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risikobetrachtung von naturgefahren - Christian-Albrechts ...

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RISIKOBETRACHTUNG VON<br />

NATURGEFAHREN<br />

ANALYSE, BEWERTUNG UND MANAGEMENT DES RISIKOS VON<br />

NATURGEFAHREN AM BEISPIEL DER STURMFLUTGEFÄHRDETEN<br />

KÜSTENNIEDERUNGEN SCHLESWIG-HOLSTEINS<br />

Dissertation<br />

zur Erlangung des Doktorgrades<br />

der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät<br />

der <strong>Christian</strong>-<strong>Albrechts</strong>-Universität<br />

zu Kiel<br />

vorgelegt <strong>von</strong><br />

Hans-Jörg Markau<br />

Kiel, 2003


1. Referent: Prof. Dr. Horst Sterr<br />

2. Referentin: Dr. habil. Gabriele Gönnert<br />

Tag der mündlichen Prüfung: 16. Juli 2003


Vorwort<br />

Von April 2000 bis Dezember 2002 wurde am Forschungs- und Technologiezentrum Westküste<br />

(FTZ) der <strong>Christian</strong>-<strong>Albrechts</strong>-Universität zu Kiel das Forschungsprojekt MERK - Mikroskalige<br />

Evaluation der Risiken in überflutungsgefährdeten Küstenniederungen bearbeitet. Der Schwerpunkt<br />

des Projektes lag auf der Entwicklung eines Instrumentariums zur mikroskaligen Risikoanalyse.<br />

Wesentliche Teile der vorliegenden Dissertation beruhen auf Überlegungen, die im Rahmen<br />

dieses Vorhabens angestellt wurden. Dem Bundesministerium für Bildung und Forschung,<br />

vertreten durch den Projektträger BEO, und dem Ministerium für ländliche Räume, Landespla-<br />

nung, Landwirtschaft und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein sei für die Finanzierung<br />

der Projektarbeiten gedankt.<br />

Professor Dr. Horst Sterr schulde ich zu besonderem Maße Dank, hat er doch <strong>von</strong> Beginn an<br />

mein Vorhaben mit großer Offenheit und um sichtigem Rat bereitwillig und engagiert begleitet.<br />

Meinem Freund und Projektmitarbeiter Stefan Reese danke ich für die phantastische Arbeitsatmosphäre<br />

und die zahlreichen fachlichen Diskussionen. Professor Dr. Franciscus Colijn und<br />

allen Mitarbeitern des FTZ in Büsum sei herzlich für die interessante Zeit an der Westküste ge-<br />

dankt. Bedanken möchte ich mich auch bei Frau Dr. habil Gabriele Gönnert für die spontane<br />

Übernahme des Korreferates und Herrn Dr. Jacobus Hofstede für die stets konstruktive Kooperation.<br />

Für die kritische Durchsicht der Manuskripte möchte ich mich besonders bei Gunilla Kaiser,<br />

Marion Hofer, Daniel Witzki, Stefan Reese und Victor Rochow bedanken.<br />

Mein allergrößter Dank jedoch gilt meiner Familie, die mich zu jeder Zeit mit einem Höchstmaß<br />

an Geduld und Hilfe unterstützt hat. Ihr sei diese Arbeit gewidmet.


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort .................................................................................................................................................................... 3<br />

Zusammenfassung ................................................................................................................................................. 9<br />

Abstract ..................................................................................................................................................................... 12<br />

1. Einleitung ............................................................................................................................................... 15<br />

1.1 Hintergrund und Veranlassung .......................................................................................................... 15<br />

1.2 Fragestellung, Zielsetzung und Struktur der Arbeit ........................................................................ 17<br />

2. Risikodiskurs ....................................................................................................................................... 20<br />

2.1 Risiko und Gefahr ................................................................................................................................ 20<br />

2.2 Risikoterminologie ............................................................................................................................... 22<br />

2.3 Entwicklung der Risikoforschung ..................................................................................................... 24<br />

2.4 Risikoforschung und Unsicherheit .................................................................................................... 30<br />

2.5 Klassifizierung <strong>von</strong> Risiken ................................................................................................................ 31<br />

2.6 Integratives Risikokonzept ................................................................................................................. 34<br />

3. Naturgefahren ...................................................................................................................................... 40<br />

3.1 Naturgefahren und extreme Naturereignisse ................................................................................... 40<br />

3.2 Naturgefahren, Katastrophen und Schadensentwicklung .............................................................. 43<br />

3.3 Naturgefahren und Vulnerabilität ...................................................................................................... 50<br />

3.4 Naturgefahren und Klimawandel ...................................................................................................... 53<br />

3.5 Sturmfluten als Naturgefahr im schleswig-holsteinischen Küstenraum ..................................... 56<br />

3.5.1 Sturmfluten als natürliches Ereignis .................................................................................................. 56<br />

3.5.2 Sturmfluten als Naturgefahr ............................................................................................................... 62<br />

3.5.3 Zukünftige Gefährdung durch Sturmfluten ..................................................................................... 64<br />

3.5.4 Sturmfluten und Küstenschutz ........................................................................................................... 67<br />

4. Risikoanalyse ........................................................................................................................................ 70<br />

4.1 Modulares Verfahren der Risikoanalyse ........................................................................................... 70<br />

4.1.1 Systemabgrenzung und -beschreibung ............................................................................................. 72<br />

4.1.2 Gefährdungsanalyse ............................................................................................................................ 72<br />

4.1.3 Vulnerabilitätsanalyse ......................................................................................................................... 77<br />

4.1.3.1 Untersuchungsebenen ......................................................................................................................... 78<br />

4.1.3.2 Wertermittlung ..................................................................................................................................... 80<br />

4.1.3.3 Schadensschätzung .............................................................................................................................. 85<br />

4.1.4 Risikoabschätzung und -darstellung ................................................................................................. 88<br />

4.2 Methoden und Techniken der Risikoanalyse ................................................................................... 89<br />

4.2.1 Fehlerbaumanalysen ............................................................................................................................ 90<br />

4.2.2 Ereignisbaumanalysen ......................................................................................................................... 92<br />

5


6<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

4.2.3 Zusätzliche Methoden und Techniken der Risikoanalyse .............................................................. 94<br />

4.3 Risikoanalysen im Küstenraum .......................................................................................................... 98<br />

4.4. Risikoanalyse an der Nordseeküste - Fallstudie St. Peter-Ording ................................................ 101<br />

4.4.1 Systemabgrenzung und -beschreibung im Küstenraum ................................................................ 101<br />

4.4.2 Gefährdungsanalyse im Küstenraum ................................................................................................ 104<br />

4.4.3 Wertermittlung im Küstenraum ......................................................................................................... 111<br />

4.4.3.1 Methodik ................................................................................................................................................ 111<br />

4.4.3.2 Ergebnisse .............................................................................................................................................. 116<br />

4.4.4 Schadensschätzung im Küstenraum .................................................................................................. 119<br />

4.4.4.1 Methodik ................................................................................................................................................ 119<br />

4.4.4.2 Ergebnisse .............................................................................................................................................. 123<br />

4.4.5 Risikoabschätzung im Küstenraum ................................................................................................... 125<br />

5. Risikobewertung ................................................................................................................................. 129<br />

5.1. Ergebnisse der Risikoakzeptanzforschung ....................................................................................... 129<br />

5.1.1 Formal-normative Ansätze .................................................................................................................. 130<br />

5.1.2 Psychologisch-kognitive Ansätze ....................................................................................................... 131<br />

5.1.3 Soziologisch kulturelle Ansätze .......................................................................................................... 136<br />

5.1.3.1 Risikokommunikationsforschung ....................................................................................................... 137<br />

5.1.3.2 Ansatz der kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen ........................................................... 141<br />

5.2 Risikobewertung <strong>von</strong> Naturgefahren ................................................................................................. 144<br />

5.2.1 Schulen der Naturgefahrenforschung ................................................................................................ 144<br />

5.2.2 Das Modell der Chicagoer Schule ....................................................................................................... 146<br />

5.2.2.1 Entscheidungsmodell ............................................................................................................................ 146<br />

5.2.2.2 Wahrnehmungsmodelle ....................................................................................................................... 147<br />

5.2.2.3 Schwellenkonzept ................................................................................................................................. 148<br />

5.2.3 Determinanten der Bewertung <strong>von</strong> Naturrisiken ............................................................................ 149<br />

5.2.3.1 Gefährlichkeit ........................................................................................................................................ 151<br />

5.2.3.2 Eintritts- und Schadenswahrscheinlichkeit ...................................................................................... 153<br />

5.2.3.3 Kontrollierbarkeit und Kontrollüberzeugung ................................................................................. 157<br />

5.2.3.4 Erfahrung und Bewusstsein ................................................................................................................ 159<br />

5.2.3.5 Einstellungen und Werthaltungen ...................................................................................................... 161<br />

5.2.3.6 Emotionen .............................................................................................................................................. 161<br />

5.2.3.7 Soziodemographische Faktoren .......................................................................................................... 162<br />

5.2.3.8 Kulturelle Faktoren ............................................................................................................................... 164<br />

5.2.3.9 Verursachung ......................................................................................................................................... 165<br />

5.3 Risikobewertung im schleswig-holsteinischen Küstenraum .......................................................... 169<br />

5.3.1 Risikobewertung an der Nordseeküste - Fallbeispiel St. Peter-Ording ........................................ 169<br />

5.3.2 Risikobewertung an der Ostseeküste - Fallbeispiel Lübeck ........................................................... 180<br />

5.3.3 Vergleich der Risikobewertung an der Nord- und Ostseeküste .................................................... 187<br />

6. Risikomanagement ............................................................................................................................... 189<br />

6.1 Risikotypen und Risikomanagement ................................................................................................. 190<br />

6.1.1 Typen <strong>von</strong> Naturrisiken ....................................................................................................................... 190<br />

6.1.2 Risikomanagement und Risikodynamik ........................................................................................... 192<br />

6.1.3 Instrumente des Managements nach Risikotypen ........................................................................... 193


Inhaltsverzeichnis<br />

6.2 Elemente des Risikomanagements ..................................................................................................... 197<br />

6.2.1 Kooperation und Partizipation ........................................................................................................... 198<br />

6.2.1.1 Planung als kooperatives Handeln .................................................................................................... 198<br />

6.2.1.2 Planung als kommunikatives Handeln ............................................................................................. 201<br />

6.2.1.3 Planung als argumentativer Prozess .................................................................................................. 204<br />

6.2.1.4 Partizipation ………………………………........................................................................................... 206<br />

6.2.1.5 Kooperation und Partizipation im Küstenschutzmanagement ..................................................... 212<br />

6.2.2 Organisation des Risikomanagements ............................................................................................... 215<br />

6.2.3 Restriktionen beim Risikomanagement ............................................................................................. 217<br />

6.2.4 Zielfindung im Risikomanagement .................................................................................................... 221<br />

6.2.4.1 Zielsystem und Zielfindungsprozess ................................................................................................. 221<br />

6.2.4.2 Zielsystem in der schleswig-holsteinischen Küstenschutzplanung .............................................. 224<br />

6.2.5 Strategien im Risikomanagement ....................................................................................................... 226<br />

6.2.5.1 Strategien zur Risikoreduzierung ...................................................................................................... 227<br />

6.2.5.2 Strategien im schleswig-holsteinischen Küstenschutzmanagement ............................................ 229<br />

6.2.6 Maßnahmen ........................................................................................................................................... 230<br />

6.2.6.1 Maßnahmen mit dauerhafter Wirkung ............................................................................................ 230<br />

6.2.6.2 Maßnahmen mit temporärer Wirkung ............................................................................................. 233<br />

6.2.6.3 Wirksamkeit der Maßnahmen ........................................................................................................... 236<br />

6.2.6.4 Katastrophenschutz ............................................................................................................................. 236<br />

7. Fazit ........................................................................................................................................................ 239<br />

7.1 Zielerfüllung und Antworten auf die Forschungsfragen .............................................................. 239<br />

7.2 Offene Fragen und Forschungsbedarf .............................................................................................. 246<br />

7.3 Schlussbemerkungen ........................................................................................................................... 249<br />

Quellenverzeichnis .............................................................................................................................................. 251<br />

Abkürzungs- und Akronymverzeichnis .......................................................................................................... 266<br />

Tabellenverzeichnis ............................................................................................................................................. 268<br />

Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................................................... 270<br />

Glossar .................................................................................................................................................................... 273<br />

Anhang ................................................................................................................................................................... 277<br />

A: Inhalt eines Sicherheitsplanes ..................................................................................................................... 277<br />

B: Organisation der Landesbehörden in Schleswig-Holstein ..................................................................... 280<br />

C: Ausgesuchte Quellen zur Hochwasservorsorge und zum Hochwasserschutz ................................... 281<br />

D: Checklisten für den Umgang mit Überschwemmungen ......................................................................... 284<br />

7


Zusammenfassung<br />

Zusammenfassung<br />

Gegenstand der vorliegenden Dissertation ist die Risikobetrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren am Bei-<br />

spiel der Sturmflutgefährdung im schleswig-holsteinischen Küstenraum . Die Arbeit basiert zum<br />

großen Teil auf Überlegungen, die im Rahmen des Forschungsprojektes MERK - Mikroskalige<br />

Evaluation der Risiken in überflutungsgefährdeten Küstenniederungen in den Jahren 2000 bis 2002 am<br />

Forschungs- und Technologiezentrum Westküste (FTZ) der Universität Kiel angestellt wurden.<br />

Der Schwerpunkt des Vorhabens lag auf der Entwicklung eines Instrumentariums zur mikroskaligen<br />

Risikoanalyse.<br />

Zur Risiko Betrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren wird der Blick auf die Segmente der Risikoanalyse,<br />

der Risikobewertung und des Risikomanagements gerichtet. Für die Ermittlung und den Umgang<br />

mit Risiken werden bestehende Methoden erläutert, zum Teil weiterentwickelt und exemplarisch<br />

angewendet. Die zentralen Fragen und Ergebnisse der Arbeit sind:<br />

• Was ist Risiko, wie wird dieses definiert und wie kann es konzeptionell erfasst werden?<br />

Die Risikoforschung ist hinsichtlich der Methoden und Instrumente zur Ermittlung <strong>von</strong> Risiken<br />

gegenwärtig immer noch <strong>von</strong> einem interdisziplinären Dissens geprägt. So konnte ein allgemein-<br />

gültiger Risikobegriff bisher nicht gefunden werden.<br />

Im weitesten Sinne ist Risiko ein mentales Konstrukt, um Gefahren näher zu bestimmen und<br />

Zufallsereignisse zu erfassen, die keine direkte Entsprechung in der Wirklichkeit haben.<br />

Trotz des Mangels an allgemeingültigen Konzepten kann in der Arbeit die Möglichkeit aufgezeigt<br />

werden, das Risiko in einem integrativen Gesamtkonzept unter Beteiligung aller wissenschaftlichen<br />

Disziplinen und gesellschaftlichen Akteure zu erfassen und zu bearbeiten (im Sinne <strong>von</strong><br />

reduzieren bzw. kontrollieren). Die elementaren Segmente sind hierb ei die naturwissenschaftliche<br />

Analyse, die soziopolitische Bewertung und das ökonomisch-politische Management. Da es sich<br />

hierbei um ein theoretisches Konzept handelt, muss zukünftig geklärt werden, wie die verschiedenen<br />

Segmente in der Praxis zusammengeb racht werden können.<br />

• Was sind Naturgefahren und welche Bedeutung haben sie insbesondere für den Menschen gegenwärtig<br />

und zukünftig im Küstenraum?<br />

Extreme Ereignisse sind im natürlichen Geosystem wertfreie Phänomene, die erst durch die<br />

anthropogene Nutzung der Umweltressourcen zu Naturgefahren werden und im Extremfall innerhalb<br />

des sozialen Umfeldes zu Katastrophen führen können. Die Entwicklung der Naturkatastro-<br />

phen zeigt deutlich einen ansteigenden Trend, was im Wesentlichen auf einen Wandel der<br />

sozioökonomischen Sphäre zurückzuführen ist. Es gilt als wahrscheinlich, dass der ansteigende<br />

Katastrophentrend zukünftig durch eine klimabedingte Zunahme der Häufigkeit <strong>von</strong> extremen<br />

Ereignissen verstärkt wird. An den Küsten Schleswig-Holsteins ist heute schon eine signifikante<br />

Zunahme <strong>von</strong> Sturmhochwässern zu erkennen, die im Wesentlichen auf den säkularen Anstieg<br />

des mittleren Wasserstandes zurückzuführen ist. Eine klimabedingte Beschleunigung des Meeres-<br />

spiegelanstieges gilt zukünftig als wahrscheinlich. So würde z.B. am Pegel Husum ein Meeres-<br />

spiegelanstieg <strong>von</strong> 50 cm bis zum Jahr 2100 dazu führen, dass ein Sturmflutereignis mit einer<br />

gegenwärtigen Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> einmal in 100 Jahren zukünftig schon alle 20 Jahre<br />

eintritt.<br />

9


10<br />

Zusammenfassung<br />

• Wie kann das Risiko <strong>von</strong> Naturgefahren insbesondere das <strong>von</strong> Sturmfluten quantitativ bzw. qualitativ<br />

analysiert werden?<br />

Die schädigenden Wirkungen natürlicher Prozesse können mit einer naturwissenschaftlichen Risiko-<br />

analyse auf der Basis <strong>von</strong> Beobachtung, Modellierung und Szenariobildung realitätsnah qualitativ<br />

und quantitativ beschrieben werden. In der vorliegenden Arbeit wird ein modulares Analyseverfahren<br />

vorgestellt, welches die Arbeitsschritte der Systemabgrenzung und -beschreibung, der Analyse<br />

der Gefährdung und der Vulnerabilität sowie der abschließenden Risikoabschätzung und -darstellung<br />

umfasst. Zudem werden die wichtigsten Instrumente der Risikoanalyse erläutert, <strong>von</strong> denen ins-<br />

besondere die zur Erweiterung der erforderlichen Datenbasis zukünftig eine stärkere Berücksich-<br />

tigung finden sollten (z.B. logische Bäume, Fuzzy-Logik, Delphi-Befragungen).<br />

Darüber hinaus werden für die Abschätzung des Sturmflutrisikos spezifische Methoden und<br />

Modelle entwickelt und exemplarisch an der Gemeinde St. Peter-Ording an der Nordseeküste<br />

Schleswig-Holsteins angewendet. Mit der Gefährdungsanalyse wird hierbei die Form, die Intensität<br />

und die räumliche Ausprägung, sowie die Wahrscheinlichkeit bzw. Häufigkeit <strong>von</strong> Sturmfluten<br />

ermittelt. Dabei ist festzustellen, dass sowohl deskriptive statistische als auch induktive probabilistische<br />

Methoden Schwächen bei der Ereignisabschätzung aufweisen. Mit der Vulnerabilitätsana-<br />

lyse lassen sich dann auf der Basis verschiedener Ereignisszenarien die möglichen Sturmflutschä-<br />

den im Untersuchungsraum evaluieren. Um die Schäden zu ermitteln, wurde eine mikroskalige<br />

Methode entwickelt, mit der die gefährdeten Elemente in einem hohen Detailgrad bewertet<br />

werden können. Hierbei wird in einem ersten Schritt eine Wertermittlung zur Inventarisierung und<br />

Bewertung des vorhandenen Schadenspotenzials durchgeführt. Für den Untersuchungsraum<br />

St. Peter-Ording wurden innerhalb des potenziellen Überflutungsgebietes (ca. 4 000 ha) Gesamt-<br />

werte <strong>von</strong> ca. 2,1 Mrd. Euro ermittelt.<br />

Anschließend lässt sich mit einer Schadensschätzung die Schadenserwartung für verschiedene Ereig-<br />

nisszenarien unter Berücksichtigung bestehender Schutzmaßnahmen ermitteln. Im Fokusgebiet<br />

wurden für ein Beispielszenario maximale Schäden <strong>von</strong> ca. 70 Mio. Euro berechnet.<br />

Mit den Erkenntnissen der Gefährdungsanalyse und der Vulnerabilitätsanalyse ließ sich dann das<br />

Risiko berechnen als Produkt aus der Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses und der Scha-<br />

denserwartung. In St. Peter-Ording wurde für das Beispielszenario ein jährliches Risiko <strong>von</strong><br />

ca. 170 000 Euro ermittelt.<br />

Abschließend wurden die Ergebnisse ausgewertet und kartographisch in Rasterkarten visualisiert.<br />

Welche Formen der Ergebnisdarstellung als Basis z.B. für raumplanerische Maßnahmen oder für<br />

die Information der Bevölkerung am besten geeignet sind, ist zukünftig noch zu klären.<br />

• Wie werden Risiken <strong>von</strong> Naturgefahren insbesondere die <strong>von</strong> Sturmfluten gesellschaftlich wahrgenommen<br />

und wie lässt sich die Akzeptanz der Risiken ermitteln?<br />

Die formal-normative, die psychologisch-kognitive und die soziologisch-kulturelle Risikoforschung<br />

haben unterschiedliche Methoden zur Ermittlung der Risikoakzeptanz hervorgebracht.<br />

Diese sind aber mit zum Teil erheblichen methodischen und konzeptionellen Mängeln belastet. So<br />

ist es bis heute nicht gelungen einen allseits anerkannten Weg zur Ermittlung der Akzeptanz <strong>von</strong><br />

Risiken zu entwickeln. Es wird gezeigt, dass es aber gegenwärtig möglich ist, die Risikowahrnehmung<br />

und -bewertung mit Methoden der empirischen Sozialforschung zu beschreiben.


Zusammenfassung<br />

Es wurde festgestellt, dass die Risikobewertung <strong>von</strong> Naturgefahren insbesondere <strong>von</strong> situativen<br />

Einflussfaktoren und solchen der Erkenntnis bedingt wird. Verschiedene Wahrnehmungsmodelle<br />

erleichtern hierbei den Umgang mit Unsicherheit. Zudem werden Naturrisiken hinsichtlich ihrer<br />

Risikomerkmale sehr ähnlich wahrgenommen. Sie gelten überwiegend als unkontrollierbar und<br />

nicht schrecklich, freiwillig und lokal begrenzt.<br />

Als wesentliche Determinanten der Risikobewertung bei Naturgefahren werden folgende disku-<br />

tiert: Gefährlichkeit, Eintritts- und Schadenswahrscheinlichkeit, Kontrollierbarkeit und Kontroll-<br />

überzeugung, Erfahrung und Bewusstsein, Einstellungen und Werthaltungen, Emotionen,<br />

soziodemographische Faktoren, kulturelle Faktoren und die Verursachung des Risikos.<br />

Exemplarische Bevölkerungsbefragungen im schleswig-holsteinischen Küstenraum zeigen, dass es<br />

aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen zu einer differenten Wahrnehmung und<br />

Bewertung <strong>von</strong> Risiken kommen kann. So ist der Bevölkerung in St. Peter-Ording (Nordseeküste)<br />

das Sturmflutrisiko zwar bewusst, das historisch gewachsene Vertrauen in den Küstenschutz<br />

führt aber zu einem Sicherheitsgefühl, welches eine mangelnde Vorsorge bedingt. So haben<br />

lediglich 11 % der befragten Personen präventive Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser<br />

getroffen. Eine verbesserte behördliche Informationspolitik , die auch <strong>von</strong> den Einwohnern in St.<br />

Peter-Ording explizit gefordert wird, könnte die Prävention hier verbessern.<br />

Am Beispiel der Stadt Lübeck wird gezeigt, dass an der Ostseeküste leichte Überschwemmungen<br />

das mentale Bild der Ostsee als Gefahrenquelle prägen. Die geringere Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

extremer Ereignisse führt hier zu einem mangelnden Risikobewusstsein, welches sich in der<br />

Sorglosigkeit im Umgang mit dem Sturmflutrisiko darstellt. Eine Sensibilisierung der Bevölkerung<br />

ist hier dringend erforderlich.<br />

• Wie können Risiken insbesondere die <strong>von</strong> Sturmfluten mit dem Ziel der Minimierung optimal gehandhabt<br />

werden?<br />

Mit dem Risikomanagement müssen zukünftig nicht nur Sicherheitsdefizite ausgeräumt sondern<br />

insbesondere auch ein gesellschaftlich tolerierter Weg im Umgang mit dem Risiko gefunden<br />

werden. Für ein innovatives Management <strong>von</strong> Naturrisiken wird in der Arbeit ein integratives<br />

Verfahren entwickelt, in das die Ergebnisse der Risikobewertung und der Risikoanalyse als Ent-<br />

scheidungshilfen einfließen. Das zentrale Verfahrenselement ist hierbei ein Kooperations-Netzwerk,<br />

in dem die verschiedenen Akteure am Planungsprozess beteiligt werden. Der Partizipation der<br />

Öffentlichkeit wird zukünftig im Zuge einer Demokratisierung des Management- und Planungsprozesses<br />

eine besondere Bedeutung zukommen. Außerdem sind die Organisation, die Restriktio-<br />

nen und die Zielfindung im Management sowie die verschiedenen Strategien und Maßnahmen zur<br />

Risikoreduzierung wichtige Bestandteile des Verfahrens. Für deren optimale Gestaltung konnten<br />

unter besonderer Berücksichtigung des Sturmflutrisikos Grundlagen diskutiert und Empfehlun-<br />

gen ausgesprochen werden. Die wesentlichen Aspekte sind hierbei eine zentrale Organisations-<br />

form, ein hierarchisches Zielsystem und die Konzentration auf präventive Strategien und<br />

Maßnahmen sowie eine verbesserte Katastrophenvorsorge.<br />

Als primärer Forschungsbedarf wird für die Risikoanalyse die Entwicklung <strong>von</strong> Methoden zur sta-<br />

tistischen bzw. probabilistischen Einordnung extremer Ereignisse und die Weiterentwicklung und<br />

Verifizierung bestehender Evaluationsmodelle im Sinne einer Standardisierung identifiziert.<br />

11


12<br />

Zusammenfassung<br />

Hinsichtlich der Risikobewertung ist vorrangig das Verständnis der gesellschaftlichen Wahrneh-<br />

mung <strong>von</strong> Risiken zu verbessern. Hierzu eignen sind die Methoden der empirischen Sozialfor-<br />

schung (z.B. Befragungen). Für das Management ist zukünftig zu klären, wie sich die vorgestell-<br />

ten Instrumente (z.B. zur Kooperation und Partizipation) in die bestehenden Organisationsstruk -<br />

turen integrieren lassen.<br />

Abstract<br />

The subject of the present thesis is the risk of natural hazards using the storm surge endangered<br />

coastal areas of Schleswig-Holstein (Northern Germany) as an example. The paper is based to a<br />

large extent on considerations made in the framework of the research project MERK - mikroscale<br />

evaluation of the risks in flood-prone coastal areas between 2000 and 2002 at the Research- and<br />

Technology Centre Westcoast (FTZ) of the <strong>Christian</strong>-<strong>Albrechts</strong>-University in Kiel. The emphasis of<br />

the project was the development of instruments for a microscale risk analysis.<br />

For a view of the risk of natural hazards the focus is laid on the segments of risk analysis, of risk<br />

evaluation and of risk management. For the determination and handling of risks the existing<br />

methods are described, partially developed further partially and used as examples. The central<br />

questions and results of the work are:<br />

• What is risk, how can it be defined conceptually?<br />

Risk research is at present still influenced by an interdisciplinary disagreement regarding the<br />

methods and instruments for the determination of risks. So, a generally accepted risk term has not<br />

been found so far. In general, risk is a mental construction, in order to find out hazards and<br />

determine coincidences, which do not have a direct correspondence in the reality.<br />

Despite the lack of generally accepted concepts, one can illustrate the possibility of seizing and of<br />

managing the risk in an integrated concept under participation of all scientific disciplines and so-<br />

cial participants (in the sense of reducing and controlling the risk). Those elementary segments<br />

are: scientific analysis, social evaluation and political management. Since we are concerned with a<br />

theoretical concept here, it must be clarified in the future, how the different segments can be<br />

brought together in practice.<br />

• What are natural hazards and what is the particular influence on human beings in the coastal<br />

areas at present and in the future?<br />

Extreme events are objective phenomena in the natural geo-systems, which become natural hazards<br />

only by human use of environmental resources. In extreme cases, these hazards may lead to disas-<br />

ters in the social environment. The development of catastrophes in nature clearly shows a rising<br />

trend, which is essentially due to a change in the socio-economic sphere. It is considered probable<br />

that the rising disaster trend will be strengthened by a climatically conditioned increase in the<br />

frequency of extreme events in the future. At the coasts of Schleswig-Holstein a significant<br />

increase of storm tides has already been noticed, which is essentially due to the rise in sea level.<br />

A future acceleration of the sea level is considered probable because of climatic change.


Zusammenfassung<br />

• How can the risk of natural hazards (in particular storm surges) be analyzed quantitatively<br />

and/or qualitatively?<br />

The damaging effects of natural processes can be qualitatively and quantitatively described with a<br />

Scientific Risk Analysis on the basis of observation, modelling and scenarios. In the present work a<br />

method of analysis is presented which includes the following steps of procedure: the differentiation<br />

and description of the system, hazard determination, vulnerability analysis as well as the final risk as-<br />

sessment and representation of the results. Further the most important instruments of the risk analy-<br />

sis are described, especially the ones which are necessary for the extension of the database. They<br />

should find a stronger consideration in the future (e.g. fault and event tree analysis, fuzzy logic,<br />

delphi-methods).<br />

In addition, specific methods and models for the estimation of the risk of storm surges are devel-<br />

oped and applied as test cases at the municipality of St. Peter Ording at the North Sea Coast of<br />

Schleswig-Holstein. In hazard determination, the character, the intensity and spatial development<br />

as well as the probability and/or the frequency of storm surges is determined. In this context it is<br />

noticed that both the statistic and probabilistic methods show drawbacks in estimating the events.<br />

In the vulnerability analysis, the potential damages from storm surges can be estimated in St.<br />

Peter-Ording on the basis of different event scenarios. In order to determine the damages, a micro-<br />

scale method has been developed so that the endangered elements can be evaluated in a highly<br />

detailed manner. In a first step, an inventory and evaluation of the values of the endangered ele-<br />

ments is carried out. In the potential flooding area of St. Peter Ording, we calculated total values<br />

of approx. 2.1 billion Euros.<br />

With consideration of existing preventive measures the expected damages can be determined with<br />

damage estimation for different scenarios. For an exemplary scenario in the flooding area, a maxi-<br />

mum damage of approx. 70 millions Euros is estimated.<br />

With the results of the hazard determination and the vulnerability analysis the risk can be com-<br />

puted as the product of the probability of the specific event and the expected damages. In St.<br />

Peter-Ording an annual risk of approx. 170,000 Euros is determined for the exemplary scenario.<br />

Finally the results can be analyzed and maps are designed for the representation. It should be<br />

clarified in the future which tools are best suited for representing the results, e.g. for regional policy<br />

or for the information of the population.<br />

• What is the perception of the natural risks, especially the risks of storm surges and how can the<br />

acceptance of the risks be determined?<br />

The formal-normative, the psychological-cognitive and the sociological-cultural risk research<br />

brought out different methods for determination of the acceptance of risk. These methods are for<br />

the most part burdened by substantial methodical and conceptional failings. So, it has not been<br />

possible until today to develop a generally accepted method for the determination of the riskacceptance.<br />

However, it can be shown that risk perception and evaluation can be described at pre-<br />

sent with methods of empirical social research (e.g. interviews). It can be determined that these<br />

risk evaluations are influenced mainly by factors of the situation and the realization. Different<br />

perception models facilitate the handling of uncertainty.<br />

13


14<br />

Zusammenfassung<br />

Natural risks are also very similarly perceived regarding their risk characteristics. They are<br />

considered predominantly as uncontrollable and not terribly, voluntarily and spatially limited.<br />

As substantial determinants for the risk evaluation of natural hazards the following subjects are<br />

discussed: hazard, probability of events and damages, possibility and conviction, experience and<br />

awareness, attitudes, emotions, demographic factors, cultural factors and causing of the risk.<br />

On the basis of exemplary polls in the coastal area of Schleswig-Holstein, public opinion shows<br />

that different basic conditions lead to a different perception and evaluation of risks. Thus, the<br />

population in St. Peter Ording is aware of the risk of storm surges, but the traditional confidence<br />

in coastal protection leads however to a feeling of safety which causes a lack of precaution. Thus,<br />

only 11 % of the interviewed persons made preventive measures for protection from floods. Better<br />

public information policies could improve prevention here. This is also demanded by the inhabi-<br />

tants in St. Peter Ording.<br />

The example of the City Lübeck at the coast of the Baltic Sea illustrates that only slight floods<br />

formed the mental image of the Baltic Sea as a source of danger. The minor probability of extreme<br />

events leads to a lack of risk awareness, which causes about carelessness in handling the risk of<br />

storm surges in the present. This seems to necessitate the population to become more sensitive to<br />

this issue.<br />

• How can risks, in particular the risks of storm surges, be managed in an optimal way with the<br />

aim of minimizing the risks?<br />

In risk management, not only safety deficits should be eliminated but also a socially tolerant way in<br />

handling the risks has to be found. In this thisis, an integrated procedure is developed for an inno-<br />

vative management of natural risk, in which the results of the risk evaluation and the risk analysis<br />

are an important basis for decision making. The central element of this procedure is a cooperation<br />

network, in which the different participants take part in the planning process. In the course of<br />

democratization of the management and planning process, special significance will be given to the<br />

participation of the public in the future. In addition, there are other important components of the<br />

management such as the organization, the restrictions and the objectives as well as the different<br />

strategies and measures for risk reduction. For the optimal organization, bases are discussed and<br />

recommendations are expressed with special consideration of the storm surge risk. The substantial<br />

aspects are: a central organization, a hierarchical system of objectives and concentration on pre-<br />

ventive strategies and measures as well as improved disaster prevention.<br />

The primary need for research for risk analysis is the development of methods for the statistic and/or<br />

probabilistic classification of extreme events and the advancement and verification of existing<br />

evaluation models in the sense of a standardisation.<br />

For risk evaluation, the understanding of the social perception of risks should be improved. For<br />

this, the methods of empirical social research are suitable. The priority question for risk manage-<br />

ment is: how can the presented instruments (e.g. the cooperation with and the participation of the<br />

public) be integrated into the existing organisational structures of the authorities?


1. Einleitung<br />

Einleitung<br />

15<br />

Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen<br />

Die Kiemen gewaltige Wassermassen.<br />

Dann holt das Untier tiefer Atem ein,<br />

Und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.<br />

Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken,<br />

Viel reiche Länder und Städte versinken<br />

Trutz, Blanke Hans.<br />

Auszug aus Trutz, Blanke Hans <strong>von</strong><br />

DETLEV VON LILIENCRON (1882)<br />

Detlev <strong>von</strong> Liliencron beschreibt in seinem Gedicht Trutz, Blanke Hans den Untergang der legen-<br />

dären nordfriesischen Handelsstadt Rungholt während der Großen Mandränke 1362.<br />

Der potenziellen Gefahr 1 einer schweren Sturmflut trutzen seit mehr als 1 000 Jahren die Menschen<br />

an den Küsten der Nord- und Ostsee. Während der Lyriker eine extreme Sturmflut noch als ein<br />

Jahrhundertereignis beschreibt, so lassen die Ereignisse der Vergangenheit die Vermutung zu,<br />

dass die Bedrohung durch Sturmfluten zugenommen hat. Angesichts eines globalen Wan dels und<br />

der aktuellen Klimadiskussion sowie einer vielfach beschriebenen Zunahme <strong>von</strong> extremen Natur-<br />

ereignissen und deren katastrophalen Folgen stellt sich die Frage, ob die Vermutungen und Befürchtungen<br />

eines Klimawandels und seiner negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt<br />

berechtigt sind. Mit dieser Arbeit soll geklärt werden, welche Bedeutung diese Entwicklung für<br />

den norddeutschen Küstenraum haben könnte und welche Methoden und Strategien geeignet<br />

sind, die Risiken im Küstenraum zu erfassen und zu handhaben.<br />

1.1 Hintergrund und Veranlassung<br />

Globale Risikopotenziale sind zu einer Herausforderung für die internationale Gemeinschaft<br />

geworden, denn niemals zuvor haben menschliche Aktivitäten und Eingriffe in die Natur eine<br />

ähnliche Tragweite gehabt wie es gegenwärtig der Fall ist. Die Zunahme der Weltbevölkerung auf<br />

der einen Seite und ein steigender Anspruch an die Umwelt und den Lebensstandard auf der<br />

anderen Seite erfordern zukünftig vermehrt einen effizienten und sachlichen Umgang mit Natur-<br />

gefahren und -risiken. Hierbei spielt die Methodik bei der Wissensgenerierung und -anwendung<br />

eine entscheidende Rolle. Aufgrund des globalen Charakters vieler Naturrisiken ist es offensichtlich,<br />

dass eine Abkehr <strong>von</strong> dem in der empirischen Wissenschaft dominierenden Prinzip des Trial<br />

and Error unabdingbar ist, da die Methode Abwarten und auftretende Schäden bekämpfen keine<br />

geeignete Handlungsmaxime für den Umgang mit Risiken darstellt.<br />

Daher sind Methoden erforderlich, die es ermöglichen, Risiken prospektiv zu erfassen und daraus<br />

adäquate Strategien der Prävention abzuleiten. Die vorliegende Arbeit soll einen methodischen<br />

Beitrag hierzu leisten.<br />

1 Während Gefahren objektive Bedrohungen durch ein zukünftiges Schadensereignis darstellen, sind Risiken ein mentales Konstrukt,<br />

das dazu dient, Gefahren zu bestimmen (WBGU, 1999: 367). Die Fachtermini werden in den verschiedenen Disziplinen der<br />

Risikoforschung sehr unterschiedlich definiert. Die wichtigsten Begriffe und ihre Bedeutung für diese Arbeit werden in Kapitel 2.2<br />

erläutert und im Glossar zusammengefasst.


16<br />

Einleitung<br />

Mit dem globalen Wandel zeigt sich auch eine Veränderung der Risiken <strong>von</strong> Naturgefahren.<br />

Während sich in der letzten Dekade die Anzahl der großen Naturkatastrophen im Vergleich zu den<br />

60er Jahren verdreifacht hat, erhöhten sich die volkswirtschaftlichen Schäden um das Neun- und<br />

die versicherten Schäden sogar um das Fünfzehnfache (MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-<br />

GESELLSCHAFT, 1999a). Unter dem Eindruck der jüngsten Überschwemmungsereignisse an der<br />

Elbe und ihren Nebenflüssen im August 2002 scheint sich auch in Deutschland ein ansteigender<br />

Katastrophentrend abzuzeichnen. Diese Entwicklung unterstreicht den zunehmenden Bedarf an<br />

Informationen über Naturgefahren und an Instrumenten zum Management <strong>von</strong> Naturrisiken.<br />

Wenn auch die rasante Zunahme der volkswirtschaftlichen Schäden weitestgehend auf den Wandel<br />

der sozioökonomischen Sphäre zurückzuführen ist, bleibt zu klären, ob gegenwärtig und<br />

zukünftig auch eine Zunahme extremer Ereignisse diesen Trend verstärken wird.<br />

So zeigt eine wachsende Zahl <strong>von</strong> Beobachtungen eine globale Erwärmung der Atmosphäre. Ob<br />

diese Entwicklung im Rahmen der natürlichen Klimavariabilität liegt, ist nicht mit Sicherheit zu<br />

sagen. Es gilt aber inzwischen als sehr wahrscheinlich, dass sich das Klima, verstärkt durch<br />

anthropogene Aktivitäten, erheblich verändern wird und dadurch die Gefahr <strong>von</strong> natürlichen<br />

Extremereignissen zunehmen könnte. So prognostiziert das INTERGOVERNMENTAL PANEL ON<br />

CLIMATE CHANGE (IPCC) für die Periode <strong>von</strong> 1990 bis 2100 einen Anstieg der mittleren globalen<br />

bodennahen Temperatur um ca. 3,6 °C sowie des globalen Meeresspiegels im Mittel um 48 cm<br />

(ebd., 2001).<br />

Dieser Meeresspiegelanstieg bedroht die Küsten der Erde, die im Vergleich zu anderen Teilräumen<br />

aufgrund der zahlreichen Wechselwirkungen im Grenzbereich der Lithosphäre, Hydro-<br />

sphäre und Atmosphäre als besonders klimaempfindlich gelten. Zudem gehören sie weltweit zu<br />

den am intensivsten genutzten Räumen (SMITH und WARD, 1998). Extreme Naturereignisse wie<br />

die Sturmfluten an der Nordseeküste der Jahre 1962 und 1976 können auch im norddeutschen<br />

Küstenraum katastrophale Schäden und hohe Verluste an Menschenleben verursachen. So gelten<br />

24 % der Landesfläche Schleswig-Holsteins als überflutungsgefährdete Küstenniederungsgebiete<br />

(PROBST, 2002). Ein prospektiver Umgang mit den Risiken ist hier die Voraussetzung für den<br />

zukünftigen Erhalt und den Schutz des Lebens- u. Wirtschaftsraums Küste. Die Verknappung der<br />

öffentlichen Mittel erfordert hierbei einen effizienten Einsatz der verfügbaren Ressourcen sowie<br />

eine Identifizierung der besonders exponierten Räume.<br />

Daher wird zukünftig in Schleswig-Holstein in Anlehnung an ein Integriertes Küstenzonenmanage-<br />

ment (IKZM) mit dem Integrierten Küstenschutzmanagement (IKM) ein kontinuierlicher, dynami-<br />

scher und teils iterativer Planungsprozess angestrebt, in dem die unterschiedlichen Interessen und<br />

Nutzungsansprüche sowie die Sicherheitsaspekte im Küstenschutz berücksichtigt werden (vgl.<br />

MLR, 2001). Hierbei ist der Küstenschutz zukünftig den veränderten natürlichen und sozioöko-<br />

nomischen Rahmenbedingungen anzupassen.<br />

Da es keine absolute Sicherheit geben kann, werden sich Naturkatastrophen zukünftig auch mit<br />

neuen Strategien und Maßnahmen nicht gänzlich vermeiden lassen. Dringliche Aufgabe des<br />

Naturrisikomanagements ist es, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die Schäden durch<br />

extreme Naturereignisse auf einem akzeptablen Niveau zu halten.


Einleitung<br />

Die traditionellen Verfahren zur Bekämpfung <strong>von</strong> Naturgefahren sind eher reaktiv. Da sie sich am<br />

Ereignis und weniger an den möglichen Folgen orientieren, sind zukünftig neue standardisierte<br />

Methoden und Instrumente zur Risikobetrachtung zu entwickeln.<br />

Politische Aktivitäten, wie die International Decade for Natural Disaster Reduction (IDNDR) der<br />

Vereinten Nationen <strong>von</strong> 1990-1999, aber auch die Appelle der Versicherungswirtschaft, unterstrei-<br />

chen die Dringlichkeit dieser Bemühungen (vgl. ISDR 2002; MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-<br />

GESELLSCHAFT, 1999b).<br />

Vor diesem Hintergrund hat der Verfasser <strong>von</strong> 2000 bis 2002 am Forschungs- und Technologiezent-<br />

rum Westküste der <strong>Christian</strong>-<strong>Albrechts</strong>-Universität zu Kiel das Forschungsprojekt MERK - Mikroska-<br />

lige Evaluation der Risiken in überflutungsgefährdeten Küstenniederungen bearbeitet. In diesem vom<br />

BMBF und vom MLR finanzierten Vorhaben wurde ein methodischer Beitrag zur Risikobetrach-<br />

tung <strong>von</strong> Naturgefahren im Küstenraum geschaffen. Der Fokus der Untersuchung lag auf der Ent-<br />

wicklung eines Instrumentariums zur Risikoanalyse.<br />

Wesentliche Teile der vorliegenden Dissertation beruhen auf Überlegungen, die im Rahmen dieses<br />

Projektes angestellt wurden. Der Verfasser konzentriert sich hierbei auf die Schaffung <strong>von</strong><br />

konzeptionellen und methodischen Grundlagen zur Risikobetrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren und<br />

versucht, Anwendungsmöglichkeiten für den norddeutschen Küstenraum aufzuzeigen. In einer<br />

weiteren Dissertation am FTZ Westküste wird die Vulnerabilität (Verletzlichkeit) des Küstenraumes<br />

als Teilaspekt der Risikobetrachtung fokussiert (vgl. REESE, 2003).<br />

1.2 Fragestellung, Zielsetzung und Struktur der Arbeit<br />

Der Gegenstand der Untersuchung ist die Risikobetrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren am Beispiel der<br />

Sturmflutgefährdung im schleswig-holsteinischen Küstenraum. Hierbei werden verschiedene<br />

Strategien und Methoden der Analyse, der Bewertung und des Managements des Risikos darge-<br />

stellt sowie exemplarisch angewendet. Die übergeordnete Forschungsfrage lautet:<br />

• Welche Methoden sind für eine Betrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren und Naturrisiken geeignet<br />

und wie lassen sich diese auf das Sturmflutrisiko im norddeutschen Küstenraum übertragen?<br />

Bevor die methodischen Aspekte der Risikobetrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren untersucht werden<br />

können, müssen vorab die elementaren Grundlagen der Arbeit geschaffen werden. Hierzu wer-<br />

den folgende Forschungsfragen definiert:<br />

• Was ist Risiko, wie wird dieses definiert und wie kann es konzeptionell erfasst werden?<br />

• Was sind Naturgefahren und welche Bedeutung haben sie, insbesondere für den Menschen,<br />

gegenwärtig und zukünftig im Küstenraum?<br />

17


18<br />

Einleitung<br />

Da eine Risikobetrachtung sowohl naturwissenschaftlich-analytische, soziologisch-psychologische<br />

und strategisch-operationelle Aspekte tangiert, ergeben sich darüber hinaus folgende spezielle<br />

Forschungsfragen:<br />

• Wie kann das Risiko <strong>von</strong> Naturgefahren, insbesondere das <strong>von</strong> Sturmfluten, quantitativ bzw.<br />

qualitativ analysiert werden?<br />

• Wie werden Risiken <strong>von</strong> Naturgefahren, insbesondere die <strong>von</strong> Sturmfluten, gesellschaftlich<br />

wahrgenommen und wie lässt sich die Akzeptanz der Risiken ermitteln?<br />

• Wie können Risiken <strong>von</strong> Naturgefahren, insbesondere die <strong>von</strong> Sturmfluten, mit dem Ziel der<br />

Minimierung optimal gehandhabt werden?<br />

Aus den formulierten Forschungsfragen ist die Zielsetzung der Arbeit abzuleiten. Das übergeord-<br />

nete Forschungsziel ist die Darstellung und Anwendung <strong>von</strong> Methoden und Techniken der Risi-<br />

koanalyse, der Risikobewertung und des Risikomanagements. Hierbei sollen für Naturgefahren<br />

im Allgemeinen und für Sturmfluten im Speziellen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die<br />

identifizierten Risiken analysiert, bezüglich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung evaluiert und mit<br />

dem Ziel einer Optimierung gehandhabt werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen<br />

verschiedene Arbeitsziele definiert werden, die gleichzeitig die Struktur der Arbeit vorgeben<br />

(Abb. 1.1).<br />

Zu Beginn werden die Erkenntnisse der Risikowissenschaft und ihre Relevanz für die Naturge-<br />

fahrenforschung dargestellt und bewertet. Hierbei sind konzeptionelle Grundlagen für die<br />

Naturgefahrenforschung abzuleiten. Anschließend soll geklärt werden, warum natürliche Ereig-<br />

nisse wie Sturmfluten zu Naturgefahren werden und wie diese sich zukünftig insbesondere im<br />

Hinblick auf einen möglichen Klimawandel darstellen könnten.<br />

Auf der Basis sicherheitswissenschaftlicher Methoden wird dann eine objektbezogene Methodik<br />

zur Ermittlung des Sturmflutrisikos entwickelt und exemplarisch angewendet. Hierzu sind vorhandene<br />

Techniken der Gefährdungsanalyse sowie der Wertermittlung und der Schadensschät-<br />

zung hinsichtlich der Übertragbarkeit auf den Küstenraum zu prüfen und gegebenenfalls<br />

anzupassen. Daraufhin wird die gesellschaftliche Risikowahrnehmung erläutert, um anschließend<br />

die soziopolitische Bedeutung des Sturmflutrisikos exemplarisch zu bewerten. Im Anschluss<br />

daran sollen die Schlüsselelemente des Managements <strong>von</strong> Naturrisiken identifiziert und analy-<br />

siert werden, um abschließend Handlungsempfehlungen ableiten zu können.


