive Vollstreckung<br />

Treffen ein Fahrverbot nach § 25 Abs. 2 StVG und ein weiteres Fahrverbot<br />

innerhalb der Viermonatsfrist nach § 25 Abs. 2a StVG zusammen, so sind<br />

diese nacheinander zu vollstrecken.<br />

AG Hamburg-St. Georg, Beschluss vom 30.3.2007, 950 OWi 55/07 = DAR<br />

2007, 408<br />

Fahrverbote werden auch bei gleichzeitigem Eintreten der Rechtskraft<br />

nacheinander vollzogen. Auch in so genannten Mischfällen wird gemäß<br />

§ 25 Abs. 2a StVG das Fahrverbot jeweils nacheinander vollzogen.<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Besteht zwischen einem Betroffenen und der Verwaltungsbehörde<br />

Uneinigkeit darüber, wie Fahrverbote zu vollziehen sind, besteht die<br />

Möglichkeit, gemäß § 103 Abs. 1 Nr.1, 62 OWiG einen Antrag auf<br />

gerichtliche Entscheidung zu stellen. Zur Sache: § 25 Abs. 2a, Satz 2<br />

StVG bestimmt, dass die Fahrverbote nacheinander in der Folge der<br />

Rechtskraft der Bußgeldentscheidung zu vollstrecken sind. Eine<br />

Beschränkung auf Fahrverbote nach § 25 Abs. 2a ist dem Wortlaut nicht<br />

zu entnehmen. Die Vorschrift verlangt aufgrund ihrer Stellung im Rahmen<br />

des § 25 Abs. 2a jedenfalls aber nur ein Zusammentreffen mit einem<br />

Fahrverbot nach Abs. 2a.<br />

AG Viechtach, Beschluss vom 4.3.2007, 7 II OWi 307/08 = NZV 2008, 276<br />

= BA 2009, 53 = VA 2008, 177<br />

Grundsätzlich gilt, dass Fahrverbotsfristen nacheinander in der<br />

Reihenfolge der Rechtskraft berechnet werden (§ 25 Abs. 2a StVG). Dies<br />

gilt jedoch nur, soweit die Voraussetzung des § 25 Abs. 2a vorliegen. Eine<br />

den § 25 Abs. 2a StVG entsprechende Regelung gibt es bei § 44 StVG<br />

nicht. Demnach sind mehrere Fahrverbote im Übrigen parallel zu<br />

vollstrecken.<br />

LG Regensburg, Beschluss vom 15.01.2008, 1 Qs 7/08 = DAR 2008, 403<br />

Wird gegen den Betroffenen ein Fahrverbot vollstreckt und steht ein<br />

weiteres zur Vollstreckung an, je eines mit und eines ohne die<br />

Ausnahmeregelung nach § 25 Abs. 2a StVG, so werden beide<br />

Fahrverbote nacheinander vollstreckt (andere Ansicht: AG Münster DAR<br />

2007, 409, AG Viechtach = VA 2007, 111).<br />

AG Erlangen, Beschluss vom 9.7.2008, 1 OWi 915 Js 146911/07<br />

AG Offenbach, Beschluss vom 26.9.2008, 27 OWi 272/08<br />

Fällt die Vollstreckbarkeit eines Fahrverbotes innerhalb der 4-Monats-Frist<br />

mit einem anderem Fahrverbot zusammen, so sind beide Fahrverbote<br />

nacheinander zu vollstrecken. Fallen mehrere Fahrverbote (keines unter<br />

der Voraussetzung des § 25 Abs. 2a StVG) zusammen, können diese<br />

gleichzeitig vollstreckt werden.<br />

AG Velbert, Beschluss vom 08.01.09, 20 OWi 12/08 (b) = DAR 2009, 285<br />

Mehrere Fahrverbote sind grundsätzlich nacheinander zu vollstrecken.<br />

Konkretisiert die Entscheidung und sagt, werden zwei Fahrverbote<br />

gleichzeitig rechtskräftig, trifft die Beschränkung des § 25 Abs. 2a S. 2<br />

StVG nicht zu, da beide zur selben Zeit rechtskräftig werden.<br />

AG Essen, Beschluss vom 15.9.2009, 35 OWi - 457/09 und 458/09 = DAR<br />

2009 (mit Anmerkung Krumm)<br />

Auch in Mischkonstellationen findet die Regel des § 25 Abs. 2a S. 2 StVG<br />

Anwendung. Siehe auch OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2009, DAR<br />

