08/2017
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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Stiftung Elternsein<br />
Böse Fette<br />
Ellen Ringier über die Sorge, dass dereinst eine Lebensmittelpolizei<br />
den Inhalt unseres Kühlschranks kontrolliert.<br />
Bild: Maurice Haas / 13 Photo<br />
Dr. Ellen Ringier präsidiert<br />
die Stiftung Elternsein.<br />
Sie ist Mutter zweier Töchter.<br />
Als ich noch Kind war, also in den<br />
50er-Jahren, mischten die Wasserwerke<br />
in Luzern dem Trinkwasser – so sagte man<br />
damals – Fluor bei. Damit wollte man die<br />
damals mehrheitlich miserable Zahnqualität<br />
in vielen Teilen der Bevölkerung verbessern<br />
und schon bei jungen Menschen<br />
vorbeugen. Ich erinnere mich, dass ich<br />
das als absolut übergriffig empfand,<br />
schliesslich gab uns meine Mutter doch morgens neben<br />
Lebertran auch Fluorpastillen zum Frühstück! Aus mir<br />
heute noch unbekanntem Grund fürchtete ich, dass<br />
meine Knochen infolge des vielen Fluors zu hart und<br />
brüchig werden würden … Wer mag mir wohl so eine<br />
Idee in den Kopf gesetzt haben?<br />
50 Jahre später stelle ich fest: Meine Zähne sind gut,<br />
meine Knochen nicht brüchig, die von der Obrigkeit<br />
verordnete Massnahme war wohl zielführend. Dennoch<br />
stelle ich mir die Frage, ob Gesundheitspolitiker und<br />
-beamte in mein Leben bzw. in meine Gesundheit eingreifen<br />
dürfen, ohne dass ich sie dazu legitimiert habe.<br />
Lassen wir hier die Beschränkungen von Tabak-,<br />
Alkohol- und Drogenkonsum, medizinisch indizierte<br />
Beschränkungen von Nahrungsmitteln und dergleichen<br />
beiseite. Derzeit ist, wie das aktuelle Beispiel Deutschland<br />
zeigt, die Rede von Zucker, Salz und Fett, also von<br />
ganz alltäglichen Lebensmitteln. Der deutsche Ernährungsminister<br />
Christian Schmidt will «die Hersteller<br />
von Fertigwaren dazu bringen, weniger Salz, Zucker und<br />
Fett in ihren Produkten zu verwenden». Und das soll<br />
erst der Anfang einer nationalen Strategie sein, die die<br />
Lebensmittel gesünder machen möchte.<br />
Auch die EU bleibt nicht untätig: Bald soll es eine<br />
Obergrenze für die bösen Transfette in Pommes-Chips,<br />
Fertigprodukten und dergleichen geben. Damit und mit<br />
der bereits bestehenden Lebensmittel-Kennzeichnungspflicht<br />
sowie mit Aufklärung und weiteren Programmen<br />
will man Herz-Kreislauf-Krankheiten bekämpfen. Und<br />
verhindern, dass die Menschen immer dicker werden.<br />
Ich verstehe zwar, dass und auch warum die Obrigkeit<br />
sich Sorgen um die oft mehr als ungesunden Ernäh-<br />
rungsgewohnheiten ihrer Bürger und die Folgen macht.<br />
Doch macht mir die Vorstellung Mühe, dass der Staat<br />
die Zusammensetzung meines Kühlschrankinhalts kennen<br />
und beeinflussen will! Und auf ungesunde Lebensmittel<br />
womöglich eine Strafsteuer erheben möchte.<br />
Wird es dereinst eine Lebensmittelpolizei geben, die das<br />
Gastgewerbe auf strafbare kalorienreiche Menüs auf der<br />
Speisekarte überprüft? Oder wird sich ein Beamter hinter<br />
mich stellen, wenn es danach aussieht, als wollte ich<br />
auch noch ein Dessert bestellen: «Frau Ringier, Sie sind<br />
bereits übergewichtig, lassen Sie auf der Stelle die Finger<br />
von Süssspeisen!»<br />
Wie sich der Mensch ernährt, hat wesentlich mit dem<br />
für Lebensmittel zur Verfügung stehenden Budget, aber<br />
auch mit Zeitmangel und mit dem Mangel an Wissen<br />
um die Schädlichkeit gewisser Lebensmittel zu tun. Darum<br />
soll neben der Kennzeichnungspflicht vor allem<br />
auch die Aufklärung über die Auswirkungen einer ungesunden<br />
Lebensweise, zu der neben ungesunder Ernährung<br />
auch Bewegungsmangel gehört, forciert werden.<br />
Wenn die Hälfte der Bevölkerung regelmässig zu<br />
Pizzas und Fertiggerichten greift, so beeinflusst das<br />
zweifellos das Ernährungsverhalten von Kindern massgeblich,<br />
weshalb Aufklärung schon in Kitas und Kindergärten<br />
angesagt ist.<br />
Am erfolgversprechendsten wäre jedoch eine Initiative<br />
der Wirtschaft zur Reduktion von Zucker, Fett und<br />
Salz in den Fertigprodukten. Zum Jahresende 2016 hat<br />
Nestlé jedenfalls angekündigt, seine Rezepturen in<br />
Bezug auf die verwendete Zuckermenge zu überprüfen.<br />
Leider schmeckt mir die kalorienarme dunkle Schokolade<br />
ganz und gar nicht!<br />
STIFTUNG ELTERNSEIN<br />
«Eltern werden ist nicht schwer,<br />
Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch<br />
Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten,<br />
Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein<br />
an. Sie richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern<br />
und Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen<br />
Eltern, Kindern, Lehrern und die Vernetzung der elternund<br />
erziehungsrelevanten Organisationen in der<br />
deutschs prachigen Schweiz. Die Stiftung Elternsein<br />
gibt das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus.<br />
www.elternsein.ch<br />
56 August <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi