Wirtschaftszeitung_25092017
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MACHER &MÄRKTE 3<br />
Immer diese Westfalen<br />
LWL-Chef Löb möchte, dass die Teilregionen<br />
endlich mehr kooperieren –und baut darum<br />
elegant Druck auf.<br />
»Westfalen braucht die Kooperation<br />
allein schon, um in Düsseldorf,<br />
Berlin und Brüssel<br />
wahrgenommen zu werden.«<br />
Matthias Löb, LWL-Chef<br />
März 2016, die drei westfälischen<br />
Regionalräte blasen zum Sturm. Das<br />
Land hatte die Metropolregionen<br />
Rheinland und Ruhrgebiet aus der<br />
Taufe gehoben;die Westfalenfühlen<br />
sich zurückgesetzt. Der Ruf nach<br />
mehr Beachtung gipfelt in<br />
einer Konferenz beim Landschaftsverband<br />
Westfalen-<br />
Lippe (LWL) in Münster. Großes<br />
Getöse, fl<br />
ammende Appelle<br />
und ein Satz wie ein Musketierschwur:<br />
Künftig arbeiten die<br />
Westfalen intensiver zusammen.<br />
Schade nur, dass am Ende nichts daraus<br />
wurde. Der Tiger landete als<br />
Bettvorleger, die Landesregierung<br />
lachte sich ins Fäustchen.<br />
Soweit, so schlecht. LWL-Chef<br />
Matthias Löb will diese westfälische<br />
Lethargie nicht länger<br />
akzeptieren. Schon 2016<br />
hatte erdie Mitarbeit seines<br />
Verbandes angeboten, schließlich könne<br />
der LWLals Klammer fungieren, da er in<br />
ganz Westfalen aktiv sei, hieß es damals.<br />
Jetzt erneuert er sein Angebot, wirdkonkret,<br />
bietet mehr. Das Ziel ist klar: Löb<br />
will Druck erzeugen<br />
–was er so natürlich<br />
nie zugeben würde.<br />
„Westfalen braucht<br />
die Kooperation allein<br />
schon, um in<br />
Düsseldorf, Berlin<br />
und Brüssel wahrgenommen<br />
zu werden“,<br />
sagte derLWL-<br />
Chef kürzlich gegenüber<br />
Journalisten.<br />
Seine Kritik hat er in<br />
die Form einer Vorlage<br />
gegossen, die er<br />
„eine Bestandsaufnahme“<br />
nennt und<br />
geschickt als Angebot<br />
verpackt. Das<br />
Wesentliche steht<br />
zwischen den Zeilen.<br />
Jetzt wurde sie erstmals<br />
im LWL-Kulturausschuss<br />
diskutiert<br />
– und ist damit öffentlich.<br />
Um offiziell mitreden,<br />
mittun und mitentscheiden zu können,möchteLöb<br />
denLWL künftig in den<br />
entscheidenden Gremien etablieren. Seinem<br />
Verband schlägt er vor, dafür jeweils<br />
bis zu 10 000 Euro anBeiträgen zu zahlen.<br />
Um den Erfahrungsaustauschund die<br />
Zusammenarbeit der Teilregionen voranzubringen,<br />
die notw<br />
endig sind, „um die<br />
wirtschaftliche Bedeutung des ländlichen<br />
Raumes gegenüber den Metropolregionen<br />
herauszustellen“, ist er bereit,<br />
sich an Lenkungsgruppen und Tagungen<br />
zu beteiligen. Sollte zuderen Koordination<br />
eine hauptamtliche Geschäftsstelle<br />
Nur ein geschlossen auftretendes Westfalen wird neben<br />
den Metropolregionen wahrgenommen, sagt LWL-Chef<br />
Löb und unterfüttert seine Forderung mit Daten.<br />
Die Zahl der Erwerbstätigen betrug 2013 imRheinland<br />
vier Millionen Menschen. Nur zusammen übertreffen die<br />
westfälischen Teilregionen Münsterland (0,8 Mio.), Ostwestfalen<br />
(1,1 Mio.) und Südwestfalen (0,7 Mio.) die Erwerbstätigenzahl<br />
im Ruhrgebiet (2,4 Mio.).<br />