2010, 335<br />

Seite 141 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

AG Bielefeld, Beschluss vom 25.3.2011, 10 OWi 468/11 = VA 2011, 100<br />

Auch gleichzeitig rechtskräftig werdende Fahrverbote werden<br />

nacheinander vollstreckt (anderer Ansicht Krumm DAR 2008, 54, siehe<br />

auch Burhoff VRR 2008, 409).<br />

AG Waiblingen, Beschluss vom 9.1.09, 5 OWi 5/08 = VA 2009, 47<br />

Ausland<br />

Führerscheinmaßnahmen ausländischer Behörden gelten nicht im Inland.<br />

Das Einbehalten des deutschen Führerscheins im Ausland kann nur so<br />

lange erfolgen, bis der Betroffene das Hoheitsgebiet dieses Auslandes<br />

verlässt. Führerscheinmaßnahmen in Frankreich oder Österreich können<br />

in Deutschland nicht vollstreckt werden.<br />

Eine Verfolgung einer Straftat in Deutschland ist unter bestimmten<br />

Voraussetzungen möglich. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Rahmen<br />

des sogenannten Punktesystems kommt allerdings bei Verstößen im<br />

Ausland nicht in Betracht. 1<br />

Ne bis idem<br />

Es ist nicht von verfassungs wegen geboten, auf die Durchführung eines<br />

deutschen Strafverfahrens zu verzichten, wenn wegen derselben Tat eine<br />

Verurteilung im Ausland erfolgt ist.<br />

Ein in Deutschland verhängtes Fahrverbot erfüllt auch dann noch einen<br />

sinnvollen Strafzweck, wenn von einer Schweizer Behörde bereits ein<br />

Fahrverbot verhängt wurde, den dieses Fahrverbot ist nur auf das<br />

Staatsgebiet der Schweiz und Lichtenstein beschränkt gewesen.<br />

Die Angeklagte wurde verurteilt, wegen Trunkenheit im Straßenverkehr.<br />

Das Gericht erkannte auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen je 40,00 €.<br />

Aufgrund des Schweizer Urteils (400,00 €) bestimmte das Gericht, dass<br />

von der Geldstrafe 10 Tagessätze je 40,00 € als vollstreckt gelten.<br />

Weiter hat das AG ein Fahrverbot von 2 Monaten festgesetzt.<br />

BVerfG, Beschluss vom 04.12.2007, 2 BvR 38/08 = NZV 2008, 586<br />

1<br />

Janker, Fahrverbot und Fahrerlaubnisentzug in Deutschland nach Verstößen in<br />

Ausland, DAR 2009, 314<br />

Seite 142 von 150


Übersicht<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Rechtsgrundlage Rechtsgrundlage ist allein<br />

§ 25 Abs. 1 StVG. Der<br />

Bußgeldkatalog<br />

beschreibt lediglich<br />

besonders<br />

schwerwiegende<br />

Verkehrsverstöße. Es<br />

müssen mithin auch die<br />

zusätzlichen Merkmale<br />

des § 25 Abs. 1 StVG<br />

erfüllt sein, sowohl in<br />

objektiver wie in<br />

subjektiver Hinsicht<br />

Verteidigungsansätze Formelle Prüfung Identifizierung<br />

möglich?<br />

Messung in<br />

Ordnung?<br />

Grund für Fahrverbot Nur zur Einwirkung auf<br />

den Betroffenen<br />

Vorbereitung<br />

Mandanten<br />

des Nachschulung<br />

Beschränkung auf<br />

bestimmte Fahrzeugarten<br />

Verjährung?<br />

Nicht<br />

generalpräventiv<br />

Oder bestimmte<br />

Fahrzeugarten<br />

werden<br />

ausgenommen<br />

Besondere Härte Bescheinigung des<br />

Arbeitgebers<br />

vorbereiten<br />

Verkehrssituation Augenblicksversagen?<br />

Seite 143 von 150


Sonstige Gründe für ein<br />

Absehen<br />

VIII. ergänzende Anmerkungen<br />

Zeitablauf etc.<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

1. Punkte<br />

Wesen der Punkte<br />

Im Prinzip doppelte Geldbuße statt Eintragung im Verkehrszentralregister<br />

gibt es nicht. Diesbezüglich besteht auch keine Regelungslücke und die<br />

Eintragung im Verkehrszentralregister steht nicht zur Disposition des<br />

Gerichts. § 4 Abs. 4 BKatV ist nicht analog auf § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG<br />

