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Festspiel Krone 2017-07-21

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Markus Hinterhäuser: „Zeitfluss“-Wunder,<br />

Konzertchef, Interims-Intendant<br />

und jetzt prägt<br />

er die Salzburger <strong>Festspiel</strong>e<br />

Foto: SF/Michael Rausch-Schott<br />

„Ich höre ständig Lieder in mir“<br />

Ihn zu „schreiben“, heißt: scheitern! Man muss ihn hören. Das<br />

haben wir mit Markus Hinterhäuser getan –nicht so sehr über<br />

die Programm-Philosophie, mehr über die Stimmungslage.<br />

Denn darüber hat derIntendant<br />

inseinem ersten<br />

Jahr oft genug gesprochen:<br />

Fragen des Seins<br />

und der Allmacht des Todes,<br />

dieKonstruktionen undSymmetrien<br />

der Macht von Herrschernund<br />

Beherrschten, die<br />

Kraft derFrauen,über Ohnmacht,<br />

dieLäuterung sein<br />

kann. Das war nicht so im„Epizentrum<br />

desBesonderen“, das<br />

dieSalzburger <strong>Festspiel</strong>e für<br />

Markus Hinterhäuser (MH)<br />

sind. In diesen Gesprächen:<br />

Mehr das Inwendige.<br />

Die erste Frage,ein Reinfall:<br />

„Wasmacht Siegrantig, vielleichtzornig?<br />

MH: „Bittevon vorne“<br />

Sie wirkenmeistwie ein in<br />

sichRuhender, der dasGehetzte<br />

gutverbergenkann.<br />

MH: „DieGrundsituationist relativ<br />

entspannt, ich binkein<br />

,Wozzeck‘ und ich habe keine<br />

schlaflosen Nächte. DieEigenund<br />

Fremdwahrnehmungen<br />

sind nicht immerdeckungsgleich.<br />

Wichtig ist, dassdas,<br />

wasman tut, nicht zu überbedeutend<br />

wird. Ich kann relativieren.“<br />

Dass Sie Gabriel Josipovicis<br />

Buch„Unendlichkeit. DieGeschichteeines<br />

Augenblicks“<br />

übersetzt haben, warkein Zufall.Daerklärt<br />

der Komponist<br />

undHerrseinem Diener und<br />

Kleider-Knecht,dassein<br />

Komponistnochsogroße<br />

Ohren haben kann,wenner<br />

keininneres Ohr hat, wirder<br />

nieein gutersein.<br />

MH:„Dasist ein Empfindungszustand,eine<br />

Wahrnehmungswelt<br />

voninnen nach außen.<br />

Wer Musik insich trägt und<br />

hört,verändert dasalles.Ich<br />

höre dauerndLieder in mir, ob<br />

von Schubert, Schumann oder<br />

„Ich kann es mir einfach<br />

nicht leichter machen. Ich<br />

könnte es, will es aber<br />

ganzund gar nicht“.<br />

Markus Hinterhäuser, der Intendant<br />

der Salzburger<strong>Festspiel</strong>e,<br />

in seinemersten Jahr,<br />

daservollständiggeplant hat<br />

LeonardCohen.“<br />

Haben Sie Angst?<br />

MH:„Vor Auftritten. Undvor<br />

großenHunden,dabin ich<br />

nicht begabt, einVertrauensverhältnis<br />

herzustellen.“<br />

Sie sind „verliebt“ in Salzburg,geboren<br />

in LaSpezia<br />

undIhnen würde doch etwas<br />

das Meer fehlen.<br />

MH:„Ichhabe kein gesteigertes<br />

Bedürfnis, darin zu schwimmen,ich<br />

will es hören, sehen,<br />

einatmen, Weite, dieOffenheit.“<br />

TräumenSie?<br />

MH:„Ein Tagträumer.“<br />

Wasmacht der Betrieb aus<br />

Ihnen, dieAgenturen, Künstler,<br />

die Begehrlichkeiten?<br />

MH:„Manchmal istesunerfreulich,aberich<br />

hoffe, dass ich<br />

aus dem Betrieb wasmache.“<br />

Wichtig ist es, Fragen zu stellen,<br />

haben Sie auch schon<br />

die falschen gestellt?<br />

MH:„Ja,aberman wird nicht<br />

umhinkommen. Es ist eine Erweiterungdes<br />

Horizonts. Und<br />

es kommt auf dieAntworten an.<br />

EinHerantasten, ohne zu wissen,<br />

wieesausgeht.“<br />

Wie kommtdie Freiheit des<br />