Fragen<br />

Was ist der Hintergrund und die<br />

Veranlassung der Arbeit, welche<br />

Ziele werden verfolgt?<br />

Was ist Risiko, wie wird dieses<br />

definiert und wie kann es<br />

konzeptionell erfasst werden?<br />

Was sind Naturgefahren und<br />

welche Bedeutung haben sie,<br />

insbesondere für den Menschen,<br />

gegenwärtig und zukünftig im<br />

Küstenraum?<br />

Wie kann das Risiko <strong>von</strong><br />

Naturgefahren, insbesondere<br />

das <strong>von</strong> Sturmfluten, quantitativ<br />

bzw. qualitativ analysiert<br />

werden?<br />

Wie werden Risiken <strong>von</strong><br />

Naturgefahren, insbesondere die<br />

<strong>von</strong> Sturmfluten, gesellschaftlich<br />

wahrgenommen und wie lässt sich<br />

die Akzeptanz <strong>von</strong> Risiken<br />

ermitteln?<br />

Wie können Risiken <strong>von</strong><br />

Naturgefahren, insbesondere die<br />

<strong>von</strong> Sturmfluten, mit dem Ziel der<br />

Minimierung optimal gehandhabt<br />

werden?<br />

Welche Fragen können mit der<br />

Arbeit beantwortet werden?<br />

Welcher weitere Forschungsbedarf<br />

ist zu erkennen?<br />

Abb. 1.1: Struktur der Arbeit<br />

Einleitung<br />

Zusammenfassung<br />

Kapitel 1<br />

Einleitung<br />

Kapitel 2<br />

Risikodiskurs<br />

Kapitel 3<br />

Naturgefahren<br />

Kapitel 4<br />

Risikoanalyse<br />

Kapitel 5<br />

Risikobewertung<br />

Kapitel 6<br />

Risikomanagement<br />

Kapitel 7<br />

Fazit<br />

Verzeichnisse<br />

Anhang<br />

Untersuchungsaspekte<br />

- Stand der Risikoforschung<br />

- Definitionen und Risikoterminologie<br />

- Risikokonzept<br />

- Naturgefahren und ihre Folgen<br />

- Entwicklung <strong>von</strong> Naturgefahren<br />

- Sturmfluten und ihre Bedeutung im<br />

schleswig-holsteinischen Küstenraum<br />

- Methoden und Techniken der<br />

Naturrisikoanalyse, insbesondere für<br />

den Küstenraum<br />

- Gefährdungsanalyse<br />

- Vulnerabilitätsanalyse<br />

- Risikoabschätzung<br />

- Risikoperzeption<br />

- Risikoevaluation<br />

- Risikokommunikation<br />

- Theoretische Grundlagen und<br />

praktische Anwendung für das<br />

Sturmflutrisiko<br />

- Restriktionen<br />

- Zielsystem<br />

- Strategien und Maßnahmen<br />

- Organisation<br />

- Empfehlungen für den schleswigholsteinischen<br />

Küstenraum<br />

- Zielerfüllung<br />

- Offene Fragen und<br />

Forschungsbedarf<br />

- Schlussfolgerungen<br />

19


20<br />

2. Risikodiskurs<br />

Risikodiskurs<br />

„As society and citizens we have<br />

managed risk since earliest times.<br />

In many senses we are all risk experts”<br />

PETTS (2002).<br />

Gefahren und Risiken sind ein unausweichlicher Bestandteil des Lebens. Täglich werden wir mit<br />

unterschiedlichen Risiken konfrontiert, wie z.B. dem Verlust des Lebens durch einen Autounfall<br />

oder dem Risiko der Erkrankung durch den Genuss <strong>von</strong> Nikotin und Alkohol. Ein Teil dieser Ri-<br />

siken ist offenkundig mit natürlichen Abläufen und Ereignissen verbunden, andere entstehen erst<br />

durch menschliche Aktivitäten. Entsprechend ist es unmöglich, in einer risikofreien Umgebung zu<br />

Leben (vgl. BECK, 1986).<br />

2.1 Risiko und Gefahr<br />

Risiko wird im alltäglichen Sprachgebrauch häufig synonym mit Gefahr verwendet. Die Begriffe<br />

müssen aber gegeneinander abgegrenzt werden.<br />

Gefahr beschreibt natürliche oder anthropogen induzierte singuläre, sequenzielle oder kombi-<br />

nierte Ereignisse, Zustände, Prozesse oder Handlungen, die potenziell einen Schaden oder Verlust<br />

für die Umwelt bzw. den Menschen und seine Güter bewirken können. Risiko impliziert zusätz-<br />

lich die Wahrscheinlichkeit eines Schadens und betont den kausalen Zusammenhang des Scha-<br />

dens mit einer Entscheidung.<br />

Diesen Unterschied mag folgendes Beispiel erläutern: Zwei Personen fahren gemeinsam mit einem<br />

Ruderboot zum Angeln. Einer <strong>von</strong> beiden trägt eine Schwimmweste. Die Gefahr (z.B. tiefes<br />

Wasser und große Wellen) ist für beide gleich, aber das Risiko, bei einem Bootsunfall zu ertrinken,<br />

ist für denjenigen, der keine Schwimmweste trägt, wesentlich größer.<br />

So gilt: „Risiken geht man durch Entscheidungen ein, Gefahren ist man ausgesetzt“ (REESE-<br />

SCHÄFER, 1996: 84; vgl. KAPLAN und GARRICK, 1997; LUHMANN, 1991). Daher bedeutet Risiko auch<br />

immer ein Mitverschulden.<br />

Dadurch, dass der Gesellschaft Risiken zugemutet werden, über deren Existenz und Kontrolle sie<br />

selber nicht entscheidet, kommt es zu einem Konflikt zwischen Entscheider und Betroffenem<br />

(BECHMANN und STEHR, 2000).<br />

Ein Kernkraftwerk wird <strong>von</strong> dem Betreiber als Risiko angesehen, welches bewusst eingegangen<br />

wird, da hiermit ein ökonomischer Nutzen für das Unternehmen verbunden ist. Die Anwohner<br />

hingegen empfinden die Existenz der Anlage als Gefahr, da sie i. d. R. keinen unmittelbaren Nutzen<br />

aus dem Betrieb ziehen und an der Entscheidung, die Anlage zu bauen und zu betreiben, kaum<br />

partizipieren. Somit wird das Risiko definiert durch die Entscheidung, sich einer gefährlichen<br />

Situation auszusetzen, um den damit verbundenen Nutzen bzw. die Chance wahrzunehmen.


Risikodiskurs<br />

Demnach ist das Risiko wie folgt zu charakterisieren:<br />

• Risiko setzt eine Gefahr voraus;<br />

• Risiko setzt Unsicherheit voraus;<br />

• Risiko basiert auf Entscheidungen;<br />

• Risiko impliziert die Möglichkeit eines Schadens und eines Nutzens.<br />

Die Erläuterungen zeigen auch, dass eine ursprünglich als Gefahr bewertete Situation durch Ver-<br />

änderung der Rahmenbedingungen auch als Risiko wahrgenommen werden kann. Hierbei<br />

besteht die Möglichkeit sowohl über die Nutzenverteilung als auch über eine Mitbestimmung<br />

eine veränderte Sichtweise zu bewirken. Die Partizipation der Öffentlichkeit an potenziell ver-<br />

lustbringenden Entscheidungsprozessen gewinnt somit zukünftig an Bedeutung.<br />

Einen wesentlichen Unterschied in der Risikobetrachtung technologischer Gefahren und solcher<br />

der natürlichen Sphäre stellt das jeweils als bedrohlich erscheinende Element dar. Im Gegensatz<br />

zur Technikfolgenabschätzung, welche die Auswirkungen <strong>von</strong> human made Risiken technologi-<br />

scher Einrichtungen zum Gegenstand ihrer Forschung macht, werden in der Risikobetrachtung<br />

<strong>von</strong> Naturgefahren kaum beeinflussbare Phänomene der Natur und ihre Auswirkungen auf den<br />

Menschen und seine Güter untersucht. Grundsätzlich handelt es sich hierbei also im Sinne der<br />

Theorie LUHMANNS um eine durch den Menschen nicht beeinflussbare Bedrohung und demnach<br />

um eine Gefahr (ebd., 1991).<br />

Da der Mensch aber mit zunehmendem Maß seine Umwelt verändert, muss mittlerweile ein<br />

anthropogener Einfluss auch auf natürliche Extremereignisse konstatiert werden. Während sich<br />

Phänomene wie Erdbeben und Vulkanausbrüche in ihrer Häufigkeit und Intensität dem Einfluss-<br />

bereich des Menschen entziehen, unterliegen insbesondere meteorologisch bedingte Phänomene<br />

einer wachsenden anthropogenen Beeinflussung. Die Klimafolgenforschung hat in den letzten<br />

zwei Dekaden die negativen Auswirkungen menschlichen Handelns für das globale Klima dar-<br />

gelegt (vgl. Kap. 3.4).<br />

Da der Mensch somit vom ausschließlich Betroffenen zum (Mit-)Entscheider im Gefahrenprozess<br />

wird, stellen bestimmte natürliche Phänomene streng genommen keine Gefahren sondern Risiken<br />

dar. Da Naturgefahren i. d. R. nur in das öffentliche Bewusstsein gelangen, wenn Menschen bzw.<br />

deren Güter potenziell <strong>von</strong> diesen betroffen sind, werden die Gefahren durch die Entscheidung,<br />

sich einem möglichen natürlichen Phänomen auszusetzen, zum Risiko.<br />

So werden z.B. Neubaugebiete in überflutungsgefährdeten Küstenräumen ausgewiesen, da in der<br />

Standortwahl der Nutzen (z.B. die Nähe zum Strand oder ein freier Blick auf das Meer) als<br />

bedeutender empfunden wird als das Risiko einer Schädigung durch Überflutungsereignisse. So<br />

lässt sich folgende These ableiten:<br />

Da sich der Mensch i. d. R. freiwillig und nutzenorientiert einer potenziellen Bedrohung durch natürliche<br />

Extremereignisse aussetzt und diese in Ihrer Intensität und Häufigkeit mitbestimmt, werden Naturgefahren<br />

zu Naturrisiken.<br />

21


22<br />

2.2 Risikoterminologie<br />

Risikodiskurs<br />

Da in der Risiko- und Naturgefahrenforschung ein Dissens hinsichtlich der Begriffsdefinitionen<br />

und Methoden zur Betrachtung <strong>von</strong> Risiken besteht, sollen im Folgenden die elementaren Termini<br />

und ihre Bedeutung für die Arbeit definiert werden. Hiermit sollen Missverständnisse im wissen-<br />

schaftlichen Kommunikationsprozess verhindert und das Verständnis der Arbeit erleichtert wer-<br />

den. Die Terminologie unterliegt einer naturwissenschaftlichen Orientierung (weitere Begriffe,<br />

s. Glossar).<br />

Gefahr<br />

Gefahren sind natürliche oder anthropogen induzierte singuläre, sequenzielle oder kombinierte<br />

Ereignisse, Zustände, Prozesse oder Handlungen, die potenziell einen Schaden oder Verlust für<br />

die Umwelt bzw. den Menschen und seine Güter bewirken können. Hinsichtlich künftiger Schäden<br />

besteht hierbei Unsicherheit. Ist die Gefahrenquelle eine natürliche, so spricht man <strong>von</strong> Natur-<br />

gefahr. Die Kombination <strong>von</strong> Gefahr (Intensität) und Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit des<br />

Auftretens der Gefahrenquelle bestimmt die Gefährdung. Das Zusammenwirken verschiedener<br />

Gefährdungen bezeichnet ein Gefährdungsbild. Gefahrenexposition tritt auf, wenn ein Element einer<br />

Gefahr ausgesetzt wird (vgl. Kap. 2.1).<br />

Risiko<br />

Risiko ist die qualitative oder quantitative Charakterisierung eines möglichen Schadens oder<br />

Verlustes als Konsequenz aus natürlichen oder anthropogen induzierten Interaktionen zwischen<br />

Ereignissen, Zuständen, Prozessen oder Handlungen und potenziell vulnerablen Risikoelementen.<br />

Hinsichtlich künftiger Schäden besteht hierbei Unsicherheit. Die Existenz eines Risikos setzt die<br />

nutzenorientierte Entscheidung voraus, sich einer potenziell schädigenden Situation auszusetzen<br />

und steht somit im Kontext zum soziokulturellen System des Risikobetrachters. 1 Die technischnaturwissenschaftliche<br />

und versicherungswissenschaftliche Definition sieht das Risiko als<br />

Kombination aus Verletzlichkeit (Vulnerabilität) der Risikoelemente in einem spezifischen Raum<br />

und der Gefährdung durch die Gefahrenelemente (Intensität und Auftretenswahrscheinlichkeit)<br />

als Basis für Entscheidungen bei Unsicherheit. Das Risiko beschreibt dann eine Schadenswahrscheinlichkeit<br />

(vgl. Kap. 2.1).<br />

Vulnerabilität<br />

Die zu erwartende Schädigung an den Risikoelementen in einem spezifischen Raum als mögliche<br />

Konsequenz bei Eintritt der spezifischen Gefahrensituation unter Berücksichtigung der Widerstandsfähigkeit<br />

des Systems. 2 Der Grad der Schadenserwartung lässt sich als absoluter Wert z.B.<br />

monetär oder als relativer Wert auf einer Skala <strong>von</strong> 0 (kein Schaden) bis 1 (Totalschaden) ausdrü-<br />

cken.<br />

1 SMITH (2001: 56) differenziert weiter freiwillig und unfreiwillig eingegangene Risiken. Einige Naturrisiken (z.B. Erdbeben) sind<br />

demnach unfreiwillige Risiken. Dagegen spricht, dass Menschen nicht zwangsläufig in <strong>von</strong> Naturgefahren bedrohten Räumen<br />

leben müssen.<br />

2 Vulnerabilität wird auch definiert als ein Zustand der Verletzlichkeit, der aus physischen, ökonomischen, sozialen und umwelt-<br />

relevanten Prozessen und Rahmenbedingungen resultiert (vgl. ISDR, 2002: 24).


Risikobetrachtung<br />

Risikodiskurs<br />

Risikobetrachtung ist im Folgenden die Darstellung und Diskussion der Möglichkeiten und Erfahrungen<br />

sowie die Erläuterung methodischer Grundlagen zur Analyse, Bewertung und zum Mana-<br />

gement <strong>von</strong> Risiken. Vielfach wird hierfür auch der Begriff des (integrierten) Risikomanagements<br />

verwendet. Da das Management aber gleichzeitig Teilsegment in einem integrativen Gesamtkon-<br />

zept ist, erscheint der neutrale Begriff der Risikobetrachtung besser geeignet.<br />

Risikoanalyse<br />

Das systematische, nachvollziehbare und formale Verfahren, in einem abgegrenzten System unter<br />

Berücksichtigung der Ursachen und Auswirkungen einer spezifischen Gefahrensituation einen<br />

numerischen oder qualitativen Wert des Risikogrades hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und der<br />

Folgen <strong>von</strong> Ereignissen, Zuständen, Prozessen oder Handlungen zu ermitteln. 3<br />

Risikobewertung<br />

Risikobewertung ist eine individuelle und/oder kollektive Beurteilung eines Risikos unter Infor-<br />

mationsaufnahme und dem Einfluss <strong>von</strong> persönlichen, sozialen und kulturellen Faktoren. 4 Der<br />

Entscheidungsprozess gliedert sich in eine Wahrnehmungsphase (Perzeption), in der Risiken iden-<br />

tifiziert, analysiert und formuliert werden und eine Evaluationsphase, in der Alternativen entwor-<br />

fen und bewertet sowie Handlungen entschieden werden. Das Resultat der Risikobewertung ist<br />

ein numerischer oder qualitativer Risikograd des (nicht) akzeptierten Risikos.<br />

Risikomanagement<br />

Risikomanagement ist der systematische Einsatz <strong>von</strong> Methoden zur Gestaltung, Entwicklung und<br />

Steuerung <strong>von</strong> Systemen zur Risikovermeidung, -reduktion und -verteilung unter Beteiligung der<br />

potenziell betroffenen Akteure. Es umfasst somit die Artikulation <strong>von</strong> Zielvorstellungen und die<br />

Konstruktion <strong>von</strong> Strategien, die zu einer Entscheidung über den Handlungsbedarf, zu Maßnahmen<br />

und zu deren Implementierung und Monitoring führen. 5 In der Naturgefahrenforschung<br />

wird vielfach der Begriff Katastrophenmanagement synonym mit dem Terminus des Risikomana-<br />

gements verwendet.<br />

Risikokommunikation<br />

Alle direkten und indirekten Kommunikationsprozesse, die der Vermittlung und dem Austausch<br />

<strong>von</strong> Informationen und Meinungen zwischen Individuen, Kollektiven und Institutionen über die<br />

Beschaffenheit und Bewertung <strong>von</strong> sowie den Umgang mit Risiken für Mensch und Umwelt<br />

dienen. 6<br />

3 Der Terminus Risikoanalyse wird auch als Oberbegriff für die Segmente Identifizierung, Abschätzung und Bewertung sowie<br />

Management <strong>von</strong> Risiken verwendet.<br />

4 In den Sozialwissenschaften wird der Begriff der Risikowahrnehmung synonym mit dem hier verwendeten Terminus der<br />

Risikobewertung verwendet (vgl. PLAPP, 2001; DEUTSCH, 2002).<br />

5 Zudem wird oftmals der Gesamtkontext <strong>von</strong> Analyse, Bewertung und Management <strong>von</strong> Risiken als Integriertes Risikomanagement<br />

definiert. In dieser Arbeit wird dafür der Terminus Risikobetrachtung gewählt.<br />

6 Der Begriff Risikokommunikation wird oft auch als Oberbegriff für die Wissensvermittlung über Risiken, Beeinflussung <strong>von</strong><br />

Risikoverhalten und Ansätzen kooperativer Konfliktlösung bei Risikokontroversen verwendet (ROHRMANN, 2001).<br />

23


24<br />

Risikodiskurs<br />

Insbesondere die Begriffe Risiko, Gefahr und Vulnerabilität werden disziplinär sehr unterschied-<br />

lich definiert, was immer wieder zu Missverständnissen im wissenschaftlichen Kommunikations-<br />

prozess führt.<br />

Daher sollen im Folgenden diese Termini bezüglich ihrer Bedeutung und Verwendung in der<br />

vorliegenden Arbeit in einen Kontext gestellt werden.<br />

• Risiko ist die qualitative oder quantitative Charakterisierung einer Schadenswahrscheinlichkeit als<br />

Konsequenz aus dem Zusammenwirken natürlicher oder anthropogen induzierter Ereignisse und<br />

potenziell vulnerabler Risikoelemente. Es ist das Produkt der Gefährdung und der Vulnerabilität.<br />

• Schadenswahrscheinlichkeit impliziert hierbei den Faktor Zeit, der über die Gefährdung berücksichtigt<br />

wird. Diese ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der spezifischen Gefahr mit einem spezifischen<br />

Charakter (z.B. Intensität und Dauer).<br />

• Diese Gefahr wirkt schädigend sowohl auf Sachwerte als auch gesellschaftliche Kollektive bzw. Indivi-<br />

duen in ihrem sozialen Kontext. Die Vulnerabilität ist die Schadenser wartung, die aus dem Charakter<br />

der spezifischen Gefahr und den Eigenschaften dieser Risikoelemente resultiert. Diese Eigenschaften<br />

werden maßgeblich durch die physische und gesellschaftliche Anfälligkeit bzw. Widerstandsfähigkeit<br />

bestimmt.<br />

In der jüngsten Vergangenheit wird bei einer stärkeren Berücksichtigung der Widerstands- und<br />

Bewältigungsfähigkeit das Risiko auch definiert als<br />

Risiko =<br />

(ISDR, 2002: 41).<br />

Da aber die Widerstands- und Bewältigungsfähigkeit schon bei der Vulnerabilitätsbetrachtung zu<br />

berücksichtigen ist, stützt sich die Arbeit auf folgende Definition:<br />

Diese Perspektive des Risikobegriffes wird insbesondere <strong>von</strong> Seiten der Sozialwissenschaften kritisiert,<br />

da die aus der Versicherungswissenschaft entliehene Formel aufgrund der zu starken tech-<br />

nisch-naturwissenschaftlichen Ausrichtung keine gesellschaftlichen Aspekte integriert.<br />

Der Autor sieht hingegen in dem Vulnerabilitätsbegriff die ausreichende Möglichkeit der Berücksichtigung<br />

gesellschaftlicher Fragestellungen.<br />

2.3 Entwicklung der Risikoforschung<br />

Gefährdung x Vulnerabilität<br />

Fähigkeit<br />

Risiko = Gefährdung x Vulnerabilität<br />

Menschen versuchen seit jeher, sich und ihre Güter vor möglichen Gefahren und Risiken zu<br />

schützen. Mit dem Beginn der Industriellen Revolution im 19. Jh. wurden die neuen technischen<br />

Errungenschaften geprüft, überwacht und hinsichtlich ihrer Risiken untersucht.


Risikodiskurs<br />

Die Entwicklung neuer Technologien, z.B. in der Luft- und Raumfahrt und in der Rüstungsin-<br />

dustrie, brachte nach dem 2. Weltkrieg eine neue Disziplin hervor, die Sicherheitswissenschaft.<br />

Während frühe Sicherheitsüberlegungen nicht Teil einer integrativen Betrachtung waren und sich<br />

lediglich auf einzelne Systemkomponenten stützten, erforderten die neueren, wesentlich komple-<br />

xeren Systeme eine detaillierte Erfassung der Systembestandteile und Schwachstellen sowie eine<br />

prognostische Betrachtung möglicher Auswirkungen bei Versagen der Einrichtungen. Zuneh-<br />

mend etablierte sich die analytische Risikobetrachtung als Technik in der Planung und Umset-<br />

zung <strong>von</strong> technologischen Vorhaben. Das gesellschaftliche Interesse an der Risikothematik wuchs<br />

insbesondere mit der zivilen Nutzung der Atomenergie sowie verschiedenen technologischen<br />

Störfällen mit teils katastrophalem Ausmaß, wie z.B. der Giftgasunfall im italienischen Seveso 1976<br />

(vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 15ff).<br />

In den letzten zwei Dekaden sind die Risiken der technischen Entwicklung ein vorrangiges<br />

Thema in der gesellschaftlichen Kommunikation geworden. Auf der einen Seite wird dieser Wan-<br />

del in der Sozialwissenschaft als Ergebnis eines veränderten Verhältnisses <strong>von</strong> modernen Indust-<br />

riegesellschaften zu ihren gefährlichen Produkten wissenschaftlich-technischen Fortschritts<br />

gesehen (BECK, 1986). Auf der anderen Seite wird auch eine neue Einstellung der Menschen zu<br />

ihrer Zukunft und der eminenten Bedeutung der Folgen ihrer eigenen Entscheidungen konstatiert<br />

(LUHMANN, 1991). ULRICH BECK (1986) bezeichnet daher unsere Gesellschaft aufgrund zunehmender<br />

Risiken als Risikogesellschaft. So hat sich das Risiko als Leitbegriff in der öffentlichen Dis-<br />

kussion über unsere Daseinsfunktionen und -bedingungen etabliert. Gleichwohl ist gegenwärtig<br />

auch ein inflationärer Gebrauch des Begriffes zu erkennen. Nahezu jedes Handeln wird hinsicht-<br />

lich möglicher Risiken untersucht. Hierbei zeigen die unterschiedlichen Akteure sowie die<br />

verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen <strong>von</strong>einander abweichende Definitionen und Beo-<br />

bachtungskonzepte des Risikobegriffes.<br />

Die unterschiedlichen Konzepte der Risikobetrachtung resultieren nicht zuletzt aus subjektiven<br />

Interessen. Da das Risiko sehr stark individuellen Perspektiven und Entscheidungen unterliegt,<br />

macht sich der Risikobetrachter je nach persönlichen Wahrnehmungs-, Denk- und Lernprozessen<br />

sein eigenes Bild der Risiken denen er sich unter Umständen alltäglich ausgesetzt sieht. Die unter-<br />

schiedlichen Risikointeressen mag folgendes Beispiel verdeutlichen:<br />

Der Bau eines Einkaufszentrums zeigt bei den beteiligten Akteuren unterschiedliche Sichtweisen<br />

und Handlungsstrategien. Sie betrachten das Risiko durch verschieden gefärbte Risikobrillen<br />

(vgl. HOLZHEU und WIEDEMANN, 1993: 10). So konzentriert der Investor seine Betrachtung auf die<br />

unternehmerischen Risiken, die am Vorhaben beteiligten Banken evaluieren das finanzielle<br />

Risiko, während für den Standortanalytiker das Risiko ausbleibender Kundenströme <strong>von</strong> Inte-<br />

resse ist. Der Ökologe untersucht hingegen die Risiken negativer Auswirkungen der Baumaß-<br />

nahme auf die Umwelt und Mitbewerber des Einzelhandels fürchten das Risiko des Verlustes <strong>von</strong><br />

Kunden.<br />

Diese subjektive Auswahl möglicher Risikointeressen und -perspektiven verdeutlicht, dass die Dis-<br />

kussion um Risiken oftmals mit einem erheblichen Konfliktpotenzial zwischen den beteiligten<br />

Parteien verbunden ist.<br />

25


26<br />

Risikodiskurs<br />

Die differenten Risikointeressen und -perspektiven forderten auch in der Wissenschaft einen<br />

transdisziplinären Dialog. Verschiedene Arbeiten konnten die Möglichkeiten hierzu aufzeigen<br />

und neue risikowissenschaftliche Erkenntnisse liefern (vgl. BANSE und BECHMANN, 1998;<br />

BAYERISCHE RÜCKVERSICHERUNG, 1993; BECHMANN, 1997; BECK, 1986; BINSWANGER, 1990;<br />

MORGAN und HENRION, 1990; ROWE, 1977). Doch trotzdem konnte auf die <strong>von</strong> STARR schon 1969<br />

formulierte Frage: „How safe is safe enough?“ bis heute keine disziplinübergreifende Antwort<br />

gefunden werden.<br />

Gegenwärtig existiert in der Risikoforschung kein einheitlicher Risikobegriff oder eine universelle<br />

Risikotheorie. Es ist zudem fraglich, ob zukünftig ein interdisziplinärer semantischer Konsens<br />

möglich ist.<br />

Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Risikoperspektiven näher erläutert werden.<br />

Nach SCHOLLES (1997: 24) lassen sich vier verschiedene Sichtweisen wie folgt charakterisieren:<br />

• Die naturwissenschaftliche Sichtweise zielt auf Unsicherheiten bei der Analyse und Prognose <strong>von</strong> Wir-<br />

kungen;<br />

• die versicherungstechnische Sicht stellt die Berechenbarkeit in den Vordergrund;<br />

• die gesellschaftswissenschaftliche Perspektive stellt die Akzeptanz <strong>von</strong> und Konsensbildung über Risi-<br />

ken in den Mittelpunkt;<br />

• Die juristische Sicht beschäftigt sich mit staatlichem Eingreifen und muss dazu Eintrittswahrscheinlich-<br />

keiten als auch Schadenshöhe berücksichtigen.<br />

BECHMANN (1997: 9) klassifiziert in der Risikoforschung drei grundlegende Orientierungen an-<br />

hand derer sich die historische Entwicklung dieses Wissenschaftszweiges darstellt (s. Tab. 2.1). 7<br />

Im Folgenden sollen diese kurz erläutert werden. Im Rahmen der Risikobewertung werden die<br />

verschiedenen Strömungen nochmals aufgegriffen (vgl. Kap. 5.1).<br />

Zu Beginn der Risikoforschung reduzierte sich die Risikobetrachtung auf einen formal-normativen<br />

Risikobegriff. Mit dem sog. objektiven Risiko sollte ein universelles Risikomaß zum Vergleich<br />

unterschiedlicher Risikoarten bestimmt werden. Die aus der Versicherungswirtschaft entliehene<br />

Formel, die das Risiko als Produkt aus Schadenserwartung und Ereigniswahrscheinlichkeit defi-<br />

niert, ermöglicht die Berechnung einer Schadenswahrscheinlichkeit. Kritiker dieses Risikoansatzes<br />

sehen insbesondere im Mangel an empirischen Erfahrungen zu Ereigniswahrscheinlichkeiten und<br />

Schadenswirkungen eine Schwäche dieses Ansatzes. Zudem findet das analytische Risiko insbesondere<br />

bei sehr hohen Gefährdungspotenzialen kaum Vertrauen und Akzeptanz in der öffentli-<br />

chen Risikobewertung.<br />

Der Vertrauensverlust in die analytischen Wissenschaftsdisziplinen durch technologische Störfälle<br />

sowie ein wachsendes Bedürfnis der Öffentlichkeit, die Zukunft mitzugestalten, führte zu einer<br />

stärkeren Berücksichtigung psychologischer, sozialer und kultureller Aspekte in der Risikodis-<br />

kussion. Das akzeptierte bzw. akzeptable Maß des Risikos wurde zum zentralen Thema.<br />

7 BANSE und BECHMANN (1998) differenzieren darüber hinaus elf disziplinäre Sichtweisen.


Risikodiskurs<br />

Als Antonym zum objektiven Risiko etablierte sich das subjektive Risiko als Resultat der individu-<br />

ellen Risikobewertung. Mit Hilfe <strong>von</strong> Befragungen wurden bei diesem psychologisch-kognitiven<br />

Ansatz die Einflussfaktoren und Attitüden hinsichtlich bestehender Risiken ermittelt. Da hierbei<br />

der Fokus der Betrachtungen auf dem Individuum und seinem Wahrnehmungs- und Bewertungsverhalten<br />

lag, wurde an dieser Perspektive die Vernachlässigung bedeutender gesellschaftli-<br />

cher und politischer Einflussfaktoren kritisiert.<br />

Tab. 2.1: Betrachtungsperspektiven in der Risikoforschung<br />

(Quelle: nach BECHMANN, 1997)<br />

Ziel<br />

Disziplin<br />

Definition<br />

Methodik<br />

Kritik<br />

Fazit<br />

Formal-normativer Ansatz Psychologisch-kognitiver Ansatz Kulturell-soziologischer Ansatz<br />

• Ermittlung des Risikos als ein universelles,<br />

generalisiertes Risikomaß zum Vergleich<br />

unterschiedlicher Risikotypen<br />

• Versicherungswirtschaft<br />

• Sicherheitswissenschaft<br />

• Objektives Risiko = Schadenserwartung<br />

x Wahrscheinlichkeit;<br />

• Auch: Erwartungswert des Produktes<br />

<strong>von</strong> Nutzen und Schaden (Entscheidungstheorie)<br />

• Risikoanalyse als Kombination aus:<br />

• Wahrscheinlichkeitsschätzung (Statistiken<br />

oder plausible hypothetische Wahrscheinlichkeiten)<br />

• Schadensschätzung auf Basis empirischer<br />

Daten; auch: Skalierung <strong>von</strong> Nutzen<br />

und Schaden über individuelle Präferenzstrukturen<br />

• Kein einheitliches Maß für Schadens-<br />

bzw. Nutzenaspekte<br />

• Oftmals keine empirischen Daten, daher<br />

nur subjektive Wahrscheinlichkeiten und<br />

unsichere Schadensschätzung<br />

• Wissenschaftliche Evaluationen für die<br />

Öffentlichkeit meist nicht nachvollziehbar<br />

• Formales Risiko ist nur in Einzelfällen<br />

unter Nutzung empirisch gewonnener<br />

Kenntnisse über Ereigniswahrscheinlichkeiten<br />

und Schadenshöhen abzuschätzen<br />

• Formales Risiko kann eine Basis für die<br />

Risikobewertung darstellen<br />

• Formaler Risikobegriff geht bei sehr<br />

hohen Gefährdungspotenzialen an der<br />

öffentlichen Risikobewertung vorbei und<br />

findet daher wenig Vertrauen bzw. Akzeptanz<br />

• Ermittlung des individuell bewerteten<br />

Risikos und des wirklichen Entscheidungsverhaltens<br />

in Risikosituationen<br />

(Gewinn empirischer Daten)<br />

• Psychologie<br />

• Sozialpsychologie<br />

• Subjektives Risiko als Ergebnis der<br />

individuellen Risikobewertung auf der<br />

Basis einer unmittelbaren Risikoerfahrung<br />

• Ermittlung der Risikobewertung durch<br />

Befragungen<br />

• Analyse der Einflussfaktoren der<br />

Risikobewertung (psychologischer Ansatz)<br />

• Analyse der Risikoattitüden, der<br />

sozialstrukturellen Zugehörigkeit und<br />

der kommunikativen Interaktion der<br />

Einstellungsträger (sozialpsychologischer<br />

Ansatz)<br />

• Akzeptanzrelevante Aspekte in der<br />

Zahl unendlich<br />

• Entfernung <strong>von</strong> einem einheitlichen<br />

gesellschaftlich akzeptierten Risikomaß<br />

• Gewichtung der identifizierten Risiko-<br />

und Nutzenfaktoren je nach Grundeinstellung<br />

• Psychologisch-kognitiver Risikobegriff<br />

berücksichtigt zwar individuelle Wahrnehmungs-<br />

und Bewertungsaspekte<br />

für einen subjektiven Entscheidungsakt,<br />

vernachlässigt aber die gesellschaftlichen<br />

und politischen Werte<br />

• Ermittlung des akzeptierten bzw.<br />

akzeptablen Risikos und der Faktoren<br />

durch die Meinungsdominanzen<br />

innerhalb sozialer Einheiten, Polarisierungen<br />

und Konflikte entstehen<br />

• Soziologie<br />

• Kommunikationsforschung<br />

• Risiko ist ein Konstrukt aus zahlreichen<br />

gesellschaftlichen Faktoren,<br />

wie z.B. öffentlicher Meinung, sozialstruktureller<br />

Position und Einstellung<br />

zu übergreifenden Werten (z.B.<br />

Zufriedenheit und Zukunftsaussicht)<br />

• Analyse der öffentlichen Meinungen<br />

und Einstellungen zu Risikofragen<br />

durch Befragungen<br />

• Korrelation der Meinungsverteilungen<br />

mit sozialstrukturellen Faktoren<br />

• Ermittlung der Risikoakzeptanz und<br />

die Offenlegung der Möglichkeiten<br />

der Einflussnahme birgt die Gefahr,<br />

durch interessengeleitete Information/Kommunikation<br />

die Akzeptanz<br />

zu regulieren<br />

• Soziologischer Ansatz für die<br />

Ermittlung des zumutbaren und<br />

durchsetzbaren Risikoniveaus bei<br />

Planungsvorhaben geeignet<br />

• Wissenschaft, Massenmedien und<br />

Politik beeinflussen hierbei die Risiken-<br />

und Nutzendiskussion, daher<br />

besteht auch die Gefahr der subjektiven<br />

Einflussnahme<br />

(Risiko wird akzeptabilisiert)<br />

Die Differenzierung zwischen einem subjektiven und einem objektiven Risiko ist heute noch<br />

Gegenstand interdisziplinärer Diskussion. Hierbei wird immer wieder bezweifelt, dass es ein ob -<br />

jektives Risiko geben kann. 8<br />

8 Als übergreifende Topics identifizieren BANSE und BECHMANN (1998) für das Forschungsfeld Risiko die Risikowahrnehmung und<br />

-identifizierung, die Risikoanalyse und -abschätzung, die Risikobewertung und -entscheidung sowie das Risikomanagement. „Eine<br />

Kreuztabellierung <strong>von</strong> Topics und Disziplinen zeigt, dass die Disziplinen Risiko in unterschiedlicher Weise thematisieren. Man<br />

kommt dann zu einer multiperspektivischen Sichtweise des Risikos und kann die These begründen, dass es kein objektives Risiko<br />

gibt, das man einfach errechnen kann und dass das, was man Risiko nennen mag, jeweils <strong>von</strong> der Entscheidungssituation und dem<br />

institutionellen Kontext abhängt.“ (BECHMANN, 2002)<br />

27


28<br />

Risikodiskurs<br />

So wird das mittels der formalen Risikoanalyse abgeschätzte Risiko unter anderem durch die<br />

Parametrisierung des Untersuchungsgegenstandes seitens des Gutachters zwangsläufig zu einem<br />

subjektiven Risiko.<br />

Von soziologischer Seite kamen dann neue Impulse durch die Berücksichtigung <strong>von</strong> Faktoren, die<br />

Meinungsdominanzen, Polarisierungen und Konflikte generieren. Das Risiko wird dabei als<br />

gesellschaftliches Konstrukt gesehen, bei dem die öffentliche Meinung sowie die sozialstrukturelle<br />

Position und Einstellung der Risikobetrachter zu übergeordneten Werten einen maßgeblichen<br />

Einfluss auf die Bewertung haben. Dieser Ansatz wird sicherlich insbesondere wegen der wachsenden<br />

Bedeutung der Akzeptanz <strong>von</strong> Entscheidungen zukünftig an Einfluss gewinnen.<br />

In der Literatur entsteht vielfach der Eindruck, dass entsprechend der historischen Entwicklung<br />

der Risikoperspektiven der technisch-naturwissenschaftliche Ansatz <strong>von</strong> dem der psychologischen<br />

und soziologischen Disziplinen abgelöst wurde. Dieses ist eindeutig nicht der Fall. Viel-<br />

mehr findet der formal-normative Ansatz trotz der methodischen Kritik insbesondere in den<br />

Naturwissenschaften zunehmend Berücksichtigung. Hierbei wird der Fokus auf den Gewinn<br />

empirischer Daten und die Weiterentwicklung methodischer Verfahren und Techniken gelegt.<br />

Die Naturgefahrenforschung zeigt eine ähnliche Entwicklung wie die Technikfolgenforschung.<br />

Bis zur Mitte des 20. Jahrhundert stand der Prozess der Naturgefahren im Zentrum wissenschaft-<br />

licher Untersuchungen. Der amerikanische Geograph GILBERT WHITE brachte Naturgefahren in<br />

den Kontext mit sozialen Aspekten (ebd., 1936, 1945). In den folgenden 20 bis 30 Jahren wurde<br />

diese Pionierarbeit durch die Chicagoer Schule erweitert. Am Geographischen Institut der Univer-<br />

sität <strong>von</strong> Chicago entwickelten die Forscher WHITE, BURTON und KATES einen Forschungsansatz,<br />

der einem verhaltensorientierten und individuumzentrierten Paradigma folgte (KARGER, 1996;<br />

vgl. Kap. 5.2.2). Diese Orientierung entspricht dem psychologisch-kognitiven Ansatz in der<br />

Sicherheitswissenschaft und prägt heute noch die Naturgefahrenforschung. 9<br />

Währenddessen begann sich eine soziologische Orientierung in der Naturgefahrenforschung zu<br />

etablieren (SMITH, 2001: 5f). Mit der sog. Vulnerabilitätstheorie entwickelte sich in den 70er und 80er<br />

Jahren eine Sichtweise, die die Verletzlichkeit aufgrund sozioökonomischer Bedingungen sowie<br />

gesellschaftlicher und kultureller Strukturen zum Untersuchungsgegenstand machte. Dieser<br />

Ansatz entspricht dem kulturell-soziologischen Risikobegriff.<br />

Der formal-normative Risikobegriff und die quantitativ-analytische Betrachtung <strong>von</strong> Naturrisiken<br />

fanden im Gegensatz zur Sicherheitswissenschaft erst relativ spät eine systematische Berücksich-<br />

tigung in der Naturgefahrenforschung. 10<br />

Im Zentrum des Interesses stand hierbei die naturwissenschaftlich-analytische Evaluation der<br />

Risiken. Die quantitative Bestimmung <strong>von</strong> Vulnerabilitäten der potenziell betroffenen Bevölkerung<br />

und ihrer Güter wurde durch Techniken ermöglicht, die sich eng an die Methoden der Tech-<br />

nikfolgenabschätzung anlehnten.<br />

9 Daher wird auch der Ausdruck dominantes Paradigma verwendet (CHESTER, 1993).<br />

10 Die Arbeit <strong>von</strong> PETAK und ATKISSON (1982) hat hier Pioniercharakter.


Risikodiskurs<br />

Zunehmend etablierte sich auch hier die aus der Versicherungswirtschaft entliehene Risikodefini-<br />

tion als Produkt aus Schadenserwartung und Ereigniswahrscheinlichkeit (vgl. Kap. 2.2).<br />

Das ISDR (2000: 41) erweitert diese Gleichung um die Variable Kompensations- oder Bewältigungsfähigkeit<br />

(capacity to cope). Die Quantifizierung dieses Parameters wirft aber einige<br />

Schwierigkeiten auf. So lassen sich präventive Maßnahmen noch im Rahmen <strong>von</strong> Ereignisszena-<br />

rien berücksichtigen, während die Fähigkeit, dieses Ereignis sowohl psychisch als auch physisch<br />

zu bewältigen, nur schwer zu erfassen ist.<br />

Dieses ist ein Grund dafür, dass sich eine Berücksichtigung der Kompensationsfähigkeit in quantitativen<br />

Analysen bis heute nicht etablieren konnte. Dieser Aspekt spielt aber insbesondere für<br />

den Schädigungsgrad sowie die Dauer der Schadensbeseitigung eine wichtige Rolle. Gerade in<br />

unterentwickelten Ländern ist diese Fähigkeit aufgrund der beschränkten finanziellen Ressourcen<br />

häufig sehr begrenzt.<br />

Bis in die 70er Jahre war die Naturgefahrenforschung sehr fragmentiert und die Teilbereiche wa-<br />

ren fast vollständig <strong>von</strong>einander getrennt (SMITH, 2001). Das birgt den Nachteil, dass auch in der<br />

Wissenschaft eigene Interessen zu sehr in den Vordergrund rücken (HOLLENSTEIN, 1997).<br />

Zahlreiche extreme Ereignisse in den 70er Jahren, wie z.B. die Dürre in der Sahelzone oder die<br />

extremen Winter Ende der siebziger Jahre in den USA und Europa, haben die Verletzlichkeit aller<br />

Staaten gegenüber Naturereignissen aufgezeigt. Das Erdbeben in China 1976 oder der Zyklon in<br />

Bangladesh 1970 haben gleichzeitig den enormen Anstieg der Schäden durch Naturereignisse und<br />

die Notwendigkeit eines interdisziplinären Dialogs verdeutlicht.<br />

Erste Ansätze einer integrativen Vorgehensweise bei der Risikobetrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren<br />

stammen aus den USA. Eine Reihe <strong>von</strong> technologischen Störfällen sowie die Erkenntnis, dass<br />

Gefahren zum Teil als man made betrachtet werden müssen, führte zu der partiellen Umsetzung<br />

<strong>von</strong> standardisierten wissenschaftlichen Methoden, wie Risikoanalysen und Risikokommunikation<br />

(SMITH, 2001).<br />

Auch in Deutschland wird seit den 80er Jahren versucht, einheitliche Konzepte und methodische<br />

Ansätze zu standardisieren. Wesentliche Fortschritte, insbesondere in der Vernetzung der verschiedenen<br />

Akteure, wurden hier im Rahmen der Internationalen Dekade für die Reduzierung <strong>von</strong><br />

Naturkatastrophen (IDNDR) <strong>von</strong> 1990-1999 erzielt (vgl. PLATE et al., 1999; PLATE und MERZ, 2001).<br />

Die Anstrengungen in der Naturgefahrenforschung, einheitliche Risiko- und Methodenkonzepte<br />

zu entwickeln, konnten nicht verhindern, dass heute noch zwei konträre disziplinäre Sichtweisen<br />

vorhanden sind. ALEXANDER (1997) beschreibt einen naturwissenschaftlich orientierten Ansatz,<br />

der das Ereignis in den Vordergrund stellt. Dieses Ereignis kann eine Naturkatastrophe zur Folge<br />

haben, wobei das Maß der Schwere sowohl <strong>von</strong> natürlichen als auch sozialen Faktoren bestimmt<br />

wird (hazard-based). Ein zweiter, soziologisch orientierter Ansatz konzentriert sich auf die mögli-<br />

che Katastrophe, die <strong>von</strong> sozialen Systemen selbst generiert wird (disaster-based).<br />

Trotz der stringenten Trennung der Risikoansätze ist eine integrative Risikobetrachtung für<br />

bestimmte Fragestellungen möglich (vgl. Kap. 2.6).<br />

29


30<br />

2.4 Risikoforschung und Unsicherheit<br />

Risikodiskurs<br />

Die heutige Wissensgesellschaft erfährt eine Gefährdung durch sich selbst und erkennt diese in<br />

der Möglichkeit katastrophaler Folgen <strong>von</strong> Hochtechnologien (z.B. Nutzung der Kernenergie),<br />

dem wachsenden Missverhältnis <strong>von</strong> Handlungsabsichten und Folgewirkungen (z.B. Gentechno-<br />

logie) sowie der schleichenden Folgen alltäglicher Handlungen (z.B. CO2-Emissionen). Mit<br />

zunehmendem Maß tritt in gesellschaftlichen Zukunftsbetrachtungen der Fortschritt als bestim-<br />

mendes Attribut hinter das Risiko. Risikoforschung unterstützt daher zunehmend den gesell-<br />

schaftlichen Entscheidungsprozess (BECHMANN und STEHR, 2000).<br />

Während die sozialwissenschaftlichen Disziplinen die gesellschaftlichen Wahrnehmungen und<br />

Bewertungen <strong>von</strong> Gefahren und Risiken aufzeigen, steht die Wissenschaft aber auch selbst in<br />

einem gesellschaftlichen Perzeptionsprozess.<br />

Hierbei zeigt sich gegenwärtig, bedingt durch öffentliche Expertenstreits und zahlreiche katastro-<br />

phale Ereignisse, ein Verlust an Autorität und Glaubwürdigkeit. BECHMANN und STEHR (2000: 15)<br />

formulieren einen Grund des Imagewandels wie folgt: „Wissenschaft erzeugt nicht nur Wissen<br />

sondern auch neue Unsicherheiten.“ So ist das Verhältnis der Öffentlichkeit zur Wissenschaft zunehmend<br />

durch Misstrauen und Unsicherheit gekennzeichnet.<br />

Während sich der Wissenschaftler in der Vergangenheit <strong>von</strong> einer Mitverantwortung für negative<br />

Folgen des wissenschaftlichen Fortschritts losgelöst sah, kommt ihm heute vielmehr die Aufgabe<br />

zu, die möglichen Folgen seines Handelns zu berücksichtigen.<br />

Die Risikoforschung ist ein Zeichen dafür, dass die Wissenschaft über sich selber und ihre Konse-<br />

quenzen forscht. Hierbei geht es weniger um die wissenschaftlichen Risiken, wie z.B. des For-<br />

schens auf der Basis einer falschen Hypothese, sondern vielmehr um die unerwünschten Folgen<br />

wissenschaftlichen Arbeitens für die Natur und Gesellschaft.<br />

Zukünftige Aufgabe der Risikowissenschaft als legitime Quelle für die Wissenserzeugung in der<br />

modernen Gesellschaft wird es auch sein, die eigenen Unsicherheiten zu reflektieren und als inte-<br />

graler Bestandteil der Gesellschaft die gesellschaftlichen Unsicherheiten zu managen. „This is no<br />

longer an issue of science versus society, nor of science and society, but one of science in society“.<br />

(PETTS, 2002: 2)<br />

Die Erkenntnis, dass Wissenschaft nicht nur Wissen, sondern auch neue Unsicherheiten schafft,<br />

hat auch ihre Gültigkeit für die Naturgefahrenforschung.<br />

Auf der Basis <strong>von</strong> Modellen, Szenarien und Idealisierungen werden wissenschaftlich ausgearbei-<br />

tete langfristige Planungen angestellt, wobei praktische Erfahrungen und empirische Grundlagen-<br />

forschung immer mehr durch probabilistische Risikoanalysen ersetzt werden. Das ist verständlich,<br />

da im Gegensatz zur Evaluation möglicher Schäden durch technologische Störfälle, Natur-<br />

gefahren nur begrenzt in Versuchen oder Experimenten untersucht werden können. Es besteht<br />

allerdings die Möglichkeit, aus vergangenen Ereignissen empirische Daten zu gewinnen und<br />

diese bei zukünftigen Risikobetrachtungen zu berücksichtigen.