anzuwenden. Die Eintragung im Verkehrszentralregister ist keine mit<br />

einem Fahrverbot vergleichbare Nebenfolge. Das Verkehrszentralregister<br />

sichert nur, dass <strong>Ordnungswidrigkeiten</strong> einer bestimmten Bedeutung<br />

zentral erfasst werden und damit bei zukünftigen Entscheidungen<br />

berücksichtigt werden können. Das Punktesystem bezweckt eine<br />

Vereinheitlichung der Behandlung von Mehrfachtätern und stellt keine<br />

eigene Sanktion dar.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.2008, 2 Ss OWi 803/08 = NJW 2009,<br />

1014 = NZV 2009, 156<br />

Punkte – fiktive Vorverlegung<br />

Bei besonders langer Verfahrensdauer, die von dem Betroffenen nicht zu<br />

vertreten ist, insbesondere in der Rechtsmittelinstanz, kommt eine fiktive<br />

Vorverlegung der Tilgungsfrist in Betracht. Dies kann aber grundsätzlich<br />

nicht auf den Umstand der Rechtsmitteleinlegung gestützt werden, da die<br />

Hinausschiebung der Rechtskraft ein allgemeines Risiko des<br />

Rechtsmittelführers ist.<br />

VGH Baden- Württemberg, 10.5.2011, 10 S 137/11 = VA 2011, 140<br />

Punkteabzug<br />

Kein Punkteabzug bei Teilnahme an einem Aufbauseminar nach<br />

§ 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG (Fahrerlaubnis auf Probe).<br />

BayVGH, Urteil vom 30.3.2005 - 11 Cs 04.3250 = SVR 2006, 195<br />

Ein Punkteabzug erfolgt auch bei nicht freiwilliger Teilnahme an einer<br />

Maßnahme nach § 4 Abs. 4 StVG 1 .<br />

Rechtsmittel gegen Mitteilung von Punkten<br />

Gegen die Mitteilung der Staatsanwaltschaft gem. § 13b Abs. 2 S. 2<br />

StVZO des Kraftfahrtbundesamts ist nach vorangegangenem<br />

Beschwerdeverfahren der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.<br />

1 VGH Mannheim, VRS 108, 386 = zfs 2005, 417<br />

Seite 144 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Sieht der Amtsrichter gem. § 77b Abs. 1 OWiG von einer schriftlichen<br />

Urteilsbegründung ab, so sind die Feststellungen im Bußgeldbescheid für<br />

die Bewertung des Vorfalles beim Kraftfahrtbundesamt die Feststellungen<br />

im Bußgeldbescheid maßgebend. Dies gilt auch, wenn die gerichtlich<br />

festgesetzte Geldbuße hinter der im Bußgeldbescheid zurückbleibt.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 10.7.2007, 1 VAs 48/07 = NZV 2008, 365<br />

Nebenfolge/Punkte<br />

Die Eintragung im Verkehrszentralregister ist keine mit einem Fahrverbot<br />

vergleichbare Nebenfolge. Die Regelung kann auch nicht analog<br />

angewandt werden. Es ist einem Amtsgericht nicht möglich bei<br />

Verdoppelung der Geldbuße zu bestimmen, dass Punkte nicht<br />

eingetragen werden.<br />

OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.08, 2 Ss OWi 102/08 = VA 2009, 83=<br />

