Wirtschaftszeitung_25092017
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GELD &GESCHÄFT 17<br />
Privatanleger sind oft<br />
überproportional betroffen<br />
Die Pleite von Air Berlin kam für viele Experten wenig überraschend. Sie lehrt aber erneut, worauf<br />
Anleger bei der Auswahl riskanter Anleihen unbedingt achten sollten.<br />
Am Boden: Flugzeuge von AirBerlin stehen Mitte September auf dem Flugfeld des Flughafens in Düsseldorf. „Aus operativen Gründen muss Air Berlin Flüge streichen“, teilte die insolvente Fluggesellschaft mit.<br />
Foto: dpa<br />
„Da inden kommenden drei<br />
Monaten höchstwahrscheinlich<br />
weiteres Geld verbrannt werden<br />
wird, sind Anleihebesitzer die<br />
Leidtragenden dieser Strategie.“<br />
Stefan Wallrich<br />
Prokon, MS Deutschland, KTG Agrar<br />
oder zuletzt Air Berlin. Vonspektakulären<br />
Firmenpleiten sind Privatanleger<br />
oft überproportional stark betroffen.<br />
Das liegt auch daran, dass sie sich<br />
leichter von bekannten Namen und<br />
hohen Zinskupons verführen lassen.<br />
Worauf es bei der Anleiheauswahl dagegen<br />
tatsächlich ankommt, ist die<br />
Qualität des Geschäftsmodells.<br />
Ein funktionierendes Geschäftsmodell<br />
lässt sich entgegen<br />
aller positiven Zukunftsprognosen<br />
des Managements<br />
insbesondere anstabilen<br />
operativen Erträgen und einem konstant<br />
hohen Cashfl<br />
ow erkennen. Das betont<br />
Stefan Wallrich, Vorstand der Wallrich<br />
Asset Management AGinFrankfurt/<br />
Main.„Sind diese beiden Bedingungen erfüllt,<br />
wird esinden allermeisten Fällen<br />
auch möglich sein, Zinsverpfl<br />
ichtungen<br />
nachzukommen und<br />
fälligeAnleihen zu refinanzieren“,<br />
schreibt<br />
Wallrich in einemBeitrag<br />
für einen Themendienst<br />
der Münchener<br />
V-Bank.<br />
Bei Air Berlin seien<br />
die genannten Kriterien<br />
nicht erfüllt gewesen.<br />
Die Airlinehabe<br />
in den vergangenen<br />
Jahrendurchweg<br />
Verluste erwirtschaftet. „Allein 2016 waren<br />
es 782 Millionen Euro, der Netto-<br />
Cashfl<br />
ow aus operativer Geschäftstätigkeit<br />
lag bei minus 472 Millionen Euro.“<br />
Wallrich: „Hinzu kommt ein negatives<br />
Eigenkapital. Ausgeglichen werden können<br />
derartige Defizite, wenn überhaupt,<br />
nur durch werthaltige Sicherheiten, die<br />
im Falle einesFalles vonden Anleihebesitzern<br />
verwertet werden können. An dieser<br />
Stelle sieht esbei Air Berlin schlecht aus.<br />
So sind die Schuldverschreibungen weder<br />
besichert, noch besteht die Haftungsverpfl<br />
ichtung einer finanzstarken Mutter.“<br />
Tatsächlich verwertbare Assets dürften<br />
nur in sehr geringem Umfang vorhanden<br />
sein,schätzt der Finanzexperte.Die Flugzeugeseien<br />
größtenteils geleastund mögliche<br />
Erlöse aus dem Verkauf von Startund<br />
Landerechten dienten zunächst einmal<br />
der Ablösungdes Massekredits in Höhe<br />
von150 Millionen Euro, den der Bund<br />
über die KfW<br />
-Bankengruppe zur Verfügung<br />
gestellt hat.<br />
„Der Regierung geht es hier –imVorfeld<br />
der Wahlen –ganz offensichtlich um die<br />
geregelte Rückholung der Urlauber und<br />
den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze.<br />
Da in den kommenden drei Monaten<br />
höchstwahrscheinlich weiteres Geld verbrannt<br />
werden wird, sind Anleihebesitzer<br />
die Leidtragenden dieser Strategie. Sie<br />
werden wohl weitestgehend leer ausgehen“,<br />
beurteilt Stefan Wallrich die Lage.<br />
Trotz aller Warnungen sollten Anleihekäufer<br />
jedoch keineswegs ausschließlich<br />
auf Rentenpapiere bester Bonität setzen,<br />
rät der Fachmann. Mit derartigen Bonds<br />
sei im aktuellen Zinsumfeld schließlich<br />
nichts zu verdienen. So lassen sich gewisse<br />
(nicht alle!) Defizite an der einenoder<br />
anderen Stelle durch entsprechend hohe<br />
Renditeerwartungen durchaus kompensieren.<br />
Dabei sind aus Sicht des Experten allerdings<br />
zwei Punkte unbedingt zuberücksichtigen:<br />
„Zum einen muss das Chance-<br />
Risiko-Verhältnis tatsächlich stimmen,<br />
und zum anderen darf inHochzinsanleihen,<br />
sogenannte High Yields, jeweils nur<br />
ein so kleiner Teil des Vermögens investiert<br />
werden, dass ein Totalverlust nicht<br />
übermäßig schmerzt. Warersteres bei Air<br />
Berlin sicherlich nicht gegeben, bleibt zu<br />
hoffen, dass die betroffenen Anleger zumindest<br />
den zweiten Teil dieser Restriktion<br />
eingehalten haben.“<br />
Die Folgen der Insolvenz spüren nicht nur<br />
die Passagiere.<br />
Foto: dpa<br />
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