Risikodiskurs<br />

Die Vergangenheit hat aber auch gezeigt, dass die wissenschaftlichen Wahrscheinlichkeitskalküle<br />

in der Beurteilung <strong>von</strong> Naturrisiken teils zu falschen Einschätzungen geführt haben.<br />

So zeigen Ereignisse wie das Elbehochwasser im Sommer 2002, dass probabilistische und auch<br />

deterministische Risikoanalysen zu gänzlich falschen Einschätzungen und Empfehlungen führen<br />

können. Nach solchen Ereignissen wird z.B. immer wieder festgestellt, dass Gefährdungszonen<br />

falsch ausgewiesen und maximale Hochwasserstände unterschätzt werden.<br />

Die Fehleinschätzungen führen dazu, dass auch die Naturgefahrenforschung ein wachsendes<br />

Misstrauen in der Öffentlichkeit erfährt. Gleichwohl wird erkannt, dass nur auf der Basis realistischer<br />

Gefährdungsabschätzungen eine adäquate Zukunftsvorsorge möglich ist. Die Berücksichti-<br />

gung <strong>von</strong> empirisch gewonnenen Erkenntnissen scheint hierbei auch zukünftig <strong>von</strong> großer<br />

Bedeutung zu sein.<br />

2.5 Klassifizierung <strong>von</strong> Risiken<br />

Aufgrund der global sehr stark differierenden Rahmendingungen sind Risiken als heterogene<br />

Konstrukte zu verstehen, für die es keine allgemeingültigen Methoden zur Erfassung und Be-<br />

handlung geben kann. Eine Einteilung der verschiedenen Risiken in Risikotypen, wie es der Wissenschaftliche<br />

Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) empfiehlt, verein-<br />

facht insbesondere den politischen Umgang mit Risiken, da sich hiermit typspezifische Verfahrensweisen<br />

und Managementregeln relativ einfach ableiten lassen.<br />

Für die vorliegende Arbeit ist es <strong>von</strong> Interesse, die Risiken <strong>von</strong> Naturgefahren insbesondere die<br />

durch Sturmfluten zu klassifizieren, um eine geeignete Vorgehensweise zur Risikobetrachtung<br />

festzulegen. Nach dem WBGU (1999) werden hierzu vorab Risiken in Normal-, Grenz- oder Ver-<br />

botsbereiche eingeordnet.<br />

Das Vorgehen lässt sich gut an einem Entscheidungsbaum erläutern, an dessen Spitze die Frage<br />

steht, ob die potenziellen Schäden zumindest zu identifizieren und die Wahrscheinlichkeiten grob<br />

abzuschätzen sind (Abb. 2.1).<br />

Wenn das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit nicht annähernd abgeschätzt werden können,<br />

dann ist das Risiko nahezu unbekannt und klassische Vorsorgestrategien sind anzuwenden. Da<br />

das in dieser Arbeit betrachtete Risiko <strong>von</strong> Sturmfluten näherungsweise abgeschätzt werden kann<br />

(vgl. Kap. 4.4), werden die unbekannten Risiken und Handlungsempfehlungen hier nicht weiter<br />

verfolgt.<br />

Anschließend ist zu klären, ob das identifizierte Risiko dem Normalbereich, dem Grenzbereich oder<br />

dem Verbotsbereich zuzuordnen ist.<br />

31


32<br />

Sind Ausmaß und<br />

Wahrscheinlichkeit des<br />

Risikos bekannt?<br />

Risikodiskurs<br />

Abb. 2.1: Entscheidungsbaum zur Klassifizierung <strong>von</strong> Umweltrisiken<br />

(Quelle: verändert nach WBGU, 1999: 7)<br />

Hierzu sind nach dem WBGU (1999) verschiedene Kriterien zu berücksichtigen:<br />

• Eintrittswahrscheinlichkeit (unter Berücksichtigung der Abschätzungssicherheit);<br />

• Schadensausmaß (unter Berücksichtigung der Abschätzungssicherheit);<br />

• Ubiquität: räumliche Verbreitung des Schadens oder des Schadenspotenzials;<br />

• Persistenz: zeitliche Ausdehnung des Schadens oder des Schadenspotenzials;<br />

• Irreversibilität: Nichtwiederherstellbarkeit des Zustandes vor Schadenseintritt;<br />

• Verzögerungswirkung: Möglichkeit, dass zwischen dem auslösenden Ereignis und der Schadensfolge<br />

eine lange Latenzzeit herrscht;<br />

• Mobilisierungspotenzial: Verletzung <strong>von</strong> individuellen, sozialen oder kulturellen Interessen und Werten,<br />

die eine entsprechende Reaktion der Betroffenen hervorruft.<br />

Nach WBGU (1999) ist der Normalbereich u. a. bestimmt durch:<br />

• geringe Ungewissheiten hinsichtlich der Wahrscheinlichkeitsverteilung <strong>von</strong> Schäden;<br />

• eher geringes Schadenspotenzial;<br />

• eher geringe bis mittlere Eintrittswahrscheinlichkeit;<br />

• geringe Persistenz und Ubiquität;<br />

• weitgehende Reversibilität des Schadens;<br />

ja<br />

Risiko im<br />

Normalbereich?<br />

nein<br />

Welcher Risikotyp?<br />

Damokles<br />

Zyklop<br />

Pythia<br />

Pandora<br />

Kassandra<br />

Medusa<br />

• geringe Schwankungsbreiten <strong>von</strong> Schadenspotenzial und Eintrittswahrscheinlichkeiten;<br />

• geringes soziales Konflikt- und Mobilisierungspotenzial.<br />

ja<br />

Beispiel<br />

Kernenergie<br />

Überschwemmungen<br />

Treibhauseffekt<br />

nein<br />

Organische Schadstoffe<br />

Anthropogener Klimawandel<br />

Elektromagnetische Felder<br />

Unbekanntes Risiko erfordert<br />

Strategien, z.B.<br />

� vorsichtige Weiterentwicklung der<br />

risikoerzeugenden Aktivität;<br />

� Begrenzung des Risikos z.B. durch Stärkung der<br />

Resilienz;<br />

� Institutionalisierung eines Frühwarnungssystems;<br />

� Forschungsanstrengungen verstärken.<br />

Normales Risiko als Routinef all<br />

bei dem kein unmittelbarer<br />

Handlungsbedarf besteht;<br />

In dieser Arbeit nicht relevant.<br />

prioritäre Strategie<br />

Katastrophenpotenzial reduzieren<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit ermitteln<br />

Vorsorge verbessern<br />

Substitution<br />

Langfristverantwortung stärken<br />

Vertrauensbildung fördern


Risikodiskurs<br />

In diesem Fall ist eine multiplikative Verknüpfung der Schadenserwartung und der Wahrschein-<br />

lichkeit möglich. Ist das Produkt sehr klein, dann fällt das Risiko in den Normalbereich und wird<br />

als Routinefall nicht weiter untersucht (vgl. Abb. 2.2).<br />

Abb. 2.2: Risikotypen im Normal-, Grenz- und Verbotsbereich<br />

(Quelle: WBGU, 1999: 65)<br />

Wenn das Risiko über das alltägliche Ausmaß hinausgeht, fällt es in den Grenzbereich . Das Pro-<br />

dukt aus Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit ist in diesem Fall meist relativ hoch,<br />

der Nutzen ist aber ebenfalls hoch. Der Umgang mit den Risiken erfordert dann eine kritische<br />

Überprüfung und Einordnung in verschiedene Risikotypen, die jeweils spezifische Handlungs-<br />

strategien erfordern (s. Tab. 2.2).<br />

Der Grenzbereich weist nach dem WBGU (1999) u. a. folgende Bedingungen auf:<br />

• Ungewissheit über die Wahrscheinlichkeitsverteilung <strong>von</strong> Schäden ist hoch;<br />

• Schadenspotential ist hoch;<br />

1<br />

0<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit W<br />

Medusa<br />

Risikotypen<br />

• Eintrittswahrscheinlichkeit ist hoch;<br />

• Schwankungsbreiten <strong>von</strong> Schadenspotenzial und Eintrittswahrscheinlichkeit sind hoch;<br />

• Persistenz, Ubiquität und Irreversibilität sind besonders hoch;<br />

• Konflikt- bzw. Mobilisierungspotenzial ist hoch.<br />

Kassandra<br />

Ist die Schadenserwartung jedoch extrem hoch oder ist das Risiko darüber hinaus nur mit einem<br />

geringen Nutzen verbunden, so liegt es im Verbotsbereich. Hier sind die möglichen Schäden so<br />

gravierend, dass eine Risikoreduktion essentiell ist, oder die riskante Tätigkeit (z.B. Siedlungstä-<br />

tigkeit in potenziellen Überflutungsräumen) vollends unterbleiben muss.<br />

Pythia<br />

Normalbereich Grenzbereich<br />

Pandora<br />

Zyklop<br />

Risikotyp Pandora<br />

(W und S nur über Vermutungen)<br />

Verbotsbereich<br />

Damo<br />

kles<br />

Schadensausmaß S 8<br />

Außerhalb des<br />

Definitionsbereiches<br />

33


34<br />

Risikodiskurs<br />

Tab. 2.2: Risikotypen und ihre Charakterisierung<br />

(Quelle: nach WBGU, 1999)<br />

Risikotyp<br />

Charakterisierung<br />

W S As W As S<br />

Damokles gering hoch hoch hoch -<br />

Zyklop ? hoch ?<br />

Pythia ?<br />

? -<br />

hoch<br />

eher<br />

hoch<br />

? ? -<br />

Zusatz<br />

Kriterium<br />

Pandora ? ? ? ? Persistenz hoch<br />

Kassandra<br />

Medusa<br />

eher<br />

hoch<br />

eher<br />

gering<br />

eher<br />

hoch<br />

eher<br />

gering<br />

eher<br />

gering<br />

eher<br />

gering<br />

eher<br />

hoch<br />

eher<br />

hoch<br />

-<br />

Verzögerung hoch<br />

Beispiele<br />

Kernenergie, Großchemische Anlagen,<br />

Staudämme, Meteoriteneinschläge<br />

Überschwemmungen, Erdbeben,<br />

Vulkaneruptionen<br />

Treibhauseffekt, Instabilität der westantarktischen<br />

Eisschilde<br />

Persistente organische Schadstoffe,<br />

endokrin wirksame Stoffe<br />

Anthropogener schleichender Klimawandel<br />

Mobilisierungspotenzial hoch Elektromagnetische Felder<br />

W = Eintrittswahrscheinlichkeit S = Schadenserwartung As = Abschätzungssicherheit<br />

Betrachtet man die Charakterisierung der verschiedenen Risikotypen, so ist ein Großteil der Naturgefahren<br />

dem Zyklop-Risikotypen zuzuordnen. Dieser ist gekennzeichnet durch eine relativ<br />

hohe Schadenserwartung, die i. d. R. näherungsweise abzuschätzen ist, und durch Unsicherheiten<br />

hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit und ihrer Ermittlung.<br />

Die Zuordnung der Risikotypen zu den Normal-, Grenz- und Verbotsbereichen ist in Abbil-<br />

dung 2.2 dargestellt. Hierbei wird deutlich, dass der Zykloptyp sowohl im Grenzbereich als auch<br />

im Verbotsbereich liegen kann und die Möglichkeit besteht, Risiken z.B. durch Wissensgenerie-<br />

rung oder Managementmaßnahmen <strong>von</strong> einem Zustand in einen anderen zu befördern<br />

(vgl. Kap. 6.1.2). Die Entscheidung, zu welchem Bereich ein spezifisches Risiko zuzuordnen ist,<br />

kann daher nur unter Berücksichtigung aller Kriterien auf lokaler bzw. regionaler Ebene erfolgen.<br />

Ob das Risiko einer Überflutung im norddeutschen Küstenraum dem Zykloptypen zuzuordnen<br />

ist und ob dieses Risiko in den Grenz- oder Verbotsbereich fällt, kann erst nach der Beurteilung<br />

des Schadensausmaßes und der Eintrittswahrscheinlichkeit im Rahmen der Risikoanalyse (Kap. 4)<br />

sowie der Ermittlung der Akzeptanz bzw. des Mobilisierungspotenzials mit der Risikobewertung<br />

(Kap. 5) geklärt werden. Die Managementstrategien, die sich aus den verschiedenen Risikotypen<br />

ableiten lassen (vgl. WBGU, 1999), werden im Rahmen den Erläuterungen zum Risikomanage-<br />

ment diskutiert (Kap. 6.1).<br />

2.6 Integratives Risikokonzept<br />

Bei der Risikobetrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren werden die Komplexität und der Umfang der<br />

problemrelevanten Akteure, Prozesse, Einflüsse sowie Methoden und Instrumente deutlich.<br />

Wie schon in den vorherigen Kapiteln erläutert, gibt es neben einer Vielzahl an Forderungen nach<br />

einer besseren Zusammenarbeit aller Risikoakteure gegenwärtig nur Ansätze eines integrativen<br />

Risikokonzeptes, welches die klassischen Segmente der Risikowissenschaft in einen Kontext<br />

bringt.


Risikodiskurs<br />

So führt die Trennung der Analyse, der Bewertung und des Managements <strong>von</strong> Naturrisiken zu<br />

Problemen bei der Maximierung bzw. Optimierung des Sicherheitsstatus in potenziell bedrohten<br />

Räumen. Die Integration in ein Gesamtkonzept wäre eine Voraussetzung für eine konzertierte<br />

Vorgehensweise.<br />

Um sich dem übergeordneten Ziel der Risikoreduzierung zu nähern, muss die Kommunikation<br />

zwischen den Akteuren und die Koordination der verschiedenen Sicherheitsbemühungen verbes-<br />

sert werden. Die wichtigste Voraussetzung für einen solchen integrativen Ansatz ist die Bereit-<br />

schaft der Beteiligten, mit anderen Gruppen und Disziplinen zusammen zu arbeiten. Das im<br />

Folgenden beschriebene Konzept kann lediglich den theoretischen Hintergrund hierfür aufzeigen.<br />

Die Naturgefahrenforschung lässt sich in die drei Segmente, Erfassung <strong>von</strong> Zuständen (naturwissenschaftliche<br />

Risikoanalyse), Beurteilung ihrer sozialen Bedeutung (soziopolitische Risikobe-<br />

wertung) und Optimierung der Risikosituation (ökonomisch-politisches Risikomanagement)<br />

unterteilen (s. Abb. 2.3).<br />

natur-<br />

wissenschaftlich<br />

-<br />

Abb. 2.3: Segmente der Risikobetrachtung<br />

Risikomanagement<br />

ökonomisch-<br />

politisch<br />

Risiko<br />

soziopolitisch<br />

Risikoanalyse Risikobewertung<br />

Jedes Segment ist <strong>von</strong> einer disziplin-spezifischen Risikoperspektive geleitet. SMITH macht deut-<br />

lich, "It is clear, that risk assessment and risk perception have to be combined in the attempts<br />

made by governments and others to reduce environmental hazards.” (ebd., 2001: 72)<br />

Tatsächlich überschneiden sich die Teilbereiche z.B. hinsichtlich der Anforderungen an Informationen<br />

sowie methodischer Aspekte. Doch die Kommunikation und Kooperation zwischen den<br />

Segmenten ist meist sehr eingeschränkt. 11 So halten die jeweiligen Akteure an ihren historisch<br />

gewachsenen Zuständigkeitsbereichen fest. Der Vorteil einer solchen Segmentierung liegt in der<br />

Anwendung <strong>von</strong> erforderlichen Methoden, Wissen und Erfahrungen der entsprechenden<br />

Spezialdisziplinen.<br />

11 Integrative Ansätze sind am stärksten in der Sicherheitswissenschaft in den USA berücksichtigt. Das kommt z.B. in den Risk<br />

Principles des Office of Integrated Risk Management des Department of Energy zum Ausdruck (vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 28).<br />

35


36<br />

Risikodiskurs<br />

Der Nachteil ist aber offensichtlich. Die verantwortlichen Akteure verfolgen ihre eigenen Interes-<br />

sen, und die divergierenden Motive erschweren eine Konsensbildung in der Planung. Der Vorteil<br />

eines integrativen Ansatzes wäre eine optimierte Abstimmung der Arbeiten, so dass alle Akteure<br />

die Resultate verstehen und beurteilen können. Zudem können frühzeitig Wissensdefizite ausgeräumt<br />

und Bedürfnisse hinsichtlich erforderlicher Informationen <strong>von</strong> den Beteiligten artikuliert<br />

werden. Hier ist auch die Wissenschaft aufgefordert, allgemeinverständliche Ergebnisse ihrer Ri-<br />

sikobetrachtungen zu liefern.<br />

Der integrative Ansatz hat aber auch Grenzen. So kann die Partizipation 12 <strong>von</strong> disziplinfremden<br />

Akteuren den Planungs- bzw. Untersuchungsprozess aufgrund unüberwindbarer Dissensen be-<br />

hindern oder sogar zum Erliegen bringen. Eine methodische Trennung der Segmente unter Nut-<br />

zung der disziplinspezifischen Kenntnisse scheint daher sinnvoll. Das schließt allerdings eine<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Artikulation der disziplinären Bedürfnisse (z.B. an<br />

Informationen) sowie eine kritische Beurteilung der Techniken aller Beteiligten im Rahmen eines<br />

methodischen Optimierungsprozesses nicht aus. Diese positiven Synergieeffekte sollten zukünftig<br />

identifiziert und genutzt werden.<br />

Die Erläuterungen zeigen, dass das Ziel eines integrativen Konzeptes nicht die Auflösung der<br />

Segmente, sondern eine bessere Kommunikation und Kooperation zwischen den Teilbereichen ist<br />

(vgl. HOLLENSTEIN, 1997).<br />

Im Folgenden werden die Akteure und Instrumente sowie die Prozesse, Einflüsse und Resultate<br />

einer integralen Risikobetrachtung kurz dargestellt.<br />

Das Konzept hat seine Gültigkeit nicht nur für die Betrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren, sondern ist<br />

auch auf andere Risikotypen anzuwenden. Zudem bietet es allen Beteiligten die Möglichkeit, sich<br />

gängigen Begriffsdefinitionen zu nähern und zu bedienen. Es ist darüber hinaus die Basis für die<br />

vorliegende Arbeit, da hiermit die verschiedenen Verfahren und Arbeitsschritte einer Risikobetrachtung<br />

sowie die interdisziplinären Zusammenhänge verfolgt und dargestellt werden können.<br />

Zentrales Element des Konzeptes ist ein Kooperations-Netzwerk, in dem die Akteure zusammen-<br />

kommen. Hier können Informationen, Bedürfnisse und Ziele hinsichtlich der identifizierten Risiken<br />

artikuliert, ausgetauscht und aufeinander abgestimmt werden.<br />

Als Akteure wirken hier u. a. politische Meinungsträger, Wissenschaftler, privatwirtschaftliche<br />

Unternehmen, Behörden, Interessensverbände sowie die potenziell betroffenen Bürger und die<br />

Medien. Da hier teilweise sehr unterschiedliche und divergierende ökologische, wirtschaftliche<br />

und soziale Interessen in Einklang gebracht werden müssen, kommt der Risikokommunikation<br />

im Konfliktlösungsprozess eine besondere Bedeutung zu (s. Kap. 5.1.3.1).<br />

Dieser partizipative Ansatz, etabliert sich im öffentlichen Planungsprozess zunehmend. Hierbei<br />

geht der Begriff über seine Bedeutung als Bürgerbeteiligung hinaus und umfasst vielmehr die<br />

Berücksichtigung aller Interessen bei der Analyse, Bewertung und dem Management <strong>von</strong> Risiken.<br />

12 Partizipation ist hier nicht nur die Beteiligung der Öffentlichkeit an Planungsprozessen, sondern auch die Involvierung <strong>von</strong> Fach-<br />

leuten anderer Disziplinen im methodischen Arbeitsprozess.


Risikodiskurs<br />

Der rechtliche Rahmen für die zukünftige Entwicklung der Partizipation wurde <strong>von</strong> den Vereinten<br />

Nationen mit Inkrafttreten der sog. Aarhus-Konvention am 30. Oktober 2001 vorgegeben. Hier-<br />

mit soll zukünftig der Zugang zu Informationen und Gerichten in Umweltangelegenheiten sowie<br />

die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren geregelt werden. In der EU werden<br />

gegenwärtig verschiedene Vorschläge zur Umsetzung der Konvention erarbeitet (vgl. UNECE,<br />

2003).<br />

Die Wissenschaft bietet heute verschiedene Partizipationsverfahren, über deren Verwendung je<br />

nach Problemstellung entschieden werden sollte (vgl. Kap. 6.2.1.4). Für die Umsetzung der Tech-<br />

niken hat sich mittlerweile ein expandierender Dienstleistungssektor entwickelt.<br />

Das integrative Konzept berücksichtigt eine sinnvolle Trennung in die Segmente Analyse, Bewertung<br />

und Management, da die Erfahrungen und das Wissen der jeweiligen Spezialdisziplinen<br />

eine qualitativ hochwertige Ermittlung und Beurteilung <strong>von</strong> Risiken gewährleisten (vgl. Abb. 2.4).<br />

Mit Hilfe der naturwissenschaftlichen Risikoanalyse werden Informationen über das Ausmaß und<br />

die Wahrscheinlichkeit der zu erwartenden Schäden durch ein Extremereignis bereitgestellt.<br />

Hierbei konzentrieren sich die Betrachtungen zum einen auf die natürliche Sphäre, zum anderen<br />

auf das sozioökonomische System.<br />

Nachdem im Rahmen einer Systemabgrenzung und -beschreibung die für die Untersuchung<br />

maßgeblichen Parameter Raum, Zustand und Thematik bestimmt wurden (vgl. Kap. 4.1.1), wird<br />

die Bedrohung durch die natürliche Sphäre über die Gefährdungsanalyse (vgl. Kap. 4.1.2) und die<br />

zu erwartenden Auswirkungen bei Eintritt eines Ereignisses mit einer Vulnerabilitätsanalyse<br />

(vgl. Kap. 4.1.3) ermittelt.<br />

Mit deterministischen und probabilistischen Methoden wird die Gefährdung durch ein Ereignis<br />

mit einer spezifischen Intensität und Wahrscheinlichkeit bzw. Häufigkeit berechnet. Die Kenntnis<br />

der potenziellen Bedrohung ermöglicht anschließend die Abschätzung möglicher Schäden im Er-<br />

eignisfall. Dafür werden a priori möglichst realistische Ereignisparameter festgelegt, die anschließend<br />

eine Simulation eines möglichen Ereignisverlaufs erlauben. Unter Berücksichtigung<br />

der Simulationsergebnisse lassen sich die möglichen Schäden in dem Betrachtungsraum abschät-<br />

zen. Hierzu werden vorab die Risikoelemente inventarisiert und mit einer Wertermittlung hin-<br />

sichtlich ihres Schadenspotenzials bewertet. Bei der Schadensschätzung ist möglichst die<br />

Widerstandsfähigkeit und Bewältigungsfähigkeit des Systems zu berücksichtigen. Die Ergebnisse<br />

der Risikoanalyse ermöglichen eine kohärente und damit vergleichbare Beschreibung auch ver-<br />

schiedener Risiken, so dass die einzelnen Beträge auch zu einem Gesamtrisiko zusammengefasst<br />

werden können (z.B. Sturm und Sturm flut) (HOLLENSTEIN, 1997: 23).<br />

Die soziopolitische bzw. moralisch-ethische Risikobewertung soll eine Antwort auf die Frage lie-<br />

fern, wie das Risiko eines Zustandes oder Vorganges individuell oder kollektiv wahrgenommen<br />

wird und ob bestimmte Risiken akzeptiert werden (vgl. Kap. 5). Erkenntnisse hierzu können u. a.<br />

durch Interviews mit den potenziell betroffenen Personen und Gruppen gewonnen werden.<br />

37


38<br />

Alternativen<br />

entwickeln<br />

evaluieren<br />

entscheiden<br />

Identifizierung<br />

Analyse<br />

Formulierung<br />

Gefährdungsanalyse<br />

Gefahrenidentifikation<br />

Ereignisabschätzung<br />

Wahrschein-<br />

lichkeit<br />

Evaluation<br />

Perzeption<br />

Abb. 2.4: Integratives Risikokonzept<br />

Risikodiskurs<br />

Systemabgrenzung und -beschreibung<br />

Gefahr<br />

Intensität<br />

Gefährdungsabschätzung<br />

Monitoring<br />

Gefährdung<br />

Akzeptanz<br />

Aversion<br />

soziale<br />

kulturelle<br />

situative<br />

kognitive<br />

Faktoren<br />

Interviews<br />

Identifikation Raum Zustand Thematik<br />

akzeptiertes<br />

Analyse<br />

Szenarien<br />

Risikoabschätzung<br />

spezifisches<br />

RISIKO<br />

Kooperations-<br />

Netzwerk<br />

Gesellschaft<br />

Staat<br />

Wissenschaft<br />

Medien<br />

Organisation<br />

Partizipation<br />

Zielsetzung<br />

Leitbilder<br />

Vulnerabilitätsanalyse<br />

Risikoelement<br />

e<br />

Wertermittlung<br />

Widerstands- und Bewältigungsfähigkeit<br />

Schadensschätzung<br />

Vulnerabilität<br />

Implementierung<br />

Prävention<br />

Maßnahmen<br />

Strategien<br />

Bewertung Management<br />

Risiken werden tagtäglich wahrgenommen und bewertet. Hierbei basieren die Beurteilungen in<br />

den seltensten Fällen auf Ergebnissen einer Risikoanalyse. Jeder Akteur erstellt auch ohne wissenschaftliche<br />

Grundlage seine eigene Risikoanalyse im Rahmen der Risikoperzeption.<br />

optimiertes<br />

Schadenspotenzial<br />

Monitoring<br />

Maßnahmenplanung<br />

operationelle Ziele<br />

Oberziele<br />

Reaktion<br />

strategische Ziele


Risikodiskurs<br />

Unter dem Einfluss sozialer und kultureller sowie situativer und kognitiver Faktoren werden die<br />

Risiken erkannt, analysiert und formuliert. Anschließend können Alternativen entwickelt, be-<br />

wertet und entschieden werden.<br />

Als Referenzniveau gilt hierbei das alltäglich akzeptierte Risiko. Oberhalb dieses Niveaus definiert<br />

jeder Akteur für sich eine individuelle Eingriffsgrenze. Wird ein Risiko so negativ bewertet, dass<br />

es oberhalb der Eingriffsgrenze liegt, dann ist die Entscheidung eine Aversion und dementspre-<br />

chend das Risiko ein nicht akzeptiertes. Diese aversive Haltung wird den Akteur dann mögli-<br />

cherweise zu Veränderungen des Risikomaßes veranlassen. Führen die Einschätzungen zu einem<br />

Akzeptanzentscheid, dann ist der Perzipient bereit, das Risiko in seiner momentanen Ausprägung<br />

zu tolerieren (vgl. NOWITZKI , 1997: 128).<br />

Da Risikobewertungen auch durch Wissen sowie emotionale Einflüsse determiniert sind, könnte<br />

im Rahmen des Kooperations-Netzwerkes das spezifische Risiko als Ergebnis der Analyse den<br />

Akteuren erläutert werden. 13 Die Kommunikation und Berücksichtigung vieler Interessen kann<br />

hierbei das Selbstbewusstsein der Beteiligten stärken und Emotionen als mögliche Restriktionen<br />

im Planungs- und Managementprozess reduzieren.<br />

Im politisch-ökonomischen Risikomanagement werden alle Tätigkeiten und Informationen zum<br />

Schutz vor gefährlichen Ereignissen gebündelt (vgl. Kap. 6). Dem Management obliegt mit der<br />

Organisation des zentralen Kooperationsnetzwerkes eine besondere Aufgabe. Es ist zudem das<br />

verbindende Element zwischen der Analyse und der Bewertung und das Verfahren zur Synthese<br />

der sektoralen Erkenntnisse. Alle Ergebnisse und Informationen werden hier zusammengebracht,<br />

sowie Ziele, Strategien und Maßnahmen für einen zukünftigen Umgang mit dem Risiko entwi-<br />

ckelt und implementiert. Risikomanagement ist somit eine administrative, technische und politi-<br />

sche Aufgabe.<br />

Risiken unterliegen ständigen Veränderungen. Sie sind ein dynamisches Konstrukt als Resultat<br />

verschiedener natürlicher, sozialer und kultureller Einflüsse. So ist es denkbar, dass z.B. verän-<br />

derte gesellschaftliche Wertvorstellungen oder natürliche Parameter wie z.B. Klimaänderungen<br />

zukünftig das analysierte und/oder bewertete Risikomaß beeinflussen. Daher ist es erforderlich,<br />

mögliche Systemveränderungen im Rahmen eines Monitorings zu erkennen und gegebenenfalls<br />

darauf zu reagieren (MARKAU und REESE, 2002). Risikobetrachtung wird somit zu einem iterativen<br />

Verfahren.<br />

13 Das spezifische Risiko darf aber nicht als das objektive und einzig richtige Risiko missverstanden werden. Denn zum einen gibt es<br />

nicht das universelle Risiko und zum anderen ist das formal-normative Risiko meistens mit sehr viele n Unsicherheiten belastet<br />

(vgl. Kap. 4 und 5). Zudem sieht LUHMANN das Problem, dass das Kommunikationssystem ein hierarchisches ist: „Der einzelne<br />

kann zwar lernen, aber Aufklärung ist eine Operation, die man am anderen durchführt“ (ebd., 1991: 40). Somit besteht<br />

möglicherweise das Problem, dass unter dem Deckmantel der neutralen Aufklärung das objektiv-richtige Wissen subjektiv<br />

weitergegeben wird.<br />

39


40<br />

3. Naturgefahren<br />

Naturgefahren<br />

Die Natur kennt keine Katastrophen,<br />

Katastrophen kennt allein der Mensch,<br />

sofern er sie überlebt.<br />

MAX FRISCH<br />

Die bisherigen Erläuterungen haben eine Allgemeingültigkeit für die Risikoforschung. So ist das<br />

integrale Risikokonzept sowohl auf technologische und zivilisatorische als auch natürliche Risiken<br />

anzuwenden.<br />

Die vorliegende Arbeit erläutert die Methoden und Instrumente zur Erfassung und Bewältigung<br />

des Risikos <strong>von</strong> Sturmfluten. Daher stehen die Gefahren der natürlichen Sphäre im Fokus der Be-<br />

trachtung. Nachfolgend werden die Charakteristika <strong>von</strong> Naturgefahren, ihre Einflussfaktoren und<br />

Folgen sowie mögliche Trends näher betrachtet.<br />

3.1 Naturgefahren und extreme Naturereignisse<br />

Die Umwelt ist neutral und die damit verbundenen Prozesse laufen unabhängig <strong>von</strong> menschli-<br />

chen Einflüssen und Aktivitäten ab 1 . Extreme Ereignisse in der Natur sind demnach im natürli-<br />

chen Geosystem wertfreie Phänomene. Erst die anthropogene Nutzung der Umwelt und eine<br />

potenzielle Beeinträchtigung der Menschen und ihrer Güter machen natürliche Extrem ereignisse<br />

zu Naturgefahren, die dann im sozialen Umfeld zu Katastrophen führen können<br />

(vgl. GEIPEL, 2001: 29).<br />

Ein Paradoxon besteht darin, dass die anthropogen nutzbaren Ressourcen der Umwelt gleichzei-<br />

tig auch ein Bedrohungspotenzial darstellen (s. Abb. 3.1). So ist z.B. das Meer aufgrund seiner<br />

Attraktivität die Basis für eine intensive touristische Nutzung <strong>von</strong> Küstenräumen. Dieses bedroht<br />

aber gleichzeitig durch extreme Sturmflutereignisse die <strong>von</strong> Menschen geschaffenen Strukturen.<br />

Somit machen die ökonomischen, sozialen oder ästhetischen Ansprüche des Menschen an die<br />

Natur ebendiese zu einer Gefahr (BURTON et al., 1993: 32; vgl. SMITH, 2001: 22).<br />

Abb. 3.1: Ressourcen und Gefahren der natürlichen und anthropogenen Sphäre<br />

(Quelle: verändert nach SMITH, 2001: 12)<br />

1 Vorausgesetzt, man vernachlässigt anthropogene Einflüsse auf die Umwelt, wie z.B. die Emissionen klimarelevanter Treibhaus-<br />

gase.<br />

natürliche<br />

Sphäre<br />

nachhaltige<br />

Ressourcen<br />

Entwicklung<br />

Gefahren<br />

anthropogene<br />

Sphäre<br />

Reaktion


Naturgefahren<br />

Der Mensch kann durch seine Entscheidungen sowohl das System der natürlichen Ereignisse als<br />

auch das der anthropogenen Nutzung modifizieren. So verändert er durch sein Handeln die Um-<br />

welt. In einer zunehmenden globalen Umweltverschmutzung und -zerstörung sieht SMITH (2001)<br />

einen Grund für einen wachsenden anthropogenen Einfluss auch auf die Entwicklung <strong>von</strong> Naturgefahren.<br />

BURTON und KATES (1964) bezeichnen diese Form als quasi-natural hazards.<br />

Klimaforscher sind sich mittlerweile einig, dass es durch die Emissionen klimarelevanter Treib-<br />

hausgase zu einer Veränderung des globalen Klimas kommen kann. Insbesondere meteorologisch-<br />

hydrologische Naturgefahren wären <strong>von</strong> einer solchen Entwicklung betroffen. Eine Zunahme der<br />

Intensität und Häufigkeit dieser Ereignisse ist somit zukünftig wahrscheinlich (vgl. Kap. 3.4).<br />

Neben der direkten anthropogenen Beeinflussung der natürlichen Sphäre trägt der Mensch auch<br />

durch eine ständig wachsende Vulnerabilität dazu bei, dass die Risiken durch Naturgefahren zu-<br />

nehmen (vgl. Kap. 3.3) 2 . Hierbei ist entscheidend, wann ein natürliches Element nicht mehr als<br />

nützliche Ressource, sondern als eine solche Naturgefahr betrachtet wird.<br />

Abb. 3.2: Akzeptierte Variabilität <strong>von</strong> Naturgefahren<br />

(Quelle: verändert nach SMITH, 2001: 13)<br />

Natürliche Ereignisse zeigen hinsichtlich ihrer Intensität und Dauer eine Variabilität, die in Zeit-<br />

reihen erkennbar wird (s. Abb. 3.2). Diese Ganglinien bewegen sich i. d. R. innerhalb einer <strong>von</strong> der<br />

Gesellschaft tolerierten Bandbreite <strong>von</strong> Ereignissen durchschnittlicher Intensität. SMITH (2001: 12f)<br />

bezeichnet diesen Toleranzbereich als akzeptierte Variabilität, innerhalb der das anthropogene Sys-<br />

tem in dem natürlichen Element keine Bedrohung sondern eine Ressource erkennt. Extreme Er-<br />

eignisse mit sehr niedriger bzw. sehr hoher Intensität können für den Menschen einen Schaden<br />

verursachen.<br />

Intensität<br />

niedriges<br />

Extremereignis<br />

tolerierte Bandbreite der<br />

Ereignisintensität<br />

Zeit<br />

hohes<br />

Extremereignis<br />

Schadensschwelle<br />

2 Darüber hinaus führen technische Innovation und menschlicher Fortschritt zwangsläufig zu anthropogen generierten Gefahren<br />

wie z.B. die zivile Nutzung der Kerntechnik oder die Gentechnologie, deren Gefahren und Risiken für den Menschen und die<br />

Umwelt kaum abzuschätzen sind. Aus diesem Grund wird der Terminus Naturgefahren auch häufig durch den Begriff der<br />

Umweltgefahren ersetzt, da dieser sowohl natürliche Phänomene als auch technologische und soziale Ereignisse umfasst<br />

(vgl. SMITH, 2001: 15). Im Folgenden wird der Begriff Naturgefahren beibehalten und Umweltgefahren z.B. technologischer Art nicht<br />

weiter betrachtet.<br />

Dauer<br />

Magnitude<br />

Gefahr<br />

Ressource<br />

Gefahr<br />

41


42<br />

Naturgefahren<br />

Dann liegt das Ereignis außerhalb des tolerierten Bereiches und die Ressource wird zur Gefahr.<br />

Die Empfindlichkeit gegenüber einer Naturgefahr ist demnach u. a. eine Funktion der Ereignisva-<br />

riabilität und der sozioökonomischen Toleranz der Gesellschaft (SMITH, 2001: 13).<br />

Aus der dargestellten Kurve lassen sich zwei Basisgrößen <strong>von</strong> Naturgefahren ableiten. Die positiven<br />

und negativen Ereignisspitzen markieren die Intensität bzw. Magnitude, und die Länge der<br />

Kurve über der Schadensschwelle bezeichnet die Dauer des Ereignisses. Weitere Parameter sind<br />

die Häufigkeit, die räumliche Ausdehnung und die Dauer der Ereignisentwicklung bis zur maximalen<br />

Intensität sowie die räumliche Streuung und zeitliche Variabilität (BURTON et al., 1993: 34f).<br />

Das dargestellte Modell lässt sich plausibel auf die Naturgefahr der Sturmfluten anwenden. Was-<br />

serstandsganglinien zeigen den zeitlichen Verlauf der Wasserstände an den Küstenpegeln. Im<br />

Mittel verändert sich das Niveau des Meeresspiegels aufgrund unterschiedlicher Faktoren<br />

(s. Kap. 3.5) innerhalb eines tolerierbaren Bereiches. Das Meer wird dabei <strong>von</strong> den Menschen im<br />

Küstenraum als Ressource betrachtet und als solche genutzt.<br />

Ab einer bestimmten Intensität können Sturmfluten im Küstenraum zu Schäden an den anthropo-<br />

genen Strukturen führen. Oberhalb dieser Schadensschwelle wird das Meer in diesem Fall zu einem<br />

bedrohlichen Element, und aus der Ressource wird eine Gefahr, auf die die Küstenbewohner<br />

z.B. mit Küstenschutzmaßnahmen reagieren. 3<br />

Intensität<br />

Abb. 3.3: Veränderungen der anthropogenen Sensitivität gegenüber Naturgefahren<br />

(Quelle: nach SMITH, 2001: 14)<br />

Die Empfindlichkeit einer Gesellschaft gegenüber einer Naturgefahr steht in einem dynamischen<br />

Entwicklungsprozess. So können Veränderungen sowohl der Gefahrenausprägung als auch der<br />

sozioökonomischen Toleranz die Sensitivität beeinflussen.<br />

3 Darüber hinaus können auch besonders niedrige Wasserstände an den Küsten zur Gefahr werden, indem z.B. die Schifffahrt<br />

beeinträchtigt wird (vgl. BIRR, 1968: 33ff).<br />

A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

E<br />

Tolerierte Bandbreite<br />

der Ereignisintensität<br />

Zeit<br />

Schadensschwelle


Naturgefahren<br />

Die Abbildung 3.3 zeigt für den Fall A eine Entwicklung zu einer extremen Ereignisvariabilität,<br />

die für sehr niedrige sowie für sehr hohe Intensitäten eine extreme Zunahme der Sensitivität zur<br />

Folge hat. Die Fälle B und C beschreiben, dass sowohl eine Abnahme (B) als auch eine Zunahme<br />

(C) der Ereignisintensität bei gleich bleibender sozioökonomischer Toleranz eine stärkere Sensitivität<br />

hervorrufen kann. Bei den Ereignisfällen D und E ändert sich hingegen die sozioökonomi-<br />

sche Toleranz bei gleich bleibender Intensität der Gefahr. Hier gilt für D eine Zunahme des Risi-<br />

kos durch eine verringerte Toleranzbreite, während E ein geringeres Risiko durch eine erhöhte<br />

Toleranz aufweist.<br />

Je nach disziplinärer Zugehörigkeit der Autoren und einer unterschiedlichen Gewichtung der<br />

Einflussfaktoren werden Gefahren in vielfältiger Art typologisiert und klassifiziert. SMITH (2001)<br />

unterscheidet insgesamt fünf verschiedene Typen <strong>von</strong> Umweltgefahren: atmosphärische, hydro-<br />

logische, geologische sowie biologische und technologische. BURTON et al. (1993) klassifizieren<br />

geophysikalische und biologische Ereignisse, während PLATE und MERZ (2001) meteorologische,<br />

geologische und biologische Naturgefahren differenzieren, die sich wiederum in kurzfristig und<br />

sich langsam entwickelnde und solche mit unterschiedlichem Zeitvor- und -ablauf unterteilen<br />

lassen.<br />

Eine exakte typologische Zuordnung ist aufgrund einer großen Anzahl an Klassifizierungsmo-<br />

dellen nicht immer möglich. So sind scheinbar natürliche Ereignisse teilweise durch den Men-<br />

schen induziert. Zudem sind eine Überlagerung <strong>von</strong> sozialen, technologischen und natürlichen<br />

Prozessen sowie eine Kombination der unterschiedlichen Gefahren möglich. Hangrutschungen<br />

sind primär Massenbewegungen und werden als geologische Naturgefahr definiert. Im Zusam-<br />

menhang mit starken Niederschlägen können hieraus Schlammlawinen oder Muren entstehen,<br />

welche aber eher zu hydrologischen Gefahren gezählt werden. Stürme können als singuläre Er-<br />

eignisse eine schädigende Wirkung haben. An den Küsten können sie darüber hinaus auch Sturmfluten<br />

generieren, so dass Schäden sowohl durch die Kraft des Windes als auch des Wassers ent-<br />

stehen können.<br />

Sturmfluten sind nach den verschiedenen Typologien entweder natürliche, geophysikalische,<br />

meteorologische, hydrologische oder hydrometeorologische, exogene, oder sich langsam entwi-<br />

ckelnde Ereignisse.<br />

3.2 Naturgefahren, Katastrophen und Schadensentwicklung<br />

Naturgefahren können u. U. in der sozioökonomischen Sphäre zu Katastrophen führen. Der oft-<br />

mals verwendete Begriff Naturkatastrophe ist allerdings etwas missverständlich, da es in der Natur<br />

per se keine Katastrophen gibt.<br />

Entsprechend der Argumentation zur Definition des Begriffes der Naturgefahr (vgl. Kap. 2.1) setzt<br />

eine Katastrophe die Anwesenheit <strong>von</strong> verletzlichen Menschen und Gütern voraus. So führt eine<br />

Sturmflut in einem unbesiedelten Küstenraum nicht zu einer Katastrophe, da hierbei keine<br />

43


44<br />

Naturgefahren<br />

Schäden an anthropogenen Strukturen entstehen. Periodische Überschwemmungen können hin-<br />

gegen sogar erwünscht sein, wenn sie für die Erhaltung des litoralen Ökosystems eine Bedeutung<br />

haben. Ein vergleichbares Ereignis könnte aber in einem dicht besiedelten Küstenabschnitt zu<br />

großen Schäden führen, was dann u. U. im sozioökonomischen Kontext als Katastrophe bewertet<br />

wird.<br />

Katastrophen sind inzwischen Bestandteil unseres Lebens geworden. Durch die Medien werden<br />

Katastrophenmeldungen einem interessierten Publikum sehr schnell bereitgestellt. Da die Katas-<br />

trophe ein medienwirksamer Begriff ist, wird insbesondere bei plötzlich auftretenden Ereignissen<br />

oftmals vorschnell auf eine Katastrophe geschlossen. Die Entscheidung, ob der Terminus der Ka-<br />

tastrophe verwendet wird, hängt <strong>von</strong> journalistischen Kriterien ab, wie dem öffentlichen Interesse<br />

oder besonderen visuellen Eindrücken. Zudem wird der Begriff <strong>von</strong> den Opfern, den staatlichen<br />

und privaten Schutzorganisationen, den Versicherungen und Wissenschaftlern meist sehr unterschiedlich<br />

und subjektiv definiert.<br />

Welche Kriterien entscheiden also darüber, ob ein Zustand als Katastrophe oder nur als Unfall<br />

wahrgenommen wird?<br />

Das Zugunglück <strong>von</strong> Eschede 1998 wird i. d. R. als Katastrophe bezeichnet. Während die materiellen<br />

Schäden durchaus <strong>von</strong> der Gesellschaft (in diesem Falle <strong>von</strong> der Deutschen Bahn AG) getra-<br />

gen werden können, ohne dass das ökonomische System längerfristige Schäden erfährt, hat die<br />

hohe Anzahl an Opfern und die subjektive Schrecklichkeit des Ereignisses dazu geführt, dieses als<br />

ein solches mit katastrophalen Folgen einzuschätzen. Neben der messbaren Schädigung der<br />

anthropogenen Sphäre sind also auch subjektive Wertungen der Ereignisse <strong>von</strong> Bedeutung.<br />

In der Literatur findet sich keine einheitliche Definition des Terminus Katastrophe. In der Regel<br />

wird ein auf die anthropogene Sphäre extrem schädigend wirkendes Ereignis zu Grunde gelegt<br />

(vgl. BLAIKIE et al., 1994: 5f; EIKENBERG, 2000: 4; GTZ, 2001: 17; PLATE und MERZ, 2001: 1; SMITH,<br />

2001: 17f).<br />

Hierbei ist nicht die Intensität des Ereignisses entscheidend, sondern die Anzahl der Opfer oder<br />

Schäden für den Menschen. EIKENBERG (2000: 3) sieht in der existenziellen Gefährdung, dem<br />

Verlust an Entwicklungsmöglichkeiten und Hilflosigkeit der Bevölkerung ein objektives Kriterium<br />

für Katastrophen. Ob ein Ereignis <strong>von</strong> den Betroffenen als Katastrophe verstanden wird,<br />

hängt dann <strong>von</strong> dem Wertesystem der jeweiligen Gesellschaft oder Gruppe ab.<br />

Das ISDR (2002: 24) definiert eine Katastrophe als "serious disruption of the functioning of a com-<br />

munity or a society causing widespread human, material, economic or environmental losses<br />

which exceed the ability of the affected community/society to cope using its own resources."<br />

Demnach gilt, dass nicht das auslösende Ereignis die Katastrophe darstellt, sondern der Zustand<br />

der extremen Beeinträchtigung, mit welchem die betroffene Gesellschaft nur schwer selbstständig<br />

fertig wird. PLATE und MERZ (2001) verbinden hiermit die Notwendigkeit der Bevölkerung, auf<br />

auswärtige Hilfe angewiesen zu sein.<br />

Während die Definition eines qualitativen Katastrophenbegriffes schon Schwierigkeiten aufwirft,<br />

erscheint es noch schwieriger zu sein, quantitative Indikatoren für die Existenz einer Katastrophe<br />

zu benennen.