VRR 2009, 235<br />

Punktelöschung<br />

Der Verzicht auf die Fahrerlaubnis führt nicht zur Löschung von Punkten<br />

im Verkehrszentralregister. § 4 Abs. 2 S. 3 StVG ist nicht auf den Verzicht<br />

anwendbar.<br />

BVerwG, Beschluss vom 3.3.2011, 3 C 1/10<br />

2. Mitteilung der Staatsanwaltschaft an das KBA<br />

Krumm, Grundlagenwissen: Verkehrszentralregister, SVR 2006, 476<br />

Fromm, Übersichtlichkeit des Flensburger Verkehrszentralregisters, SVR<br />

2010, 410<br />

Der Antrag auf Aufhebung einer Mitteilung einer verkehrsstrafrechtlichen<br />

Verurteilung durch die Staatsanwaltschaft an das KBA ist zulässig. Dabei ist<br />

das Gericht auch nicht auf die Überprüfung der Einhaltung der<br />

datenschutzrechtlicher Bestimmungen beschränkt. Die Prüfung erstreckt sich<br />

vielmehr darauf, ob die Mitteilung überhaupt ergehen durfte.<br />

Gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 1 StVG werden im Verkehrszentralregister über<br />

rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte gespeichert, soweit sie wegen<br />

einer im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangenen rechtswidrigen<br />

Tat auf Strafe oder Verwarnung mit Strafvorbehalt erkennen oder einen<br />

Schuldspruch enthalten. Der Begriff des „Zusammenhangs“ entspricht den der<br />

§§ 44 Abs. 1, 69 Abs. 1 StGB. Damit liegt eine Straftat im Zusammenhang mit<br />

dem Führen eines Kraftfahrzeuges vor, wenn ein funktionaler Zusammenhang<br />

zwischen der Straftat und dem Führen eines Kraftfahrzeuges besteht. Hierzu<br />

Seite 145 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

zählen insbesondere auch verbale Auseinandersetzungen zwischen<br />

Verkehrsteilnehmern, wenn die Auseinandersetzung ihren Anlass in einem<br />

Streit über das Fahrverhalten der Beteiligten hat.<br />

Thüringer OLG, Beschluss vom 13.07.2006 1VAs 6/05 =zfs 2006, 652 = VRS<br />

111,0277 = DAR 2007, 402<br />

Eine falsche Versicherung an Eides Statt, die zur Erlangung eines<br />

Ersatzführerscheins abgegeben wird, stellt dann keine im Zusammenhang mit<br />

dem Straßenverkehr begangene rechtswidrige Tat dar, wenn der Täter nach<br />

wie vor im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist. Gegen den Betroffenen war<br />

wegen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt eine Geldstrafe in<br />

Höhe von 60 Tagessätzen festgesetzt worden. Gegen die Mitteilung der<br />

Staatsanwaltschaft über die Verurteilung an das Verkehrszentralregister legte<br />

der Verteidiger Beschwerde ein. Der Generalstaatsanwalt wies die<br />

Beschwerde als unbegründet zurück.<br />

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG ist zulässig. Für<br />

entsprechende Mitteilungen der Justizbehörden ist die gerichtliche<br />

Überprüfung gegeben. Ein Ausschlussgrund gemäß § 22 Abs.1 S 2 EGGVG<br />

ist nicht gegeben, solange das Landratsamt noch keine Maßnahmen (Entzug<br />

der Fahrerlaubnis) ergriffen hat. Hierbei ist die Durchführung eines<br />

Vorverfahrens nicht erforderlich, Mitteilungen der Staatsanwaltschaft an das<br />

Kraftfahrtbundesamt keine Entscheidung oder Anordnung einer<br />

Vollstreckungsbehörde sind. Für die Auslösung der Monatsfrist ist auch die<br />

Bekanntmachung einer entsprechenden Verfügung durch Übersendung der<br />

Akten möglich. Wird gleichwohl Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft<br />

eingelegt, muss die Staatsanwaltschaft die Akten dem Oberlandesgericht zur<br />

Entscheidung vorlegen.<br />

OLG Stuttgart, Beschluss von 5.2.2008, 4 VAs 1/08 = Die Justiz 2008, 194 =<br />

VRR 2008, 315<br />

Datenlöschung<br />

Nach Einstellung eines Strafverfahrens beantragt der Verteidiger die Löschung<br />

aller Daten des Antragstellers. Nach Ablehnung stellt der Verteidiger den<br />

Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG.<br />

Das AG hält die Weigerung der Staatsanwaltschaft für rechtmäßig. Eine<br />

Weigerung, gespeicherte Daten zu löschen, ist nicht zu beanstanden. Ziel der<br />