Auch beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) übertreffen die<br />
Regionen Westfalens mit 167,6 Mrd. Euro (2013) nur gemeinsam<br />
das Ruhrgebiet (152,2 Mrd. Euro). Das BIP im<br />
Rheinland liegt mit 284 Mrd. Euro deutlich darüber.<br />
Die Industrie in Westfalen verzeichnete 2013 eine Bruttowertschöpfung<br />
in Höhe von 42,5 Mrd. Euro. Metropole<br />
Ruhr: 23,3 Mrd. Euro, Rheinland 43 Mrd. Euro.<br />
nötig sein, könne der Verband Räume<br />
und Personal zur Verfügung stellen.<br />
Besonders raffiniert ist Punkt vier: Der<br />
LWL, westfalenweit für die Kulturarbeit<br />
zuständig, will ab 2018 jährlich 250 000<br />
Euro für das Format „Kultur in der Region“<br />
im Kernhaushalt etablieren. Zuvor<br />
wardas Geld nur anlassbezogen bereitgestellt<br />
worden. Damit will der LWL<br />
zweierlei demonstrieren: Eine Kooperation<br />
auf der westfälischen<br />
Ebene kann funktionieren –und hat<br />
dann womöglich einen deutlich größeren<br />
Mehrwert als Ansätze im altbekannten<br />
Klein-Klein.<br />
Fachkräftemangel, demografischer Wandel,<br />
medizinische Versorgung, Digitalisierung:<br />
Für Löb sind das nicht nur<br />
Schlagworte, sondern handfesteHerausforderungen,<br />
denen ambesten gemeinsam<br />
begegnet werden sollte. An die Spitze<br />
der Bewegung setzen will er dabei<br />
aber weder sich noch den Verband. „Dafür<br />
haben wir kein Mandat.“ Der „Fokus<br />
liegt hier auf den drei Management-Agenturen“,<br />
sagteer. Vondort<br />
könnten die Impulse ausgehen.<br />
Mit der Vorlagehat er einen dicken Stein<br />
ins Wasser geworfen und zugleich den<br />
Finger in die Wunde gelegt. Die Zukunft<br />
wird definitiv nicht nur rosarot. Das<br />
Rheinland sowie das Ruhrgebiet haben<br />
sich darum längst organisiert. „In Westfalen<br />
muss jetzt mehr passieren“, sagteLöb.<br />
Und klar ist:Erwill dabei kräftig Anschubhilfe<br />
geben.<br />
Elmar Ries<br />
OFFEN GESAGT<br />
Achtung Zukunft<br />
Weniger als Weckruf, vielmehr als<br />
kräftiger Tritt inden Allerwertesten<br />
darf die Ansage aus der LWL-Zentrale<br />
gedeutet werden. Die Westfalen<br />
laufen Gefahr, ihre Zukunft durch<br />
plumpes Aussitzen aufs Spiel zu setzen.<br />
Markige Krisenherbeirederei?<br />
Wohl kaum. Ein Löb-Beispiel: Derzeit<br />
fehlen im hiesigen IHK-Bezirk 6000<br />
Fachkräfte, in nur vier bis fünf Jahren<br />
werden es schon über 51 000 sein.<br />
Noch geht es den drei westfälischen<br />
Teilregionen gut. Die Wirtschaftskraft<br />
ist groß, die Lebensqualität top. Das ist<br />
jedoch kein Naturgesetz. Die Herausforderungen<br />
der Zukunft sind berghoch.<br />
Zum Fachkräftemangel gesellen<br />
sich der demografische Wandel, Mobilitäts-<br />
und Versorgungsprobleme, die<br />
digitale Anbindung und, und, und. Sie<br />
treffen ländliche Räume mehr als Ballungszentren.<br />
Darum täten gerade<br />
Landstriche wie die westfälischen gut<br />
daran, sich aus der Selbstgenügsamkeit<br />
zu lösen und nicht mehr nur den eigenen<br />
Kirchturm als Maßstab zu betrachten.<br />
Zumal sich mit dem Ruhrgebiet und<br />
dem Rheinland zwei Riesen als Konkurrenten<br />
positioniert haben.<br />
Elmar Ries<br />
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