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Credit Suisse bulletin, 2002/06
Credit Suisse bulletin, 2002/06
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WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
Fotos: Tobias Madörin (S. 48), Martin Stollenwerk (S. 50, 51)<br />
tourismus nimmt ab. Die Branche hatte aber<br />
bereits zuvor mit Überkapazitäten und einer<br />
geringen Rentabilität zu kämpfen, so dass<br />
notwendige Erneuerungsinvestitionen immer<br />
wieder auf die lange Bank geschoben werden<br />
mussten. Die Baukonjunktur kommt seit<br />
1991 mit wenigen Ausnahmen kaum mehr<br />
vom Fleck. Auch hier bestehen Überkapazitäten<br />
und Preisdruck, ohne dass sich die<br />
Produktivität wesentlich verbessert hätte.<br />
Das Wachstumswunder im Technologiesektor,<br />
insbesondere in der Nachrichtentechnologie,<br />
hat einer gewissen Ernüchterung<br />
Platz gemacht. So treten in den früheren<br />
Wachstumsmärkten Sättigungserscheinungen<br />
auf. Die Innovationen, die als Wachstumsgeneratoren<br />
dienen sollten, werden dieser<br />
Rolle mittelfristig nicht gerecht. Die schlechte<br />
Verfassung der Finanzmärkte und die geringere<br />
Nachfrage nach Finanzdienstleistungen<br />
haben auch im Finanzsektor zu Überkapazitäten<br />
geführt. Der angekündigte Stellenabbau<br />
und die Kostensenkungsprogramme<br />
dürften sich daher bis ins Jahr 2003 hinziehen.<br />
Die chemische Industrie, insbesondere<br />
die Pharmabranche, erweist sich bis jetzt hingegen<br />
als konjunkturresistent. Gründe dafür<br />
sind die hohe Innovationsrate und -dynamik<br />
sowie die gute Aufnahme der neuen Produkte<br />
am Markt. Die Maschinenindustrie<br />
hingegen leidet an der geringen Investitionsneigung,<br />
die alle wichtigen Absatzmärkte<br />
synchron erfasst hat. Der gegenwärtig hohe<br />
Schweizer Franken drückt überdies auf die<br />
Margen. Frühestens im Verlaufe des Jahres<br />
2003 dürfte sich das Investitionsklima und<br />
damit auch die Geschäftslage der Maschinenindustrie<br />
verbessern.<br />
Der Handel hat sich bislang trotz Abschwächung<br />
gut gehalten. Dennoch ist im<br />
Zuge der schwierigen Lage am Arbeitsmarkt<br />
und der schlechteren Konsumentenstimmung<br />
in einkommenssensitiven Bereichen<br />
mit sinkenden Verkäufen zu rechnen.<br />
Angesichts der verhaltenen Aussichten<br />
stellt sich die Frage, ob die Schweiz von<br />
einer Konjunkturflaute gleich wieder in die<br />
nächste rutscht. Ein Blick über die letzten<br />
zwei Dekaden macht klar, dass das Wirtschaftswachstum<br />
der Schweiz deutlich hinter<br />
jenem der USA und der EU-Länder zurückgeblieben<br />
ist. So wuchs das Schweizer<br />
Bruttoinlandprodukt (BIP) von 1980 bis 20<strong>02</strong><br />
im Durchschnitt lediglich um 1,4 Prozent,<br />
während die EU-Länder um 2,1 Prozent und<br />
Die Schweiz schöpft ihre Möglichkeiten nicht aus<br />
Die USA haben ihr Potenzialwachstum in den Neunzigerjahren übertroffen, die Länder<br />
der Europäischen Union haben es immerhin voll ausgeschöpft. Im Gegensatz dazu ist die<br />
Schweiz während der letzten Dekade in Bezug auf ihr Potenzialwachstum hinter ihren<br />
Möglichkeiten zurückgeblieben. Quelle: SNB, OECD, Credit Suisse<br />
200<br />
180<br />
160<br />
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120<br />
100<br />
80<br />
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BIP Schweiz<br />
BIP EU 15<br />
BIP USA<br />
die USA um 3,0 Prozent zulegten. Damit<br />
haben sich die EU-Länder und die USA<br />
langfristig im Rahmen ihres geschätzten<br />
Potenzialwachstums entwickelt, also einem<br />
Wachstum, das bei Normalauslastung der<br />
Wirtschaft erzielt werden kann. Hingegen<br />
«Bezüglich Produktivität<br />
muss die Schweiz den<br />
Vergleich nicht scheuen.»<br />
Semya Ayoubi, Economic & Policy Consulting<br />
Potenzialwachstum Schweiz<br />
Potenzialwachstum EU 15<br />
Potenzialwachstum USA<br />
blieb das Schweizer BIP-Wachstum, dessen<br />
Potenzial auf 1,7 bis 2 Prozent veranschlagt<br />
wird, in den Neunzigerjahren deutlich hinter<br />
diesem Wert zurück.<br />
Den Wettbewerb ankurbeln<br />
An dieser Stelle darf festgehalten werden,<br />
dass die Schweiz in Bezug auf die Arbeitsproduktivität<br />
den Vergleich mit der EU nicht<br />
scheuen muss. Insbesondere in den Branchen,<br />
die im internationalen Wettbewerb<br />
stehen, wurden seit 1996 wesentliche Verbesserungen<br />
erzielt. Auch verfügen Zulieferer<br />
der Fahrzeugindustrie, die elektrotechnische<br />
und chemische Industrie, Maschinen- und<br />
Kunststoffindustrie, aber auch die Hersteller<br />
von Uhren, Präzisions- und elektronischen<br />
Instrumenten bei der Mehrzahl ihrer Produkte<br />
über einen Wettbewerbsvorteil.<br />
Dennoch bleiben Bestrebungen, den<br />
Wirtschaftsstandort Schweiz zu fördern, von<br />
grosser Dringlichkeit. Dazu gehören neben<br />
einem wettbewerbsfreundlich ausgestalteten<br />
Kartellgesetz auch die Fortsetzung der<br />
Deregulierungsbestrebungen sowie eine<br />
angemessene Bildungspolitik.<br />
Semya Ayoubi<br />
Telefon 01 333 77 35, semya.ayoubi@csfs.com<br />
Credit Suisse Bulletin 6-<strong>02</strong> 51