Speicherung ist es, auch eingestellte Verfahren bis zum Ende einer<br />

Verjährungsfrist zugänglich zu machen.<br />

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 9.8.2006, 1 VAs 14/06 = SVR 2007, 351<br />

Seite 146 von 150


3. Fahrtenbuch<br />

Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Voraussetzung die die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage<br />

Eine Fahrtenbuchauflage kann bereits angeordnet werden bei nicht<br />

ausreichender Überzeugung von der Täterschaft eines Verdächtigen.<br />

OVG NRW, Beschluss vom 25.03.2008, 8 A 586/08 = NZV 2008, 536<br />

Vor Verhängung eines Fahrtenbuches muss die Bußgeldbehörde den<br />

betroffenen Fahrzeughalter nicht nur als Betroffenen, sondern auch als<br />

Zeugen hören.<br />

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4.8.2009, 10 S 1499/09 = VA 2009, 193<br />

Pflichten des Halters<br />

Ein Kraftfahrzeugführer ist nicht verpflichtet, seinen Kraftfahrzeugschein<br />

vorzulegen, damit dort eine Fahrtenbuchauflage eingetragen wird 1 .<br />

4. Medizinisch-psychologische Untersuchung<br />

Held, Rechtsmittel gegen die Anordnung der „MPU“, VRR 2008, 215<br />

Hillmann, Verteidigungsstrategien in Verkehrsstrafsachen im Hinblick auf die<br />

MPU, DAR 2008, 376,<br />

Schubert, Die medizinisch-psychologische Untersuchung auf dem Prüfstand,<br />

BA 2010, 161<br />

Statistische Angaben zur MPU (20089<br />

MPU<br />

• Alkohol erstmalig, geeignet 49%, nachschulungsfähig 14%, ungeeignet<br />

36% (von 32.610 Probanden)<br />

• Alkohol wiederholt aufgefallen, geeignet 41,75%, nachschulungsfähig<br />

12,84%, ungeeignet 45,42% (von 18.095 Probanden)<br />

• BtM, geeignet 57%, nachschulfähig 10%, ungeeignet 31% (von 14.590<br />

Probanden)<br />

• Verkehrsunfälle erstes Halbjahr 2009 1.109.304<br />

• Unfälle mit Personenschaden 144.034<br />

• Getötete Verkehrsteilnehmer 1.955<br />

• Verletzte Verkehrsteilnehmer 184.593<br />

Eine MPU kann auch angeordnet werden, wenn bei zwei Zuwiderhandlungen<br />

wegen Alkohol im Straßenverkehr eine Ordnungswidrigkeit schon verjährt ist.<br />

VG Stade, Urteil vom 2.9.2005 - 1 B 169/05 = SVR 2006, 194<br />

1 OVG Münster, DAR 2005, 411 = VRS 108, 457<br />

Seite 147 von 150


Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

Allein die Verurteilung wegen Verkehrsunfallflucht rechtfertigt nicht bei der<br />

Neubeantragung eine MPU anzuordnen.<br />

OVG Saarlouis, Beschluss vom 27.07.2006, 1W33/06 = Mitt.Bl. 2006, 171<br />

Beurteilung von Drogenkonsum<br />

Die schematische Unterscheidung zwischen einmaligem, gelegentlichem und<br />

regelmäßigem Konsum von Cannabis wird der Gefährdungslage nicht gerecht.<br />

Erst in ernsthaften Risikolagen und bei konkreten Gefahren ist die Abwehr<br />

durch verkehrsordnungsrechtliche Maßnahmen (etwa MPU oder Entziehung<br />

der Fahrerlaubnis) gerechtfertigt. 1<br />

Frist einer Vorverurteilung<br />

Ist die Fahrerlaubnis wegen eines Drogendelikts im Zusammenhang mit dem<br />

Straßenverkehr entzogen, so ist bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis die<br />

