Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes Oktober 2010 • Jahrgang 62 ...
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Belletristik<br />
Wieder einmal zur<br />
Hirschbrunft<br />
In der Nacht hatte es geschneit. Aber in den Vormittagsstunden<br />
klarte es auf und ab Mittag schien die Sonne. Die Talwiesen<br />
leuchteten grün, der Wald war angeweißelt und über der Waldgrenze<br />
standen die Berggipfel und Almtäler in strahlendem Weiß.<br />
In der schneefrischen Luft stieg ich zur Jagdhütte hinauf und war<br />
enttäuscht, weil ich weder in unserer Jagd noch auf der gegenüberliegenden<br />
Talseite auch nur einen einzigen Brummer eines Brunfthirsches<br />
hörte. Oben standen auf den weiß verschneiten Bergflanken<br />
ein paar Gamsfährten, zwischen den von schwerer Schneelast<br />
niedergedrückten Erlen und Birken pflückte ein Rehbock Blätter<br />
von den Zweigen, und weit drinnen, im tief in die Bergwelt eingefurchten<br />
Tal, querten einige Steinböcke eine steile Bergflanke. Bald<br />
knisterte und knackte ein Feuer im Hüttenofen und der Geruch <strong>des</strong><br />
Holzrauches erweckte in mir ein Gefühl der Geborgenheit, Wärme<br />
und Ruhe. Gut so, auch wenn bis dato noch kein Hirschschrei mein<br />
Herz schneller schlagen ließ und ich kein Haar eines Stück Rotwil<strong>des</strong><br />
in Anblick bekommen hatte. Es war alles gut. Ich freute mich<br />
auf einen gemütlichen Abend bei flackerndem Kerzenschein und<br />
einigen Tassen heißen Glühweines. Da konnte ich meinen Gedanken<br />
nachhängen, mich erinnern und träumen – und das tat hin und<br />
wieder gut. In sich hineinhorchen und die Wertigkeit mancher Dinge<br />
ins angemessene Lot bringen. Das positiv Erlebte aufrufen und<br />
daraus Zufriedenheit schöpfen und den entbehrlichen Ereignissen<br />
der Jahre nicht die weisungsgebende Wirkung absprechen. Es tat<br />
gut, ab und zu allein zu sein, in einer einsamen Hütte, weit oben am<br />
Berg. Als ich vom Hüttenbrunnentrog Wasser holte, durchfuhr es<br />
mich wie ein flammender Blitz, denn ich vernahm durch den zwischen<br />
Eiszapfen plätschernden Wasserstrahl hindurch das Aufgrollen<br />
einer mächtigen Hirschbassstimme vom nahen Bergwald her.<br />
Immer wieder dröhnte die raue Stimme auf, und ich verfiel ihrem<br />
Zauber, eh ich mich recht versah. Das musste ein Alter sein, einer,<br />
der ein Rudel Kahlwild hütete und der hinter einem Waldrücken in<br />
einer erlendurchsetzten Lahnrinne stehen musste. Die engfurchige<br />
und wasserdurchsprudelte Rinne mit ihrem wuchernden Erlen-,<br />
18 Foto: Ernst rudigier<br />
Jagd in Tirol 10/<strong>2010</strong>