Naturgefahren<br />

Intangible Schäden lassen sich nur schwer erfassen. Wichtige Parameter wie Arbeitslosigkeit,<br />

Verlust <strong>von</strong> Familienmitgliedern, Elend oder psychische Probleme sowie soziale und demogra-<br />

phische Faktoren können quantitativ nicht berücksichtigt werden (vgl. GEIPEL, 2001). Auch eine<br />

Abschätzung ökonomischer Langzeitschäden, wie z.B. die Beeinträchtigung der Prosperität, ist<br />

nur sehr schwer möglich.<br />

Vergleicht man die Erfassungsmethoden verschiedener Katastrophenarchive, so zeigt sich auch<br />

dementsprechend ein sehr heterogenes Bild der Maßstäbe und berücksichtigten Parametern.<br />

Das Natural Hazard Research and Application Information Center (NHRAIC) in den USA erfasst alle<br />

Ereignisse mit mindestens 100 Toten oder Verletzten und Schäden in Höhe <strong>von</strong> 1 Mio. US $, wobei<br />

Dürren in der Erhebung ausgenommen sind. Die RFF-Datenbank (Resources for the Future) in<br />

Washington definiert eine Katastrophe bereits ab 25 Opfern, während das Centre for Research on the<br />

Epidemiology of Disasters (CRED) in Belgien eine Situation als Katastrophe wertet, bei der 10 Tote<br />

oder 100 Betroffene und zusätzlich eine Anfrage bezüglich Internationaler Hilfe verzeichnet werden<br />

(SMITH, 2001: 30f). SMITH bezeichnet als significant disasters solche Ereignisse, die 100 Todesop-<br />

fer, eine Schadenshöhe <strong>von</strong> einem Prozent des jährlichen nationalen Bruttoinlandsproduktes<br />

und/oder eine Anzahl betroffener Menschen <strong>von</strong> einem Prozent der Gesamtbevölkerung des betroffenen<br />

Landes aufweisen.<br />

Abbildung 3.4 zeigt die Skalierung möglicher Schäden durch technische Risiken, wie sie in dem<br />

Schweizer Handbuch der Störfallverordnung angegeben werden. Diese Skalierung könnte auch<br />

auf schädigende Naturereignisse angewendet werden. Jedoch ist hierbei immer zu berücksichti-<br />

gen, dass eine solche Einteilung subjektiven Kriterien unterliegt und nur eine begrenzte Anzahl an<br />

Einflussparametern berücksichtigt wird.<br />

Zugeordneter<br />

Störfallwert<br />

Todesopfer<br />

Tote<br />

Grosstiere<br />

Geschädigte<br />

Ökosystemfläche<br />

(km 2 )<br />

Diskontierte<br />

Aufwendungen<br />

(Mio. Franken)<br />

Unfall Großunfall Katastrophe<br />

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1<br />

4 20 100 500 2 500<br />

200 1 300 8 000 50 000 350 000<br />

1 10 100 1 000 10 000<br />

20 80 400 2 200 10 000<br />

Abb. 3.4: Störfallwerte nach dem Handbuch zur Störfallverordnung für die Schweiz<br />

(Quelle: HOLLENSTEIN, 1997: 67)<br />

45


46<br />

Naturgefahren<br />

Zu den Problemen des Indikatorenansatzes kommt noch der Mangel an zuverlässigen Informati-<br />

onen und Katastrophenberichten (SMITH, 2001: 29). So evaluieren z.B. Versicherungen oftmals nur<br />

den Anteil der <strong>von</strong> ihnen versicherten Schäden. Außerdem erlauben die quantitativen Katastro-<br />

phenbetrachtungen keine Rückschlüsse auf die Potenz der geschädigten Gesellschaft<br />

(vgl. ISDR, 2002: 34f).<br />

Ein extremes Sturmflutereignis könnte in Norddeutschland katastrophale Schäden zur Folge ha-<br />

ben, die aber wahrscheinlich nach einer gewissen Zeit durch die zur Verfügung stehenden Res-<br />

sourcen wieder kompensiert werden könnten. In Bangladesch hingegen, könnte eine ähnliche<br />

Beeinträchtigung, wegen der geringeren ökonomischen Potenz, eine wesentlich größere Auswirkung<br />

auf das sozioökonomische System haben.<br />

Die Erläuterungen zu möglichen Katastrophen durch natürliche Extremereignisse haben gezeigt,<br />

dass diese nur in der anthropogenen sozioökonomischen Sphäre relevant sind und dass hier aufgrund<br />

unterschiedlicher Vulnerabilitäten in verschiedenen Räumen und Gesellschaften sehr diffe-<br />

rente Auswirkungen möglich sind. Zudem werden Katastrophen sehr subjektiv bewertet, und<br />

ihre Folgen werden unterschiedlich dokumentiert und aufbereitet. Dieses ist im Folgenden bei der<br />

Betrachtung möglicher Schadenstrends zu berücksichtigen.<br />

Auswertungen <strong>von</strong> Naturkatastrophen der jüngeren Vergangenheit zeigen einen signifikanten<br />

Anstieg sowohl der Anzahl der Katastrophen als auch der Schadensbelastungen seit den 70er Jah-<br />

ren (vgl. BRYANT, 1991; BURTON et al., 1993; ISDR, 2002; MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-<br />

GESELLSCHAFT, 1999b; SMITH, 2001). Vergleicht man frühere Dekaden mit jüngeren Auswertun-<br />

gen, so geschieht dieses aber mit der Einschränkung, dass das Monitoring und die Erfassungs-<br />

methoden ständig verbessert wurden und die globale Kommunikation dazu beigetragen hat, dass<br />

die Meldungen <strong>von</strong> Katastrophen zugenommen haben (SMITH, 2001: 39).<br />

Doch betrachtet man die Entwicklung vor diesem Hintergrund, so zeigt sich trotzdem eine expandierende<br />

Entwicklung der Naturkatastrophen und ihrer Auswirkungen.<br />

Die MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT wertet regelmäßig die Schadensdaten auf<br />

globaler und nationaler Ebene aus (vgl. ebd., 1999: 2002). In der Abbildung 3.5 ist die Anzahl großer<br />

Naturkatastrophen 4 weltweit und in Deutschland sowie die mit diesen im Zusammenhang<br />

stehenden volkswirtschaftlichen Schäden dargestellt. Im Zeitraum <strong>von</strong> 1950 bis 2001 führten eine<br />

Anzahl <strong>von</strong> 244 solcher Ereignisse weltweit zu einer volkswirtschaftlichen Gesamtschadensbe-<br />

lastung <strong>von</strong> ca. 1 150 Mrd. US $ (in Werten <strong>von</strong> 2001). Hierbei ist eindeutig eine Zunahme der<br />

Ereigniszahlen und der Folgen zu erkennen. Weitere Quellen, die auf anderen Katastrophendefi-<br />

nitionen und Klassifizierungen basieren, unterstützen trotz einiger Differenzen diesen globalen<br />

Aufwärtstrend (vgl. SMITH, 2001: 39ff).<br />

Der ansteigende Trend bei den Ereigniszahlen könnte auf eine Zunahme der natürlichen Extrem -<br />

ereignisse zurückzuführen sein. Dieser resultiert aber auch indirekt aus der starken Zunahme der<br />

volkswirtschaftlichen Schäden.<br />

4 Die MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT definiert als große Naturkatastrophen solche, die die Selbsthilfefähigkeit der<br />

betroffenen Regionen deutlich übersteigen und überregionale oder internationale Hilfe erfordern (1999b: 41).


16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Naturgefahren<br />

Anzahl der Elementarschadensereignisse in Deutschland<br />

1970 - 1998<br />

0<br />

1970 1975 1980 1985 1990 1995<br />

Erdbeben Sturm Überschwemmung Sonstige<br />

Abb. 3.5: Die Entwicklung <strong>von</strong> Naturkatastrophen - global und in Deutschland<br />

(Quellen: nach MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1999, 2002; BERZ, 1999) 5<br />

5 Die Daten zu den Naturkatastrophen in Deutschland im dargestellten Zeitraum differieren in der Literatur (vgl. BERZ, 1999: 437;<br />

MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1999b: 7).<br />

Große Naturkatastrophen<br />

Globale volkswirtschaftliche Schäden in Werten <strong>von</strong> 2001<br />

0<br />

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000<br />

Mrd. US$ Trend<br />

Große Naturkatastrophen<br />

Global nach Anzahl und Typen<br />

0<br />

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000<br />

Erdbeben/Vulkanausbruch Sturm Überschwemmung Sonstige<br />

10%<br />

21%<br />

Anzahl<br />

Schäden<br />

* nach MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT (2002) *** nach BERZ (1999)<br />

** nach MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT (1999)<br />

Tote<br />

Gesamtanzahl: 244 *<br />

167 Mrd. US $<br />

Gesamtschäden: ca. 1 150 Mrd. US $ *<br />

12%<br />

13%<br />

7%<br />

18%<br />

5%<br />

1%<br />

64%<br />

75%<br />

74%<br />

Gesamt<br />

459 **<br />

Gesamt<br />

752 ***<br />

Gesamt<br />

38 Mrd.<br />

DM **<br />

47


48<br />

Naturgefahren<br />

Denn das Ausmaß der Schäden ist eine Voraussetzung dafür, dass ein Ereignis in die Statistik der<br />

großen Naturkatastrophen aufgenommen wird. Und eben diese volkswirtschaftlichen Verluste<br />

sind insbesondere in den letzten drei Dekaden extrem angestiegen (s. Tab. 3.1). Die Trendkurve<br />

zeigt hierbei, dass die dramatische Entwicklung der Schäden voraussichtlich die Volkswirtschaften<br />

betroffener Länder in Zukunft zunehmend belasten wird.<br />

Tab. 3.1: Die Entwicklung großer Naturkatastrophen - global im Dekadenvergleich<br />

(Quelle: MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 2002: 15)<br />

Dekade 1950-1959 1960-1969 1970-1979 1980-1989 1990-1999<br />

Anzahl 20 27 47 63 89<br />

volkswirtschaftliche Schäden 42,2 75,7 136,1 211,3 652,3<br />

versicherte Schäden - 7,2 12,4 26,4 123,2<br />

Schäden in Mrd. US $ (in Werten <strong>von</strong> 2001)<br />

Ein inflationsbereinigter Vergleich der 60er Jahre mit der letzten Dekade zeigt eine Zunahme der<br />

globalen Ereigniszahlen mit dem Faktor 3,3 und einen Anstieg der volkswirtschaftlichen Schäden<br />

mit dem Faktor 8,6 sowie der versicherten Verluste mit 17,1 (BERZ, 2002: 259). Berücksichtigt man<br />

zusätzlich die weniger bedeutsamen Elementarschadensereignisse, <strong>von</strong> denen die Münchener Rück-<br />

versicherungs-Gesellschaft jährlich etwa 600 - 850 zählt, so erhöht sich das Schadensvolumen auf<br />

ca. das Doppelte der oben genannten Zahlen (BERZ, 2002: 254).<br />

Von den ca. 250 großen Naturkatastrophen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind die<br />

meisten durch Stürme ausgelöst worden (ca. 38 %).<br />

Insgesamt wurden durch die natürlichen Ereignisse ca. 1,4 Mio. Menschen getötet, der Großteil<br />

hierbei durch Stürme und Überschwemmungen (ca. 90 %). Die volkswirtschaftlichen Schäden<br />

sind zu ähnlichen Anteilen auf die Hauptgefahren Erdbeben, Sturm und Überschwemmung<br />

verteilt (MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1999b: 43).<br />

Verglichen mit vielen Regionen der Welt wird Mitteleuropa weniger stark <strong>von</strong> Naturgefahren<br />

bedroht. In Deutschland zeigt sich aber ebenso eine Zunahme der Ereigniszahlen und der Schä-<br />

den, wobei sich der Anstieg wesentlich moderater gestaltet als es die globale Entwicklung zeigt. In<br />

Abbildung 3.5 und Tabelle 3.2 sind Elementarschadensereignisse in Deutschland dargestellt.<br />

Hierbei handelt es sich nicht um große Naturkatastrophen im Sinne der Definition der Münchener<br />

Rückversicherungs-Gesellschaft, sondern vielmehr um Naturkatastrophen, die für Deutschland<br />

eine Bedeutung im Schadensaufkommen haben.<br />

Tab. 3.2: Die Entwicklung <strong>von</strong> Naturkatastrophen in Deutschland im Dekadenvergleich<br />

(Quelle: MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1999: 7)<br />

Dekade 1970-1979 1980-1989 1989-1999<br />

Anzahl 108 176 194<br />

volkswirtschaftliche Schäden 11,5 6,7 19,7<br />

versicherte Schäden 2,65 1,95 7,4<br />

Schäden in Mrd. DM (in Werten <strong>von</strong> 1998)


Naturgefahren<br />

Elementarschäden resultieren in Deutschland zum größten Teil aus atmosphärischen Extremer-<br />

eignissen. Bei den im Zeitraum <strong>von</strong> 1970-2000 registrierten Naturkatastrophen dominieren Stürme<br />

als auslösendes Ereignis (ca. 64 %) mit einem Anteil <strong>von</strong> ca. 74 % der insgesamt 761 Toten und<br />

ebenfalls 74 % der ca. 9,2 Mrd. € volkswirtschaftlichen Gesamtschäden (BERZ, 2002: 255). Weitere<br />

wichtige Ereignisse sind Überschwemmungen, Hitzewellen, Frost und Waldbrand. Die endoge-<br />

nen Naturgefahren wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche haben in Deutschland nur eine unterge-<br />

ordnete Bedeutung. Insbesondere hieran wird der Unterschied in der Gefahrenexposition zu<br />

anderen Regionen der Erde deutlich.<br />

Wenn die Betrachtung eines Zeitraums <strong>von</strong> 30 Jahren auch nicht ausreicht, ein repräsentatives<br />

Bild der Katastrophengefährdung in Deutschland darzustellen, so vermittelt es doch einen Ein-<br />

blick in die Vergangenheit und zeigt, dass es durchaus sinnvoll ist, sich auf einen möglicherweise<br />

ansteigenden Trend einzustellen.<br />

Die Gründe für den dargestellten Trend der Naturkatastrophen sind vielschichtig. Die Verände-<br />

rungen in der sozioökonomischen Sphäre dominieren hierbei die Entwicklung (vgl. BLAIKIE, 1994;<br />

BURTON et al., 1993; GEIPEL, 2001; ISDR, 2002; SMITH, 2001).<br />

So zeigt sich, dass moderne Gesellschaften zunehmend empfindlich auf extreme Störungen des<br />

Systems reagieren und somit auch die Anfälligkeit und die Vulnerabilität gegenüber Naturgefahren<br />

zunehmen. Gründe für diese Vulnerabilisierung sind u. a.:<br />

• ein starkes Bevölkerungswachstum und somit eine Erhöhung der Anzahl potenziell gefährdeter Men-<br />

schen;<br />

• ein höherer Flächenbedarf und somit eine verstärkte Urbanisierung und Erschließung exponierter Stand-<br />

orte;<br />

• ein zunehmender Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten und somit eine Erhöhung der Schadens-<br />

potenziale;<br />

• eine höhere Schadensanfälligkeit hochqualitativer Werte.<br />

Deutschland gilt als eine Region geringerer Gefährdung durch Naturgefahren. Dass es aber auch<br />

hier durch singuläre Extremereignisse zu katastrophalen Folgen kommen kann, hat die Flutka-<br />

tastrophe an der Elbe und ihren Nebenflüssen im August 2002 deutlich gemacht.<br />

Eine komplexe Wettersituation in Mitteleuropa führte am 6. August zu starken und flächenhaften<br />

Niederschlägen im Osten und Süden Deutschlands, dem Südwesten Tschechiens sowie in Öster-<br />

reich und Ungarn. An mehreren Flüssen wie Donau, Elbe, Moldau, Inn und Salzach kam es durch<br />

die Flutwellen mit extrem hohen Scheitelwasserständen zu großflächigen Überschwemmungen in<br />

den Unterläufen. Ingesamt kamen durch das Ereignis über 100 Menschen ums Leben, und die<br />

volkswirtschaftlichen Schäden in Europa werden gegenwärtig auf ein Gesamtvolumen <strong>von</strong><br />

über 15 Mrd. € geschätzt. Hieran hat Deutschland einen Anteil <strong>von</strong> ca. 9,2 Mrd. € (Stand der<br />

Schätzung: 17. 12. 2002) (MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 2002b).<br />

Dieses Beispiel macht deutlich, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Ereignissen ge-<br />

kommen ist, deren Intensität und Folgen auch in der Wissenschaft nicht vorhergesehen wurden.<br />

Diese Erkenntnis hat auch eine Relevanz für die Situation in den Küstenräumen Norddeutsch-<br />

lands. Obwohl sich der Küstenschutz in Schleswig-Holstein an zukünftigen Anforderungen und<br />

Belastungen orientiert (s. Kap. 3.5.4), sind auch hier extreme Sturmflutereignisse denkbar, die bei<br />

49


50<br />

Naturgefahren<br />

einem Versagen der Schutzmaßnahmen oder in ungeschützten Küstenniederungen zu einer Über-<br />

flutungskatastrophe führen können. Die MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT nennt<br />

für ein solches Ereignis an der Nordseeküste ein Schadensvolumen <strong>von</strong> ca. 31 Mrd. € und für die<br />

Ostseeküste eine Schadenserwartung <strong>von</strong> ca. 2,6 Mrd. € (ebd., 1999: 6).<br />

Wenn auch die erläuterte Schadenszunahme durch extreme Naturereignisse zu einem großen Teil<br />

auf einen sozioökonomischen Wandel zurückzuführen ist, so konstatiert die Wissenschaft zu-<br />

nehmend eine Veränderung auch in den Häufigkeiten und Intensitäten der auslösenden Ereig-<br />

nisse als Ursache für den ansteigenden Trend bei den Naturkatastrophen. Insbesondere mögliche<br />

Klimaänderungen könnten ein Grund für eine solche Entwicklung sein (s. Kap. 3.4).<br />

Von der Zunahme der Anzahl und des Ausmaßes <strong>von</strong> Naturkatastrophen sind nicht alle Regio-<br />

nen der Erde und nicht alle gesellschaftlichen Gruppen in den betroffenen Räumen gleichstark<br />

betroffen. Die Unterschiede manifestieren sich in den differenten Vulnerabilitäten der betrachte-<br />

ten Kollektive.<br />

3.3 Naturgefahren und Vulnerabilität<br />

Der Begriff der Vulnerabilität beschreibt im Allgemeinen die Verletzlichkeit oder Verwundbarkeit<br />

eines Objektes gegenüber einem Risiko und ist somit ein Maß für die Empfindlichkeit und Kapa-<br />

zität mit bestimmten physischen Ereignisstärken fertig zu werden. Bis heute ist es nicht gelungen,<br />

eine einheitliche Definition, geschweige denn ein Konzept der Vulnerabilität wissenschaftlich zu<br />

etablieren. 6 So formuliert CUTTER (1996: 530) „Vulnerability still means different things to different<br />

people“. Im Zusammenhang mit Naturkatastrophen wird der Vulnerabilitätsbegriff erstmals bei<br />

O’KEEFE et al. (1976) verwendet. Sie stellen die sozioökonomischen Faktoren als Determinanten<br />

der Schwäche in den Vordergrund ihrer Definition. Dieses Konzept wurde dann in den 80er Jahren<br />

unter einer stärkeren Berücksichtigung sozialer Aspekte weiterentwickelt.<br />

SUSMAN et al. (1983) bezeichnen die Vulnerabilität als den Grad, in welchem verschiedene Teile<br />

der Gesellschaft verschiedenartig einem Risiko ausgesetzt sind. Verletzlichkeit setzt also eine gesellschaftlich<br />

differenzierte Unfähigkeit voraus, mit möglichen Stresssituationen umzugehen<br />

(vgl. BLAIKIE et al., 1994; HOLLENSTEIN, 1997; PANKHURST, 1984). In dieser Perspektive wird der<br />

Begriff der Vulnerabilität auch als soziale Verwundbarkeit bezeichnet, die definiert wird als<br />

Wahrscheinlichkeit, mit welcher Kollektive schwerwiegende Einschränkungen ihres Wohlerge-<br />

hens erfahren.<br />

Die Vulnerabilität resultiert aus verschiedenen Parametern. Während die ereigniszentrierte Risi-<br />

koforschung den Fokus der Betrachtung auf die Veränderungen der natürlichen bzw. gesell-<br />

schaftlichen Umwelt innerhalb eines Zeitraums legt, so bestimmen doch zusätzlich auch Faktoren<br />

wie Ressourcen, Konsum und Einkommen die Potenz eines Haushalts und dementsprechend<br />

seine Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen (VAN DILLEN, 2002: 144).<br />

6 Zu den verschiedenen Vulnerabilitätsaspekten und -definitionen vergleiche SCHLUCHTER (2002) und WEICHSELGARTNER (2001).


Naturgefahren<br />

Das Konzept der sozialen Verwundbarkeit stellt sich im Kontext mit Naturkatastrophen wie folgt<br />

dar (VAN DILLEN, 2002: 145):<br />

• Sowohl die Ursachen <strong>von</strong> Naturkatastrophen als auch ihre Auswirkungen stehen in engem Zusammen-<br />

hang mit gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen.<br />

• Nicht alle Menschen sind (bei gleicher Exposition) in gleicher Weise <strong>von</strong> den katastrophalen Auswirkun-<br />

gen eines Naturereignisses betroffen.<br />

• Die Verteilung <strong>von</strong> Macht und Gütern innerhalb einer Gesellschaft, die Art der Produktionsbeziehungen<br />

und nicht zuletzt die Allokationen <strong>von</strong> Maßnahmen staatlicher und privater Wohlfahrt sind Faktoren,<br />

die die Auswirkungen <strong>von</strong> extremen Naturereignissen auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen be-<br />

einflussen.<br />

Das ISDR (2002: 41ff) bezeichnet die Verletzlichkeit als Reflektion des aktuellen, individuellen und<br />

kollektiven physischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Zustandes. Diese Faktoren sind<br />

hierbei nicht nur Kennzeichen eines Systems, sondern determinieren auch maßgeblich die zu-<br />

künftige Entwicklung der Vulnerabilität.<br />

Nach WEICHSELGARTNER (2001: 185) ist die Vulnerabilität in der Naturgefahrenforschung der Zustand<br />

einer Person, Gesellschaft, Infrastruktur, eines Systems oder eines bestimmten Raumes ge-<br />

genüber einer spezifischen Naturgefahr mit einer bestimmten Ereignisstärke, welcher bestimmt<br />

wird durch verschiedene sozioökonomische Variablen, die betrachtete Naturgefahr, die Expo-<br />

niertheit sowie die Prävention und Bereitschaft.<br />

Abbildung 3.6 zeigt die Faktoren dieses Hazard-of-Place-Ansatzes.<br />

hoch<br />

niedrig<br />

hoch<br />

niedrig<br />

Naturprozess<br />

Exponiertheit<br />

Raumeinheit<br />

Zeiteinheit<br />

Vulnerabilität im Raum<br />

Vulnerabilität und Zeit<br />

Bereitschaft<br />

Prävention<br />

Abb. 3.6: Verwundbarkeit gegenüber Naturgefahren<br />

(Quelle: nach WEICHSELGARTNER, 2001: 174)<br />

Vulnerabilität Katastrophe<br />

51


52<br />

Naturgefahren<br />

Hierbei wird deutlich, dass Katastrophen dann auftreten, wenn das Bereitschafts- und Präventi-<br />

onsniveau so niedrig ist, dass das Naturereignis die gesellschaftliche und räumliche Kondition<br />

übersteigt. Nach einem katastrophalen Ereignis ist dann oftmals das Phänomen zu beobachten,<br />

dass verstärkt bereitschaftserhöhende und präventionsfördernde Maßnahmen umgesetzt werden,<br />

welche den Vulnerabilitätsstatus für eine gewisse Zeit herabsetzen. Nach einiger Zeit verblassen<br />

aber die Erinnerungen an das vergangene Ereignis, das Interesse an Vorsorgemaßnahmen<br />

schwindet, und die Vulnerabilität steigt wieder an.<br />

Die Betrachtung des Zeitrahmens zeigt zudem, dass durch den Zuwachs an Schadenspotenzialen<br />

die Exposition und dementsprechend die Vulnerabilität ständig zunimmt. Insbesondere unter<br />

dem Aspekt einer möglichen Zunahme der Intensität und Häufigkeit <strong>von</strong> natürlichen Extremer-<br />

eignissen erscheinen Vorsorgemaßnahmen zukünftig unerlässlich.<br />

Zusammenfassend lassen sich drei verschiedene Vulnerabilitätsperspektiven selektieren, welche<br />

die Vulnerabilität definieren nach einem :<br />

• Expositionsansatz (Exponiertheit zu einem Risiko bzw. einer Gefahr);<br />

• Gesellschaftsansatz (soziales Charakteristikum);<br />

• Hazard-of-Place-Ansatz (Eigenschaft eines Raumes) (vgl. WEICHSELGARTNER, 2001).<br />

Der erstgenannte Ansatz beschreibt einen Zustand, wobei sich die Betrachtung auf die Analyse<br />

der Gefahrenquelle und ihrer Ausprägung sowie die Exponiertheit anthropogener Strukturen<br />

gegenüber dieser beschränkt (z.B. Schadensschätzung in Überschwemmungsgebieten).<br />

Die zweite Perspektive betrachtet die Vulnerabilität eher als Bewältigungskapazität und erfasst<br />

dementsprechend die gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit gegenüber einer Gefahrenquelle. Die<br />

Verwundbarkeit ist hierbei ein gesellschaftliches Konstrukt (z.B. Identifikation besonders ver-<br />

wundbarer Gesellschaftsgruppen).<br />

Der dritte Ansatz kombiniert Elemente der beiden anderen Perspektiven, wobei Vulnerabilität als<br />

naturräumlicher Risikofaktor, sowie als soziales Bewältigungscharakteristikum in einem be-<br />

stimmten geographischen Raum untersucht wird (WEICHSELGARTNER, 2001: 170).<br />

In dieser Arbeit wird im weitesten Sinne der Expositionsansatz verfolgt. Dieses soll in Kap. 4.1.3<br />

näher erläutert werden.<br />

Entsprechend der unterschiedlichen Vulnerabiliätsperspektiven werden auch verschiedene Ursa-<br />

chen der Verwundbarkeit herausgestellt. So erklären z.B. BLAIKIE et al. (1994) die Ursachen anhand<br />

des Pressure and release model s (PAR) und des Ressourcenzugangsmodells. Während mit dem<br />

PAR-Modell die Beziehung zwischen gefährlichen und die Unsicherheit determinierenden Pro-<br />

zessen dargestellt werden (z.B. Exponiertheit), wird mit dem Ressourcenzugangsmodell die Rolle<br />

der politischen und ökonomischen Kräfte berücksichtigt. Andere Untersuchungen gehen da<strong>von</strong><br />

aus, dass Vulnerabilität eher eine Frage der Nähe zur Risikoquelle ist (WEICHSELGARTNER, 2001:<br />

171; vgl. HORLICK-JONES, 1993; WATTS und BOHLE, 1993).<br />

Als problematisch gestaltet sich gegenwärtig noch die quantitative Erfassung der Vulnerabilität.


Naturgefahren<br />

Die Frage, welche Maßstabsebenen, Konzepte und Kriterien geeignet sind, das Maß der Ver-<br />

wundbarkeit zu ermitteln, ist bis heute nicht übereinstimmend geklärt (VAN DILLEN, 2002: 143;<br />

vgl. WEICHSELGARTNER, 2001: 169ff). Meistens stützt sich die Erfassung der Exposition auf ver-<br />

schiedene Variablen (z.B. Frequenz und Magnitude), während sich die Abschätzung sozialer<br />

Auswirkungen auf zentrale Infrastruktureinrichtungen und bestimmte Gesellschaftskollektive<br />

konzentriert. Hierzu werden vermehrt Szenarien und verschiedene soziale Indikatoren herange-<br />

zogen (WEICHSELGARTNER, 2001: 172).<br />

Trotz der unterschiedlichen Vulnerabilitätsperspektiven haben doch alle Ansätze das gleiche Ziel,<br />

die Reduzierung der Verletzbarkeit gegenüber Risiken. Der Zusammenhang der Vulnerabilität<br />

mit der Widerstandsfähigkeit (Resilience) und der Bewältigungsfähigkeit (Capacity to Cope) ist hierbei<br />

offensichtlich. Eine wichtige Aufgabe des Risikomanagements muss es demnach sein, die Fähigkeit<br />

<strong>von</strong> Individuen und Gesellschaften, mit Gefahren fertig zu werden, zu stärken (vgl. BLAIKIE et al.,<br />

1994; ISDR, 2002).<br />

3.4 Naturgefahren und Klimawandel<br />

Das IPCC hat in seinem dritten Wissenstandsbericht den aktuellen Kenntnisstand zum Klima-<br />

wandel dargelegt (ebd., 2001). Die folgenden Erläuterungen basieren maßgeblich auf den wissen-<br />

schaftlichen Grundlagen der Arbeitsgruppe I des IPCC (ebd., 2001a; PROCLIM, 2002). Danach zeigt<br />

eine wachsende Zahl <strong>von</strong> Beobachtungen ein kollektives Bild einer sich erwärmenden Erdatmosphäre<br />

und anderer Änderungen des Klimasystems. 7<br />

Im Einzelnen sind zu beobachten:<br />

• eine Erwärmung der durchschnittlichen globalen Temperatur an der Erdoberfläche im Verlauf des 20.<br />

Jahrhunderts um ca. 0,6 °C, wobei die 90er Jahre sehr wahrscheinlich das wärmste Jahrzehnt und 1998<br />

das wärmste Jahr seit der Instrumentenmessung waren 8, und der Temperaturanstieg im letzten Jahrhundert<br />

als wahrscheinlich stärkste Erwärmung innerhalb eines Jahrhunderts in den letzten 1 000 Jahren anzusehen<br />

ist;<br />

• eine Abnahme der Ausdehnung der Schnee- und Eisbedeckung;<br />

• ein Anstieg des mittleren globalen Meeresspiegels im 20. Jahrhundert um ca. 10 bis 20 cm und eine Zunahme<br />

des Wärmegehaltes der Ozeane;<br />

• eine wahrscheinliche Zunahme der Niederschläge im 20. Jahrhundert über den Kontinenten der mittleren<br />

und hohen Breiten der Nordhemisphäre um 0,5-1 % pro Dekade und eine Zunahme schwer er Niederschlagsereignisse<br />

um 2-4 % sowie eine Abnahme der Niederschläge über den Subtropen;<br />

• eine Zunahme der Wolkenbedeckung über den Landmassen der mittleren und hohen Breiten um<br />

ca. 2 %;<br />

• eine Erhöhung der Häufigkeit, Intensität und Dauer des El-Nino-Phänomens seit Mitte der 70er Jahre;<br />

• eine relativ geringe Zunahme der globalen Landoberfläche, die im 20. Jahrhundert schwerer Trockenheit<br />

oder schweren Überflutungen ausgesetzt war;<br />

• ein Anstieg der Häufigkeit und Intensität <strong>von</strong> Dürreereignissen z.B. in Teilen Asiens und Afrikas.<br />

7 Die Prognosen des IPCC sind in der Klimaforschung weitestgehend anerkannt. Einige Autoren äußern aber Kritik an den Szena-<br />

rien (vgl. DIETZE, 1998).<br />

8 2001 war nach 1998 das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Instrumentenmessung.<br />

53


54<br />

Naturgefahren<br />

Dieser offensichtliche Klimawandel stützt die These, dass hierdurch möglicherweise schon heute<br />

und wahrscheinlich auch in Zukunft ein erheblicher Einfluss auf die Bedrohung durch Naturge-<br />

fahren zu erwarten ist.<br />

Verstärkt wird dieser Trend mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine anthropogene Beeinflussung<br />

des Klimas insbesondere durch die Emissionen <strong>von</strong> Treibhausgasen und Aerosolen infolge<br />

menschlicher Aktivitäten. So gibt es heute schon Belege dafür, dass ein Großteil der in den letzten<br />

50 Jahren beobachteten Erwärmung, trotz aller verbleibenden Unsicherheiten, wahrscheinlich die-<br />

sem Einfluss zuzuschreiben ist (vgl. PROCLIM, 2002: 52).<br />

Unter anderem sprechen folgende Beobachtungen für eine solche Entwicklung:<br />

• Die Konzentration atmosphärischer Treibhausgase und ihr Strahlungsantrieb 9 haben kontinuierlich<br />

zugenommen. So hat die Konzentration <strong>von</strong> Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre seit 1750 um<br />

ca. 31 %, die des Methans (CH4) um ca. 151 % und die des Lachgases (N 2O) um ca. 17 % zugenommen,<br />

wobei die Konzentrationen des CO2 und des CH4 einzigartig in den letzten 420 000 Jahren sind.<br />

Darüber hinaus gilt es als sehr wahrscheinlich, dass menschliche Einflüsse die atmosphärische<br />

Zusammensetzung und dementsprechend das System des Klimas im Verlauf des 21. Jahrhunderts<br />

weiterhin verändern werden (vgl. PROCLIM, 2002: 54). Hierbei werden für alle IPCC-Szenarien ein<br />

Anstieg der mittleren globalen Temperatur und des Meeresspiegels projiziert.<br />

Unter anderem werden folgende Klimaänderungen 10 auf der Basis dieser Szenarien prognosti-<br />

ziert, die auch einen erheblichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung <strong>von</strong> Naturgefahren<br />

haben:<br />

• für die Periode <strong>von</strong> 1990 bis 2100 wird ein Anstieg der mittleren globalen bodennahen Temperatur um<br />

1,4 bis 5,8 °C prognostiziert;<br />

• im 21. Jahrhundert sind insbesondere im Winter ein Anstieg der Niederschläge über den nördlichen<br />

mittleren und hohen Breiten sowie größere Niederschlagsschwankungen <strong>von</strong> Jahr zu Jahr wahrschein-<br />

lich;<br />

• der Meeresspiegel wird voraussichtlich zwischen 1990 und 2100 um 9-88 cm ansteigen, wobei als pri-<br />

märe Einflussfaktoren die thermale Ausdehnung des Wasserkörpers der Meere sowie der Massenverlust<br />

<strong>von</strong> Gletschern und Eiskappen betrachtet werden;<br />

• extreme Wetter - und Klimaereignisse zeigen in ihrer Häufigkeit und Intensität in der Vergangenheit<br />

offensichtlich einen ansteigenden Trend und werden wahrscheinlich auch zukünftig noch zunehmen.<br />

Da eine Veränderung der Extremereignisse für die mögliche Entwicklung <strong>von</strong> Naturgefahren <strong>von</strong><br />

besonderer Bedeutung ist, wird in Tabelle 3.3 die Abschätzung der Vertrauenswürdigkeit <strong>von</strong><br />

beobachteten und projizierten Änderungen dargestellt.<br />

Die Erläuterungen zeigen, dass es auf globaler Ebene zukünftig wahrscheinlich zu einer verstärk-<br />

ten Bedrohung durch Naturgefahren kommen wird.<br />

9 Der Strahlungsantrieb ist ein Maß für den Einfluss, den ein Faktor auf das Gleichgewicht <strong>von</strong> hereinkommender und abgehender<br />

Energie im System Erde-Atmosphäre hat und ist ein Index für die Wichtigkeit eines Faktors als po tenzieller Mechanismus einer<br />

Klimaänderung (PROCLIM , 2002: 47).<br />

10 Der Terminus Klimaänderungen entspricht in dieser Arbeit der Definition des IPCC, die lautet: „Klimaänderung bezieht sich auf<br />

jede Änderung des Klimas im Verlauf der Zeit, sei dies aufgrund <strong>von</strong> natürlichen Schwankungen oder menschlichen Aktivitäten.“<br />

(PROCLIM, 2002: 106)


Naturgefahren<br />

Auch wenn Aussagen über regionale Klimaänderungen nur beschränkt möglich sind, so zeigen<br />

Beobachtungsreihen wie Modellrechnungen auch für Mitteleuropa eine Zunahme der Eintritts-<br />

wahrscheinlichkeiten für Extremwerte verschiedener meteorologischer Größen. So folgt aus einem<br />

Anstieg der mittleren Sommertemperaturen in Mittelengland um 1,6 °C bis 2050, dass ein Hitzesommer<br />

wie 1995, welcher nach der Temperaturverteilung 1961-1990 ein 75-jähriges Ereignis war,<br />

dann durchschnittlich alle drei Jahre eintritt. Da die Winter in Mitteleuropa in den letzten Jahr-<br />

zehnten wärmer und feuchter geworden sind, fällt der Niederschlag überwiegend als Regen und<br />

kann so den oberflächlichen Abfluss kritisch verstärken. Die milderen Winter führen zudem dazu,<br />

dass die Schneeflächen, über denen sich stabile Kältehochs als Barriere gegen die aus dem Atlantikbereich<br />

heranziehenden Sturmtiefs bilden können, in ihrer Ausdehnung schrumpfen.<br />

Tab. 3.3: Konfidenzabschätzung möglicher Änderungen der extremen Wetter- und Klimaereignisse<br />

(Quelle: PROCLIM, 2002: 57)<br />

Vertrauenswürdigkeit beobachteter<br />

Änderungen<br />

(zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts)<br />

Wahrscheinlich*<br />

Sehr wahrscheinlich<br />

Sehr wahrscheinlich<br />

Wahrscheinlich, über vielen Gebieten<br />

Wahrscheinlich, über vielen Landmassen<br />

mittlerer bis hoher Breiten der<br />

Nordhemisphäre<br />

Wahrscheinlich, in wenigen Gebieten<br />

Wurde in den wenigen verfügbaren Analysen<br />

nicht beobachtet<br />

Datenlage für Beurteilung nicht ausreichend<br />

Änderungen des Phänomens<br />

Höhere Temperaturmaxima und mehr<br />

Hitzetage über nahezu allen Landmassen<br />

Höhere Temperaturminima. Weniger<br />

Kälte- und Frosttage über nahezu allen<br />

Landmassen<br />

Geringerer täglicher Schwankungsbereich<br />

der Temperatur über den meisten Landmassen<br />

Ansteigen des Hitzeindexes** über Landmassen<br />

Häufigere intensive Niederschlagsereignisse<br />

Ansteigen der kontinentalen<br />

Sommertrockenheit und der damit<br />

verbundenen Dürregefahr<br />

Zunahme der Spitzen-Windgeschwindigkeiten<br />

in tropischen Zyklonen<br />

Zunahme der mittleren und maximalen<br />

Niederschlags-Intensitäten in tropischen<br />

Zyklonen<br />

Vertrauenswürdigkeit projizierter<br />

Änderungen<br />

(im 21. Jahrhundert)<br />

Sehr wahrscheinlich*<br />

Sehr wahrscheinlich<br />

Sehr wahrscheinlich<br />

* Wahrscheinlich entspricht einer Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> 66-90 %, sehr wahrscheinlich der <strong>von</strong> 90-99 %.<br />

Sehr wahrscheinlich, über den meisten<br />

Gebieten<br />

Sehr wahrscheinlich, über vielen<br />

Gebieten<br />

Wahrscheinlich, über den meisten interkontinentalen<br />

Landmassen mittlerer<br />

Breite<br />

Wahrscheinlich, über einigen Gebieten<br />

Wahrscheinlich, über einigen Gebieten<br />

** Hitzeindex beschreibt die Kombination <strong>von</strong> Temperatur und Luftfeuchtigkeit als Maß der Beeinträchtigung menschlichen Wohlbefindens.<br />

Verheerende Orkanserien wie die der Jahre 1990 und 1999 könnten in ihrer Häufigkeit zunehmen.<br />

Zudem erhöht die Erwärmung der Atmosphäre die Wasseraufnahmefähigkeit der Luft und damit<br />

die Niederschlagspotenziale, was schließlich zu häufigeren und intensiveren Starkniederschlags-<br />

ereignissen führen könnte (BERZ, 2002: 254).<br />

Die Beobachtungen und Prognosen eines möglichen Klimawandels haben auch eine Bedeutung<br />

für die zukünftige Entwicklung des norddeutschen Küstenraumes. So sind die Meere als Klimare-<br />

gulator und die Küsten als ökologisch und ökonomisch wichtiger Lebensraum durch den Klima-<br />

wandel nicht nur in ihrer natürlichen und funktionalen Stabilität gefährdet, sondern könnten<br />

durch eine Zunahme der meteorologischen und hydrologischen Extremereignisse sowie einen<br />

Meeresspiegelanstieg zusätzliche Gefährdungspotenziale erfahren.<br />

Ob gegenwärtig schon Hinweise diesbezüglich zu erkennen sind, und wie sich die zukünftige<br />

Bedrohung durch Sturmfluten darstellen könnte, wird in Kapitel 3.5.3 erläutert.<br />

55


56<br />

Naturgefahren<br />

Auch wenn die aktuellen Kenntnisse eines möglichen Klimawandels mit einer Reihe <strong>von</strong><br />

Unsicherheiten verbunden sind, so ist doch gegenwärtig eine anthropogene Beeinflussung des<br />

Klimas sehr wahrscheinlich (vgl. WBGU, 1999: 134ff). BERZ (1999) sieht es daher nicht als ent-<br />

scheidend an, ob die Klimaerwärmung endgültig nachweisbar ist, sondern ob künftige Veränderungen<br />

sinnvoll abzuschätzen sind, um richtige Anpassungs- und Vermeidungsstrategien zu<br />

entwickeln.<br />

Dabei sind sog. No-regret- oder Win-win-Strategien vorzuziehen, wie eine Reduzierung des Kraft-<br />

stoffverbrauchs, die unabhängig vom Grad der Klimavarianz sinnvoll und wünschenswert wäre.<br />

Auch DOVERS und HANDMER (1995) befürworten trotz der Unsicherheiten das Precautionary Principle.<br />

"Die wissenschaftliche Unsicherheit sollte nicht als Grund für das Hinausschieben <strong>von</strong><br />

Maßnahmen gelten, sondern es sollten rechtzeitig risiko-gewichtetete Konsequenzen und entspre-<br />

chende, zahlreiche Optionen geprüft werden.“ (NICHOLLS und DE LA VEGA-LEINERT, 1999: 8)<br />

3.5 Sturmfluten als Naturgefahr im schleswig-holsteinischen Küstenraum<br />

Bei extremen Naturereignissen kamen allein im Zeitraum <strong>von</strong> 1986 bis 1995 weltweit über 367 000<br />

Menschen ums Leben. Etwa 55 % der Todesfälle waren hierbei die Folge <strong>von</strong> Sturzfluten, Flussüberschwemmungen<br />

und Sturmfluten (MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT,<br />

1997: 17). Demnach sind global die meisten Menschen durch Überschwemmungen bzw. Überflu-<br />

tungen betroffen (vgl. UNDRO, 1978; WARD, 1978).<br />

Küsten gehören zu den am intensivsten genutzten Räumen (SMITH und WARD, 1998). 11 Aufgrund<br />

der hohen Sensitivität und einem ständig steigenden Schadenspotenzial sind sie gleichzeitig auch<br />

sehr anfällig gegenüber Veränderungen der natürlichen Sphäre. So bedrohen ein möglicher Kli-<br />

mawandel aber auch kurzfristig wirkende Einflüsse wie Sturmfluten den Lebens- und Wirt-<br />

schaftsraum an der Küste.<br />

In Schleswig-Holstein gelten ca. 24 % der Landesfläche als überflutungsgefährdete Küstenniede-<br />

rungsgebiete, in denen ca. 350 000 Einwohner und Sachwerte <strong>von</strong> ca. 47 Mrd. € konzentriert sind<br />

(MLR, 2001: 8).<br />

Im Folgenden werden Sturmfluten als Naturgefahr näher betrachtet. Mit der Darstellung der<br />

naturwissenschaftlichen Grundlagen, der Schadensentwicklung und der zukünftigen Bedrohung<br />

sowie möglicher Schutzmaßnahmen soll die Basis für eine Risikoanalyse im Küstenraum Schles-<br />

wig-Holsteins geschaffen werden.<br />

3.5.1 Sturmfluten als natürliches Ereignis<br />

Der Wind übt auf Wasseroberflächen eine Schubspannung aus, wodurch große Wassermengen in<br />

Windrichtung bewegt werden können. Dieses Phänomen kann an Küsten zu einer intensiven<br />

Erhöhung der Wasserstände führen und wird dann i. d. R. als Sturmflut bezeichnet. Der Charakter<br />

eines solchen Ereignisses wird maßgeblich bestimmt durch den Windstau, der abhängig ist <strong>von</strong><br />

der Windrichtung und -geschwindigkeit sowie der Windstreichlänge (Fetch).<br />

11 Am Ende des 20. Jahrhunderts waren 17 der 25 größten Städte der Erde mit jeweils mehr als neun Millionen Einwohnern<br />

Küstenstädte (TIMMERMAN und WHITE, 1997). Zudem leben weltweit ca. 15 % der Menschen in Küstenregionen, die <strong>von</strong> einem<br />

Meeresspiegelanstieg bedroht werden (PLATE und MERZ, 2001).