Anordnung eines medizinischen psychologischen Gutachtens nicht mehr<br />

zulässig, wenn die Tat wegen Zeitablaufs nicht mehr im Bundeszentralregister<br />

eingetragen ist.<br />

BVerwG, Urteil vom 09.06.2005, 3 C 21/04 = BA 2006, 52<br />

Fahrradverbot nach Alkoholmissbrauch<br />

Es ist unverhältnismäßig, einem Fahrradfahrer, der nicht im Besitz einer<br />

Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge ist, die Beibringung eines medizinischpsychologischen<br />

Gutachten aufzugeben, nachdem er erstmals mit dem<br />

Fahrrad unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr aufgefallen ist.<br />

OVG Koblenz, Beschluss vom 25.9.2009, 10 B 10930/09. OVG = VA 2009,<br />

208<br />

Ausländische Fahrerlaubnis<br />

Einem EU-Bürger, dem in Deutschland das Recht entzogen wurden, von<br />

seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, kann das<br />

Recht zur Nutzung seiner ausländischen Fahrerlaubnis erst wieder erteilt<br />

werden, wenn eine MPU nachgewiesen wurde. Notwendig ist also, dass der<br />

Nachweis wieder gewonnener Fahreignung erbracht wird.<br />

BVerfG, Urteil vom 29.01.09, 3 C 31/09 = NZV 2009, 306<br />

MPU<br />

Allein die Verurteilung wegen Verkehrsunfallflucht rechtfertigt nicht bei der<br />

Neubeantragung eine MPU anzuordnen.<br />

OVG Saarlouis, Beschluss vom 27.07.2006, 1W33/06 = Mitt.Bl. 2006, 171<br />

1 Gehrmann, Grenzwerte für Drogeninhaltsstoffe im Blut und die Beurteilung der<br />

Eignung im Fahrerlaubnisrecht = NZV 2008, 377<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

2. Verwaltungsrecht<br />

Anerkennung der Europäische Fahrerlaubnis<br />

Ein Staat muss ein in einem Drittstaat ausgestellten Führerschein nicht<br />

anerkennen, wenn dieser vor einer inländischen Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

erteilt wurde.<br />

EuGH, Urteil vom 20.11.2008, C-1/07 (Frank Weber) = NJW 2008, 3767 = BA<br />

2009, 93 = VA 2009, 30 = DAR 2009, 1<br />

Ausländische Fahrerlaubnis<br />

Die nach der Entziehung einer deutschen Fahrerlaubnis in Tschechien<br />

erworbene Fahrerlaubnis kann entzogen werden, wenn der Betroffene ein<br />

berechtigterweise angefordertes Gutachten über seine Fahreignung nicht<br />

vorgelegt hat.<br />

Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz im Fall eines<br />

Autofahrers, der nach Ablauf der vom AG wegen drei Trunkenheitsfahrten<br />

verhängten Sperrfrist in Tschechien eine Fahrerlaubnis erworben hatte. Bei einer<br />

Verkehrskontrolle fiel der Antragsteller mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,4<br />

‰ auf dem Fahrersitz seines auf einem Gehweg abgestellten Fahrzeugs auf.<br />

Dass er das Fahrzeug auch gefahren hatte, konnte ihm nicht nachgewiesen<br />

werden. Da er das daraufhin von ihm geforderte medizinisch-psychologische<br />

Gutachten zur Klärung seiner Fahreignung nicht vorgelegt hatte, entzog ihm die<br />

Straßenverkehrsbehörde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die<br />

Fahrerlaubnis. Den hiergegen begehrten vorläufigen Rechtsschutz lehnte das<br />

Verwaltungsgericht ab.<br />

Das OVG bestätigte diese Entscheidung. Da der Autofahrer die Vorlage eines<br />

Gutachtens über seine Fahreignung verweigert habe, sei er als ungeeignet zum<br />

Führen eines Kraftfahrzeugs anzusehen. Obwohl er nicht beim Fahren seines<br />

Kraftfahrzeugs angetroffen worden sei, sei das Eignungsgutachten zu Recht<br />

gefordert worden. Es bestünden Zweifel, ob er zwischen Alkoholkonsum und<br />

Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr trennen könne. Die<br />

Blutalkoholkonzentration von 2,4 ‰ weise auf eine weit überdurchschnittliche<br />