Denkens in dieKunst?<br />

MH: „Das istsie perse, nicht in<br />

der Form und im Herstellungsprozess,<br />

es ist einAppell und<br />

dasResultat eines großen innerenKampfes.“<br />

Gelingtes, den Klassik-Tournee-„Tourismus“zuumgehen?<br />

MH:„Den Anspruch bei85<br />

Konzerten zu stellen, dass jedes<br />

exklusiv ist, kann und soll<br />

mannichterfüllen.Wenn SirEliot<br />

Gardiner drei Monteverdi-<br />

Opernhier aufführt, dieerin<br />

Venedig herausbrachte,kann<br />

mir das nurrecht sein. Es istein<br />

Geschenk und eine Bereicherung.<br />

Die spielenesjanichtin<br />

jederPfütze.“<br />

Die Subjektivität derEntscheidungen?<br />

Die ja dochauf<br />

einen objektiven oder streitbaren<br />

Erfolg hofft?<br />

MH:„So ist es.Erfolg kann<br />

Kontroverse und Disput sein.<br />

Es geht darum, dass etwas<br />

ausgelöst wird,eine Art von<br />

Veränderung.“<br />

Mischen Sie sichinProduktionenein,<br />

wie dasGerard<br />

Mortier gemacht hat?<br />

MH:„Nein.Ich lade doch nicht<br />

Künstler ein, um sie zu schulmeistern.<br />

Außer ichwerde gefragt,<br />

zum Beispiel von William<br />

Kentridge: Was hältst du davon?“<br />

Nachdenken machtMühe,<br />

manchmal auch Kopfweh?<br />

MH: „Nein, Nachdenken macht<br />

Freude.“<br />

PaulValery meinte:Denken<br />

ist auchDurchstreichen.<br />

MH: „Stimmt,erhat vielekluge<br />

Sachen gesagt. Auch: DieWelt<br />

wirddurch zweiDinge bedroht,<br />

die Ordnungund dieUnordnung.“<br />

Ich kann es mir nicht leichter<br />

„Nachdenken macht<br />

Freude, es ist die Erweiterung<br />

eines Horizonts mit<br />

offenem Ausgang.“<br />

Markus Hinterhäuser auf die<br />

Frage ,obNachdenken denn<br />

nichtauch Kopfweh bereite.<br />

Nie. Er schmunzelt dabei.<br />

machen, meinten Sie einmal.<br />

Sie könnten, wollen aber nicht.<br />

MH: „Nein, ich willesganz und<br />

garnicht.“<br />

Es gibt so eine übersteigerte<br />

Erwartungsfreude,fast sowaswie<br />

–bildlich gesprochen<br />

–„Erlösungsfantasie“.<br />

MH: „Es macht mirUnruhe, ich<br />

denkeanRobertMusil,dessen<br />

Möglichkeits- und Wirklichkeitssinn,<br />

und daran, diesen Antagonismusaufzulösen.<br />

Übersteigerte<br />

Erwartungen sind<br />

eher hemmend.“<br />

Sie sagten, es wäre jede Anstrengung<br />

wert, durchden<br />

„Dschungel“zugehen und<br />

die enormeMusik-Geographie<br />

zu erkunden.<br />

MH: „Wer will dennimDschungel<br />

bleiben, da muss man sich<br />

einen Weg bahnen. Und diese<br />

Schneiseeröffnet einen Pfadzu<br />

jener Weite, wo er aufhört.“<br />

Die Intimitätund die Weltoffenheit<br />

der Salzburger <strong>Festspiel</strong>e,<br />

wie geht daszusammen?<br />

MH: „Die Stadt ist in ihrerNichtgröße,<br />

der Schönheitund der<br />

Architektur geöffnet für die<br />

ganze Welt. Diese Dialektik<br />

funktioniertdoch sehr gut. Es<br />

gibt keinFestivalinden Metropolen,<br />

dasdiese Großzügigkeit<br />

aufweist. Ja, es gibt überall<br />

welche, diesichauf die Welt<br />

einlassen,aberkeines, das<br />

diese Offenheit, diese Großzügigkeit<br />

hat.Und jeder Besucher<br />

sich darauf stärker denn je<br />

einlassen kann.“<br />

Kämpft der Betriebsmensch<br />

derzeit mit dem Künstler,Sie<br />

spielen ja komplizierte Konzerte<br />

in diesem Sommer?<br />

MH:„Nur, wasdie Zeit betrifft.“<br />

<br />

HANS LANGWALLNER<br />

4 <strong>Festspiel</strong> <strong>Krone</strong><br />

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