Naturgefahren<br />

Weitere mögliche Einflussfaktoren sind Druckunterschiede auf der Wassersäule, externe Wasser-<br />

einträge, die Küstenform (z.B. Buchtenstau) und die Tiefe des Schelfs (vgl. BRYANT, 1991). Darüber<br />

hinaus gibt es einige Faktoren, die zusätzlich den Wasserstand erhöhen können, wie z.B. Springti-<br />

den oder Fernwellen. Da der regionale und thematische Fokus der Arbeit auf den Küsten Schleswig-Holsteins<br />

liegt, konzentrieren sich die folgenden Erläuterungen auf Sturmfluten, wie sie sich<br />

in diesem Raum darstellen. Für eine globale Betrachtung und eine detaillierte Darstellung der<br />

naturwissenschaftlich-technischen Aspekte sei auf das Standardwerk <strong>von</strong> GÖNNERT et al. (2001)<br />

verwiesen.<br />

Für die Beurteilung und Handhabung einer möglichen Gefahrensituation ist eine Definition des<br />

Begriffes Sturmflut und eine Klassifizierung unterschiedlicher Sturmflutintensitäten erforderlich<br />

(vgl. MLR, 2001: 22). PETERSEN und ROHDE (1991: 9) definieren den Begriff Sturmflut über den<br />

etymologischen Sinn der Wortzusammensetzung als „...eine Zeitspanne mit hohen Wasserständen<br />

an den Küsten oder in Flussmündungen, die vorwiegend durch starken Wind hervorgerufen<br />

werden.“ Diese Definition erfordert zudem eine Eingrenzung des Begriffes hoch (GÖNNERT, 2002).<br />

Mit verschiedenen deterministischen Verfahren können Höhenbereiche festgelegt werden, die auf<br />

Erfahrungen hinsichtlich der Tide- bzw. Hochwasserstände beruhen (z.B. Springtideverfahren nach<br />

Lüders oder Grenzwerte des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie - BSH). Darüber hinaus<br />

berücksichtigen statistische Verfahren die Häufigkeit bzw. die Eintrittswahrscheinlichkeit eines<br />

Scheitelwasserstandes, indem für eine festgelegte Frequenz ein Schwellenwert ermittelt wird (z.B.<br />

DIN 4049). Alle Verfahren liefern demnach eine Klassifizierung <strong>von</strong> Sturmfluten auf der Basis <strong>von</strong><br />

einzelnen Wasserständen. Nach Gönnert (2002) bezieht sich der Begriff Sturmflut aber auf ein<br />

gesamtes Ereignis, also somit z.B. auch auf die Dauer. Deshalb kann die isolierte Betrachtung der<br />

Sturmflutscheitelwasserstände das Sturmflutklima nur unzureichend wiedergeben. Mit der zu-<br />

sätzlichen Betrachtung des Windstaus, der bei einer Sturmflut zumindest eine Höhe <strong>von</strong> 2 m er-<br />

reichen muss und einem Tidehochwasserstand höher oder bei 1,5 m über dem MThw 12 , lässt sich<br />

eine Sturmflut angemessen definieren (GÖNNERT, 2002).<br />

Während PETERSEN und ROHDE (1991) den Sturmflutbegriff ausschließlich auf Küsten und Fluss-<br />

mündungen anwenden, erweitern GÖNNERT et al. (2001: 1) diesen auch auf Binnengewässer 13 .<br />

Aufgrund der Fokussierung des Küstenraums soll in dieser Arbeit eine Sturmflut definiert werden<br />

als:<br />

hydrologisches Ereignis an Küsten und Flussmündungen mit hohen Wasserständen, die über einem defi-<br />

nierten Niveau liegen und im allgemeinen durch meteorologische Bedingungen hervorgerufen werden.<br />

Sturmfluten gestalten sich an der Nord- und Ostseeküste sehr unterschiedlich. Daher werden die<br />

morphologischen und hydrologischen Rahmenbedingungen im Folgenden getrennt betrachtet.<br />

12 Mittleres Tidehochwasser, vielfach auch bezeichnet als Mittleres Hochwasser (MHW).<br />

13 „Storm surges are oscillations of the water level in a coastal or inland water body in the period range of a few minutes to a few<br />

days, resulting from forcing from the atmospheric weather systems.“ (GÖNNERT et al., 2001: 1)<br />

57


58<br />

Nordsee<br />

Naturgefahren<br />

Insbesondere durch die hochenergetischen Sturmfluten der Nordsee, wurde in der Vergangenheit<br />

die Küstenlinie im Westen Schleswig-Holsteins ständig verändert. Diese hat heute eine Länge <strong>von</strong><br />

553 km, wo<strong>von</strong> 297 km Festlands-, 195 km Insel- und 61 km Halligküsten sind (MLR, 2001: 8f).<br />

Charakteristisch für die reliefarme schleswig-holsteinische Westküste ist das dem Festland vor-<br />

gelagerte Wattenmeer, das sich aus Inseln, Außensänden, Halligen, Salzwiesen, intertidalen Wat-<br />

ten sowie subtidalen Prielen, Wattströmen und Seegats zusammensetzt. Dieses System wird ge-<br />

prägt durch eine intensive Morphodynamik. Der anthropogen genutzte Küstenraum ist heute<br />

weitestgehend durch Küstenschutzmaßnahmen und natürliche Küstenschutzstrukturen dem Einfluss<br />

des Meeres entzogen, so dass sich die küstenmorphologischen Prozesse auf das Vorland und<br />

die Wattflächen beschränken. So ist das gegenwärtige Landschaftsbild im Küstenraum das Ergeb-<br />

nis der postglazialen Überflutung der relativ flachen pleistozänen Landoberfläche, historischer<br />

und rezenter küstenumbildender Prozesse sowie einer anthropogenen Überformung.<br />

Kennzeichnend für die Nordsee als relativ flaches Schelfmeer sind Tiefen <strong>von</strong> meist weniger als<br />

100 m und eine ausgeprägte Salinität <strong>von</strong> 25-30 ‰ (BEHNEN, 2000: 108). Hydrologisch wird die<br />

Nordsee sowie die Küste durch Seegang, Tide, langfristige (säkulare) und kurzfristige (meteorologisch<br />

bedingte) Meeresspiegelschwankungen geprägt. Bezüglich des Seegangs unterscheidet<br />

man den überregionalen Nordsee-Seegang an der Außenküste und den örtlichen Seegang im<br />

Wattenmeer, der in seiner Wellenhöhe durch die geringen Wassertiefen und den geringen Fetch<br />

begrenzt ist. Während die mittlere Wellenhöhe an der Außenküste vor Sylt zwischen 1,0 und<br />

1,25 m liegt, kann es bei Sturmfluten bis zu maximalen Höhen <strong>von</strong> 5 m kommen. Die Gezeiten<br />

sind an der Nordsee deutlich ausgeprägt. Aus dem Nordatlantik kommend, passiert die Tide-<br />

welle etwa alle 12,5 h die Westküste <strong>von</strong> Süd nach Nord. Der mittlere Tidenhub liegt zwischen<br />

1,81 m am Pegel List auf Sylt und 3,55 m am Pegel St. Pauli (MLR, 2001: 9f).<br />

Die schleswig-holsteinische Westküste ist aufgrund ihrer Lage besonders bei west- und nord-<br />

westlichen Windrichtungen durch Sturmfluten gefährdet. Diese sind primär auf den Windstau<br />

zurückzuführen. Hierdurch werden teils große Wassermengen in die Deutsche Bucht bewegt, was<br />

an der Festlandsküste zu kurzfristigen Wasserstandserhebungen <strong>von</strong> über 4 m führen kann<br />

(MLR, 2001: 11). Darüber hinaus haben die Gezeiten einen erheblichen Einfluss auf den Ablauf<br />

einer Sturmflut. Der Scheitelwasserstand wird um einiges höher ausfallen, wenn die stärksten<br />

Windgeschwindigkeiten zur Flutzeit oder sogar während einer Springflut eintreten (PETERSEN<br />

und ROHDE, 1979). Insbesondere zwischen Oktober und März können Wasserstandserhöhungen<br />

auch durch Fernwellen aus dem Atlantik verursacht werden. So können diese nach GÖNNERT<br />

(2000: 129ff) die Sturmflutwasserstände mit bis zu einem Meter beeinflussen. Von Bedeutung für<br />

die Sturmflutgefährdung in der Elbe ist zudem der Oberwasserabfluss, der z.B. in Geesthacht zu<br />

einer Wasserstandserhöhung <strong>von</strong> bis zu 25 cm führen kann (MLR, 2001: 10).<br />

Die Tabelle 3.4 zeigt die höchsten Sturmflutwasserstände an der Westküste und der Elbe im Ver-<br />

lauf des letzten Jahrhunderts. Die Daten zeigen für die Sturmflutscheitelwasserstände an der<br />

Westküste aufgrund der differenten regionalen und lokalen Gegebenheiten an den verschiedenen<br />

Pegeln teils erhebliche Unterschiede.


Naturgefahren<br />

So werden an dem nördlich gelegenen Pegel List im Allgemeinen geringere Intensitäten aufge-<br />

zeichnet als weiter südlich am Pegel Husum, was auf den niedrigeren Tidenhub und den geringe-<br />

ren Windstaueffekt zurückzuführen ist. Zudem ist zu erkennen, dass nicht alle Pegel dieselbe<br />

Sturmflut als die schwerste anzeigen.<br />

Tab. 3.4: Höchste Sturmflutwasserstände an ausgewählten Pegeln der Nordseeküste Schleswig-<br />

Holsteins (Quelle: verändert nach MLR, 2001: 51)<br />

Pegel<br />

NN + cm<br />

MThw<br />

1991-2000<br />

18.10.<br />

1936<br />

16./17.<br />

02.1962<br />

23.02.<br />

1967<br />

03.01.<br />

1976<br />

List 82 342 365 320 484 347 405 358 349 325 361<br />

Husum 167 475 521 439 561 496 515 499 487 473 537<br />

Hamburg St.<br />

Pauli<br />

21.01.<br />

1976<br />

24.11.<br />

1981<br />

26.01.<br />

1990<br />

27.02.<br />

1990<br />

28.01.<br />

1994<br />

208 * 464 570 496 645 558 581 515 553 602 595<br />

Helgoland 86 301 360 281 327 334 320 225 324 314 281<br />

* Zeitreihe <strong>von</strong> 1986-1995 hervorgehoben sind die höchsten an einem Pegel gemessenen Werte<br />

Während an den nördlicheren Pegeln die höchsten Wasserstände während der Sturmflut <strong>von</strong> 1981<br />

gemessen wurden, gilt weiter südlich das Ereignis des Jahres 1976 als das schwerste<br />

(vgl. MLR, 2001: 51). Helgoland hat hier eine Sonderstellung als dem Festland weit vorgelagerte<br />

Insel mit dem höchsten Scheitelwasserstand während der Sturmflut 1962. Gemäß BSH klassifiziert<br />

das MLR Schleswig-Holstein für die Beurteilung einer Gefahrensituation an der Nordseeküste<br />

Sturmfluten wie folgt (MLR, 2001: 22):<br />

• Sturmflut 1,5 bis 2,5 m über MHW ;<br />

• schwere Sturmflut 2,5 bis 3,5 m über MHW ;<br />

• sehr schwere Sturmflut ab 3,5 m über MHW .<br />

Hierbei ist <strong>von</strong> Vorteil, dass die Grenzwerte nicht an eine starre Höhe gekoppelt sind und somit<br />

der säkulare Anstieg des MHW in der Klassifizierung mitberücksichtigt werden kann (GÖNNERT,<br />

2002).<br />

Ostsee<br />

Die Ostseeküste zeigt im Vergleich zur Westküste Schleswig-Holsteins ein wesentlich differen-<br />

zierteres Relief. Moränenzüge, Buchten und Förden kennzeichnen das heutige Bild einer Küste,<br />

die als Ausgleichsküste dem ständigen Einfluss des Meeres unterliegt. Durch die Seegangseinwirkung<br />

insbesondere bei Sturmfluten 14 werden auch gegenwärtig noch exponierte Küstenabschnitte<br />

(Kliffs) erodiert und das abgetragene Material durch den küstenparallelen Sedimenttransport ver-<br />

frachtet und anderenorts zum Aufbau <strong>von</strong> Nehrungen und Strandwällen wieder akkumuliert. Die<br />

Küste hat heute eine Länge <strong>von</strong> insgesamt 637 km, wobei 162 km der Schlei und 87 km der Insel<br />

Fehmarn zuzuschreiben sind.<br />

14 Für die gezeitenarme Ostsee wird auch der Begriff der Sturmhochwasser (SHW) verwendet, in Abgrenzung zu Sturmfluten, bei<br />

denen die Gezeiten und der Windstau einen erheblicheren Einfluss haben (vgl. BAERENS und HUPFER, 1999: 49).<br />

03.12.<br />

1999<br />

59


60<br />

Naturgefahren<br />

Die Ostsee als nahezu abgeschlossenes intrakontinentales Nebenmeer des Atlantiks ist durch eine<br />

Beckenstruktur mit Tiefen <strong>von</strong> mehr als 200 m gekennzeichnet (mittlere Tiefe 52 m) und weist im<br />

schleswig-holsteinischen Bereich eine Salinität auf <strong>von</strong> 10-15 ‰ (KLIEWE und STERR, 1994: 243f).<br />

Hydrologisch werden die Ostsee sowie die Küste durch den Seegang sowie säkulare und kurzfristige<br />

(meteorologisch bedingte) Meeresspiegelschwankungen geprägt.<br />

Der Seegang an der Ostseeküste wird neben Winddauer und -stärke vor allem <strong>von</strong> der Wind-<br />

streichlänge begrenzt, die bei nordöstlichen Winden maximal 50 km beträgt. Dadurch ergeben<br />

sich in tieferen Bereichen Wellenhöhen in der Größenordnung <strong>von</strong> 4,5 bis 4,8 m. Aufgrund der<br />

Lage der Ostsee als Randmeer ist der Tidenhub mit etwa 17 cm relativ gering und hat somit kaum<br />

einen Einfluss auf die mittleren und hohen Wasserstände (MLR, 2001: 13).<br />

Die schleswig-holsteinische Ostseeküste ist aufgrund ihrer Lage besonders bei östlichen- und<br />

nordöstlichen Windrichtungen durch Sturmfluten gefährdet. Diese werden primär durch den<br />

Windstau verursacht, der in Buchten zu Wasserstandserhebungen <strong>von</strong> über 2 m führen kann<br />

(Buchtenstau).<br />

Darüber hinaus können Eigenschwingungen des Ostseebeckens einen erheblichen Einfluss auf die<br />

Wasserstände an den Küsten haben. So beruht der sog. Badewanneneffekt darauf, dass starke<br />

Westwinde das Wasser aus der südwestlichen Ostsee nach Osten drücken, und es bei nachlassen-<br />

dem Wind zu einem ungestörten Rückschwingen der Wassermassen kommt. Hierdurch können<br />

Wasserstandserhöhungen <strong>von</strong> etwa 1,5 m über dem mittleren Wasserstand (MW) verursacht werden.<br />

Dreht der Wind dann sogar auf Ost bzw. Nordost, überlagern sich die Rückschwingung und<br />

der Windstaueffekt, was zu einer extremen Erhöhung der Wasserstände an den Küsten führen<br />

kann (vgl. AUSSCHUSS FÜR KÜSTENSCHUTZWERKE, 1993: 9ff). Zusätzlich werden die Sturmflutwas-<br />

serstände durch den Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee beeinflusst.<br />

Die Tabelle 3.5 zeigt die höchsten Sturmflut- bzw. Sturmhochwasserstände für verschiedene Pegel<br />

an der Ostseeküste.<br />

Tab. 3.5: Höchste Sturmhochwasserstände an ausgewählten Pegeln der Ostseeküste Schleswig-<br />

Holsteins (Quelle: verändert nach MLR, 2001: 52)<br />

Pegel<br />

NN + cm<br />

MW<br />

1986-<br />

1995<br />

1320 1625 1694 1835<br />

30.12.<br />

1867<br />

Flensburg 1 - - 270 250 - 308 - 223 157 167 172 181 185<br />

Eckernförde 0 - - - - - 315 - 212 162 - 175 184 198<br />

Kiel 2 - - - - - 297 - 225 183 190 180 193 199<br />

Travemünde 4 - 280 - - 197 330 210 218 184 200 202 181 186<br />

Lübeck - 320 280 290 210 204 338 - 222 197 206 208 187 199<br />

Hervorgehoben sind die höchsten an einem Pegel gemessenen Werte<br />

Während die Daten für die verschiedenen Pegel aufgrund der differenten regionalen und lokalen<br />

Gegebenheiten (z.B. Einfluss des Buchtenstaus) zum Teil erhebliche Unterschiede aufweisen, so<br />

beschreiben alle dargestellten Pegel die Sturmflut des Jahres 1872 als die der höchsten Intensität.<br />

13.11.<br />

1872<br />

25.11.<br />

1890<br />

31.12.<br />

1904<br />

09.01.<br />

1908<br />

31.12.<br />

1913<br />

04.01.<br />

1954<br />

15.02.<br />

1979<br />

04.11.<br />

1995


Naturgefahren<br />

Dieses singuläre Extremereignis zeigt Wasserstände, die zum Teil mehr als 1 m höher liegen als<br />

bei anderen bedeutenden Ereignissen, wie z.B. das im Jahre 1904. Historische Aufzeichnungen aus<br />

dem 14. bzw. 17. Jahrhundert zeigen aber auch, dass ähnlich schwere Sturmfluten schon einge-<br />

treten sind. Das Hochwasserereignis <strong>von</strong> 1995 ist als ein besonderes hervorzuheben, da der relativ<br />

hohe Wasserstand überwiegend durch den Badewanneneffekt bei ruhiger Wetterlage verursacht<br />

wurde.<br />

Das MLR Schleswig-Holstein klassifiziert für die Beurteilung einer Gefahrensituation an der Ost-<br />

seeküste Sturmfluten wie folgt (MLR, 2001: 22):<br />

• Sturmflut 1,5 bis 2,0 m über NN;<br />

• schwere Sturmflut 2,0 bis 2,5 m über NN;<br />

• sehr schwere Sturmflut ab 2,5 m über NN. 15<br />

Im Gegensatz zur offiziellen Klassifizierung der Sturmfluten an der Nordsee basiert die Einteilung<br />

hier mit der Basishöhe Normal Null (NN) auf einem starren Bezugsniveau. Daher muss bei einer<br />

Betrachtung der Entwicklung der Sturmflutscheitelwasserstände über einen größeren Zeitraum<br />

der säkulare Meeresspiegelanstieg berücksichtigt werden.<br />

In der jahreszeitlichen Verteilung der Sturmfluten zeigt sich sowohl an der Ostsee als auch der<br />

Nordsee eine Saisonalität der hohen Wasserstände (Abb. 3.7).<br />

%<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Pegel Travemünde<br />

Zeitraum 1872-2002<br />

3,85<br />

23,08<br />

23,08<br />

30,77<br />

Abb. 3.7: Saisonalität der Sturmfluten an Nord- und Ostsee<br />

(Quelle: nach ALR HUSUM, 2003; WSA LÜBECK, 2003)<br />

15,38<br />

Hierbei konzentrierten sich die Ereignisse an der Ostseeküste entsprechend der Zunahme der<br />

Sturmintensität auf die Zeit <strong>von</strong> November bis März, während in der übrigen Zeit des Jahres sehr<br />

wenige oder gar keine Sturmfluten aufgezeichnet wurden. Die für die Fragestellung der Arbeit<br />

relevanten sehr schweren Sturmfluten (an der Ostsee ab 2,50 m ü. NN) konzentrieren sich auf die<br />

15 Das BSH differenziert darüber hinaus leichte (1,00-1,24 m ü. NN), mittlere (1,25-1,49 m ü. NN) und schwere (1,50 m ü. NN und<br />

mehr) Sturmhochwasser (BECKMANN und TETZLAFF, 1999: 75).<br />

3,85<br />

VII VIII IX X XI XII I II III IV V VI<br />

Saisonalität der Sturmfluten an Nord- und Ostsee<br />

%<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

3,54<br />

6,75<br />

12,86<br />

17,04<br />

15,43<br />

20,26<br />

10,61<br />

Pegel Husum<br />

Zeitraum 1868-2002<br />

7,72<br />

3,86<br />

0,96 0,64<br />

0,32<br />

VII VIII IX X XI XII I II III IV V VI<br />

Gesamtanzahl: 26 Gesamtanzahl: 311<br />

leichte schwere sehr schwere Sturmfluten<br />

61


62<br />

Naturgefahren<br />

Monate November und Dezember. Im Gegensatz zur Nordseeküste bedeuten hier aber auch we-<br />

niger intensive Sommersturmfluten aufgrund des geringeren Schutzstatus eine Bedrohung für die<br />

auf diesen Zeitraum konzentrierte touristische Nutzung im Küstenraum (vgl. WITZKI , 2002).<br />

Die an der Nordseeküste wesentlich häufiger auftretenden Sturmfluten (Faktor 11) verteilen sich<br />

auf das gesamte Jahr, wobei aber auch hier eine Konzentration in der Herbst- und Winterzeit zu<br />

erkennen ist. Die sehr schweren Sturmfluten (ab 3,50 m ü. MThw) sind hier auf den Zeitraum <strong>von</strong><br />

November bis Februar beschränkt.<br />

Ein deutlicher Unterschied in der Sturmflutcharakteristik der Nord- und Ostsee liegt in der Ver-<br />

weilzeit der hohen Wasserstände (Abb. 3.8).<br />

Abb. 3.8: Verweilzeiten hoher Wasserstände an Ost- und Nordseeküste<br />

(Quelle: nach AUSSCHUSS FÜR KÜSTENSCHUTZWERKE, 1993)<br />

Während diese an der Westküste wegen der astronomischen Tide nach wenigen Stunden wieder<br />

rückläufig sind, können an der Ostküste Hochwasser u. U. mehrere Tage andauern.<br />

Trotz der niedrigeren maximalen Auflaufhöhe der Wasserstände führt dieses zu ähnlich hohen<br />

Gesamtenergieeinträgen und Belastungen z.B. an den Küstenschutzanlagen (MLR, 2001: 14).<br />

Die Ereignishäufigkeiten sind für die Pegel an der Nord- und Ostseeküste aufgrund der differenten<br />

lokalen Rahmenbedingungen teils sehr unterschiedlich. In Kapitel 4.4.2 werden diese näher<br />

erläutert.<br />

m ü. NN<br />

3,5-4<br />

3-3,5<br />

2,5-3<br />

2-2,5<br />

1,5-2<br />

1-1,5<br />

0-1<br />

3.5.2 Sturmfluten als Naturgefahr<br />

Beispiele <strong>von</strong> Verweilzeiten hoher Wasserstände an<br />

Ost- und Nordsee<br />

Verweilzeiten am Pegel Kiel<br />

11./14.11.1872<br />

0 6 12 18 24<br />

Std.<br />

m ü. NN<br />

Verweilzeiten am Pegel Cuxhaven<br />

16./17.02.1962<br />

0 6 12 18 24<br />

Sturmfluten können in ungeschützten Küstenniederungsgebieten oder bei einem Versagen der<br />

Küstenschutzeinrichtungen zu Überflutungen führen. Wenn hierdurch Menschen oder anthropo-<br />

gene Wertestrukturen einen Schaden erleiden, dann bedeuten die hohen Wasserstände und die<br />

intensiven Energieeinträge eine Gefahr.<br />

5,5-6<br />

5-5,5<br />

4,5-5<br />

4-4,5<br />

3,5-4<br />

3-3,5<br />

2,5-3<br />

2-2,5<br />

Std.


Naturgefahren<br />

Werden unbesiedelte Gebiete <strong>von</strong> einem solchen Ereignis betroffen, bzw. werden keine Objekte<br />

geschädigt, denen der Mensch einen Wert zuordnet, handelt es sich hierbei lediglich um ein inten-<br />

sives natürliches Ereignis hydrometeorologischen Ursprungs. Aus der anthropogenen Perspektive<br />

kann dieses dann sogar positiv bewertet werden (z.B. für den Erhalt <strong>von</strong> Küstenökosystemen).<br />

So lässt sich die Definition des Terminus Sturmflut wie folgt ergänzen (vgl. Kap. 3.5.1):<br />

Sturmfluten sind als Naturgefahren eine Bedrohung <strong>von</strong> Menschen und anthropogenen Strukturen in<br />

überflutungsgefährdeten Küstenräumen.<br />

SMITH und WARD (1998: 10f) differenzieren Flussüberschwemmungen und Küstenüberflutungen.<br />

Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind Überflutungen <strong>von</strong> Küstenräumen und solchen im<br />

Bereich <strong>von</strong> Ästuaren durch Sturmfluten. 16<br />

Hierbei werden direkte Salzwasserüberflutungen durch das Eindringen <strong>von</strong> Meerwasser in den<br />

Küstenraum und Brackwasser- bzw. Süßwasserüberflutungen unterschieden. Letztere können<br />

entstehen, wenn hohe Wasserstände seewärts eine Entwässerung des Hinterlandes verhindern.<br />

Dieser Rückstaueffekt kann z.B. lokale Kanalisationen überlasten aber auch in kleinerem Maßstab<br />

flussaufwärts zu Überschwemmungen führen.<br />

In ungeschützten Niederungsgebieten kann während einer Sturmflut das Meerwasser nahezu<br />

ungehindert landeinwärts vordringen, während anthropogen oder natürlich geschützte Gebiete<br />

i. d. R. bis zu einem bestimmten Wasserstand vor einer Überflutung geschützt sind. Übersteigt der<br />

Wasserstand die Höhe der Schutzeinrichtungen oder ist der Eintrag der Seegangsenergie sehr<br />

hoch, dann kommt es zu einem Überströmen (overflow) bzw. Wellenüberschlag (overtopping) und<br />

im Extremfall zu einem Versagen oder Zerstören der Schutzeinrichtung (structural failure) (SMITH<br />

und WARD, 1998: 12).<br />

Die schädigende Wirkung <strong>von</strong> Überflutungen für den Menschen und seine Güter ergibt sich dann<br />

aus verschiedenen physikalischen Eigenschaften des Wassers. So kann Wasser an Objekten zu<br />

unterschiedlichen chemischen Prozessen führen (z.B. Lösung und Korrosion), so dass insbeson-<br />

dere wasserempfindliche Stoffe schon bei einmaligem Kontakt zerstört werden (z.B. Papier oder<br />

Elektronik). Neben den chemischen Prozessen haben die u. U. sehr hohen Energieeinträge durch<br />

bewegtes Wasser teils eine hohe zerstörerische Wirkung.<br />

Sturmfluten führen weltweit immer wieder zu verheerenden Überflutungskatastrophen. Obwohl<br />

diese natürlichen Ereignisse i. d. R. nur einen schmalen Küstenstreifen bedrohen, so konzentrieren<br />

sich doch gerade hier dichte Siedlungsgebiete mit einer hohen Anzahl an Bewohnern und einem<br />

außerordentlich hohen Schadenspotenzial. Daher gilt das Sturmflutrisiko auch als nicht versicher-<br />

bar (MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1997: 50f; vgl. Kap. 6.2.6.1).<br />

Die Tabelle 3.6 zeigt ausgewählte Überschwemmungsereignisse und die durch diese verursachten<br />

Schäden.<br />

16 Andere physikalische und schädigende Effekte im Küstenraum, wie Erosionsprozesse, Wind, Regen, werden hier nicht näher<br />

betrachtet (vgl. THE H. JOHN HEINZ III CENTER FOR SCIENCE, ECONOMICS AND ENVIRONMENT, 2000: 8f).<br />

63


64<br />

Naturgefahren<br />

Tab. 3.6: Bedeutende Überschwemmungsereignisse und Schäden<br />

(Quelle: nach MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1999b)<br />

Ereignis Jahr Land Tote<br />

Sturmflut 1164 Deutschland 20 000<br />

Schäden<br />

(Mio. US $)<br />

Sturmflut 1219 Deutschland 36 000 -<br />

Sturmflut 1287 Deutschland 50 000 -<br />

Sturmflut 1362 Deutschland 100 000 -<br />

Sturmflut 1421 Niederlande 100 000 -<br />

Überschwemmung 1852 China 100 000 -<br />

Tsunami 1883 Indonesien 36 400 -<br />

Überschwemmung 1931 China 140 000 -<br />

Sturmflut 1953<br />

Großbritannien<br />

Niederlande<br />

1 932 3 000<br />

Überschwemmung 1954 China 40 000 -<br />

Sturmflut / Zyklon 1970 Bangladesch 300 000 63<br />

Sturmflut 1991 Bangladesch 139 000 3000<br />

Überschwemmungen 1998 China 3 650 30 000<br />

Überschwemmungen 2002 Deutschland > 100 * > 15 000 *<br />

* Schätzungen Stand: 12/2002<br />

Die Auflistung der historischen Überschwemmungsereignisse und ihrer Folgen zeigt, dass auch in<br />

den Küstenräumen an Nord- und Ostsee eine erhebliche Bedrohung durch extreme Ereignisse<br />

vorhanden war und ist. Hierbei ist aufgrund der höheren Eintrittswahrscheinlichkeit die Gefähr-<br />

dung an der Nordsee wesentlich größer als an der Ostseeküste. Während zwischen dem 13. und<br />

15. Jahrhundert Sturmflutereignisse in Deutschland und den Niederlanden noch 50 000 bis<br />

100 000 Menschenleben forderten, zeigen sich hier heute wegen umfangreicher Küstenschutz-<br />

maßnahmen geringere Opferzahlen, aber aufgrund der Wertzuwächse in den Küstenräumen auch<br />

wesentlich höhere Schäden. So kamen bei der Hollandflut 1953 in Großbritannien und den Nie-<br />

derlanden 1 932 Menschen ums Leben, während die Gesamtschadenssumme ca. 3 Mrd. US $ be-<br />

trug.<br />

Auch im deutschen Küstenraum kam es 1962 zu einer schweren Sturmflut (Hamburg Sturmflut),<br />

bei der 347 Menschen starben und Schäden <strong>von</strong> ca. 1,23 Mrd. € entstanden (MÜNCHENER RÜCK-<br />

VERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1999: 41).<br />

Betrachtet man die Situation in Bangladesch, so werden hier, wegen des geringen Schutzstatus,<br />

auch heute noch viele Menschen durch Überschwemmungen getötet. So kamen bei den Ereignis-<br />

sen der Jahre 1970 und 1994 ca. 300 000 bzw. 139 000 Menschen ums Leben, während die Schäden<br />

insbesondere 1970 aufgrund des geringeren Schadenspotenzials mit nur 63 Mio. US $ vergleichs-<br />

weise gering erscheinen (MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1999b: 22f).<br />

3.5.3 Zukünftige Gefährdung durch Sturmfluten<br />

Für die Fragestellung der Arbeit ist es <strong>von</strong> besonderem Interesse, inwieweit Klimaänderungen<br />

gegenwärtig und zukünftig dazu beitragen, dass natürliche Ereignisse in ihrer Intensität und<br />

Häufigkeit verändert werden und ob damit möglicherweise eine wachsende Bedrohung für den


Naturgefahren<br />

Menschen und seine Güter im norddeutschen Küstenraum verbunden ist. Hierzu sind sowohl die<br />

vergangene und zukünftige Entwicklung des Meersspiegels als auch die Veränderungen der Häu-<br />

figkeit und Intensität <strong>von</strong> Sturmereignissen und des Seegangs zu bewerten.<br />

Der globale Meeresspiegel ist im letzten Jahrhundert um 10-20 cm angestiegen. Dieser Trend hält<br />

auch gegenwärtig an (IPCC, 2001a). Folgende Effekte bestimmen die säkularen Niveauänderun-<br />

gen (vgl. BIRD, 1993; BRÜCKNER, 1999; DIETRICH, 1953; STERR, 1998):<br />

• Eustatischer Effekt: Ausklingender glazialeustatischer Meeresspiegelanstieg als Folge des post-<br />

glazialen Eisrückgangs;<br />

• Isostatischer Effekt: Hebungs- und Senkungsvorgänge durch Ausgleichsbewegungen einzelner<br />

Krustenstücke der Erdrinde;<br />

• Sterischer Effekt: Erwärmung und physikalische Expansion des Meerwassers;<br />

• Staueffekt: Langfristige Änderung <strong>von</strong> Luftdruck, Windstärke und -richtung;<br />

• Tektonikeffekt: Tektonische Hebungs- bzw. Senkungsvorgänge.<br />

An den Küsten Schleswig-Holsteins sind isostatische und eustatische Effekte die dominanten Ein-<br />

flussfaktoren für die Entwicklung des säkularen Meeresspiegelanstiegs (vgl. KLUG, 1980). 17<br />

Der mittlere Wasserstand ist im norddeutschen Küstenraum im Zeitraum <strong>von</strong> 1900-2000, ähnlich<br />

wie der globale Meeresspiegel, um ca. 10-30 cm angestiegen, wobei an verschiedenen Pegeln unterschiedliche<br />

Beträge ermittelt wurden (vgl. BAERENS und HUPFER, 1999; BECKMANN und<br />

TETZLAFF, 1999; DIETRICH, 1994; VON STORCH, 1997). Ob ein möglicher Klimawandel heute schon<br />

einen Einfluss auf den offensichtlich ansteigenden Trend hat, ist nicht auszuschließen, aber auch<br />

nicht eindeutig festzustellen.<br />

Das IPCC prognostiziert für den gesamten Streubereich der Szenarien einen globalen Meeresspie-<br />

gelanstieg bis zum Jahr 2100 <strong>von</strong> 9-88 cm (Zentralwert: 48 cm). Dieser ist primär auf die thermale<br />

Expansion des Wasserkörpers (sterischer Effekt 60-70 %) und den Massenverlust <strong>von</strong> Gletschern<br />

und Eiskappen zurückzuführen (eustatischer Effekt 30-40 %) (ebd., 2001b: 75; vgl. STERR et al.,<br />

1999: 29). Trotz der Unsicherheiten in den Modellen ist ein positiver Trend sehr wahrscheinlich.<br />

Die Klimamodelle des IPCC lassen aber nur begrenzte Aussagen über regionale Meeresspiegel-<br />

entwicklungen zu. So können lokal bzw. regional wirksame Effekte sowohl einen Anstieg als auch<br />

einen Rückgang des Meeresniveaus bewirken (IPCC, 2001b: 75; vgl. STERR et al., 1999).<br />

Verschiedene Untersuchungen weisen für den norddeutschen Küstenraum auf einen anhaltenden<br />

Meeresspiegelanstieg hin. So beziffert STIGGE (1994) diesen am Pegel Warnemünde mit ca. 24 cm<br />

bis zum Ende des 21. Jahrhunderts (vgl. BAERENS und HUPFER, 1999: 67f; VON STORCH, 1997: 3).<br />

17 Hinsichtlich der Landsenkung <strong>von</strong> Schleswig -Holstein gibt es in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Während durch das<br />

erste und zweite Küstennivellement keine Senkung der Küste nachgewiesen wurde, lassen neuere Messergebnisse den Schluss zu,<br />

dass ein Drittel bis ein Viertel des säkularen Anstiegs auf die isostatische Senkung zurückzuführen ist (PETERSEN und ROHDE,<br />

1991: 34).<br />

65


66<br />

Naturgefahren<br />

STERR et al. (1999: 29) halten eine Beschleunigung der Anstiegsrate durch einen Klimawandel für<br />

die deutsche Nord- und Ostseeküste auf 4-5 mm/a für realistisch. Als Gründe für den Meeresspie-<br />

gelanstieg werden die thermische Expansion sowie eustatische Effekte und eine leichte isostati-<br />

sche Landsenkung <strong>von</strong> ca. 5 cm/Jh. genannt.<br />

Auch ohne Änderung der küstennahen Windfelder oder Sturmtätigkeit führt der Meeresspiegel-<br />

anstieg, ob durch einen Klimawandel beschleunigt oder nicht, zu einer erhöhten Gefährdung des<br />

Küstenraumes (vgl. KLEIN und NICHOLLS, 1999).<br />

So bedeutet schon das gegenwärtige Maß des säkularen Anstiegs eine Anhebung des Ausgangsniveaus<br />

für meteorologisch bedingte Sturmfluten und Sturmhochwasser, was offensichtlich heute<br />

schon zu einer erhöhten Häufigkeit solcher Ereignisse führt (vgl. GÖNNERT, 2002; VON STORCH,<br />

1997). Messergebnisse am Pegel Norderney belegen, dass zwischen 1980 und 1994 in der Nordsee<br />

die mittlere jährliche Anzahl der Sturmtiden über 2,0 m ü. NN im Vergleich zu den 60er Jahren<br />

um 57 % zugenommen hat (ERCHINGER, 1995: 8). Zudem kommt es in direkter Abhängigkeit <strong>von</strong><br />

der mittleren Wassertiefe zu einer stärkeren Intensität <strong>von</strong> Seegang und Brandungsströmung und<br />

einem höheren Energieeintrag an den Küsten (STERR, 1998a).<br />

Neben der Entwicklung des mittleren Wasserstandes ist zu untersuchen, ob die Klimaänderungen<br />

möglicherweise auch einen Einfluss auf die Intensität und Häufigkeit <strong>von</strong> Sturmereignissen<br />

haben, da diese maßgeblich für die Entstehung der hohen Wasserstände an der Nord- und Ostsee-<br />

küste verantwortlich sind. GÖNNERT (2002) erläutert, dass der Wind mit hohen Geschwindigkeiten<br />

und langer Dauer vermutlich zugenommen hat (vgl. ERCHINGER, 1992; FLOHN, 1994).<br />

Die Sturmserie <strong>von</strong> 1999 mit den Stürmen Anatol, Lothar und Martin könnten ein Hinweis für diese<br />

Entwicklung sein. 18<br />

Auf der Basis <strong>von</strong> Luftdruckmessungen stellten ALEXANDERSON et al. (2000) fest, dass die Sturm -<br />

aktivität im Nordseeraum <strong>von</strong> 1890 bis 1960 auf ein Minimum abgesunken und dann bis heute<br />

wieder angestiegen ist. Ob sich dieser Trend weiter fortsetzt, ist aber nicht abschließend geklärt.<br />

Auch SCHMIDT (1997) konstatiert für den Nordatlantik und die Deutsche Bucht zwar eine Zu-<br />

nahme der Sturmintensität, aber keinen säkularen Trend.<br />

Obwohl die überdurchschnittlich starken Windereignisse der letzten Jahre teils die höchsten Werte<br />

des Jahrhunderts aufweisen, müssen sie doch als Ausdruck des normalen Klimageschehens be-<br />

trachtet werden (vgl. LANGENBERG, 1997: 36; ROSENTHAL, 1997: 48; VON STORCH et al., 1998: 189).<br />

Diese zunehmende Häufigkeit <strong>von</strong> länger andauernden stärkeren westlichen Winden hat auch<br />

einen erheblichen Einfluss auf die Sturm hochwasser an der Ostseeküste. So stellen BECKMANN<br />

und TETZLAFF (1999: 73f) fest, dass die Zunahme der Sturmhochwasser u. a. auf länger anhaltende<br />

Westwinde und aus der Nordsee einfließendes Wasser zurückzuführen ist. Eine signifikante Ver-<br />

änderung der Winde aus Nord bis Nordost, die für den Aufbau <strong>von</strong> extremen Wasserständen an<br />

der Ostsee maßgeblich verantwortlich sind, ist allerdings nicht festzustellen (vgl. BAERENS und<br />

HUPFER, 1999: 47ff).<br />

18 So wurde während des Sturms Anatol mit 184 km/h auf Sylt eine neue Dimension der maximalen Windgeschwindigkeiten erreicht<br />

(MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 2001).