Alkoholgewöhnung des aus beruflichen Gründen regelmäßig am Straßenverkehr<br />

teilnehmenden Antragstellers hin. Deshalb sei zu befürchten, dass er an einer<br />

dauerhaften, ausgeprägten Alkoholproblematik leide und zur Risikogruppe der<br />

überdurchschnittlich alkoholgewohnten Kraftfahrer gehöre, die im Straßenverkehr<br />

doppelt so oft auffällig würden wie andere Personen. Hinzu komme, dass er<br />

bereits vor der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis mit drei<br />

Trunkenheitsfahrten aufgefallen sei. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei<br />

schließlich auch nicht unverhältnismäßig, weil der Antragsteller auf sie zur<br />

Erreichung seines Arbeitsplatzes angewiesen sei. Vielmehr gehe der Schutz der<br />

Allgemeinheit vor ungeeigneten Verkehrsteilnehmern den Interessen des<br />

einzelnen Autofahrers vor.<br />

OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.9.2006, 10 B 10734/06.OVG,<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis<br />

Hat ein Fahrerlaubnisinhaber als Radfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von<br />

mindestens 1,6 ‰ am Straßenverkehr teilgenommen, darf ihm die Fahrerlaubnis<br />

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Wolfgang Ferner<br />

Aktuelles Verkehrsrecht 2011 V 5.11<br />

entzogen werden, wenn zu erwarten ist, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug in<br />

fahruntüchtigem Zustand führen wird.<br />

Bei chronisch überhöhtem Alkoholkonsum und damit mit einhergehender<br />

Unfähigkeit zu einer realistischen Einschätzung der bei einer Teilnahme am<br />

Straßenverkehr drohenden Gefahren, setzt die Bejahung der Kraftfahrereignung<br />

regelmäßig eine stabile Änderung des Trinkverhaltens voraus.<br />

Die Regel des § 13 Nr. 2c FeV verpflichtet die Verwaltungsbehörde eine MPU<br />

anzuordnen, wenn ein Verkehrsteilnehmer mit einer Blutalkoholkonzentration von<br />

mehr als 1,6 ‰ auffällig geworden ist. Nach § 3 Abs. 1 FeV kann auch das<br />

Führen von Fahrrädern untersagt werden (OVG Lüneburg NJW 2008, 2059; VG<br />

Neustadt NJW 2005, 2471).<br />

BVerwG, Urteil vom 21.05.2008, 3 C 32.07 = DAR 2008, 537 = zfs 2008, 535 =<br />

NJW 2008, 2601<br />

Hat ein Radfahrer mit einer BAK 1,6 ‰ oder mehr am Straßenverkehr<br />

teilgenommen, bestehen berechtigte Zweifel an seiner Eignung im Führen eines<br />

nichterlaubnispflichtigen Fahrzeuges. Dies rechtfertigt die Anordnung der<br />

Beibringung eines Gutachtens gem. §§ 3 Abs. 2, 13 S. 1 Nr. 2 c FeV. Dies gilt<br />

auch bei Ersttätern, die nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sind (Gegen OVG<br />

Koblenz, DAR 2010, 35 = NZV 2010, 54 = NJW 2010, 457 = BA 46, 437).<br />

Hessischer VGH, Beschluss vom 21.7.2010, 2 B 1076 = VRS 120, 38<br />

Fahrerlaubnis, MPU<br />

Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig, wenn der Führerscheininhaber sich<br />

geweigert hat, eine MPU beizubringen. Dies gilt auch, wenn die Teilnahme am<br />

Straßenverkehr unter Einfluss von Alkohol mehrere Jahre zurückliegt.<br />

Entscheidend ist alleine, ob diese Verurteilung noch im Verkehrszentralregister<br />

eingetragen ist.<br />

Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25.4.2007, 12 ME 142/07 =<br />

Verkehrsblatt 2007, 560<br />

Punkte<br />

Auch eine Vielzahl von mit Punkte bewerteten Parkverstößen kann im Einzelfall<br />

die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen. Aus dem Verhalten im ruhenden<br />

Verkehr kann auch auf das Verhalten im fließenden Verkehr geschlossen<br />

werden.<br />

OVG NRW, Beschluss vom 18.1.2006, 16 B 2137/05 = VRS 110, 232<br />

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