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Stiepeler Bote 254 – August 2017

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NEUE SERIENSTART: STIEPEL HISTORISCH<br />

26 Wirtschaften für gut 4.000 Einwohner<br />

Neue Serie: Gastwirtschaften in Stiepel / Alte Fotos und Dolumente gesucht<br />

Zwei Berufe: Vorne die Gastwirtschaft Zum Deutschen Eck, rechts<br />

das Malergeschäft, beide von Heinrich Hasenkamp. Nach Einstellung<br />

der Gastwirtschaft 1956 war dort die Post untergebracht,<br />

Kemnader-/Ecke Ministerstraße.<br />

Foto: privat<br />

Nachdem die „Straßenserie“<br />

seit längerem beendet<br />

ist und bekanntlich zur Herausgabe<br />

des Buches „Wege<br />

durchs Königreich“ führte,<br />

startet der <strong>Stiepeler</strong> <strong>Bote</strong> in<br />

Zusammenarbeit mit dem<br />

<strong>Stiepeler</strong> Heimatverein eine<br />

neue Reihe über Gastwirtschaften.<br />

In loser Reihenfolge<br />

werden wir einzelne<br />

(historische) Wirtschaften<br />

in Bild und Wort vorstellen.<br />

Wir beginnen die Reihe<br />

heute mit einem einleitenden<br />

Text und dürfen unsere<br />

Leser bitten, uns alte Fotos,<br />

Postkarten, Dokumente<br />

oder sonstige Dinge über<br />

<strong>Stiepeler</strong> Wirtschaften zur<br />

Verfügung zu stellen, sofern<br />

in ihren privaten Archiven<br />

noch Material schlummert.<br />

Das erste Adressbuch der<br />

Gemeinde Stiepel aus dem<br />

Jahre 1891 gibt genaue Hinweise<br />

auf die Anzahl der Wirtschaften.<br />

Setzt man die mit<br />

der Berufsbezeichnung Wirth,<br />

Schenkwirth, Gastwirth etc.<br />

versehenen Namen gleich<br />

der Anzahl an Wirtschaften,<br />

so kommt man auf 26 Wirtschaften<br />

bei einer Einwohnerzahl<br />

von seinerzeit 4.283. Die<br />

Aufteilung auf die einzelnen<br />

Bauerschaften sieht wie folgt<br />

aus: Brockhausen 6, Haar 5,<br />

Schrick 2, Mittelstiepel 11 und<br />

Oberstiepel 2. Damit kommen<br />

im Schnitt 165 Einwohner auf<br />

eine Wirtschaft. Gleichzeitig<br />

wird im Adressbuch ersichtlich,<br />

dass mit dem alleinigen<br />

Betrieb einer Wirtschaft unter<br />

den gegebenen Bedingungen<br />

kaum das Existenzminimum<br />

einer damals üblichen mehrköpfigen<br />

Familie erwirtschaftet<br />

werden konnte, zumal<br />

häufig neben den Kindern<br />

auch noch die Eltern mitversorgt<br />

werden mussten. Bis<br />

zum Jahr 1908 hatte sich die<br />

Anzahl der Gastwirtschaften<br />

dann auf 35 erhöht.<br />

Häufig war dem Gastwirtschaftsbetrieb<br />

noch ein Ladengeschäft<br />

angegliedert,<br />

Bäckereien und sogenannte<br />

Spezereigeschäfte waren<br />

dabei in der Mehrzahl. Aber<br />

auch Landwirte und Bergleute<br />

finden sich unter den Wirten,<br />

dazu zahlreiche weitere<br />

Berufe: Schmied, Schreiner,<br />

Anstreicher oder Fuhrleute.<br />

Die Wirtschaften hatten<br />

zahlreiche Funktionen des<br />

täglichen sozialen und gesellschaftlichen<br />

Lebens inne: Sie<br />

fungierten als Kiosk, Kirchenraum,<br />

Arztpraxis, Warenlager,<br />

Turnhalle, Boxring, Tanzlokal,<br />

Theaterbühne, Lohn-, Renten-<br />

und Steuerzahlstelle oder<br />

Schiedsstelle. Und nicht zu<br />

vergessen: Im Laufe der Zeit<br />

waren in vier Wirtschaften<br />

auch Poststellen untergebracht.<br />

Bei Betrachtung der in Stiepel<br />

aktuellen und insbesondere<br />

der ehemaligen Wirtschaften<br />

fallen zwei Dinge auf: zum einen<br />

eine Häufung der Standorte<br />

entlang der Hauptverbindungsstraßen<br />

<strong>–</strong> speziell im<br />

Bereich der Kemnader Straße<br />

<strong>–</strong> und zum anderen die räumliche<br />

Nähe der Wirtschaften<br />

zu Zechen- und Stollenbetrieben.<br />

Ein wesentlicher Faktor<br />

für das Ent- und Bestehen der<br />

Wirtschaften war aber das Verkehrsaufkommen<br />

durch den<br />

Durchgangs- und Wochenendverkehr.<br />

Eine möglichst dichte<br />

Bebauung im Umkreis der<br />

Wirtschaften spielte nur eine<br />

untergeordnete Rolle. Um ein<br />

Beispiel zu nennen: Die Gastwirtschaft<br />

im Lottental <strong>–</strong> vielen<br />

noch als „Wengeler-Schmuch“<br />

bekannt (heute Post’s Lottental)<br />

<strong>–</strong> hatte ca. ab den 1930er<br />

Jahren knapp unter 1.000<br />

Stühle im Biergarten. Die gesamte<br />

Außenfläche, die heute<br />

noch als Minigolfplatz dient,<br />

war zu jener Zeit Biergarten,<br />

inklusive einer Tanzfläche für<br />

die Sonntagsausflügler. Und<br />

es waren nicht nur <strong>Stiepeler</strong><br />

Bürger, die diesen und andere<br />

Biergärten besuchten. Es<br />

ist überliefert, dass sehr viele<br />

„Städter“ aus Bochum sonntags<br />

mit der Straßenbahn bis<br />

Weitmar fuhren und dann reihenweise<br />

zunächst über die<br />

Kemnader Straße sich in die<br />

<strong>Stiepeler</strong> Ausflugslokale begaben<br />

(die Straßenbahnlinie 5<br />

fuhr erst ab 1926 über die<br />

Kemnader Straße bis Stiepel).<br />

In der Schulchronik der damaligen<br />

Dorfschule an der Ecke<br />

Nettelbeckstraße / Brockhauser<br />

Straße schreibt der seinerzeitige<br />

Hauptlehrer Böhle im<br />

Jahre 1903: „(...) Dagegen ist<br />

eine Überfülle von Wirtschaften<br />

vorhanden (ungefähr 40).<br />

Die Vergnügungssucht ist<br />

groß. Es gibt während des<br />

Sommers wohl kaum einen<br />

Sonntag ohne Festlichkeit.<br />

Vielfach finden zwei oder drei<br />

statt; ja es ist schon vorgekommen,<br />

daß an einem Sonntag<br />

an sieben Stellen gleichzeitig<br />

gefeiert wurde.“<br />

In unserer neuen Reihe werden<br />

wir versuchen, möglichst<br />

alles Bekannte über einzelne<br />

Wirtschaften zu präsentieren,<br />

zum Beispiel, welche Wirte es<br />

im Laufe der Zeit gab, welche<br />

Vereine beheimatet wurden<br />

und etwaige Besonderheiten.<br />

Andreas Finke<br />

<strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><strong>–</strong><br />

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8 | <strong>Stiepeler</strong> <strong>Bote</strong> | <strong>August</strong> <strong>2017</strong>

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