Naturgefahren<br />

Gesicherte Prognosen hinsichtlich einer klimabedingten Zunahme der Sturmtätigkeiten sind<br />

gegenwärtig noch nicht möglich. Trotzdem zeigen verschiedene Modellierungen eine globale Zu-<br />

nahme der sehr starken Sturmtiefs bei gleichzeitiger Abnahme der Häufigkeit schwächerer Zyk -<br />

lonen (IPCC, 2001). VON STORCH et al. (1998) prognostizieren für die Zukunft des norddeutschen<br />

Küstenraums keine signifikanten Änderungen in der Charakteristika der extra-tropischen Stürme.<br />

Andere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass es eine moderate Zunahme der mittle-<br />

ren sowie der hohen Windgeschwindigkeiten über der Nordsee geben könnte (WEISSE und<br />

ROSENTHAL, 2003: 53).<br />

Der Seegang als hydrodynamische Belastungsgröße im Küstenraum wurde im WASA-Projekt<br />

untersucht. Hierbei ist für die Wellenhöhe in der Nordsee ein ansteigender Trend <strong>von</strong> etwa 1 cm/a<br />

bzw. 40 cm für den Zeitraum <strong>von</strong> 1955-1994 festgestellt worden. Darüber hinaus ergaben Simula-<br />

tionen für den gleichen Zeitraum im Nordwesten Schottlands eine maximale Zunahme <strong>von</strong> 80 cm<br />

(ca. 2 cm/a) (VON STORCH et al., 1998a).<br />

Prognosen hinsichtlich des Seegangs sind mit großen Unsicherheiten belegt. Mit sog. time slice<br />

Experimenten konnte für die Nordsee bei einer angenommenen CO2-Verdopplung eine Zunahme<br />

der Wellenhöhe prognostiziert werden (RIDER et al., 1996).<br />

Die Erläuterungen haben gezeigt, dass die Häufigkeit <strong>von</strong> Sturmhochwassern an den nord-<br />

deutschen Küsten signifikant zugenommen hat. Dieses ist gegenwärtig auf den säkularen Anstieg<br />

des mittleren Wasserstandes zurückzuführen. Eine klimabedingte Beschleunigung des Meeresspiegelanstieges<br />

scheint zukünftig sehr wahrscheinlich zu sein.<br />

Auch wenn in der jüngsten Vergangenheit eine Zunahme der Windtätigkeit mit hohen<br />

Geschwindigkeiten und langer Dauer zu erkennen ist, so liegen die Veränderungen im Rahmen<br />

der normalen Klimavariabilität. Wenn dieses auch nicht mit Sicherheit zu prognostizieren ist, so<br />

ist zukünftig eine klimabedingte Zunahme der intensiven Sturmereignisse möglich.<br />

Zudem ist eine Verstärkung des Seegangs bzw. eine Zunahme der Wellenhöhen festzustellen. Ob<br />

diese Entwicklung zukünftig anhält oder weiterhin zunimmt, ist nicht mit Sicherheit zu sagen.<br />

Mit der gegenwärtigen Entwicklung ist ein wachsendes Gefährdungspotenzial für die norddeutschen<br />

Küsten verbunden. Die prognostizierten Klimaänderungen könnten diesen Trend noch<br />

verstärken. Daher ist es erforderlich, auf die veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren<br />

(vgl. CPSL, 2001: 7ff). So orientiert sich der Küstenschutz in Schleswig-Holstein gegenwärtig und<br />

zukünftig u. a. an den veränderten hydrodynamischen Belastungen im Küsteraum durch einen<br />

möglichen Klimawandel (MLR, 2001: 46f).<br />

3.5.4 Sturmfluten und Küstenschutz<br />

Da dem Küstenschutz sowohl in der Risikoanalyse als auch in der Bewertung und dem Manage-<br />

ment des Sturmflutrisikos eine besondere Bedeutung zukommt, werden im Folgenden das<br />

Konzept, die technischen Grundlagen sowie der Sicherheitsstatus im schleswig-holsteinischen<br />

Küstenschutz kurz erläutert. Die einzelnen Aspekte werden später nochmals aufgegriffen.<br />

67


68<br />

Naturgefahren<br />

Seit fast 1 000 Jahren schützen die Menschen in Schleswig-Holstein ihren Lebens- und Wirt-<br />

schaftsraum an der Küste vor Überflutungen und irreversiblen Landverlusten. Der Küstenschutz<br />

erfüllt hierbei sowohl Aufgaben des Hochwasser- als auch des Erosionsschutzes (HOFSTEDE und<br />

PROBST, 1999: 108). Da gegenwärtig das Schadenspotenzial in den Küstenräumen ständig zunimmt,<br />

steigen auch die Sicherheitsansprüche. Zudem müssen der Klimawandel sowie veränderte<br />

gesellschaftliche Wertvorstellungen seitens der Bevölkerung (steigendes Umweltbewusstsein,<br />

Forderung nach Integration und Partizipation) zukünftig ihre Berücksichtigung finden.<br />

In innovativen, modernen politischen Planungsprozessen gewinnt der Ansatz des Good Governance<br />

immer mehr an Bedeutung. 19 In Anlehnung an ein Integriertes Küstenzonenmanagement<br />

(IKZM) 20 manifestiert auch die schleswig-holsteinische Küstenschutzverwaltung mit dem neuen<br />

Generalplan Küstenschutz (MLR, 2001) eine solche Vorgehensweise.<br />

Mit dem sog. Integrierten Küstenschutzmanagement (IKM) wurde die Basis für einen multisektora-<br />

len, kontinuierlichen und teils iterativen sowie partizipativen Planungsprozess geschaffen<br />

(vgl. HOFSTEDE und PROBST, 1999; MARKAU und REESE, 2002).<br />

Dieses Managementsystem berücksichtigt u. a. folgende Aspekte (MLR, 2001: 42; vgl. Kap. 6.2.4):<br />

• den Küstenschutz als räumliche Planungsaufgabe;<br />

• andere Interessen und Ansprüche im Küstengebiet;<br />

• die Partizipation der Öffentlichkeit;<br />

• den Klimawandel und Unsicherheiten <strong>von</strong> Klimaprognosen.<br />

Instrumente des IKM sind u. a. das Küstenschutz-Informationssystem (KIS), Monitoring und For-<br />

schung, Partizipation der Öffentlichkeit, Deichschau, das Vorlandmanagementkonzept und das<br />

Management des Risikos in den überflutungsgefährdeten Küstenniederungen (MLR, 2001: 43f).<br />

Da durch die Maßnahmen eine Vielzahl <strong>von</strong> Interessen berührt wird, bestimmen zahlreiche Ge-<br />

setze den rechtlichen Rahmen. Hierbei sind die den Küstenschutz originär betreffenden Rechts-<br />

vorschriften im Landeswassergesetz zusammengefasst (vgl. Kap. 6.2.3). Die Planungspraxis stützt<br />

sich zudem auf den Generalplan Küstenschutz, welcher aber den rechtlichen Status eines Sonder-<br />

planes hat und damit für Planungsträger wie Gemeinden nicht verbindlich ist.<br />

Das MLR als oberste und die Ämter für ländliche Räume als untere Küstenschutzbehörden in<br />

Schleswig-Holstein sind als Küstenschutzverwaltung zuständig für die Planfeststellung und<br />

-genehmigung der vom Land übernommenen Küstenschutzanlagen. Die Finanzierung der Küstenschutzinvestitionen<br />

erfolgt im Wesentlichen über die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der<br />

Agrarstruktur und des Küstenschutzes (vgl. Kap. 6.2.3).<br />

Das Planungsgebiet für den Küstenschutz umfasst den Küstenraum, in dem für den Küstenschutz<br />

relevante Prozesse wie Sedimentumlagerungen und Überschwemmungen stattfinden.<br />

19 Vgl. UNITED NATIONS ECONOMIC AND SOCIAL COMMISSION FOR ASIA AND THE PACIFIC, 2003; OFFICE OF THE UNITED NATIONS HIGH<br />

COMMISSIONER FOR HUMAN RIGHTS (2003).<br />

20 Vgl. EUROPÄISCHE UNION (2002); HOFSTEDE UND PROBST, (1999); KANNEN (2000).


Naturgefahren<br />

Dieser Bereich wird sowohl an der Ostsee- als auch an der Nordseeküste seewärtig begrenzt<br />

durch die Tiefenlinien NN -10 m. Landwärtig wird diese Abgrenzung durch die Höhenlinien ge-<br />

bildet, die einen fiktiven Überflutungsraum bei einer extremen Sturmflut ohne Küstenschutzanla-<br />

gen begrenzen würden. An der Ostseeküste ist das die Isohypse NN + 3 m, an der Nordseeküste<br />

NN + 5 m.<br />

Innerhalb dieses Planungsgebietes werden verschiedene Küstenschutzstrukturen geplant, ge-<br />

schaffen, erhalten, geprüft und an gegebenenfalls veränderte Rahmenbedingungen angepasst. Die<br />

Küstenschutzanlagen werden so konzipiert, dass sie im Rahmen der technischen und ökonomi-<br />

schen Möglichkeiten eine höchst mögliche Sicherheit bieten. Das Maß der erforderlichen Sicherheit<br />

wird hierbei über die quantifizierbaren Sicherheitsparameter hinaus insbesondere durch<br />

einen <strong>von</strong> der Gesellschaft allgemein akzeptierten Standard definiert (vgl. Kap. 6.2.4.2).<br />

Maßnahmen können u. a. sein: Landesschutzdeiche, Überlaufdeiche, Mitteldeiche und sonstige<br />

Deiche, Mauern, Dämme, Dünen und Deckwerke, Sandvorspülungen, Buhnen, das Vorland sowie<br />

das Wattenmeer. Den größten Sicherheitsstatus bieten hierbei sowohl an der Westküste als auch<br />

an der Ostküste Landesschutzdeiche, die nach einem dynamischen Deichsicherheitssystem<br />

bemessen werden (vgl. MLR, 2001: 24ff). Durch eine Sicherheitsüberprüfung, die zukünftig alle<br />

10-15 Jahre wiederholt werden soll, wird das gegenwärtige Sicherheitsmaß an einzelnen<br />

Küstenabschnitten ermittelt und darauf aufbauend Prioritäten für die zu treffenden Deichbau-<br />

maßnahmen festgelegt. Die Sollabmessung der Landesschutzdeiche orientiert sich dann an einem<br />

Referenzwasserstand (Westküste: Eintrittswahrscheinlichkeit = 0,01; Ostküste: Sturmflutwasserstand<br />

1872 + Meeresspiegelanstieg bis zum Überprüfungsjahr) sowie dem daraus resultierenden<br />

Wellenauflauf bzw. -überlauf am betrachteten Deichkörper (MLR, 2001: 24).<br />

Der Sicherheitsstatus ist heute an der Westküste wesentlich höher als an der Ostküste. Aufgrund<br />

der höheren Frequenz extremer Ereignisse und unter dem Eindruck der Extremereignisse der<br />

Jahre 1962 und 1976 konzentrierte sich in der Vergangenheit der Küstenschutz auf den Ausbau<br />

der Landesschutzdeiche und anderer Elemente an der Nordseeküste. So ist hier der Küstenraum<br />

weitestgehend durch Landesschutzdeiche und natürliche Küstenschutzelemente (z.B. Dünen) vor<br />

Sturmfluten geschützt. An der Ostseeküste hingegen sind zahlreiche Niederungsgebiete lediglich<br />

durch die natürlichen Strandwallsysteme und Nehrungen sowie einzelne Hochwasser- und Ero-<br />

sionsschutzmaßnahmen vor dem Einfluss des Meeres geschützt. Würde sich hier ein extremes<br />

Sturmflutereignis ähnlich dem des Jahres 1872 wiederholen, so wäre mit einem hohen Schadens-<br />

volumen zu rechnen. Zukünftig ist der Ausbau des Sicherheitsstatus an der Ostseeküste eine<br />

dringliche Aufgabe des Küstenschutzes und dementsprechend in dem neuen Generalplan Küs-<br />

tenschutz berücksichtigt.<br />

Die Ereignisse der Jahre 1962 und 1976 an der Westküste sowie die Sommersturmflut des Jahres<br />

1989 an der Ostseeküste haben die Bedrohung im schleswig-holsteinischen Küstenraum aufgezeigt.<br />

Wenn auch der Küstenschutz insbesondere an der Nordsee mittlerweile auf einem sehr<br />

hohen Niveau gehalten wird, so kann es doch keine absolute Sicherheit geben. Diese Erkenntnis<br />

ist für die Diskussion um Sicherheitsstandards und für die Risikobetrachtung im Küstenraum <strong>von</strong><br />

elementarer Bedeutung.<br />

69


70<br />

4. Risikoanalyse<br />

Risikoanalyse<br />

Risk assessment is a required step<br />

for the adaption of adequate and successful<br />

disaster reduction policies and measures.<br />

IDNDR (1995)<br />

Gefährliche Prozesse können an Risikoelementen bei gegebener Verletzlichkeit einen Schaden<br />

verursachen. Diese Wirkungen können im Rahmen <strong>von</strong> Risikoanalysen mit naturwissenschaftli-<br />

chen, technischen und mathematischen Methoden beschrieben werden.<br />

Wie in Kapitel 2 dargestellt wurde, ist es sinnvoll, auch zukünftig trotz einer integrativen Risiko-<br />

betrachtung die disziplinären Segmente der Analyse, Bewertung und des Managements getrennt<br />

<strong>von</strong>einander darzustellen.<br />

Da Risiken in vielen Planungssituationen nicht vermieden werden können, ist eine rationale<br />

Auswahl bzw. Beeinflussung <strong>von</strong> Risiken erforderlich. Eine quantitative Formulierung des Risi-<br />

kos ist hierbei die Voraussetzung für einen Entscheidungsprozess unter Berücksichtigung mög-<br />

lichst aller Kosten- und Nutzenfaktoren (vgl. KAPLAN und GARRICK, 1997: 91). Die Risikoanalytik<br />

befasst sich u. a. mit dieser quantitativen Risikobetrachtung.<br />

Der WBGU (1999: 39) definiert den Terminus Risikoanalyse als den „Versuch, mit wissenschaftli-<br />

chen Methoden möglichst realitätsgetreu die Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> konkreten Schadens-<br />

fällen oder die Wahrscheinlichkeitsfunktion <strong>von</strong> Schadensausmaß auf der Basis <strong>von</strong> Beobachtung,<br />

Modellierung und Szenariobildung qualitativ und so weit wie möglich quantitativ zu bestim -<br />

men.“ (vgl. Kap. 2.2)<br />

Die insbesondere in der amerikanischen Sicherheitswissenschaft und Technikfolgenabschätzung<br />

entwickelte Risikoanalytik hat sich auch in der Naturgefahrenforschung als Mittel zur Abschät-<br />

zung <strong>von</strong> Risiken etabliert (vgl. PETAK und ATKISSON, 1982; STARR, 1969). Sie gilt heute mit der<br />

gesellschaftlichen Bewertung und dem Management <strong>von</strong> Naturrisiken als essentieller Bestandteil<br />

in einem integralen Risikokonzept. Das analytisch ermittelte und das gesellschaftlich akzeptierte<br />

Risiko sind hierbei die Basis für die Auswahl <strong>von</strong> Strategien und Maßnahmen zur Reduzierung<br />

<strong>von</strong> Risiken und somit ein Mittel zur Risikovorsorge (vgl. HOLLENSTEIN, 1997; ISDR, 2002; PLATE<br />

und MERZ, 2001).<br />

Im Folgenden werden das Verfahren und verschiedene Methoden und Techniken der Risikoana-<br />

lyse erläutert. Anschließend wird das Sturmflutrisiko im schleswig-holsteinischen Küstenraum<br />

exemplarisch analysiert.<br />

4.1 Modulares Verfahren der Risikoanalyse<br />

In der Risikoanalytik stellt sich die Frage: was kann mit welcher Wahrscheinlichkeit und welchen<br />

Folgen passieren?


Risikoanalyse<br />

Um das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit der zu erwartenden Schäden zu ermitteln, müssen<br />

somit Antworten auf folgende Detailfragen gefunden werden:<br />

• Welche Bereiche des Untersuchungsobjektes sind gefährlich und können zu Schäden führen?<br />

• Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser schädigenden Ereignisse?<br />

• Welche Risikoelemente wären durch das Ereignis betroffen?<br />

• Wie wirken diese Ereignisse auf die Risikoelemente und welche Schäden würden entstehen?<br />

Risikoanalysen sind durch folgende Eigenschaften charakterisierbar (vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 22):<br />

• Sie beschreiben Systeme und deren Verhalten, wobei Ursachen und Wirkungen der Funktionen des<br />

Untersuchungsobjektes betrachtet werden.<br />

• Es werden naturwissenschaftlich-mathematische Methoden verwendet, wobei zwar subjektive Einschät-<br />

zungen z.B. <strong>von</strong> Untersuchungsparametern möglich sind, nicht aber subjektive Wertungen.<br />

• Das Resultat sind Aussagen über Wahrscheinlichkeiten oder Häufigkeiten, Intensitäten und Folgen <strong>von</strong><br />

potenziell schädigenden Ereignissen.<br />

Die Abbildung 4.1 zeigt das Verfahren einer Risikoanalyse. Hierbei gliedert sich der Analysevor-<br />

gang in die Module Systemabgrenzung und -beschreibung, Gefährdungs- und Vulnerabilitätsanalyse<br />

sowie Risikoabschätzung.<br />

4.1.2 Gefährdungsanalyse<br />

Gefahrenidentifikation<br />

Ereignisabschätzung<br />

Wahrschein-<br />

lichkeit<br />

Gefährdung<br />

Risikomonitoring<br />

4.1.1 Systemabgrenzung und -beschreibung<br />

Gefahr<br />

Intensität<br />

Gefährdungsabschätzung<br />

Identifikation Raum Zustand Thematik<br />

Analyse<br />

Szenarien<br />

4.1.4 Risikoabschätzung<br />

Spezifisches<br />

Risiko<br />

Bewertung Management<br />

Abb. 4.1: Modulares Verfahren einer Risikoanalyse<br />

4.1.3 Vulnerabilitätsanalyse<br />

Risikoelemente<br />

Wertermittlung<br />

Schadenspotenzial<br />

Widerstands- und<br />

Bewältigungsfähigkeit<br />

Schadensschätzung<br />

Vulnerabilität<br />

Risikodarstellung<br />

Die verschiedenen Analysemodule werden im Folgenden näher erläutert.<br />

71


72<br />

Risikoanalyse<br />

4.1.1 Systemabgrenzung und -beschreibung<br />

Die Systemabgrenzung und -beschreibung ermöglicht die Definition und Erfassung des Untersu-<br />

chungsgegenstandes und bietet somit eine möglichst funktional vollständige, generalisierte<br />

Abbildung der Realität. Somit müssen alle Systembestandteile in Modellen erfasst werden. Bei<br />

natürlichen Systemen handelt es sich dabei um Raumelemente, Kompartimente, Energie- und<br />

Stoffflüsse sowie anthropogene Handlungen.<br />

Folgende Systemcharakteristiken sind dabei <strong>von</strong> Bedeutung (HOLLENSTEIN, 1997: 56):<br />

• Kausalität: einer Wirkung liegt immer eine Ursache zugrunde;<br />

• Stochastischer Aufbau: das Systemverhalten ist nur mit Wahrscheinlichkeit abzubilden;<br />

• Zeitliche Variabilität: Aufbau und Verhalten des Systems können zeitlich variieren;<br />

• Stetigkeit: endliche Ursachen können auch nur endliche Wirkungen hervorrufen.<br />

Mit der Abgrenzung wird das Analyseobjekt in den drei Dimensionen Thematik, Raum und Zu-<br />

stand eindeutig <strong>von</strong> der Systemumwelt getrennt.<br />

Die Aufgabenstellung der Analyse bestimmt hierbei die thematische Abgrenzung (z.B. die Betrachtung<br />

<strong>von</strong> Sturmfluten als ein isolierter gefährlicher Prozess oder die ausschließliche Untersu-<br />

chung möglicher Personenschäden).<br />

Die räumliche Systemabgrenzung erfolgt entsprechend der räumlichen Ausdehnung der betrach-<br />

teten Prozesse und wird in natürlichen Systemen oftmals durch Gliederungselemente vorgegeben<br />

(z.B. Abgrenzung eines potenziellen Überflutungsraumes entsprechend der Morphologie). Meteo-<br />

rologische bzw. klimatische Risiken wie Stürme sind hingegen eher schwer abzugrenzen, so dass<br />

dann i. d. R. administrative Grenzen die Räume definieren (z.B. Risikoanalyse <strong>von</strong> Starkstürmen<br />

in Baden-Württemberg).<br />

Die Abgrenzung des Systemzustandes umfasst den Zustand der systeminternen und -externen<br />

Rahmenbedingungen und legt fest, ob z.B. Systemveränderungen im zeitlichen Verlauf berück-<br />

sichtigt werden. Die Systembeschreibung ist die Grundlage für die spätere Modellierung. Hierbei<br />

werden die Beziehungen zwischen den Systemkompartimenten qualitativ und möglichst quanti-<br />

tativ beschrieben. Zur Quantifizierung werden die physikalischen Beziehungen mathematisch<br />

definiert.<br />

4.1.2 Gefährdungsanalyse<br />

Gefahren werden in der Regel nach ihrer Art bezeichnet, z.B. Dürre, Hochwasser oder Erdbeben.<br />

Die Messung ihrer Intensität erfolgt zumeist objektiv anhand verschiedener Skalen, wie z.B. der<br />

Richterskala (Erdbeben) oder der Saffir Skala (Hurrikans). Dabei ist es üblich, die Gefahren nach<br />

ihrer maximalen Bedrohung auszuweisen (z.B. Probable Maximum Flood, PMF) (vgl. PLATE und<br />

MERZ, 2001: 16; SMITH, 2001: 23).<br />

Im Rahmen der Gefährdungsanalyse werden die maßgebenden Gefährdungsbilder identifiziert,<br />

analysiert und hinsichtlich zukünftiger Veränderungen beobachtet. Ziel ist die Erfassung der


Risikoanalyse<br />

Form, der Intensität und räumlichen Ausprägung, sowie der Wahrscheinlichkeit bzw. Häufigkeit<br />

der Bedrohung. Die Gefährdungsanalyse gliedert sich in die Gefahrenidentifikation und die Er-<br />

eignisabschätzung.<br />

Mit der Gefahrenidentifikation werden unabhängig <strong>von</strong> der Wahrscheinlichkeit die potenziell<br />

gefährlichen Zustände und Vorgänge erkannt. Insbesondere Naturgefahren sind aufgrund <strong>von</strong><br />

Erfahrungswerten und vorhandenen Aufzeichnungen über das bisherige Systemverhalten in der<br />

Regel relativ leicht zu identifizieren. Allerdings ist nicht immer eine Gefahr offensichtlich, so dass<br />

potenziell bedrohte Gebiete als ungefährdet eingeschätzt werden können (PLATE und MERZ,<br />

2001: 16). Liegen keine ausreichenden Informationen vor, so muss die Identifikation auf der Basis<br />

<strong>von</strong> Messungen oder mit Hilfe <strong>von</strong> sog. Dispositionsmodellen synthetisch durchgeführt werden.<br />

Diese Modelle reichen <strong>von</strong> einfachen Checklisten bis hin zu numerischen Simulationen<br />

(HOLLENSTEIN, 1997: 59).<br />

Wenn die Gefahren erkannt sind, müssen sie im Rahmen der Ereignisabschätzung hinsichtlich<br />

ihrer Intensität und Frequenz untersucht werden. In der Regel befinden sich natürliche Systeme in<br />

einem gleichgewichtsähnlichen Zustand, in dem ein betrachteter Parameter nur wenig <strong>von</strong> einem<br />

häufigsten Wert abweicht. Extreme sind relativ selten, können aber auftreten und dann für die<br />

Systemumwelt eine Gefahr bedeuten. Ziel der Ereignisabschätzung ist es, die Korrelation zwi-<br />

schen Intensität und Häufigkeit solcher Extremereignisse zu bestimmen (vgl. HOLLENSTEIN,<br />

1997: 60). Die Abbildung 4.2 zeigt eine fiktive Relation des Ereignisausmaßes und der Häufigkeit<br />

<strong>von</strong> hohen Wasserständen in einem hydrologischen System.<br />

Wahrscheinlichkeit (P) Intensität (I)<br />

Niedrigwasser<br />

Schiffbarkeit?<br />

Abb. 4.2: Relation Ereignisintensität - Wahrscheinlichkeit in einem hydrologischen System<br />

Daraus folgt, dass mit zunehmender Intensität die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses abnimmt.<br />

Außerdem wird deutlich, dass das System innerhalb einer Bandbreite gegenüber Abweichungen<br />

vom mittleren Wert des Ereignisses tolerant ist. Erreicht die Intensität ein extremes Maß, dann<br />

kann das negative Folgen für die Systemumwelt haben. Die Grenze zwischen natürlicher Variabi-<br />

lität und Extremen ist aber schwer zu definieren.<br />

Häufigster Wert<br />

(Mittlerer Wasserstand)<br />

Hochwasser<br />

Überflutung?<br />

Wasserstand<br />

73


74<br />

Risikoanalyse<br />

Für die Ereignisabschätzung stehen verschiedene deskriptive statistische und induktive probabilisti-<br />

sche Methoden zur Verfügung. Im Folgenden beziehen sich die Erläuterungen auf Verfahren zur<br />

Abschätzung der Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit natürlicher Extremereignisse. Die Metho-<br />

den zur Evaluation <strong>von</strong> Versagenswahrscheinlichkeiten technischer Systeme (z.B. Deiche) werden<br />

anschließend betrachtet.<br />

Mit einer statistischen Abschätzung werden die Intensität und Häufigkeit <strong>von</strong> Ereignissen auf der<br />

Basis <strong>von</strong> Erfahrungen der vergangenen Ereignisvariabilität bestimmt. Dieser Ansatz eignet sich<br />

besonders für die Betrachtung eines oder mehrerer extremer Werte eines ständig beobachtbaren<br />

Parameters (HOLLENSTEIN, 1997: 60).<br />

So wird z.B. auf der Basis historischer Messdaten <strong>von</strong> Küstenpegeln die Häufigkeit (Frequenz)<br />

<strong>von</strong> bestimmten Wasserständen (Intensität) in Häufigkeitskurven dargestellt (vgl. AUSSCHUSS FÜR<br />

KÜSTENSCHUTZWERKE, 1993: 16). Die Eintrittswahrscheinlichkeiten extremer Ereignisse können<br />

dann abgeschätzt werden, indem die Summenhäufigkeitskurven mit Verteilungsfunktionen an-<br />

gepasst und extrapoliert werden.<br />

Für die Betrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren werden insbesondere die Normal-, Log-Normal-, Gumbel-,<br />

Weibull- und Jenkinson A-Funktionen verwendet (vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 61). Die Abbildung 4.3<br />

zeigt die Häufigkeitsverteilung bzw. die statistisch ermittelten Wiederkehrintervalle der Hoch-<br />

wasserstände an einem Pegel der Ostsee nach verschiedenen Verteilungsfunktionen.<br />

Wasserstand in cm über PNP<br />

Abb. 4.3: Häufigkeitsverteilung der Hochwasserstände am Pegel Neustadt<br />

(Quelle: MLR, 2000)<br />

Pegel Neustadt<br />

Häufigkeitsverteilung der Hochwasserstände der Abflußjahre 1946 - 1995<br />

(Daten auf das Jahr 2000 beschickt)<br />

950<br />

900<br />

850<br />

800<br />

750<br />

700<br />

650<br />

600<br />

550<br />

500<br />

1 10 100 1.000 10.000 100.000<br />

Wiederkehrintervall in Jahren<br />

Da der deskriptiv-statistische Ansatz in der Regel nur ein Systemmerkmal betrachtet, ist eine Er-<br />

eignisabschätzung auch bei Unkenntnis anderer Systembestandteile möglich. Dieser Vorteil<br />

offenbart aber auch ein Defizit dieses Verfahrens des isolierten Parameters, denn Aussagen über<br />

das Gesamtsystem sind nicht möglich.<br />

Ein wesentlicher Nachteil in vielen statistischen Systembetrachtungen ist zudem die Datenbasis.<br />

Liegt eine große Anzahl an Daten über einen längeren Beobachtungszeitraum vor, dann sind die<br />

Unsicherheiten der Ereignisabschätzung sehr gering.<br />

WEIBULL<br />

JENKINSON A<br />

GUMBEL


Risikoanalyse<br />

Insbesondere für die Analyse <strong>von</strong> Naturrisiken sind aber in der Regel nur kurze Beobachtungs-<br />

bzw. Messreihen über einen Zeitraum <strong>von</strong> max. 150 Jahren vorhanden. Diese liefern darüber hin-<br />

aus nur wenige Informationen über Extremereignisse. Somit gelten Extrapolationen auf sehr<br />

kleine Wahrscheinlichkeiten (z.B. 0,001) als problematisch. 1 Aber eben diese Extremereignisse sind<br />

in der Naturgefahrenforschung <strong>von</strong> Interesse. 2<br />

Weitere Nachteile sind der Mangel an Übertragbarkeit der Messergebnisse und die fehlende Be-<br />

rücksichtigung, dass sich das Systemverhalten und das Messverfahren im Beobachtungszeitraum<br />

verändert haben könnte (vgl. KORTENHAUS und OUMERACI, 2002: 19).<br />

Der statistische Ansatz ist demnach gut geeignet für die Betrachtung <strong>von</strong> Ereignissen mit Wiederkehrintervallen<br />

<strong>von</strong> wenigen Dekaden, darüber hinaus werden Ereignisabschätzungen unsicher.<br />

Die Vor- und Nachteile der Verfahren sind in der Tabelle 4.1 zusammengefasst.<br />

Tab. 4.1: Vor- und Nachteile deskriptiv-statistischer und probabilistischer Verfahren<br />

(Quelle: nach HOLLENSTEIN, 1997; KORTENHAUS und OUMERACI, 2002)<br />

Vorteile<br />

Nachteile<br />

Deskriptiv-statistische Verfahren Probabilistische Verfahren<br />

• Unsicherheit bei ausreichender Datenlage sehr gering<br />

• Abschätzung auch bei Systemunkenntnis möglich<br />

• Relativ geringer Aufwand<br />

• Nicht auf andere Objekte übertragbar<br />

• Große Unsicherheiten bei Extremwertbetrachtung<br />

• Systemveränderungen im Beobachtungszeitraum nicht<br />

berücksichtigt<br />

• Unsicherheiten der Eingangsparameter und Modelle<br />

nicht berücksichtigt<br />

• Keine Betrachtung des Gesamtsystems, i. d. R. nur<br />

einzelne Parameter<br />

• Unabhängigkeit <strong>von</strong> früheren Ereignissen<br />

• Kopplung <strong>von</strong> Modellen der Untersysteme möglich<br />

• Berücksichtigung <strong>von</strong> Unsicherheiten aller<br />

Eingangsparameter<br />

• Fortpflanzung <strong>von</strong> Unsicherheiten<br />

• Hoher Aufwand durch hohe Anforderungen an die<br />

Systemkenntnis<br />

Mit einer probabilistischen Abschätzung werden die Intensität und Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Ereignis-<br />

sen auf der Basis <strong>von</strong> Kenngrößen der verschiedenen Systembestandteile berechnet. Daher ist die<br />

Systemkenntnis unbedingte Voraussetzung für solche Verfahren. Aufgrund der Komplexität na-<br />

türlicher Systeme sind probabilistische Methoden daher in der Regel mit einem sehr hohen Res-<br />

sourcenaufwand verbunden. Ein Vorteil des Verfahrens ist die Unabhängigkeit <strong>von</strong> vergangenen<br />

Ereignissen, so dass Angaben zur Intensität und Wahrscheinlichkeit schon vor einem realen Schadensfall<br />

möglich sind. Zudem ermöglichen probabilistische Verfahren die Betrachtung komplexer<br />

Systeme und nicht nur isolierter Parameter, denn oftmals ist nicht allein das Ausmaß eines Para-<br />

meters sondern seine relative Bedeutung im Gesamtsystem zu analysieren. So können z.B. die<br />

Unsicherheiten der verschiedenen Eingangsparameter, die Systemvariabilität und auch menschliches<br />

Fehlverhalten in der Analyse berücksichtigt und vorhandene Evaluationsmodelle miteinan-<br />

der kombiniert werden.<br />

1 In der Extremwertstatistik sind Extrapolationen nur über einen c a. dreimal so langen Zeitraum, für den auch Messungen vorliegen,<br />

gestattet (vgl. KORTENHAUS und OUMERACI, 2002: 19).<br />

2 Seit dem 01. 07. 2002 wird an der Forschungsstelle Wasserwirtschaft und Umwelt gemeinsam mit dem DWD und dem BSH das<br />

Projekt Modellgestützte Untersuchung zu Sturmfluten mit sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeiten (MUSE) bearbeitet. Ziel des<br />

Vorhabens ist die Entwicklung <strong>von</strong> Methoden zur statistischen Einordnung physikalisch möglicher, aber noch nicht eingetretener,<br />

außergewöhnlich hoher Sturmfluten in der Deutschen Bucht (vgl. MÜLLER-NAVARRA, 2002).<br />

75


76<br />

Risikoanalyse<br />

Da Naturereignisse und ihre physikalischen Abläufe in vielen Fällen hinreichend bekannt sind,<br />

können sie mit generischen Daten und Zusatzinformationen einzelner Teilsysteme auch über den<br />

Beobachtungszeitraum hinaus abgeschätzt werden.<br />

Die Betrachtung vieler Systemkompartimente birgt aber auch den großen Nachteil probabilistischer<br />

Methoden, denn die Kombination einer großen Zahl nicht genau bekannter Größen führt zu<br />

einer Fortpflanzung <strong>von</strong> Unsicherheiten, so dass die Streuung einer Variablen im Extremfall grö-<br />

ßer sein kann als der absolute Wert (vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 62f; KORTENHAUS und OUMERACI,<br />

2002: 70).<br />

Zur Evaluation <strong>von</strong> Versagenswahrscheinlichkeiten technischer Systeme (z.B. Küstenschutzanlagen)<br />

werden deterministische und probabilistische Verfahren verwendet. Bei der klassischen Vorge-<br />

hensweise zur Sicherheitsauslegung solcher Systeme wird deterministisch festgelegt, ab welcher<br />

Schwelle Extrembedingungen außer Betracht gelassen werden können, da der Eintritt nicht mehr<br />

als glaubhaft gilt. Auf der Basis dieser Einschätzungen werden Schutzmaßnahmen konzipiert.<br />

Die Küstenschutzplanung im norddeutschen Küstenraum wird gegenwärtig noch auf der Basis<br />

solcher deterministischer Verfahren durchgeführt. So werden Deiche als Hauptelemente an den<br />

deutschen Küsten in Niedersachsen nach dem sog. Einzelwertverfahren, in Schleswig-Holstein nach<br />

dem modifizierten Vergleichswertverfahren bemessen (VON LIEBERMANN und MAI, 2001; vgl.<br />

BEZIRKSREGIERUNG WESER EMS, 1997; MLR, 2001).<br />

Doch sind in der jüngsten Vergangenheit verschiedene Möglichkeiten der probabilistischen Abschätzung<br />

der Deichbemessungen unter Berücksichtigung der Wehrfähigkeit des Schutzsystems<br />

und der Eintrittswahrscheinlichkeiten der hydrologischen und meteorologischen Randbedingun-<br />

gen aufgezeigt worden (vgl. CUR, 1990; DISSE et al., 2002; KORTENHAUS und OUMERACI, 2002; VON<br />

LIEBERMANN und MAI, 2001). Mit diesen M ethoden lässt sich möglicherweise die Abschätzung des<br />

Sicherheitsstatus im Küstenschutz sowie der Veränderungen der einwirkenden Parameter (z.B.<br />

Wasserstände und Wellenhöhen) zukünftig verbessern (Abb. 4.4).<br />

Deterministische<br />

Analyse<br />

Erweiterung<br />

Probabilistische<br />

Analyse<br />

Entscheidung<br />

Probabilistische<br />

Bemessung<br />

Pf = Zielwahrscheinlichkeit des<br />

Versagens<br />

Für deterministische<br />

� Materialeigenschaften<br />

� Geometr. Abmessungen<br />

� Aktionen<br />

Für unsichere<br />

� Materialeigenschaften<br />

� Geometr. Abmessungen<br />

� Aktionen<br />

Abb. 4.4: Optimale Bemessung im Küstenschutz<br />

(Quelle: KORTENHAUS und OUMERACI, 2002: 70)<br />

Wie wird sich das<br />

Bauwerk verhalten?<br />

Wie hoch ist Pf, dass<br />

sich das Bauwerk in<br />

einer bestimmten Art<br />

und Weise verhält?<br />

Welche Abmessungen und Proportionen sind optimal?<br />

oder<br />

Wie groß ist Pf für optimales Bauverhalten?<br />

Optimale Bemessung<br />

Pf = 0 oder 1<br />

Pf = 0 ....... 1


Risikoanalyse<br />

Für die Abschätzung der Versagenswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Schutzsystemen haben sich Fehler-<br />

baumanalysen als geeignete Verfahren herausgestellt (vgl. Kap. 4.2.1). Die Ermittlung der Häufig-<br />

keit bzw. Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses sagt noch nichts über den Ereignisablauf aus. Mit<br />

Hilfe <strong>von</strong> Ereignisbäumen kann eine Ereignisablaufanalyse durchgeführt werden (vgl. Kap. 4.2.2). Da<br />

der Einsatz <strong>von</strong> Ereignisbäumen in der Regel mit einem sehr hohen Aufwand verbunden ist, wird<br />

der Ereignisverlauf oftmals auf der Basis <strong>von</strong> deterministisch definierten Szenarien durchgeführt<br />

(vgl. Kap. 4.4.2).<br />

4.1.3 Vulnerabilitätsanalyse<br />

Wie in Kap. 3.3 erläutert wurde, lassen sich gegenwärtig drei verschiedene Vulnerabili-<br />

tätsperspektiven unterscheiden. Hierbei stehen entweder die Exposition, die sozialen Folgen oder<br />

die Kombination beider Faktoren im Fokus der Vulnerabilitätsanalysen. Die vorliegende Arbeit<br />

verfolgt im weitesten Sinne den Expositionsansatz. Hierbei konzentriert sich die Betrachtung auf<br />

die Analyse der Gefahrenquelle und ihrer Ausprägung sowie die Exponiertheit anthropogener<br />

Strukturen. Der Grad der Vulnerabilität ist demnach abhängig vom Zustand der menschlichen<br />

Besiedlung und deren Infrastruktur und vom Engagement der öffentlichen Politik und Adm inist-<br />

ration im Managementprozess.<br />

Während soziale Aspekte, wie z.B. die Existenz besonders vulnerabler Gesellschaftsgruppen, im<br />

Rahmen der Vulnerabilitätsabschätzung nicht erfasst werden, finden spezifische Vorsorgemaßnahmen<br />

wie Vorwarnung und Evakuierungsmaßnahmen als Teilaspekte der Widerstandsfähig-<br />

keit des Systems in der Untersuchung ihre Berücksichtigung.<br />

Gründe dieser Orientierung sind u. a.:<br />

• auf der Planungsebene besteht ein dringender Bedarf an Methoden und Techniken insbesondere zur<br />

mikroskaligen Abschätzung der Schadenspotenziale und Schadenserwartung;<br />

• standardisierte Methoden zur Erfassung der sozialen Verwundbarkeit stehen nicht zur Verfügung;<br />

• gegenwärtig werden für die Planung konkreter Schutzmaßnahmen primär die gefährdeten Elemente<br />

berücksichtigt.<br />

An dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass die Entwicklung <strong>von</strong> Methoden zur Berück-<br />

sichtigung sozialer Faktoren in der Vulnerabilitätsabschätzung dringend erforderlich ist. Nur so<br />

lassen sich zukünftig die Bereitschafts- und Präventionsmaßnahmen an die jeweiligen gesell-<br />

schaftlichen Rahmenbedingungen optimal anpassen und die Widerstands- und Bewältigungsfähigkeit<br />

potenziell betroffener Kollektive verbessern (vgl. Kap. 3.3).<br />

Die Vulnerabilitätsanalyse ist in zwei Verfahrensschritte gegliedert. Mit der Wertermittlung wird<br />

das Schadenspotenzial der gefährdeten Risikoelemente inventarisiert und bewertet. Anschließend<br />

kann auf der Basis der Bewertungsergebnisse mit einer Schadensschätzung die Schadenserwartung<br />

für verschiedene Ereignisszenarien unter Berücksichtigung verschiedener Schutzmaßnahmen<br />

abgeschätzt werden. Da sich die Wahl der Methoden maßgeblich an der Betrachtungsskala orien-<br />

tiert, sollen vorab die unterschiedlichen Untersuchungsebenen erläutert werden.<br />

77


78<br />

4.1.3.1 Untersuchungsebenen<br />

Risikoanalyse<br />

Die Vulnerabilität eines Systems gegenüber einer Naturgefahr ist unmittelbar mit der Raumwirk -<br />

samkeit des betrachteten Ereignisses verbunden. Während z.B. Gefahren wie Starkniederschläge<br />

eher eine lokale Bedeutung haben, kann sich ein möglicher Meeresspiegelanstieg auch global<br />

auswirken.<br />

Die Fragestellung einer Untersuchung entscheidet über die Wahl der Betrachtungsebene, die<br />

wiederum die Größe des Untersuchungsgebietes und die Evaluationsmethodik bestimmen. Im<br />

Rahmen der Naturgefahrenbetrachtung werden für die Analysen und Planungen in der Regel<br />

Mikro-, Meso- und Makroskalen unterschieden 3 (vgl. BERGER, 2001; GEWALT et al., 1996; HAMANN<br />

und REESE, 2000; KIESE und LEINEWEBER, 2001; KLAUS et al., 1994).<br />

Die Tabelle 11 zeigt diese Maßstabsebenen für Vulnerabilitätsanalysen im Küstenraum.<br />

Tab. 4.2: Betrachtungs- und Planungsskalen bei Vulnerabilitätsanalysen im Küstenraum<br />

(Quelle: nach GEWALT et al., 1996: 5)<br />

Managementebene<br />

Beispiel<br />

(Inter-) national Regional Lokal<br />

Grenzübergreifender<br />

Küstenraum<br />

Politische Konzepte Makro-Analyse<br />

Politische Abstimmung<br />

Common Methodology<br />

(IPCC)<br />

Küstenregion<br />

Strategien Meso-Analyse<br />

Schutz und Prioritäten<br />

Bewertungsgutachten<br />

(FTZ)<br />

Überflutungsgebiet<br />

Maßnahmen Mikro-Analyse<br />

Deichbau<br />

MERK<br />

(FTZ)<br />

Makroskalige Studien finden demnach Anwendung in überregionalen Untersuchungsgebieten.<br />

Auf dieser nationalen bzw. internationalen Betrachtungsebene sind vor allem politische Ziele und<br />

Grundsatzentscheidungen Anlass der Untersuchungen.<br />

Mesoskalige Analysemethoden werden auf regionaler Ebene durchgeführt, wobei Informationen<br />

für die Entwicklung <strong>von</strong> Strategien im Umgang mit den Risiken geschaffen werden.<br />

Der mikroskalige Ansatz wird bei der Betrachtung <strong>von</strong> kleinräumigen Gebieten gewählt. Hierbei<br />

werden die potenziell gefährdeten Objekte fokussiert (property-by-property approach ) (KLAUS et al.,<br />

1994: 89).<br />

Da die Grenzen zwischen den einzelnen Skalen in den seltensten Fällen definiert sind 4 , unterliegt<br />

eine Zuordnung der Untersuchungsebenen stets der subjektiven Einschätzung der Gutachter.<br />

3 Die GTZ (2001) unterteilt weiter die makroskalige Ebene in eine nationale und eine globale. Das DKKV (2002) unterscheidet bei der<br />

Katastrophenvorbeugung Local, Sub National und National Level. KLEIN und NICHOLLS (1999) differenzieren die drei Ebenen<br />

screening assessment, vulnerability assessment und planning assessment.<br />

4 Flusseinzugsgebiete können z.B. wie folgt eingeteilt werden: die Mikroskala mit einer Fläche <strong>von</strong> 1 m 2 - 1 ha, die Mesoskala mit<br />

einer Fläche <strong>von</strong> 1 ha - 10 000 km 2 und die Makroskala mit einer Fläche <strong>von</strong> > 10 000 km 2 LANDESNATURSCHUTZVERB AND BADEN<br />

WÜRTTEMBERG E. V., 1996).


Risikoanalyse<br />

Die Abbildung 4.5 zeigt die Charakteristika der Analysen auf verschiedenen Maßstabsebenen.<br />

Hierbei wird deutlich, dass mit mikroskaligen Analysen ein höchstes Maß an Genauigkeit erreicht<br />

werden kann. So ist es z.B. möglich, durch Geländekartierungen die tatsächlichen Gegebenheiten<br />

in potenziell gefährdeten Räumen zu inventarisieren. Dieser objektbezogene Ansatz erfordert aber<br />

einen sehr hohen Kosten- und Zeitaufwand, so dass dieser lediglich auf der lokalen Ebene berück-<br />

sichtigt werden kann.<br />

Mit zunehmender Größe der Untersuchungsgebiete nimmt der Aufwand pro Flächeneinheit und<br />

dementsprechend auch der Detailgrad der Untersuchungsergebnisse ab, da mesoskalige wie<br />

makroskalige Methoden i. d. R. auf aggregierten Daten basieren.<br />

Ziel der Methodenauswahl und der Analysetätigkeit muss es demnach sein, mit den verfügbaren<br />

Ressourcen ein maximales Maß an Genauigkeit zu erreichen. So lassen sich z.B. in mesoskaligen<br />

Analysen Schlüsselkategorien (z.B. Einwohnerzahlen) mit mikroskalig erfassten Daten ergänzen.<br />

Abb. 4.5: Betrachtungs- und Planungsskalen bei Vulnerabilitätsanalysen<br />

Die Wahl der Analysemethoden richtet sich somit u. a. nach folgenden Kriterien:<br />

• Ziel und Fragestellung der Untersuchung;<br />

• Dimensionierung des Untersuchungsraumes;<br />

• Ressourcenangebot (Zeit, Finanzen, Personal etc.);<br />

• Datenverfügbarkeit.<br />

Größe Untersuchungsgebiet<br />

Gemeinde<br />

Region<br />

Land<br />

Die verschiedenen Analysemethoden zur Abschätzung der Vulnerabilität im Küstenraum werden<br />

in Kap. 4.3 näher erläutert.<br />

Makroanalysen<br />

Mesoanalysen<br />

Mikroanalysen<br />

gering mittel hoch<br />

Genauigkeit<br />

Aufwand<br />

hoch<br />

mittel<br />

gering<br />

79


80<br />

4.1.3.2 Wertermittlung<br />

Risikoanalyse<br />

Mit der Wertermittlung wird das Schadenspotenzial innerhalb eines gefährdeten Raumes ermittelt. 5<br />

Hierzu werden jene Objekte und Strukturen erfasst und bewertet, auf welche die gefährlichen<br />

Prozesse potenziell schädigend einwirken können. Elemente, die voraussichtlich keinen Schaden<br />

erleiden können, werden in der Vulnerabilitätsanalyse nicht berücksichtigt.<br />

Somit gilt es, zu Beginn die schädigenden Wirkungen der betrachteten Gefahr und die relevanten<br />

Schadenskategorien zu identifizieren.<br />

Nach HOLLENSTEIN (1997: 64) können Naturgefahren folgende Einwirkungen haben, wobei je<br />

nach Gefahrensituation eine Kombination verschiedener Wirkungen denkbar ist:<br />

• temporäre oder dauernde statische;<br />

• einmalige oder zyklische dynamische (Stöße oder Resonanz);<br />

• elektrochemische;<br />

• toxische Wirkungen.<br />

Je nach Objektart und Zustand sind unterschiedliche Einwirkungen maßgebend. In der Praxis<br />

liegen in der Regel genügend Erfahrungswerte vor, die Objekte entsprechend ihrer Eigenschaften<br />

als potenziell vulnerabel zu identifizieren. Die Tabelle 4.3 zeigt die schädigenden Wirkungen ei-<br />

ner Überflutung sowie die beeinträchtigten Eigenschaften bei ausgesuchten Wertobjekten.<br />

Tab. 4.3: Schadenswirkung bei Überflutungen an ausgesuchten Wertobjekten<br />

Objekt Einwirkung Beeinträchtigte Eigenschaft<br />

Wohnhaus<br />

Fahrzeug<br />

• Einmalig/zyklisch dynamisch (Wellenschlag, Brandung)<br />

• Elektrochemisch (Salinität, Hydrolyse, Aufweichen)<br />

• Toxisch (sekundär z.B. durch Ölkontaminationen)<br />

• Einmalig/zyklisch dynamisch (Wellenschlag, Brandung,<br />

Schleppkraft)<br />

• Elektrochemisch (Salinität, Hydrolyse, Aufweichen)<br />

So lassen sich die relevanten Schadenskategorien festlegen.<br />

• Tragsicherheit<br />

• Bewohnbarkeit<br />

• Betriebsbereitschaft<br />

• Brauchbarkeit<br />

• Betriebsbereitschaft<br />

Abbildung 4.6 zeigt die verschiedenen Schadenskategorien im Zusammenhang mit Naturgefahren.<br />

Grundsätzlich werden direkte und indirekte Schäden unterschieden, wobei direkte Schädigungen<br />

unmittelbar durch die Schadenswirkung des gefährlichen Ereignisses hervorgerufen werden<br />

(z.B. Schaden durch Wasserkontakt), während indirekte Schäden auf Störungen wirtschaftlicher<br />

Aktivitäten an Stromgrößen zurückzuführen sind (PENNING-ROWSELL und CHATTERTON, 1977: 1f;<br />

SMITH und WARD, 1998: 34).<br />

Zudem werden tangible und intangible Schäden differenziert, wobei den tangiblen Verlusten ein<br />

monetärer Wert zugeordnet werden kann, während eine Monetarisierung intangibler Schäden<br />

nicht möglich ist.<br />

5 Die Wertermittlung wird auch als Schadenspotenzialanalyse (vgl. BERGER, 2001) oder Expositionsanalyse (vgl. HOLLENSTEIN, 1997)<br />

bezeichnet.


Risikoanalyse<br />

Schließlich können die Schäden noch in primäre und sekundäre unterteilt werden, wobei primäre<br />

Schäden unmittelbar aus dem Ereignis resultieren, während sekundäre Schäden in der Kausalität<br />

<strong>von</strong> dem eigentlichen Ereignis distanzierter sind.<br />

primär<br />

Physische<br />

Schäden an<br />

Eigentum<br />

tangibel<br />

Abb. 4.6: Klassifizierung und Beispiele <strong>von</strong> Schadenskategorien<br />

(Quelle: nach SMITH und WARD, 1998: 35)<br />

Ein Beispiel für einen direkten, tangiblen und sekundären Schaden während eines Überflutungs-<br />

ereignisses wäre ein Gebäudeverlust, verursacht durch eine Explosion an einer durch Unterspülung<br />

freigelegten Gasleitung. Indirekte und sekundäre Schäden sind hingegen Multiplikationsef-<br />

fekte, die z.B. entstehen können, wenn der Produktionsausfall in einem überfluteten Betrieb eine<br />

verminderte Produktion in Zulieferbetrieben nach sich zieht (vgl. PARKER et al., 1987: 33;<br />

PENNING-ROWSELL und CHATTERTON, 1977: 2; SMITH und WARD, 1998: 34).<br />

Sind die Schadenskategorien identifiziert, muss festgelegt werden, wie die Werte und das Ausmaß<br />

möglicher Schäden erfasst werden sollen. Hierbei wird der Kategorien-Ansatz <strong>von</strong> einem Indi-<br />

katoren-Ansatz unterschieden.<br />

Während mit dem Kategorien-Ansatz Objekte i. d. R. zu größeren Gruppen aggregiert und als<br />

Kategorien dann gemessen werden, berücksichtigt der Indikatoren-Ansatz zur Messung die Be-<br />

einträchtigung der Funktionen der Risikoelemente. Die Tabelle 4.4 verdeutlicht die Unterschiede<br />

der beiden Ansätze.<br />

sekundär<br />

Wiederher -<br />

stellungskosten<br />

direkt<br />

Tab. 4.4: Kategorien- und Indikatorenansatz zur Wertermittlung<br />

(Quelle: nach HOLLENSTEIN, 1997: 65)<br />

Objekt Beispiel-Kategorien Beispiel-Indikatoren<br />

Einwohner Dorf, Stadt, Gemeinde Anzahl Personen<br />

Gebäude Wohnbauten, Industriebauten, Dorf, Stadt Bauwerkswert, Bauwerksinhalt<br />

Strassen Autobahn, Bundestrasse, Landstraße Länge in km oder Fläche in m 2<br />

Die Erfassung der Werteobjekte kann auf der Basis <strong>von</strong> Geländekartierungen und verschiedenen<br />

Daten durchgeführt werden.<br />

intangibel<br />

Schäden<br />

primär sekundär primär<br />

Todesopfer<br />

Traumata<br />

und Stress<br />

Unterbrechung<br />

<strong>von</strong> Handel<br />

und Verkehr<br />

tangibel<br />

sekundär<br />

Reduzierte<br />

Investitionen<br />

indirekt<br />

primär<br />

Stärkere<br />

Vulnerabilität<br />

intangibel<br />

sekundär<br />

Vertrauensverlust<br />

und<br />

Migration<br />

81


82<br />

Risikoanalyse<br />

Tabelle 4.5 zeigt mögliche Datenquellen zur Wertermittlung (vgl. REESE et al. 2003).<br />

Tab. 4.5: Datenquellen für die Inventarisierung des Schadenspotenzials<br />

(Quelle: nach REESE et al., 2003)<br />

Datenquelle Bezug Angaben u. a. zu Format Bezugsskala<br />

Einwohnermelderegister Einwohnermeldeamt Einwohnerzahlen Anzahl Gebäude<br />

Amtliches Liegenschaftskataster<br />

(ALK)<br />

Landesvermessungsämter<br />

Hausratversicherungen Versicherungen<br />

Bruttowertschöpfung der<br />

Länder<br />

Nutzungskartierung<br />

Statistische Landesämter<br />

Erhebung im Gelände<br />

Gebäude, landw.<br />

Nutzflächen<br />

Privatem Gebäudeinventar<br />

Bruttowertschöpfung,<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

Gebäudenutzung<br />

Anzahl, räumliche<br />

Verteilung<br />

Flurstück<br />

Wert Gebäudegrundfläche<br />

Wert<br />

Funktion, räumliche<br />

Verteilung<br />

Betriebliche Einrichtungen<br />

Gebäudegrundfläche<br />

Mobile Wertobjekte sind zum einen schwierig zu verorten und zum anderen auch nur temporär<br />

einer Gefahr ausgesetzt. So zählen z.B. Sportboote, die i. d. R. nur saisonal im Wasser liegen, im<br />

Winter nicht zum Sturmflutschadenspotenzial, wenn sie nicht gerade im Überflutungsgebiet ge-<br />

lagert werden. Dementsprechend ist die Wertermittlung eine Funktion der Zeit und bezieht sich<br />

in der Regel auf eine Momentaufnahme der gefährdeten Objekte.<br />

Das birgt den Nachteil, dass z.B. durch Bautätigkeiten im potenziell gefährdeten Gebiet schon<br />

nach kurzer Zeit die Inventarisierungsergebnisse nicht mehr den realen Bedingungen entspre-<br />

chen. Unter Umständen ist dann eine Aktualisierung der Erhebungen erforderlich.<br />

Sind die Wertobjekte inventarisiert, folgt die qualitative (was wird geschädigt?) und quantitative<br />

Bewertung (wie hoch ist der Schadensgrad?) der erfassten Elemente. Letztere erlaubt die Angaben<br />

in Mengen (z.B. Anzahl der Gebäude) oder in monetären Einheiten (z.B. Wert der Gebäude in<br />

Euro) (BERGER, 2001: 17).<br />

Die Monetarisierung der Wertobjekte ermöglicht es, die verschiedenen Schadenskategorien miteinander<br />

zu vergleichen und zu einem Gesamtschadenspotenzial zusammenzufassen. Allerdings<br />

sind nicht alle Wertobjekte für eine monetäre Bewertung geeignet.<br />

Im Folgenden werden die Schadenskategorien und die Möglichkeiten ihrer Bewertung kurz dar-<br />

gestellt.<br />

Vermögenswerte (direktes, tangibles Schadenspotenzial)<br />

Die Vermögenswerte lassen sich entsprechend der Definition der Volkswirtschaftlichen Gesamt-<br />

rechnung (VGR) unterteilen in Geld-, Sach- und immaterielles Vermögen, wobei lediglich das<br />

Sachvermögen als vulnerabel gilt. Dieses wird weiter differenziert in das reproduzierbare und nicht<br />

reproduzierbare Sachvermögen. Zu letzterem zählen natürliche Ressourcen (z.B. Boden und Gewäs-<br />

ser) und Kunstwerke und Antiquitäten, die wegen der vorhandenen Bewertungsprobleme in der<br />

amtlichen Statistik und somit auch in Vulnerabilitätsanalysen i. d. R. nicht berücksichtigt werden.<br />

Im Rahmen der Wertermittlung wird daher nur das reproduzierbare Sachvermögen erfasst.


Produktivvermögen<br />

Anlagen<br />

Bauten <br />

Ausrüstung<br />

Abb. 4.7: Kategorien des Sachvermögens<br />

(Quelle: nach BERGER, 2001: 18)<br />

Risikoanalyse<br />

Reproduzierbares Sachvermögen<br />

Abbildung 4.7 zeigt die verschiedenen Kategorien des reproduzierbaren Sachvermögens. Dieses<br />

wird unterteilt in das Produktivvermögen der Unternehmen, der privaten Organisationen ohne Er-<br />

werbszweck und des Staates und das private (langlebige, hochwertige Konsumgüter) und öffentli-<br />

che Gebrauchsvermögen (überwiegend militärische Güter). Das Produktivvermögen wird außerdem<br />

unterteilt in das Anlagevermögen, zu dem alle dauerhaften, reproduzierbaren Produktionsmittel<br />

mit einer Nutzungsdauer <strong>von</strong> mehr als einem Jahr zählen (Bauten und Ausrüstung) und in das<br />

Vorratsvermögen, zu dem Vorprodukte und Handelswaren sowie Halb- und Fertigerzeugnisse<br />

zählen (BERGER, 2001; SCHREIBER, 2000).<br />

Zur Monetarisierung der tangiblen Wertobjekte (Vermögenswerte) können nach KIESE und<br />

LEINEWEBER (2001: 49) zwei Verfahren unterschieden werden.<br />

Mit dem Top down-Ansatz werden die Werte auf der Basis <strong>von</strong> amtlichen Statistiken auf Landes-<br />

und Bundesebene erfasst und dann auf die Gemeinde in Gleichverteilung herunter gebrochen.<br />

Der Bottom up-Ansatz bewertet das Schadenspotenzial <strong>von</strong> besonders bedeutsamen Strukturen<br />

(z.B. große Industrieanlagen) individuell, wodurch Werteagglomerationen verdeutlicht werden<br />

können. Die beiden Ansätze lassen sich nach dem Gegenstromprinzip miteinander kombinieren.<br />

Außerdem muss für die Wertermittlung der Vermögenswerte festgelegt werden, nach welchem<br />

Preisprinzip die Objekte bewertet werden sollen.<br />

Nach BRÜMMERHOFF (2000) und FRENKEL und JOHN (1999) können folgende Preisarten differen-<br />

ziert werden (zit. in BERGER, 2001: 19):<br />

• Anschaffungspreis: Marktpreis, der zum Zeitpunkt der Anschaffung galt; Nachteil: das gleiche<br />

Gut wird unterschiedlich bewertet, wenn es zu unterschiedlichen Zeitpunk-<br />

ten angeschafft wurde;<br />

• Wiederbeschaffungspreis: Marktpreis, der zum Bewertungsstichtag galt; Nachteil: Für Güter, die nicht<br />

mehr zu kaufen sind, ist kein Marktpreis festzulegen;<br />

• Konstanter Preis: Der Vermögenswert wird in Preisen eines Basisjahres angegeben, womit die<br />

Beobachtung der Entwicklung der realen Vermögensbestände berücksichtigt<br />

werden kann.<br />

Gebrauchsvermögen<br />

Vorräte Privat öffentlich<br />

Nicht reproduzierbares<br />

Sachvermögen<br />

In der amtlichen Statistik der VGR enthalten<br />

83


84<br />

Risikoanalyse<br />

Für die Wertermittlung der gefährdeten Objekte ist der Wiederbeschaffungspreis gut geeignet, da<br />

dieser den gegenwärtigen Wert am besten darstellt (BERGER, 2001: 20).<br />

Bevor die Bewertung durchgeführt wird, muss abschließend noch festgestellt werden, nach welchem<br />

Konzept die Objekte bewertet werden sollen. FRENKEL und JOHN (1999: 221f) unterscheiden<br />

das Bruttokonzept, wobei der Neuwert der Objekte als Bewertungsgrundlage herangezogen wird,<br />

und das Nettokonzept, welches die Abschreibung bzw. den Wertverlust des Gutes über die Zeit<br />

berücksichtigt und dementsprechend zu wesentlich geringeren Werten kommt.<br />

Die Wahl des Konzeptes hängt <strong>von</strong> der Zielsetzung der Untersuchung ab. Sollen z.B. Hausrats-<br />

Versicherungspolicen berechnet werden, dann eignet sich das Bruttokonzept, da Versicherungen<br />

bei einer Schädigung des privaten Inventars i. d. R. den Neuwert der Objekte erstatten. Eine<br />

volkswirtschaftliche Betrachtung würde eher das Nettoprinzip verfolgen, da hier der Zeitwert <strong>von</strong><br />

Interesse ist (vgl. PARKER et al., 1987: 37; PENNING-ROWSELL, 1977: 3).<br />

Darüber hinaus ist auch eine Berücksichtigung beider Konzepte möglich. So hat der Verfasser im<br />

Rahmen des MERK-Projektes einen Ansatz der realen Schadensregulierung verfolgt, bei dem be-<br />

rücksichtigt wurde, welche Belastungen auf die Betroffenen zukommen und welche Schäden<br />

durch Versicherungen getragen werden. Somit orientiert sich dieses Verfahren an den Praktiken<br />

der Schadensregulierung, so dass z.B. der Hausrat nach dem Bruttokonzept und Kraftfahrzeuge<br />

nach dem Nettokonzept bewertet werden.<br />

Wirtschaftliche Aktivitäten (indirektes, tangibles Schadenspotenzial)<br />

Neben den Schäden an Vermögenswerten kann die Störung der wirtschaftlichen Aktivitäten zu-<br />

sätzlich zu Verlusten führen.<br />

PARKER et al. (1987: 2) differenzieren hierbei Produktionsausfälle, Folgen der Unterbrechung der Infra-<br />

struktur und Kosten für Rettungskräfte.<br />

Direkte Produktionsausfälle treten in den unmittelbar betroffenen Unternehmen auf, während<br />

durch indirekte und induzierte Effekte (Multiplikatoreffekte) auch andere Betriebe betroffen sein<br />

können (z.B. Zulieferbetriebe). Diese Multiplikatoreffekte lassen sich in der Regel nur sehr schwer<br />

abschätzen 6 und haben in einer gesamtwirtschaftlichen Analyse nur eine begrenzte Bedeutung, so<br />

dass PARKER auch <strong>von</strong> ihrer Berücksichtigung bei Vulnerabilitätsanalysen abrät (ebd., 1987: 35).<br />

Daher reicht es in der Regel aus, die direkten Produktionsausfälle zu betrachten, die SCHMIDTKE<br />

(1995: 145) weiter unterteilt in Wertschöpfungs- und Prosperitätsschäden.<br />

Unter Wertschöpfung versteht man in der Volkswirtschaft die in einer Periode hergestellten Wa-<br />

ren und Leistungen. Diese wird in der VGR als Bruttowertschöpfung (BWS) aus der Differenz <strong>von</strong><br />

Produktionswert und Vorleistungen errechnet (SCHREIBER, 2000: 504). Die Wertschöpfung kann<br />

sowohl nach dem Top down- als auch nach dem Bottom up-Verfahren erhoben werden<br />

(BERGER, 2001: 24).<br />

Die Prosperitätsschäden sind längerfristige Schäden am Wirtschaftssystem z.B. durch Betriebs-<br />

stilllegungen und Standortverlagerungen. Laut SCHMIDTKE (1995: 154) lassen sich diese Verluste<br />

gegenwärtig wegen der mangelnden Datengrundlage nicht befriedigend abschätzen.<br />

6 Z.B. mit sog. Input-Output-Tabellen oder regionalen ökonometrischen Modellen (BERGER, 2001: 22).


Risikoanalyse<br />

Ebenso gestaltet sich die Abschätzung der Folgen einer Unterbrechung der Infrastruktur und ihre<br />

Multiplikationseffekte sehr schwer, weshalb diese im Rahmen der Arbeit nicht weiter berücksich-<br />

tigt werden sollen (vgl. BERGER, 2001: 25). 7<br />

Die Kosten für Rettungskräfte im Ereignisfall werden in Kap. 4.4.4.1 näher erläutert.<br />

Intangibles Schadenspotenzial<br />

Intangible Schadenspotenziale können aus unterschiedlichen Gründen gar nicht oder nur sehr<br />

aufwendig erfasst werden.<br />

Menschen werden in gefährdeten Räumen als prioritäres Schutzgut betrachtet. Ihre monetäre Bewertung<br />

gilt aber aus moralisch-ethischen Gründen als unzulässig (vgl. DIENST WEG- EN<br />

WATERBOUWKUNDE VAN RIJKSWATERSTAAT, 2001; NOWITZKI , 1997).<br />

Öffentliche Güter wie Umweltgüter und Objekte mit kulturhistorischer Bedeutung können durch<br />

verschiedene Monetarisierungsverfahren bewertet werden, wobei individuelle Präferenzen die<br />

Grundlage der ökonomischen Bewertung sind (Konsumentensouveränität). Hierbei können entwe-<br />

der die beim Konsum anfallenden Ausgaben (z.B. Benzinkosten für die Fahrt in ein Naherholungs-<br />

gebiet) oder aber die Konsumentenrente als Zahlungsbereitschaft, die über die tatsächlich<br />

anfallenden Kosten hinausgeht, betrachtet werden. Dementsprechend wird zwischen indirekten<br />

und direkten Bewertungsmethoden unterschieden.<br />

Indirekte Methoden können angewendet werden, wenn ein Zusammenhang zwischen einem öffentlichen<br />

und einem privaten Gut besteht. Die wichtigsten indirekten Methoden sind der Reise-<br />

kostenansatz (Travel Cost Method-TCM) und der Hedonische Preisansatz (Hedonic Price Approach ). Mit<br />

direkten Bewertungsmethoden werden individuelle Präferenzen für öffentliche Güter erhoben, so<br />

z.B. mit dem Kontingenten Bewertungsansatz (Contingent Valuation Method) (vgl. BERGER, 2001;<br />

FIEBLINGER, 2002; PENNING-ROWSELL et al., 1992; PRUCKNER, 1994, 1995; UNBEHAUN, 2002).<br />

Da sich die Auswahl der Methoden und Techniken zur Evaluation der tangiblen und intangiblen<br />

Schadenskategorien u. a. nach der Fragestellung der Untersuchung und der Wahl der Betrach-<br />

tungsskala richtet, kann für die Wertermittlung keine standardisierte Methode vorgegeben<br />

werden. Da jede Bewertung an die gegebenen Rahmenbedingungen (z.B. Datenverfügbarkeit)<br />

angepasst werden muss, soll hier auf eine Darstellung detaillierter Bewertungsmethoden verzichtet<br />

werden. In Kap. 4.3.3.1 wird exemplarisch für den Küstenraum Schleswig-Holsteins eine<br />

solche Evaluationsmethodik im Detail vorgestellt.<br />

4.1.3.3 Schadensschätzung<br />

Die Wertobjekte in einem gefährdeten Raum können entsprechend des Ausmaßes (z.B. Dauer und<br />

Intensität) des gefährlichen Ereignisses einen Schaden erleiden. Diesen abzuschätzen ist die<br />

Aufgabe der prospektiven Schadensschätzung. Hiermit können wichtige Grundlagen u. a. für<br />

Kosten-Nutzen-Analysen in der Maßnahmenplanung (vgl. BEYENE und ROHDE, 1993) oder für die<br />

Tarifierung <strong>von</strong> Versicherungsprämien geschaffen werden (vgl. HAUSMANN, 1993; KRON, 2001).<br />

7 Zu den Methoden der Abschätzung der Schäden durch Unterbrechung der Infrastruktur siehe PARKER et al. (1987: 82ff).<br />

85


86<br />

Risikoanalyse<br />

In der Literatur werden für das prognostische Verfahren zur Abschätzung möglicher Schäden<br />

unterschiedliche Termini verwendet. Da zahlreiche Autoren den Begriff Schadenspotenzial als<br />

mögliche Schäden definieren, wird das Verfahren dementsprechend als Schadenspotenzialanalyse<br />

bezeichnet (vgl. MOTOR COLUMBUS, 1986; MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1997;<br />

STAATLICHES UMWELTAMT SIEGEN, 2000). Darüber hinaus wird vielfach der Terminus Schadens-<br />

analyse verwendet. Dieser Begriff scheint aber etwas ungenau, da Schadensanalysen in der Regel<br />

nach einem Ereignis durchgeführt werden, um die tatsächlichen Schäden an Objekten zu erfassen<br />

(vgl. BEYENE und ROHDE, 1993: 35).<br />

Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit für die prognostische Abschätzung der Schadenserwartung<br />

der Begriff Schadensschätzung verwendet (vgl. DE LOTTO und TESTA, 2002; MURL,<br />

2000; NHRC, 2000; USACE, 1992).<br />

Zwischen der ereignisspezifischen Einwirkung und der Schädigung eines betroffenen Objektes<br />

besteht entsprechend der Kondition des Objektes eine quantitative Beziehung, die in einem Mo-<br />

dell abgebildet werden kann.<br />

Nach dem Konzept <strong>von</strong> Beanspruchung (Stress) und Widerstand (Resistance) tritt dann ein Schaden<br />

auf, wenn die Beanspruchung höher ist als die Widerstandskraft des betrachteten Objektes. Dieses<br />

Verhältnis lässt sich graphisch darstellen (Abb. 4.8). Bis zu einem Schwellenwert A ist das Objekt<br />

tolerant gegenüber der Einwirkung und wird nicht geschädigt. Darüber hinaus steigt der Schaden<br />

mit zunehmender Intensität des Ereignisses an und erreicht bei B den Maximalschaden (Total-<br />

schaden oder maximaler Teilschaden) (HOLLENSTEIN, 1997: 66).<br />

Abb. 4.8: Idealisierter Zusammenhang zwischen Einwirkung und Schadensgrad<br />

(Quelle: nach HOLLENSTEIN, 1997: 66)<br />

Die prognostische Abschätzung der Schadenserwartung erfolgt in der Regel auf der Basis <strong>von</strong><br />

einzelnen oder wenigen Ereignisszenarien und -simulationen, die sich aus der Gefährdungsab-<br />

schätzung ableiten lassen (vgl. Kap. 4.4.2).<br />

In dem Schadensmodell sollten sowohl die objektspezifische Verwundbarkeit als auch bestehende<br />

Schutzmaßnahmen und Bewältigungsstrategien berücksichtigt werden. Werden bei der Bewer-<br />

tung z.B. Evakuierungsmaßnahmen nicht berücksichtigt, so führt dieses zu einer unrealistisch<br />

hohen Schadenserwartung.<br />

Schadensgrad<br />

0%<br />

Toleranz<br />

A B<br />

Maximalschaden<br />

Stärke der Einwirkung


Risikoanalyse<br />

Wenn Risiken mit Hilfe einer Szenarioanalyse untersucht werden, so ist dies in der Regel keine<br />

umfassende und vollständige Analyse aller in Frage kommenden Aspekte einer betrachteten Ge-<br />

fahr, sondern lediglich die Erörterung einiger weniger Fallbeispiele. Zudem ergibt sich das Prob -<br />

lem, dass der Ereignisablauf <strong>von</strong> einer großen Zahl an Parametern bestimmt wird, <strong>von</strong> denen<br />

nicht immer alle in der Szenarienentwicklung berücksichtigt werden können. Somit muss die<br />

Ableitung der Szenarien sehr gewissenhaft durchgeführt werden, um eine repräsentative Band-<br />

breite an Ereignissen unter Berücksichtigung möglichst vieler Parameter simulieren zu können.<br />

Die prognostizierten Schäden sind in jedem Fall nur ein Ausschnitt der potenziellen Auswirkun-<br />

gen einer Gefahr (vgl. SMITH und WARD, 1998: 38).<br />

Je nach betrachteter Naturgefahr stehen für die Abschätzung der Schäden verschiedene Methoden<br />

zur Verfügung, die auf hypothetischen Annahmen 8 oder empirischen Erkenntnissen 9 basieren.<br />

Der Vorteil der empirischen Modelle liegt darin, dass sie auf realen Schadensdaten basieren, die<br />

aus verschieden Schadensdatenbanken 10 entnommen werden können<br />

(vgl. SMITH und WARD, 1998: 39).<br />

Nach HOLLENSTEIN (1997: 67) sind spezifische Berechnungsgrundlagen gegenwärtig für Erdbeben<br />

und Windeinwirkungen vorhanden, während Modelle zur Abschätzung <strong>von</strong> Stoßeinwirkungen<br />

bei Massenbewegungen (z.B. Lawinen) noch fehlen. Somit ist hinsichtlich der Entwicklung <strong>von</strong><br />

Schadensmodellen noch ein dringender Forschungsbedarf festzustellen.<br />

Für die Schadensabschätzung bei Überflutungen stehen verschiedene Modelle zu Verfügung. So<br />

können für eine Reihe <strong>von</strong> Schadenskategorien empirisch ermittelte Beziehungen zwischen der<br />

Überflutungshöhe und der Schadensrate genutzt werden. Hierbei werden folgende Ansätze un-<br />

terschieden (vgl. REESE et al., 2003):<br />

• Schadensangaben objektbezogen in Geldgrößen absolut;<br />

• Schadensangaben objektbezogen in Geldgrößen je Flächeneinheit;<br />

• Schadensfunktionen als mathematische Formeln mit der unabhängigen Variablen Überflutungshöhe mit<br />

dem Schaden als Geldgröße absolut angegeben;<br />

• Schadensfunktionen, bestehend aus Stützwerten, mit der unabhängigen Variablen Überflutungshöhe, mit<br />

dem Schaden als Prozentsatz des Vermögenswerts.<br />

In Kap. 4.4.4.1 wird die Methodik der Schadensschätzung mit Hochwasserschadensfunktionen im<br />

Küstenraum näher erläutert.<br />

Die verschiedenen Modelle zur Schadensabschätzung werden inzwischen vielfach durch spezielle<br />

Computersoftware unterstützt. 11 Zudem eignen sich Geographische Informationssysteme (GIS) als<br />

Instrument zur Verarbeitung, Auswertung und Visualisierung der Daten und Ergebnisse der<br />

Wertermittlung und der Schadensschätzung.<br />

8 Zum synthetisc hen Generierungsprozess siehe z.B. GREEN et al. (1994); SMITH und WARD (1998).<br />

9 Zu möglichen Problemen bei der empirischen Generierung <strong>von</strong> Schadensmodellen siehe z.B. SMITH und WARD (1998: 39ff).<br />

10 In Deutschland sind das z.B. der MRNatCatSERVICE der MÜNCHNER RÜCKVERSICHERUNGSGESELLSCHAFT (vgl. ebd., 1999: 120)<br />

oder die Howas-Datenbank des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft (vgl. REESE, 2003).<br />

11 Zum Beispiel die Schadenssoftware HAZUS, die den Gemeinden in den USA eine vereinfachte Abschätzung <strong>von</strong> Überschwem-<br />

mungsschäden ermöglicht (SCHAUER et al., 2002).<br />

87


88<br />

4.1.4 Risikoabschätzung und -darstellung<br />

Risikoanalyse<br />

Wie in Kapitel 2.5 erläutert wurde, liegt dieser Arbeit eine technisch-naturwissenschaftliche Defi-<br />

nition des Risikobegriffs zu Grunde. Hiernach kann das Risiko quantitativ erfasst werden als das<br />

Produkt aus Gefährdung (Intensität und Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses) und Vulne-<br />

rabilität (Schadenserwartung) der Risikoelemente und wird dann üblicherweise angegeben als<br />

Schadenshöhe pro Jahr.<br />

Allerdings ist diese Berechnung nur sinnvoll, wenn es sich nicht um sehr seltene Ereignisse und<br />

allzu große Schäden handelt (PLATE et al., 2001: 19). Zudem ergibt sich das Problem, dass sich ein<br />

gleiches Risikomaß entweder durch eine hohe Gefährdung und eine niedrige Schadenserwartung<br />

(häufiges Ereignis und geringe Schäden, z.B. Sturm) oder aber durch eine niedrige Gefährdung<br />

und eine hohe Schadenserwartung (seltenes Ereignis und hohe Schäden, z.B. Sturmflut) ergibt.<br />

Dieses ist für die Akzeptanz bzw. Akzeptabilität eines Risikos entscheidend. Denn im gesellschaftlichen<br />

Bewertungsprozess wiegt letzteres oft wesentlich schwerer, so dass es in der Regel<br />

nicht akzeptiert wird.<br />

Die Risiken lassen sich mit den Ergebnissen der Gefährdungs- und Vulnerabilitätsanalyse berechnen.<br />

Zur Darstellung und Auswertung der Ergebnisse der Risikoanalyse müssen die gewonnenen<br />

Rohinformationen soweit wie möglich aggregiert und in verständlicher Form präsentiert werden.<br />

Insbesondere der Visualisierung der Resultate in Form <strong>von</strong> kartographischen Darstellungen<br />

kommt hierbei eine große Bedeutung zu, da sie eine geeignete Grundlage für die spätere Planung<br />

darstellen.<br />

Hierbei können folgende Kartenwerke unterschieden werden (PLATE et al., 2001: 12):<br />

• Gefahrenhinweiskarten: Karten, die qualitativ auf Naturgefahren hinweisen (z.B. Ausweisung poten-<br />

zieller Überflutungsgebiete);<br />

• Gefahrenkarten: Karten, die quantitativ auf Naturgefahren hinweisen (z.B. Darstellung der<br />

Überflutungshöhe des maximalen Ereignisses);<br />

• Gefährdungskarten: Enthalten zusätzlich zu den Informationen der Gefahrenkarten Angaben zu<br />

den Auftretenswahrscheinlichkeiten (z.B. 100jähriges Ereignis);<br />

• Risikokarten: Enthalten zusätzlich zur Gefährdung eine Quantifizierung des Risikos (z.B.<br />

Schadenserwartung).<br />

Entsprechend der räumlich sehr differenzierten Gefährdung und Schadenserwartung gestaltet<br />

sich das Risiko in den gefährdeten Räumen sehr unterschiedlich. Mit den Kartenwerken lassen<br />

sich Bereiche sehr hoher Risiken identifizieren. In diesen können dann gegebenenfalls besondere<br />

Schutzmaßnahmen getroffen werden. Die Risikoermittlung und -darstellung ist somit ein wichti-<br />

ges Instrument in der Schaden- bzw. Katastrophenprävention.<br />

Die zahlreichen Verfahrensschritte und Unsicherheiten einer Risikoanalyse bergen eine Reihe <strong>von</strong><br />

möglichen Fehlerquellen. Diese möglichst gering zu halten, ist die Aufgabe der Qualitätssicherung,<br />

die sowohl projektbegleitend als auch im Anschluss an die Analysetätigkeit (Review) instal-<br />

liert werden sollte. Nach HOLLENSTEIN (1997: 68f) sind hierbei drei Aspekte besonders wichtig, die<br />

Organisation, die technischen Arbeiten und die Dokumentation.


Risikoanalyse<br />

Die Abbildung 4.9 zeigt in einer Qualitätssicherungsmatrix die Aspekte der Arbeitsqualität und<br />

welche Arbeitsschritte einer Review unterzogen werden sollten.<br />

Abb. 4.9: Qualitätssicherungsmatrix für die Risikoanalyse bei Naturgefahren<br />

(Quelle: verändert nach HOLLENSTEIN, 1997: 69)<br />

Die risikobestimmenden Rahmenbedingungen unterliegen ständigen Veränderungen. Während<br />

die Gefährdung in der Regel eher einem langfristigen Wandel unterliegt, führen insbesondere die<br />

kurzfristigen Änderungen am Schadenspotenzial dazu, dass die Ergebnisse der Risikoanalyse<br />

aktualisiert werden müssen. Ändert sich die Anfälligkeit der Objekte nicht, so ist die Werterhal-<br />

tung der Resultate durch Aktualisierung des Schadenspotenzials möglich. Hierzu ist die Erhaltung<br />

und eine nachvollziehbare Dokumentation der Primärdaten absolute Voraussetzung<br />

(HOLLENSTEIN, 1997: 70). Mit der Notwendigkeit zur Aktualisierung wird die Risikoanalyse in<br />

Teilprozessen zu einem iterativen Verfahren.<br />

Aspekte der Arbeitsqualität<br />

4.2 Methoden und Techniken der Risikoanalyse<br />

Mit der technischen Entwicklung und der wachsenden Systemkomplexität wurden insbesondere<br />

für die Technikfolgenabschätzung immer komplexere Analysemethoden für die Abschätzung <strong>von</strong><br />

Risiken entwickelt. Somit stehen gegenwärtig zahlreiche Methoden zur Verfügung, mit denen die<br />

Risiken qualitativ, beschränkt quantitativ und quantitativ abgeschätzt werden können. Während<br />

qualitative Methoden wie das Checklistenverfahren oder die Preliminary Hazard Analysis (PHA)<br />

lediglich risikorelevante Ereignisketten innerhalb eines Systems aufzeigen, beschreiben semiquantitative<br />

Methoden die Risiken anhand einer willkürlich festgelegten Skala (z.B. Failure Mode<br />

and Effekt Analysis (FMEA), Hazard and Operability Study (HAZOP) und ZHA-Zürich Hazard Analy-<br />

sis (vgl. HOLLENSTEIN, 1997).<br />

Organisation<br />

Erfahrung<br />

Ausgewogenheit<br />

Integration<br />

Kommunikation<br />

Verantwortlichkeit<br />

Kontakte<br />

Technik<br />

Vollständigkeit<br />

Genauigkeit<br />

Quantifizierung<br />

Verifizierung<br />

Konsistenz<br />

Dokumente<br />

Klarheit<br />

Nachvollziehbark.<br />

Aktualität<br />

Datenmodell<br />

Datenbeschaffung<br />

Systemabgrenzung<br />

und Beschreibung<br />

Arbeitsschritte<br />

Gefährdungsanalyse<br />

Wertermittlung<br />

Schadensschätzung<br />

Dokumentation<br />

Auswertung und<br />

Visualisierung<br />

89


90<br />

Risikoanalyse<br />

Quantitative Methoden berücksichtigen darüber hinaus das Systemverhalten und ermöglichen<br />

sehr detaillierte Ergebnisse. HOLLENSTEIN (1997) kam bei einer Eignungsprüfung der verschiede-<br />

nen Analysemethoden zu dem Ergebnis, dass sich die quantitativen Methoden, die auf logischen<br />

Bäumen aufbauen, gut für die Untersuchung <strong>von</strong> Naturgefahren eignen. Auch wenn sie in der<br />

Regel einen sehr hohen Ressourcenaufwand erfordern, führen sie doch zu guten Ergebnissen.<br />

Die Methoden der logischen Bäume basieren auf einfachen logischen Verknüpfungen <strong>von</strong> Ursa-<br />

chen, Ereignissen und Folgen in einem System. Die Operationen sind hierbei mathematisch genau<br />

und eignen sich besonders gut für eine computergestützte Analyse. Die graphische Darstellung<br />

zeigt hierbei die Möglichkeiten des Systemverhaltens <strong>von</strong> oder zu einem bestimmten Zustand auf<br />

(HOLLENSTEIN, 1997: 76; KORTENHAUS und OUMERACI, 2002: 79ff).<br />

Beispiele logischer Bäume und ihre Anwendungen sind:<br />

• Fehlerbäume - Fault Trees:<br />

Identifikation <strong>von</strong> Ursachen und Eintrittswahrscheinlichkeiten, die zum Ausgangsereignis führen;<br />

• Ereignisbäume - Event Trees:<br />

Identifikation <strong>von</strong> Folgen des Ausgangsereignisses und zugehörigen Wahrscheinlichkeiten;<br />

• Ursache-Folgen Diagramme - Cause-Consequence Charts:<br />

Evaluation möglicher Abläufe und ihrer Wahrscheinlichkeiten;<br />

• Entscheidungsbäume - Decision Trees:<br />

Erarbeitung der Grundlagen für Entscheidungen.<br />

Bei der Verwendung logischer Bäume kann man eine deduktive Vorwärts-Suche (Top Down-Verfahren<br />

z.B. Fehlerbaumanalysen) und eine induktive Rückwärts-Suche (Bottom up-Verfahren z.B.<br />

Ereignisbaumanalysen) unterscheiden.<br />

4.2.1 Fehlerbaumanalysen<br />

Ein Fehlerbaum ist die graphische Umsetzung einer Boole’schen Funktion ohne Schleifen oder<br />

Zyklen - ein Zustand kann vorkommen oder nicht (duale Betrachtungsweise). 12 In einem Top<br />

Down-Verfahren wird mit analytischen und/oder statistischen Methoden deduktiv aufgezeigt, mit<br />

welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes unerwünschtes Ereignis (top event) durch welche In-<br />

teraktionen entstehen kann. Damit ist die Betrachtung zeitlich gesehen rückwärts gerichtet.<br />

Fehlerbaumanalysen ermöglichen z.B. die Abschätzung der Versagenswahrscheinlichkeit eines<br />

Systems durch die Betrachtung aller Subsysteme. 13 Das System wird hierbei chronologisch<br />

und/oder kausal soweit untergliedert, bis sog. Basisereignisse erreicht sind. Hier wird dann der<br />

Baum abgebrochen, weil entweder für diese Ereignisse die Ausfallwahrscheinlichkeiten bekannt<br />

sind, oder aber weil deren Einfluss auf das Gesamtergebnis als vernachlässigbar gering eingeschätzt<br />

wird (MOCK, 2001: 41). Abbildung 4.10 zeigt exemplarisch einen Fehlerbaum für die Ab-<br />

schätzung der Ereigniswahrscheinlichkeit eines Deichbruches im Küstenraum.<br />

12 Darüber hinaus gibt es eine Großzahl weiterer Operatoren (vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 93).<br />

13 Zur Abschätzung der Gesamt-Wahrscheinlichkeit eines top events sollten die Einzelwahrscheinlichkeiten aller Subsysteme addiert<br />

werden (KORTENHAUS und OUMERACI, 2002: 80).


Erosion Klei<br />

Außenböschung<br />

R < S<br />

Erosion Gras<br />

Außenböschung<br />

R < S<br />

Geschwindigkeit<br />

Auflauf<br />

R < S<br />

Stabilität der<br />

Deckschicht<br />

R < S<br />

Erosion<br />

Außenböschung<br />

Auftrieb<br />

Wellenablauf<br />

R < S<br />

Risikoanalyse<br />

Abb. 4.10: Fehlerbaum zur Abschätzung der Deichbruchwahrscheinlichkeit<br />

(Quelle: nach KORTENHAUS und OUMERACI, 2002: 150)<br />

Hierbei werden die logischen Wechselbeziehungen mit logischen Toren (Gates) dargestellt. Je<br />

nach Fragestellung der Untersuchung und verwendeter Software werden den Symbolen teils unterschiedliche<br />

Bedeutungen zugeordnet.<br />

Die Beziehungen zwischen den Ereignissen werden in der Regel durch logische AND/OR Sym -<br />

bole dargestellt. So kann man beispielsweise durch ein AND-Symbol beschreiben, dass ein Ereignis<br />

dann eintritt, wenn zwei oder mehrere andere Ereignisse gleichzeitig stattfinden. Außerdem<br />

unterscheidet man durch verschiedene Symbole zwischen elementaren Ereignissen (Kreis) und<br />

Fehlerereignissen, die durch andere Ereignisse hervorgerufen werden (Rechteck) sowie Ereignis-<br />

sen, deren Ursachen bislang noch ungeklärt sind (Raute).<br />

Wenn die Ereignis- bzw. Versagenswahrscheinlichkeiten bekannt sind, können diese an den<br />

Knoten als Wert angegeben und nach den Regeln der Algebra zu einer Gesamtwahrscheinlichkeit<br />

verbunden werden (FABER, 2003: 12; KORTENHAUS und OUMERACI, 2002: 80; MOHR und<br />

MONTENEGRO, 2003).<br />

Überströmen<br />

R < S<br />

Überlauf<br />

Deichbruch<br />

R < S R < S<br />

Vandalismus Explosion Teilbruch<br />

Teilbruch<br />

Gleiten<br />

Innere Erosion<br />

Sabotage Außenböschung<br />

Binnenböschung<br />

R < S<br />

R < S<br />

Versagen<br />

Deckwerk<br />

Klifferosion<br />

Außenböschung<br />

Druckschläge<br />

R < S<br />

R < S<br />

Böschungsbruch<br />

Außenböschung<br />

R < S<br />

Schiffskollision<br />

R < S<br />

Druckschläge<br />

R < S<br />

Auswaschungen<br />

R < S<br />

Kolk am<br />

Deckwerksfuß<br />

R < S<br />

Kappensturz<br />

Binnenböschung<br />

R < S<br />

Verflüssigungsbruch<br />

R < S<br />

Treibgut<br />

R < S<br />

Gleiten<br />

Deckwerk<br />

R < S<br />

Versagen<br />

Deckwerksfuß<br />

R < S<br />

Überflutung<br />

Erosion Klei<br />

Binnenböschung<br />

Böschungsbruch<br />

Binnenböschung<br />

R < S<br />

Erosion<br />

Binnenböschung<br />

Abrutschen der<br />

Kleidecke<br />

R < S<br />

Die Fehlerbaumanalyse eignet sich besonders für die Gefährdungsanalyse, da hier die Ursachen<br />

für das Eintreten eines Ereignisses entscheidend sind. Hierbei kann als Auslöser sowohl die<br />

Wahrscheinlichkeit des Ereignisses untersucht werden (z.B. Sturmflut) als auch die Möglichkeit<br />

des Versagens <strong>von</strong> Schutzmaßnahmen (z.B. Deichbruch).<br />

Für die Abschätzung der Ereigniswahrscheinlichkeit erlaubt der Aufbau des Fehlerbaumes die<br />

Verwendung bestehender physikalischer Modelle. Wenn keine Modelle existieren, kann der Feh-<br />

lerbaum zur Untersuchung <strong>von</strong> Hypothesen benutzt werden. Zudem ist es möglich, nicht genau<br />

bekannte Teile des Systems als Blackbox darzustellen und zur Verringerung der Komplexität<br />

R < S<br />

Erosion Gras<br />

Binnenböschung<br />

R < S<br />

Geschwindigkeit<br />

Überströmen<br />

R < S<br />

Infiltration<br />

R < S<br />

Geschwindigkeit<br />

Überlauf<br />

R < S<br />

Suffusion<br />

R < S<br />

Kontakterosion Piping<br />

R < S<br />

R < S<br />

Sickerlinie auf<br />

Binnenböschung<br />

R < S<br />

Sickerlinie auf<br />

Binnenböschung<br />

R < S<br />

R < S<br />

Auftrieb Klei<br />

Binnenböschung<br />

R < S<br />

Sickerlinie auf<br />

Binnenböschung<br />

R < S<br />

IF-Gate (wenn dann)<br />

OR-Gate (entweder oder)<br />

Versagensmechanismus<br />

91<br />

Ereignis zwischen Ursache und<br />

Konsequenz


92<br />

Risikoanalyse<br />

Systemelemente zusammenzufassen (FABER, 2003; MOHR und MONTENEGRO, 2003). „Die Quantifizierung<br />

des Fehlerbaums liefert die Wahrscheinlichkeit, dass das top event, also ein bestimmter<br />

gefährlicher Prozess, überhaupt eintreten kann. Sie ergibt aber keine Informationen über Ausmaß<br />

und Häufigkeit <strong>von</strong> Naturereignissen.“ (HOLLENSTEIN, 1997: 93)<br />

Trotz der relativ guten Systemdarstellung mit Fehlerbäumen sind diese bei der Abschätzung <strong>von</strong><br />

Versagenswahrscheinlichkeiten auch mit einigen Nachteilen verbunden. So sind ein vollständiges<br />

Systemdesign sowie ein genaues Verständnis des Systems notwendig, um ein größtes Maß an<br />

Effektivität der Analyse zu erreichen. Nach KORTENHAUS und OUMERACI (2002: 82) muss z.B. zur<br />

Feststellung der Zusammenhänge des Fehlerbaums bei der probabilistischen Abschätzung des<br />

Versagens eines Deiches vorher eine Schadensanalyse oder eine FMEA durchgeführt worden sein,<br />

was mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist.<br />

Zudem schreiben Fehlerbäume die Art und den Ablauf eines Ereignisses vor. Wird z.B. ein Szenario<br />

eines Versagens nicht erfasst ist, so kann auch die Gesamt-Versagenswahrscheinlichkeit eines<br />

Systems nicht richtig berechnet werden.<br />

4.2.2 Ereignisbaumanalysen<br />

Ein Ereignisbaum ist die graphische Umsetzung der Frage: Wie läuft das Ereignis ab? In einem<br />

Bottom up-Verfahren wird mit analytischen und/oder statistischen Methoden induktiv aufgezeigt,<br />

welche Folgen ein initiales Ereignis haben könnte. Damit ist die Betrachtung zeitlich gesehen<br />

vorwärts gerichtet.<br />

Das auslösende Ereignis kann beispielsweise eine Sturmflut oder ein Deichbruch sein, was unter<br />

Umständen zu einer Überflutung führen könnte. Da die Oder-Verknüpfung der einzige Operator ist<br />

(eine bestimmte Entwicklung tritt ein oder nicht), erhält der Ereignisbaum eine kaskadenartige<br />

Struktur. Dadurch wird es möglich, verschiedene Pfade zu durchlaufen und z.B. auf der Konse-<br />

quenzebene ein schädigendes Ereignis und seine Folgen zu identifizieren. Theoretisch können<br />

hierbei unendlich viele Ursache-Folgen Relationen in einem Baum untersucht werden. Da sich die<br />

Zahl der Zweige aber mit jedem Schritt verdoppelt, können in komplexen Systemen sehr große<br />

Bäume entstehen. Dieses kann schon bei einfachen Problemstellungen die manuelle Bearbeitung<br />

und Auswertung erheblich erschweren. Daher werden zur Analyse bei speziellen Fragestellungen<br />

komplexe Bäume in einzelne Äste unterteilt.<br />

Die Abbildung 4.11 zeigt exemplarisch einen Ereignisbaum für die partielle Folgenabschätzung<br />

einer Sturmflut (vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 77ff; FABER, 2003: 15ff).<br />

Bei jeder Verzweigung addieren sich die Wahrscheinlichkeiten der beiden möglichen Ereignisse<br />

zu dem Wert 1. Durch Multiplikation der jeweiligen Wahrscheinlichkeit der Zweige kann man die<br />

Gesamtwahrscheinlichkeit für einen bestimmten Pfad berechnen. Die Unfall- bzw. Schadenswahr-<br />

scheinlichkeit erhält man durch Kombination aller Wahrscheinlichkeiten der Pfade, die zu einem<br />

Unfall bzw. Schaden führen. In Verbindung mit geeigneten Schadensevaluationsmodellen können<br />

so die Schäden quantitativ abgeschätzt werden.


A<br />

P = 0,0095<br />

Sturmflutereignis<br />

P = 0,01<br />

B<br />

P = 0,0001<br />

Küstenschutzsystem<br />

intakt<br />

P = 0,95<br />

C<br />

P = 0,00012<br />

Teilfläche 1 nicht<br />

betroffen<br />

P = 0,2<br />

Siedlungsgebiet<br />

nicht betroffen<br />

P = 0,3<br />

Küstenschutzsystem<br />

versagt<br />

P = 0,05<br />

I<br />

P = 0,0005<br />

D<br />

P = 0,00003<br />

Gebäude nicht<br />

betroffen<br />

P = 0,1<br />

Teilfläche 1<br />

betroffen<br />

P = 0,8<br />

J<br />

P = 0,0004<br />

E<br />

P = 0,00003<br />

Risikoanalyse<br />

Siedlungsgebiet<br />

betroffen<br />

Abb. 4.11: Ereignisbaum zur Abschätzung <strong>von</strong> Personenschäden bei einem Sturmflutereignis<br />

In einem Sicherheitssystem (z.B. Küstenschutzsystem) ist die Wahrscheinlichkeit (P), dass eine<br />

Komponente ausfällt, in der Regel sehr gering, so dass bei erfolgreichem Betrieb P annähernd 1<br />

ist. Die berechnete Versagenswahrscheinlichkeit ist dementsprechend oftmals sehr niedrig.<br />

Die Berechnung mit sehr kleinen abgeschätzten Werten kann aber große Ungenauigkeiten und<br />

Fehler aufweisen. Hierbei sei darauf hingewiesen, dass noch so niedrige Unfall- bzw. Schadenswahrscheinlichkeiten<br />

es nicht rechtfertigen, die damit verbundene Gefahr zu ignorieren.<br />

Sind die Wahrscheinlichkeiten eines Pfades und die Konsequenzen bekannt, kann durch Multipli-<br />

kation der beiden Faktoren das Risiko berechnet werden. Das Gesamtrisiko ergibt sich dann, indem<br />

die Teilrisiken aller Schadenspfade aufsummiert werden (vgl. FABER, 2003: 15ff).<br />

Die Ereignisbaumanalyse kann sehr flexibel durchgeführt werden, so dass einzelne Fragestellun-<br />

gen auch näher untersucht werden können. Dieses geht aus der Fragestellung der Untersuchung<br />

hervor und muss kritisch beurteilt werden, da das Gesamtrisiko letztlich da<strong>von</strong> abhängt, welche<br />

thematischen Rahmenbedingungen festgelegt werden (z.B. Festlegung der zu untersuchenden<br />

Schadenskategorien). Daher werden in der Regel für die Abschätzung des Ereignisablaufs und<br />

der Schadenserwartung keine Gesamtsysteme sondern lediglich einzelne Äste des Ereignisbau-<br />

mes untersucht (HOLLENSTEIN, 1997: 95).<br />

P = 0,1<br />

P = 0,7<br />

K<br />

P = 0,00028<br />

F<br />

P = 0,0002<br />

Keine Wohngebäude<br />

betroffen<br />

P = 0,9<br />

Gebäude betroffen<br />

P = 0,9<br />

L<br />

P = 0,00025<br />

G<br />

P = 0,00002<br />

Rückzugsstockwerk<br />

vorhanden<br />

Evakuierung<br />

möglich<br />

Wohngebäude<br />

betroffen<br />

Kein Rückzugsstockwerk<br />

vorhanden<br />

Wie gezeigt wurde, eignen sich Fehlerbaum- und Ereignisbaumanalysen gut für die Gefährdungs-<br />

und Vulnerabilitätsanalyse bei Naturgefahren. Während der Fehlerbaum für die respektive Ab-<br />

schätzung der Ereigniswahrscheinlichkeit (Gefährdung) genutzt wird, findet der Ereignisbaum<br />

bei den prospektiven Ereignisablauf- und Vulnerabilitätsanalysen seine Verwendung. Somit können<br />

die logischen Bäume bei der Risikoanalyse kombiniert werden.<br />

P = 0,99<br />

P = 0,9<br />

Teilfläche 2 nicht<br />

betroffen<br />

P = 0,3<br />

M<br />

P = 0,00022<br />

P = 0,1<br />

Siedlungsgebiet<br />

nicht betroffen<br />

P = 0,3<br />

Keine Evakluierung<br />

möglich<br />

N<br />

P = 0,00002<br />

P = 0,01<br />

Gebäude nicht<br />

betroffen<br />

P = 0,1<br />

Teilfläche 2<br />

betroffen<br />

P = 0,7<br />

Keine Wohngebäude<br />

betroffen<br />

Siedlungsgebiet<br />

betroffen<br />

P = 0,7<br />

O<br />

P = 0,0000002<br />

P = 0,1<br />

Rückzugsstockwerk<br />

vorhanden<br />

P = 0,9<br />

Gebäude betroffen<br />

P = 0,9<br />

P = 0,8<br />

Wohngebäude<br />

betroffen<br />

G<br />

P = 0,00002<br />

P = 0,9<br />

Evakuierung<br />

möglich<br />

P = 0,99<br />

Kein Rückzugsstock -<br />

werk vorhanden<br />

P = 0,1<br />

93<br />

Auswirkung mit Teil -<br />

Wahrscheinlichkeit<br />

Auswirkung mit<br />

Gesamt-<br />

Wahrscheinlichkeit


94<br />

Risikoanalyse<br />

4.2.3 Zusätzliche Methoden und Techniken der Risikoanalyse<br />

Neben den dargestellten Methoden zur Risikoanalyse stehen weitere Verfahren und Techniken<br />

zur Verfügung, die Teilbereiche des Analysevorgangs verbessern bzw. vereinfachen, oder mit<br />

deren Anwendung die Datenbasis erweitert bzw. analysiert werden kann. So können z.B. Verfah-<br />

ren aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (z.B. Neuronale Netzwerke) die Identifizierung<br />

<strong>von</strong> Gefahrenquellen unterstützen. Zudem ist es möglich, mit verschiedenen Datam ining-Metho-<br />

den aus großen Datenmengen relevante Datensätze zu extrahieren. Im Folgenden sollen diese<br />

Methoden und Techniken kurz erläutert werden. Für eine detaillierte Darstellung sei auf die weiterführende<br />

Literatur verwiesen.<br />

Neuronale Netzwerke<br />

Neben den etablierten statistischen und deterministischen Verfahren zur Gefährdungsanalyse<br />

können auch Künstliche Neuronale Netze (KNN) insbesondere zur Gefahrenidentifikation eingesetzt<br />

werden (vgl. FERNÁNDEZ-STEEGER und CZURDA, 2002). Neuronale Netze sind, motiviert durch das<br />

biologische Vorbild (z.B. der Nervensysteme), ein komplexes Rechenmodell zur Informationsver-<br />

arbeitung. Lernfähigkeit und Parallelität bei der Informationsverarbeitung zählen zu ihren wichtigsten<br />

Merkmalen.<br />

Vereinfacht bestehen die KNN aus hochvernetzten einfachen Recheneinheiten, sog. Neuronen, die<br />

lernen, Klassifikationsaufgaben zu erfüllen. Diese sind über gewichtete Verbindungen vernetzt.<br />

Wichtig ist, dass die KNN ihre Operationen auch mit verrauschten bzw. gestörten Datensätzen<br />

durchführen können (vgl. NÖLTE, 1997). FERNÁNDEZ-STEEGER und CZURDA (2002) konnten mit<br />

einem vorwärtsgerichteten Netzwerk am Beispiel <strong>von</strong> Hangrutschungen die Möglichkeiten der Ge-<br />

fahrenidentifikation mit KNN aufzeigen. Allerdings wurde hierbei auch deutlich, dass die Fähig-<br />

keit der Netze und dementsprechend die der Resultate maßgeblich <strong>von</strong> den Eingabedaten<br />

(z.B. Geländemodell) bestimmt wird und dass noch einige Schwächen in der Generalisierungsfähigkeit<br />

der Netze bestehen.<br />

Bayes’sche Netze<br />

Die zur Verfügung stehenden Informationen bei einer Naturrisikoanalyse (z.B. Gefährdung,<br />

Schadensmodelle, Versagenswahrscheinlichkeiten <strong>von</strong> Schutzsystemen) basieren häufig sowohl<br />

auf unsicherem Expertenwissen als auch auf Daten, die in Form <strong>von</strong> Messwerten vorliegen. Daher<br />

ist es sinnvoll, Verfahren einzusetzen, die beide Formen der Information verarbeiten können und<br />

aus den vorhandenen qualitativen und quantitativen Daten Schlussfolgerungen ziehen. Darüber<br />

hinaus müssen sie die komplexen Zusammenhänge, die zwischen den möglicherweise raum- und<br />

zeitabhängigen Einfluss- und Zielvariablen bestehen, adäquat modellieren können.<br />

Exakte mathematische Modelle sind in vielen Fällen nicht vorhanden oder für eine praktische<br />

Anwendung zu umfangreich. Für die Modellierung solcher Systeme hat sich in den letzten Jahren<br />

der Einsatz Bayes’scher Netze (BN) als besonders geeignet erwiesen. 14 Sie ermöglichen es, sowohl<br />

eine Vorhersage als auch eine Diagnose durchzuführen und a priori Wissen einzubeziehen.<br />

14 Bayes’scher Netze beruhen auf dem Theorem <strong>von</strong> Bayes, nach dem z.B. Informationen aus Daten (a-priori-Verteilung) und einer<br />

Expertenabschätzung (Expertenverteilung) zu einer a-posteriori-Verteilung kombiniert werden (vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 81).


Risikoanalyse<br />

Bayes’sche Netze basieren auf der Wahrscheinlichkeitstheorie und bieten eine graphische Reprä-<br />

sentation der Zusammenhänge zwischen den Elementen einer Menge <strong>von</strong> Zufallsvariablen. Im<br />

Wesentlichen besteht ein BN aus zwei Teilen: einem Graphen zur Spezifikation der kausalen Zu-<br />

sammenhänge zwischen den relevanten Größen und aus Tabellen <strong>von</strong> bedingten Wahrscheinlichkeiten,<br />

welche die quantitativen Beziehungen zwischen diesen Größen repräsentieren. Mit Hilfe<br />

der probabilistischen Inferenz lassen sich Anfragen an das Bayes’sche Netz beantworten. Dazu<br />

werden die Werte für die beobachteten Variablen eingegeben. So genannte Inferenzalgorithmen<br />

berechnen dann die gesuchten Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Zielgrößen.<br />

Häufig ist es aber für einen Experten nicht möglich, ein Bayes’sches Netz, das die komplexen Zusammenhänge<br />

des Sachbereichs modelliert, mit den notwendigen bedingten Wahrscheinlichkei-<br />

ten ad hoc anzugeben. Daher wurde eine Reihe <strong>von</strong> Algorithmen zum Lernen der Struktur und<br />

auch zum Lernen der Wahrscheinlichkeitstabellen aus den vorhandenen Daten entwickelt<br />

(vgl. FABER, 2001; FB INFORMATIK DER UNIVERSITÄT DES SAARLANDES, 1999; ZEDO, 1998).<br />

Multivariate Verfahren und Datamining<br />

Mit multivariaten Verfahren ist es möglich, in hochdimensionalen Datensätzen bestimmte Struk -<br />

turen zu finden. Hierzu können mit klassischen statistischen Methoden z.B. der Diskriminanzanalyse<br />

und der Clusteranalyse (vgl. BOVIS, 1977; FÖHN, 1977) Daten extrahiert und klassifiziert wer-<br />

den. Beim Clustering (Gruppierung) werden aus der vorhandenen Datenmenge Gruppen <strong>von</strong> in<br />

sich möglichst homogenen, aber untereinander möglichst heterogenen Datensätzen gebildet. Die<br />

Analyse der Information erfolgt auf Basis dieser Gruppierung. So lassen sich z.B. aus einem großen<br />

demographischen Datensatz für ein gefährdetes Gebiet auf der Basis <strong>von</strong> Vulnerabilitätskrite-<br />

rien besonders vulnerable Bevölkerungsteile identifizieren und gruppieren.<br />

Datamining bezeichnet ein aktuelles, stark expandierendes Forschungs- und Anwendungsfeld,<br />

das sich ebenfalls mit der Entwicklung <strong>von</strong> Methoden zur Extraktion <strong>von</strong> Informationen aus gro-<br />

ßen Datenmengen befasst. Hintergrund hierfür ist das starke Anwachsen digital verfügbarer Daten.<br />

Die Aufbereitung und Extraktion nützlicher Informationen aus diesen riesigen Datenmengen,<br />

zum Beispiel für dispositive Zwecke, d.h. zur Entscheidungsunterstützung bei Planungs- und<br />

Kontrollaufgaben, hat zu der Entwicklung <strong>von</strong> neuen Analysemethoden und -werkzeugen ge-<br />

führt. Mit diesen werden die oben genannten Methoden der Statistik - als der klassische Ansatz<br />

zur Informationsgewinnung aus Daten - ergänzt und erweitert (z.B. Neuronale Netze, Entschei-<br />

dungsbäume) (vgl. BACKHAUS, 1990; ENGEL et al., 1995; FAYYAD et al., 1996).<br />

Fuzzy-Logik<br />

In Risikoanalysen wird versucht, die Realität in einem Modell abzubilden, welches die Grundlage<br />

für eine Prognose des zukünftigen Zustandes und für Entscheidungen zu etwaigen Maßnahmen<br />

bildet. Den Parametern des Modells entsprechen quantitative und qualitative Daten, die aus dem<br />

vergangenen und gegenwärtigen Zustand der Realität zu erheben sind. Diese Daten sind in der<br />

Regel schwankend, unsicher, unscharf oder nur unvollständig ermittelbar (vgl. Kap. 4.1.2).<br />

Den Zusammenhang zwischen Eingangsdaten und Prognoseergebnis bildet ein Satz <strong>von</strong> Regeln.<br />

Diese Regeln spiegeln das Wissen z.B. <strong>von</strong> Experten wieder. Eine derartige Regel hat sprachlich<br />

formuliert etwa folgende Form:<br />

95


96<br />

Risikoanalyse<br />

Wenn der Wasserstand und die Wellenenergie sehr hoch sind und die Wehrfähigkeit des Deiches sehr nied-<br />

rig ist, dann ist die Überflutungsgefahr sehr groß.<br />

Es ist daher notwendig, die Unschärfe selbst zum Gegenstand der Modellierung zu machen, insbesondere<br />

um solche vagen oder nur verbal formulierten Beobachtungen in ein naturwissen-<br />

schaftliches Modell einbringen zu können (OBERGUGGENBERGER, 2000; vgl. SEISING, 1999; STEFFAN<br />

und MOSER, 2003). 15<br />

Ein mathematischer Formalismus zur Transformation qualitativer und quantitativer Parameter ist<br />

die Fuzzy-Logik. Diese ist die Logik des unscharfen Schließens. Hierbei wird die Wertemenge der<br />

Bool´schen Logik (0, 1) um den Graubereich zwischen Null und Eins erweitert. Die Fuzzy-Logik<br />

basiert auf dem <strong>von</strong> ZADEH (1968) entwickelten Konzept der unscharfen Mengen, zu denen auch<br />

unscharfe Wahrscheinlichkeiten gehören. Das Grundprinzip beschreibt, wie man Begriffe wie<br />

meistens, häufig , groß modelliert, ohne feste Grenzen zu benutzen. So ist es möglich, Aussagen<br />

nicht nur mit richtig oder falsch oder binär mit 0 und 1 zu bewerten, sondern mit Werten einer<br />

Menge mit endlich oder unendlich vielen Elementen (WAGNER, 2002: 244). Aus den Wahrscheinlichkeitsverteilungen<br />

der unscharfen Größen ergeben sich sog. Fuzzy-Sets als geordnete Menge<br />

<strong>von</strong> Paaren, auf die sich - analog zur scharfen Logik - Verknüpfungsoperatoren definieren lassen<br />

(z.B. WENN Wasserstand hoch UND Deichoberfläche beschädigt, DANN ist das Hinterland über-<br />

flutungsgefährdet) (vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 82). Der Ansatz ermöglicht also:<br />

• das Erfassen der Unschärfe;<br />

• das Beschreiben der Unschärfe;<br />

• das Rechnen mit der Unschärfe;<br />

• das Beurteilen des Ergebnisses/der Aussage.<br />

Vorteil der Fuzzy-Logik ist u. a., dass die Unsicherheiten <strong>von</strong> Schätzungen quantitativ als Möglichkeitsverteilungen<br />

dargestellt werden können und nicht hinter fehlerbehafteten Punktschät-<br />

zungen verborgen bleiben. Ein Anwendungsbeispiel bei der Risikoanalyse ist die Nutzung <strong>von</strong><br />

historischen Daten und Augenzeugenberichten z.B. für die Wahrscheinlichkeitsabschätzung <strong>von</strong><br />

Extremwertereignissen (WAGNER, 2002: 247).<br />

Experteninterviews<br />

Da die Datenverfügbarkeit für die Risikoanalyse <strong>von</strong> Naturgefahren insbesondere bei der Scha-<br />

densabschätzung oftmals sehr eingeschränkt ist, kann z.B. zur prognostischen Abschätzung <strong>von</strong><br />

Trends oder zur Informationsbeschaffung die Datenbasis durch Experteninterviews erweitert<br />

werden.<br />

Bei einem Experteninterview handelt es sich um die Befragung <strong>von</strong> Personen, die selbst meist<br />

nicht Untersuchungseinheit sind. Es interessiert allein das implizite Wissen um spezielle Sachverhalte<br />

und ausgewählte Problemstellungen, die für die Risikoanalyse im jeweiligen Kontext relevant<br />

sind und welche die interviewte Person (Experte) besitzt (Expertenwissen) (vgl. DEEKE, 1995).<br />

15 Die verschiedenen Theorien, die sich mit Datenunschärfe befassen, werden üblicherweise unter dem Oberbegriff Möglichkeitstheorie<br />

zusammengefasst (vgl. OBERGUGGENBERGER, 2000).


Risikoanalyse<br />

Zum Experten wird derjenige, <strong>von</strong> dem sich der Analytiker in Bezug auf seine Fragestellung einen<br />

relevanten Beitrag verspricht und <strong>von</strong> dem begründeterweise angenommen wird, dass er über<br />

exklusives Expertenwissen verfügt.<br />

Da Expertenmeinungen in der Regel streuen, kann es erforderlich sein, die Einschätzungen durch<br />

einen Eichungsprozess zu Poolen (Vereinheitlichung verschiedener Meinungen zu einem Wert)<br />

oder zu Kalibrieren (Anpassung einer Einschätzung aufgrund <strong>von</strong> anderen Schätzungen)<br />

(vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 82f).<br />

Ein oftmals eingesetztes Verfahren zur Expertenbefragung ist die Delphi-Methode 16 . Diese ist im<br />

Kern ein relativ stark strukturierter Gruppenkommunikationsprozess, in dem Fachleute individuell<br />

und intuitiv über Sachverhalte urteilen, über die naturgemäß unsicheres und unvollständiges<br />

Wissen vorhanden ist. Mit Hilfe <strong>von</strong> Wiederholungsrunden wird in einem iterativen Prozess eine<br />

Konvergenz der einzelnen Meinungen angestrebt (vgl. SEEGER, 1979: 12ff). Eine Delphi-Befragung<br />

orientiert sich an folgenden methodischen Grundsätzen<br />

(vgl. BECKER, 1974; IGUW, 2003; SEEGER, 1979):<br />

• Expertenpanel: Befragt wird, wer fachlich kompetent ist (d.h. zur passenden Expertengruppe zählt) und<br />

sich im Vorfeld mit einer Befragung einverstanden erklärt hat. Je nach Fragestellung variiert die Zahl der<br />

Befragten sehr stark. Es gibt Beispiele <strong>von</strong> Delphi-Studien, die mit sieben Teilnehmern durchgeführt<br />

wurden. Üblich ist jedoch eher eine Beteiligung <strong>von</strong> 50 bis 100 Experten.<br />

• Iterative und nachprüfbare Befragung: Die Befragung wird in der Regel schriftlich unter Verwendung eines<br />

weitgehend formalisierten Fragebogens durchgeführt. Es erfolgt eine statistische Auswertung und die<br />

Ermittlung einer statistischen Antwort der Gruppe (Median, Quartile). Unter Berücksichtigung der Grup-<br />

penurteile erfolgt dann eine Wiederholung der Befragung für eine erneute Urteilsbildung der Experten,<br />

bis eine zufrieden stellende Konvergenz der einzelnen Einschätzungen (synthetische Gruppenmeinung) er-<br />

reicht ist (meist 2-3 Delphi-Runden). Bei starken Abweichungen vom durchschnittlichen Aussagewert<br />

werden oft Begründungen gefordert.<br />

• Zeit: Zwischen der Aussendung der schriftlichen Fragebögen und der Auswertung der (Zwischen-)<br />

Ergeb nisse muss in der Regel ein Zeitraum <strong>von</strong> mindestens 2-4 Wochen eingeplant werden, um den be-<br />

teiligten Experten ausreichend Zeit zur Einschätzung der zu untersuchenden Sachverhalte zu geben.<br />

Daher sind Delphi-Befragungen meist sehr zeitintensiv.<br />

• Organisation: Eine neutrale Person koordiniert die Befragungen der Experten über mehrere Runden.<br />

• Anonymität: Keiner der Befragten weiß, wer zum Expertenpanel gehört. Die Ergebnisse der Zwischen-<br />

runden sowie das Endergebnis werden zur Vermeidung persönlicher Einflussnahmen und gruppen-<br />

dynamischer Effekte anonymisiert.<br />

Problematisch bei der Delphi-Methode ist unter anderem, dass sich die Meinungen der Experten<br />

in Richtung einer vorherrschenden Gesamteinstellung entwickeln und diese nicht unbedingt mit<br />

dem wahren Wert des Sachverhaltes übereinstimmen muss.<br />

Trotz der konzeptionell verschiedenen Mängel (vgl. COOKE, 1991) eignet sich die Methode relativ<br />

gut zur Informationsgewinnung und Aggregation bei der Naturrisikoanalyse<br />

(vgl. HOLLENSTEIN, 1997: 84).<br />

Im Rahmen des MERK-Projektes wurde das Schadensmodell zur Abschätzung möglicher Sturm -<br />

flutschäden im Küstenraum auf der Basis einer Expertenbefragung entwickelt (Kap. 4.4.4.1).<br />

16 Entwickelt wurde diese Methode in den 50er-Jahren in der militärischen RAND-Corporation in den USA. Ziel war, herauszufinden,<br />

welche Angriffsziele in den USA die Sowjetunion möglicherweise in Betracht zieht. HOLLENSTEIN (1997: 83) bezeichnet das<br />

Verfahren als eine rekursive Approximation <strong>von</strong> Schätzungen und Meinungen.<br />

97


98<br />

4.3 Risikoanalysen im Küstenraum<br />

Risikoanalyse<br />

Wie in Kap. 3.5 erläutert wurde, werden die Küstenräume der Erde und ihre vielfältigen Funktionen<br />

mit verschiedenen Problemen und Bedrohungen konfrontiert. Die Kenntnis des Risikos ist<br />

hier u. a. für ein angepasstes Sicherheits- und Krisenmanagement in potenziellen Überflutungsräumen<br />

unerlässlich. So betont die Bundesregierung in ihrem 5-Punkte-Programm zur Verbesse-<br />

rung des vorbeugenden Hochwasserschutzes nach dem Hochwasserereignis im August 2002:<br />

„Für bereits bebaute Flächen sind Konzepte zur Verminderung des Schadenspotenzials sowie für<br />

einen verbesserten Schutz zu entwickeln. Vorraussetzung hierfür ist eine umfassende Erfassung<br />

und Bewertung der Flächen mit einem erhöhten Überflutungsrisiko.“ (BMVBW, 2002)<br />

Auch wenn die Forderungen sich auf potenzielle Flussüberschwemmungen beziehen, so sind<br />

diese selbstverständlich auch auf den Küstenraum anzuwenden.<br />

Vollständige Risikoanalysen sind im Küstenraum allerdings in der Vergangenheit eher selten<br />

durchgeführt worden (vgl. VON LIEBERMANN und MAI, 2001; KRIM, 2003). In der Regel konzent-<br />

rierten sich die Untersuchungen in den letzten beiden Dekaden auf einzelne Teilaspekte des Risi-<br />

kos wie z.B. die Gefährdungs- und/oder Vulnerabilitätsabschätzung. Hierbei kamen je nach<br />

Fragestellung und Untersuchungsmaßstab unterschiedliche Modelle und Techniken zum Einsatz.<br />

Im Folgenden werden die verschiedenen Ansätze und Verfahren zur Risikobetrachtung in über-<br />

flutungsgefährdeten Räumen (Fluss- und Küstengebiete) und ihre Relevanz für den deutschen<br />

Küstenraum dargestellt.<br />

Mit der Ermittlung der Vulnerabilität in potenziellen Überflutungs- bzw. Überschwemmungs-<br />

räumen befassen sich im Wesentlichen zwei wissenschaftliche Strömungen. Während einige Stu-<br />

dien sich mit der Bewertung <strong>von</strong> Schutzmaßnahmen an Flüssen und Küsten beschäftigen<br />

(z.B. KLAUS und SCHMIDTKE, 1990; PENNING-ROWSELL und CHATTERTON, 1977), untersuchen<br />

andere die Folgen eines Meeresspiegelanstiegs im Rahmen der Klimafolgenforschung (z.B.<br />

FANKHAUSER, 1995; TURNER et al., 1995).<br />

Bei der Bewertung <strong>von</strong> Schutzmaßnahmen werden die möglichen Schäden einer Überflutung für<br />

konkrete Maßnahmenplanungen mikroskalig (vgl. REESE et al., 2001) oder für langfristige strategische<br />

Planungen mesoskalig (vgl. COLIJN et al., 2000) ermittelt (vgl. Kap. 4.1.3.1).<br />

Ein Großteil der vorliegenden Studien berücksichtigt lediglich das Schadenspotenzial als Indiz für<br />

die Vulnerabilität im Untersuchungsraum. Als Schadensauslöser werden hierbei Extremereignisse<br />

wie Sturmfluten oder Flusshochwasser betrachtet. Im Rahmen der Klimafolgenforschung hingegen<br />

ist das schadensauslösende Element ein langfristiger Meersspiegelanstieg. Ziel dieser Unter-<br />

suchungen ist es, politische Entscheidungen über Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen<br />

(vgl. BERGER, 2001).<br />

Um die mögliche Bedrohung im Küstenraum zu untersuchen, wurde Ende der 80er Jahre im IPCC<br />

die Coastal Zone Management Subgroup (CZMS) installiert. Diese entwickelte die Common Methodo-<br />

logy, ein makroskaliges Verfahren zur Ermittlung der Betroffenheit <strong>von</strong> Küstenzonen durch den<br />

Meeresspiegelanstieg (vgl. BEHNEN, 2000; STERR et al., 2000).


Risikoanalyse<br />

In den 90er Jahren wurden auf der Basis dieser standardisierten Methode verschiedene Länder-<br />

studien (vgl. CARTER et al., 1994; DENNIS et al., 1993; KLEIN und NICHOLLS, 1999; TURNER et al.,<br />

1993; YOHE et al., 1995) sowie Untersuchungen zur Weiterentwicklung bestehender Verfahren<br />

durchgeführt (vgl. CLINE, 1992; FANKHAUSER, 1995; HARVEY et al., 1999; NORDHAUS, 1991).<br />

Im Folgenden sollen die Forschungstätigkeiten zur Gefährdung und Vulnerabilität in Küsten- und<br />

Flussräumen zusammenfassend betrachtet werden. Den unterschiedlichen Fragestellungen und<br />

verwendeten Methoden entsprechend, differieren die dargestellten Untersuchungen teils erheb-<br />

lich in den Methoden und Ergebnissen.<br />

Die Tabelle 4.6 zeigt für ausgesuchte Studien die Veranlassung, die Wahl der Betrachtungsskalen<br />

sowie die untersuchten Schadenskategorien. Aufgrund des offensichtlichen Mangels an Überein-<br />

stimmungen der einzelnen Verfahren, wird der Bedarf an standardisierten Methoden deutlich.<br />

Eine Synthese der unterschiedlichen Ansätze ist u. a. bei BERGER (2001), KNOGGE (1998, 1998a) und<br />

REESE (2003) zu finden.<br />

Tab. 4.6: Vulnerabilitätsstudien und ihre Charakteristika<br />

(Quelle: nach BERGER, 2001)<br />

Studie, Region<br />

HARTJE et al., 2001, Sylt<br />

MOTOR COLUMBUS, 1986, Hamburg<br />

Mikroskalig<br />

Mesoskalig<br />

Makroskalig<br />

Klimafolgenforschung<br />

Maßnahmenplanung<br />

REESE et al., 2003, verschied. Gebiete an der<br />

Nord- und Ostseeküste Schleswig-Holsteins<br />

BALL et al., 1991, South Coast (GB)<br />

BATEMAN et al., 1991, East Anglia (GB)<br />

HAMANN und KLUG, COLIJN et al. 98/00, Nord-<br />

und Ostseeküste Schleswig-Holsteins<br />

KIESE und LEINEWEBER, 2000, Unterweserregion<br />

KLAUS und SCHMIDTKE, 1990, Wesermarsch<br />

OSAM, 1995, Mecklenburg-Vorpommern<br />

MURL, 2000, Rhein in Nordrhein-Westfahlen<br />

LEATHERMAN und YOHE, 1996, US Country<br />

Program<br />

BEHNEN, 2000, dt. Nord- u. Ostseeküste<br />

Im Zuge der Klimadiskussion wurde 1991 das Bund-Länder-Forschungsprogramm Klimaänderung<br />

und Küste (K&K) entwickelt (vgl. Sterr et al., 1996).<br />

Skala<br />

Anlass<br />

Grundstücke<br />

Direkte, tangible Kategorien<br />

Wohnstätten Wirtschaftstätigkeit Infrastruktur<br />

Gebäude<br />

Hausrat<br />

Kraftfahrzeuge<br />

Grundstücke<br />

Gebäude<br />

Anlagevermögen<br />

Vorratsvermögen<br />

Viehbestand<br />

Landwirtschaftsfläche<br />

Forstwirtschaftsfläche<br />

Öffentlicher Tiefbau<br />

Straßen<br />

Bahnstrecken<br />

Deichlinie<br />

Be-/Entwässerungssysteme<br />

Öffentl. Frei- u. Grünflächen<br />

Indirekte,<br />

tangible<br />

Kategorien<br />

Wertschöpfung/BIP<br />

Katastrophenschutz<br />

Steuereinnahmen<br />

99<br />

Fremdenbetten<br />

Umwelt- oder Kulturgüter


100<br />

Risikoanalyse<br />

In dem 1994 vorgelegten Forschungsleitplan wird u. a. folgendes Ziel des Verbundvorhabens<br />

definiert:<br />

Analyse und Klassifikation <strong>von</strong> Küstenabschnitten nach Gefährdungsgrad gegenüber Klimaänderungen<br />

bzw. Schutzwürdigkeit.<br />

Dieses Ziel wurde u. a. mit der Gefährdungs- und Vulnerabilitätsabschätzung in den Gebieten der<br />

deutschen Nord- und Ostseeküste nach der Methode des IPCC verfolgt (vgl. EBENHÖH et al.,<br />

1997). Im Fokus dieser makroskaligen Untersuchung stand die Abschätzung der sozioökonomi-<br />

schen Folgen eines Klimawandels im Küstenraum (vgl. BEHNEN, 2000; DASCHKEIT und STERR,<br />

1999; KNOGGE, 1998). 17<br />

Darüber hinaus lassen sich mit mesoskaligen Studien die sozioökonomischen Folgen auf der re-<br />

gionalen Ebene wesentlich genauer abschätzen (vgl. KNOGGE, 1998a). In Deutschland gilt die sog.<br />

Wesermarschstudie quasi als Referenzgutachten für mesoskalige Untersuchungen (vgl. KLAUS und<br />

SCHMIDTKE, 1990). Hierbei wurde auf der Basis amtlicher Statistiken untersucht, wie sich die Ver-<br />

mögens- und Wertschöpfungsverluste reduzieren lassen, wenn bestimmte Deichbauvorhaben<br />

durchgeführt werden. Basierend auf dieser Methodik folgten zahlreiche weitere Studien zur regionalen<br />

Abschätzung der Schadenspotenziale und der Schadenserwartungen an Flüssen und Küs-<br />

ten (vgl. HAMANN und KLUG, 1998; KIESE und LEINEWEBER, 2000; MURL, 2000; OSAM, 1995).<br />

Neben der schon erläuterten makroskaligen Vulnerabilitätsanalyse für den deutschen Küstenraum<br />

wurden im Rahmen des Programms Klimaänderung und Küste verschiedene interdisziplinäre<br />

Verbundvorhaben durchgeführt. Für die Fragestellung der Arbeit sind hierbei insbesondere der<br />

Projektverbund Klimaänderung und Unterweserregion (KLIMU) (vgl. ELSNER und KNOGGE, 2001)<br />

und die Fallstudie Sylt (vgl. DASCHKEIT et al., 2002) zu nennen, die sich in Teilprojekten mit der<br />

Vulnerabilität des Küstenraumes befasst haben.<br />

Während im KLIMU-Vorhaben die sozioökonomischen Folgen im Falle eines Deichbruchs mesoskalig<br />

erfasst wurden, wurde für die Insel Sylt ein mikroskaliger Ansatz zur Abschätzung der<br />

Folgen eines Klimawandels gewählt (vgl. HARTJE et al., 2001). Da mikroskalige Untersuchungen in<br />

der Regel sehr aufwendig sind, wurde diese detaillierte Methodik in der Vergangenheit nur selten<br />

verwendet (vgl. MOTOR COLUMBUS, 1986; REESE et al., 2001). Sie ist aber in der konkreten Maß-<br />

nahmenplanung ein wichtiges und geeignetes entscheidungsunterstützendes Element.<br />

Im Rahmen des Forschungsprojektes MERK wurde ebenfalls ein solcher mikroskaliger und ob-<br />

jektbezogener Ansatz gewählt. Hierbei berücksichtigt die Studie sowohl die Evaluation des Schadenspotenzials<br />

als auch der Schadenserwartung (vgl. REESE und MARKAU, 2002; REESE et al., 2003).<br />

Abschließend ist das derzeit noch nicht beendete BMBF-Projekt KRIM (Klimawandel und präven-<br />

tives Risiko- und Küstenschutzmanagement) zu erwähnen, in dem die Konsequenzen eines be-<br />

schleunigten Meeresspiegelanstiegs und verstärkter Extremereignisse für die natürlichen und<br />

gesellschaftlichen Strukturen an der deutschen Nordseeküste untersucht werden (KRIM, 2003).<br />

17 Dabei konzentrierte sich die Fragestellung auf sog. Anpassungskosten (Welche Kosten entstünden, wenn bestimmte Auswirkungen<br />

eines Klimawandels eintreten?) und Vermeidungskosten (Welche Kosten entstünden, wenn präventive Abschwächungsmaßnahmen<br />

eingeleitet werden?) (DASCHKEIT und STERR, 1999: 10f).


Risikoanalyse<br />

4.4 Risikoanalyse an der Nordseeküste - Fallstudie St. Peter -Ording<br />

Im Folgenden wird exemplarisch für die Gemeinde St. Peter-Ording an der schleswig-holsteini-<br />

schen Westküste das Sturmflutrisiko analysiert. Die Methodik sowie die Ergebnisse basieren hierbei<br />

auf den Untersuchungen, die im Rahmen des MERK-Projektes durchgeführt wurden<br />

(vgl. REESE et al., 2003). Das Vorgehen orientiert sich an dem in Kap. 4.1 erläuterten modularen<br />

Verfahren der Risikoanalyse.<br />

4.4.1 Systemabgrenzung und -beschreibung im Küstenraum<br />

Die Systemabgrenzung und -beschreibung ermöglicht die Definition und Erfassung des Untersu-<br />

chungsgegenstandes und bietet somit eine möglichst funktional vollständige, generalisierte Ab-<br />

bildung der Realität im Untersuchungsraum St. Peter-Ording (vgl. Kap. 4.1.1). Das System wird<br />

hierbei thematisch, kausal, konditionell und räumlich abgegrenzt.<br />

Die thematische Abgrenzung liefert die relevanten Prozesse und die zu untersuchenden Wertob-<br />

jekte. Untersucht werden die sozioökonomischen Folgen einer extremen Sturmflut bei Versagen<br />

der bestehenden Küstenschutzmaßnahmen und einer Überflutung des Hinterlandes. Hierbei<br />

werden zusätzliche Folgen z.B. durch Sturm oder Rückstaueffekt im potenziellen Überflutungs-<br />

gebiet nicht berücksichtigt. Relevante Prozesse sind demnach solche,<br />

• die in einem kausalen Zusammenhang mit der Entstehung <strong>von</strong> Sturmfluten bzw. hohen Wasserständen<br />

an der Küste stehen (vgl. Kap. 3.5.1), wie z.B. Windstärke, Windrichtung, Windstau, Windstreichlänge,<br />

Tide (Springtide), Druckunterschiede auf der Wassersäule, externe Wassereinträge, die Küstenform (z.B.<br />

Buchtenstau), die Tiefe des Schelfs und Fernwellen;<br />

• die in einem kausalen Zusammenhang mit dem Versagen <strong>von</strong> Schutzmaßnahmen (Deichen) stehen<br />

(vgl. Kap. 3.5.4 und 4.1.2), wie z.B. Deichbruch, Überströmen, Überlauf, Durchsickerung, Durchfeuch-<br />

tung, Piping, Erosion der Außenböschung, Gleiten der Außenböschung, Vorschädigung der Außenbö-<br />

schung, Erosion der Binnenböschung, Gleiten der Binnenböschung, Vorschädigung der Binnenbö-<br />

schung, Deichinstallationen;<br />

• die unmittelbar schädigend auf die Wertobjekte im Untersuchungsraum wirken können, wie z.B.<br />

elektrochemische Prozesse (z.B. Lösung und Korrosion) oder dynamische Einwirkungen durch hohe<br />

Energieeinträge (z.B. Wellenschlag und Strömung).<br />

Als Risikoelemente werden Menschen, Sachgüter (z.B. Gebäude, KFZ), ökonomische Stromgrößen<br />

(z.B. Bruttowertschöpfung) und Funktionen (z.B. Interventionspotenzial, Evakuierung) im System<br />

erfasst und bewertet (vgl. Kap. 4.4.3).<br />

Mit der kausalen Abgrenzung des Systems wird für die Folgenabschätzung festgelegt, dass ver-<br />

schiedene tangible und intangible, direkte und indirekte sowie primäre und sekundäre Schäden<br />

untersucht werden (vgl. Kap. 4.1.3.2).<br />

101


102<br />

Risikoanalyse<br />

Damit ergeben sich folgende Schadensindikatoren:<br />

• Anzahl getöteter Menschen;<br />

• Anzahl evakuierter Menschen (inkl. Evakuierungskosten);<br />

• Anzahl gefährdeter Gästebetten;<br />

• Anzahl gefährdeter Arbeitsplätze;<br />

• Monetäre Schäden an Sachwerten und Stromgrößen in Euro.<br />

Mit der konditionellen Abgrenzung wird festgelegt, dass das System weitestgehend unter Be-<br />

rücksichtigung der aktuellen internen und externen Zustände und Wirkungsweisen analysiert<br />

wird. Die Analyse ist demnach eine Momentaufnahme der gegenwärtigen Bedingungen. Eine<br />

Ausnahme bildet die Auswahl des betrachteten Extremereignisses, welches sich an einem mögli-<br />

chen Klimawandel und dem daraus resultierenden Meeresspiegelanstieg orientiert. Hierdurch<br />

erhält die Analyse einen prognostischen Aspekt.<br />

Die räumliche Abgrenzung des Systems ergibt sich aus der Veranlassung und Fragestellung der<br />

Analyse. Mit St. Peter-Ording wurde ein Fokusgebiet an der Nordseeküste ausgewählt, welches<br />

u. a. aus folgenden Gründen für eine Risikoanalyse geeignet ist:<br />

• das Gebiet weist aufgrund seiner exponierten Lage im Westen der Halbinsel Eiderstedt eine relativ hohe<br />

Sturmflutgefährdung auf;<br />

• ist durch ein geschlossenes Deich- bzw . Dünenband <strong>von</strong> der Nordsee abgeriegelt, so dass ein Versagen<br />

der Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden kann;<br />

• wäre aufgrund der überwiegend niedrigen Höhenlagen im Hinterland <strong>von</strong> einer Überflutung relativ<br />

stark betroffen;<br />

• ist ein wichtiger Fremdenverkehrsort an der Westküste, so dass dieser für das Land Schleswig-Holstein<br />

wichtige Wirtschaftsfaktor berücksichtigt werden kann;<br />

• hat für die Region eine bedeutende Versorgungsfunktion und zeigt einen sehr differenzierten ökonomi-<br />

schen und infrastrukturellen Charakter.<br />

St. Peter-Ording hat eine offizielle Gemeindegröße <strong>von</strong> ca. 2 825 ha (STATISTISCHES LANDESAMT<br />

SCHLESWIG-HOLSTEIN, 1997). Der engere Untersuchungsraum lässt sich anhand der Morphologie<br />

im Küsteraum gut abgrenzen. Dieser entspricht dem Planungsgebiet Küstenschutz und erstreckt<br />

m ü. NN Fläche (ha) %<br />

< 0 0 0,00<br />

0 – 1 425,93 10,80<br />

1 – 2 2 200,02 55,79<br />

2 – 3 920,60 23,34<br />

3 – 4 250,29 6,35<br />

4 - 5 146,85 3,72<br />

Gesamt 3 943,69 100,00<br />

Tab. 4.7: Höhenverteilung im<br />

potenziellen Überflutungsgebiet<br />

sich bis zur 5 m-Isohypse ins Hinterland (vgl. MLR,<br />

2001: 8f). Zuzüglich der Deichvorländer, die nicht zur offi-<br />

ziellen Gemeindefläche zählen, in denen aber einige Wertstrukturen<br />

vorhanden sind und inklusive der Wasserflä-<br />

chen hinter der Deichlinie, hat dieses Gebiet eine Größe<br />

<strong>von</strong> ca. 3 940 ha (ohne Vorländer und Wasserflächen<br />

2 295 ha; Tab. 4.7).<br />

Dieser potenzielle Prozessraum wird im Folgenden als<br />

potenzielles Überflutungsgebiet bezeichnet. Höher gelegene<br />

Bereiche werden in der Analyse nicht berücksichtigt<br />

(Abb. 4.12).


Risikoanalyse<br />

Bei einer Überflutung würde sich das betroffene Gebiet voraussichtlich über die Gemeindegrenze<br />

hinaus ins Hinterland erstrecken. Dies ist bei der Ereignisanalyse zu berücksichtigen. Für die<br />

Ermittlung der Werte und Schäden werden im Folgenden aber ausschließlich die betroffenen<br />

Gemeindeflächen analysiert.<br />

Das potenzielle Überflutungsgebiet ist weitestgehend kongruent mit dem Wertobjektraum, da<br />

nahezu alle Flächennutzungen innerhalb und außerhalb des Siedlungsbereiches einen Wert<br />

aufweisen.<br />

Abb. 4.12: Morphologie des Untersuchungsgebietes<br />

Die Systembeschreibung ist die Grundlage für die spätere Modellierung. Mit der räumlichen<br />

Systembeschreibung werden die sozioökonomischen sowie topographischen Verhältnisse im<br />

Untersuchungsraum dargestellt. Von den 6 934 Einwohnern, die in St. Peter-Ording mit Haupt-<br />

bzw. Nebenwohnsitz gemeldet sind (GEMEINDE ST. PETER-ORDING, 2001) leben 6 311 Menschen im<br />

potenziellen Überflutungsgebiet (vgl. Kap. 4.4.3.2).<br />

Der Untersuchungsraum ist geprägt durch niedrig gelegene Marschen, zahlreiche höhere Geestkerne<br />

und parallel zur Küste verlaufende Außensände und Dünen. Somit weist das Gebiet eine<br />

sehr heterogene Höhenverteilung auf (Tab. 4.7). Ein großer Teil des Untersuchungsraumes wird<br />

landwirtschaftlich genutzt (ca. 39 %). Diese Nutzung konzentriert sich auf die niedrig gelegenen<br />

Bereiche des Hinterlandes. Über 35 % der Fläche erstrecken sich die Deichvorländer mit Strand,<br />

Salzwiesen und Dünenbereichen.<br />

103


104<br />

Risikoanalyse<br />

Unmittelbar an die Deichlinie grenzt der parallel zur Küste verlaufende Siedlungsgürtel mit den<br />

Ortsteilen Ording, St. Peter-Bad und St. Peter-Böhl.<br />

Die Gemeinde zählt zu den zehn größten Seebädern Deutschlands (REESE, 1997: 3f). So ist der<br />

Tourismus der dominierende Wirtschaftsfaktor, und Dienstleistungsbetriebe des Fremdenver-<br />

kehrs- und des Kurbetriebes sowie kleine und mittelständische Unternehmen des Handels, des<br />

Handwerks und der Gastronomie bestimmen den Wirtschaftscharakter des Ortes.<br />

Mit der prozessorientierten Systembeschreibung werden die einzelnen Systemkomponenten<br />

und die Interaktionen im System erfasst und dargestellt. Dabei ist eine Gliederung in die Prozess-<br />

bereiche der natürlichen Sphäre, des Schutzsystems und des Schadens möglich.<br />

Die Abbildung 4.13 zeigt das Funktionalmodell für das untersuchte System.<br />

Natürlicher Prozessbereich<br />

Wind Wassereinträge Fetch<br />

Luftdruck<br />

Küstenform<br />

Tide<br />

Sturmflutdynamik<br />

Vorland/Schelf Fernwellen<br />

Prozessbereich Schutzsystem<br />

Piping<br />

Gleiten<br />

Erosion<br />

Deichversagen<br />

Durchsickerung -<br />

Durchfeuchtung<br />

Abb. 4.13: Funktionalmodell des untersuchten Systems<br />

Hierbei führt die Kombination der Prozesse, die zu einer Sturmflut führen, sowie jene, die ein<br />

Versagen des Deichsystems bedingen, zu einer Überflutung des Hinterlandes. Lediglich die Überflutungsprozesse<br />

wirken dann kausal auf die Wertobjekte.<br />

4.4.2 Gefährdungsanalyse im Küstenraum<br />

Die Gefährdungsanalyse gliedert sich in die Gefahrenidentifikation und die Ereignisabschätzung.<br />

Die Gefahrenidentifikation im Küsteraum ist aufgrund früherer Ereignisse unproblematisch.<br />

Sturmfluten sind hier die dominierende Gefahrenquelle. Sie sollen entsprechend der Fragestellung<br />

der Untersuchung isoliert betrachtet werden. Zusätzliche Gefahren wie z.B. Sturm oder auf-<br />

steigendes Grundwasser durch Rückstaueffekte werden nicht berücksichtigt, können aber im<br />

Ereignisfall zusätzliche Schäden verursachen.<br />

Überströmen -<br />

Überlauf<br />

Bruch<br />

Vorschädigung/<br />

Installation<br />

Prozessbereich Schaden<br />

Menschen<br />

Überflutung<br />

Gästebetten<br />

Monetäre<br />

Werte<br />

Arbeitsplätze<br />

Risiko


Risikoanalyse<br />

Im Rahmen der prozessorientierten Systembeschreibung wurden die wesentlichen Prozesse, die<br />

mit einem extremen Sturmflutereignis zusammenhängen, schon identifiziert (vgl. Kap. 4.4.1). Als<br />

schädigende Einwirkungen werden hier ausschließlich solche betrachtet, die unmittelbar aus einer<br />

Überflutung bei Versagen des Küstenschutzsystems resultieren.<br />

Für eine Sturmflut als einziger relevanter Gefahrenprozess werden nun im Rahmen der Ereignis-<br />

abschätzung die Beziehungen zwischen Intensität und Häufigkeit bzw. Eintrittswahrscheinlich-<br />

keit bestimmt. Hierfür stehen deskriptive statistische und induktive probabilistische Methoden zur<br />

Verfügung (vgl. Kap. 4.1.2). Da im Rahmen dieser Arbeit keine probabilistische Ereignisabschätzung<br />

möglich ist (vgl. KORTENHAUS und OUMERACI, 2002), soll auf der Basis <strong>von</strong> Erfahrungen der<br />

vergangenen Ereignisvariabilität die Eintrittswahrscheinlichkeit abgeschätzt werden. Die hiermit<br />

verbundenen Unsicherheiten und der mögliche Erkenntnisgewinn durch probabilistische Metho-<br />

den wurden schon in Kapitel 4.1.2 eingehend erläutert (vgl. REESE, 2003).<br />

Da die Auswirkungen eines extremen Ereignisses unter Berücksichtigung eines zukünftigen Mee-<br />

resspiegelanstiegs untersucht werden sollen, sind für die Ereignisabschätzung die ungünstigsten<br />

Bedingungen zu simulieren.<br />

In der Abbildung 4.1.4 ist für den Pegel Husum ein Meeresspiegelanstieg <strong>von</strong> ca. 50 cm bis zum<br />

Jahr 2100 und die daraus resultierende erhöhte Eintrittswahrscheinlichkeit dargestellt. Hierbei<br />

wird deutlich, dass ein gegenwärtiges 100jähriges Ereignis mit einem Sturmflutwasserstand <strong>von</strong><br />

ca. 5,5 m ü. NN im Jahre 2100 möglicherweise schon alle 20 Jahre eintreten könnte.<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

Pegel Husum<br />

Häufigkeitsverteilung der Hochwasserstände der Abflussjahre 1863 - 1993<br />

(Daten auf das Jahr 2000 beschickt)<br />

Jahrhundertstur mflut<br />

ca. NN + 550 cm<br />

1 10 100 1000<br />

Wiederkehrintervall in Jahren<br />

Abb. 4.14: Veränderung der Ereigniswahrscheinlichkeiten durch einen Meeresspiegelanstieg<br />

(Quelle: nach MLR, 2000)<br />

Während in der Vergangenheit, insbesondere bei Untersuchungen in Flussgebieten, oftmals das<br />

Risiko z.B. eines hundertjährigen Ereignisses betrachtet wurde, wird im Folgenden ein anderer<br />

Weg beschritten.<br />

HThw<br />

Funktion 2000<br />

Funktion 2100<br />

105


106<br />

Risikoanalyse<br />

Da die Einzelprozesse, die z.B. zum Versagen eines Deiches führen, nicht untersucht werden sol-<br />

len, wird auf der Basis historischer Extremereignisse eine extreme Sturmflut mit einem maximalen<br />

Wasserstand <strong>von</strong> 6,60 m ü. NN für die Simulation festgelegt. In diesem Fall würde der Außen-<br />

wasserstand in allen Küstenabschnitten des Untersuchungsgebietes mindestens 2 m unter der<br />

Deichkrone liegen, was nach Schätzung der schleswig-holsteinischen Küstenschutzbehörde zu ei-<br />

nem Versagen des Deichsystems führen würde.<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeit der Schutzeinrichtung ist dann gleich der Eintrittswahrschein-<br />

lichkeit des Sturmflutscheitelwasserstandes <strong>von</strong> 6,60 m ü. NN (= 11,60 m ü. PN). Dieses entspricht<br />

am Bezugspegel Husum bei Berücksichtigung der Ereignisse der letzten 50 Jahre 18 nach der<br />

Verteilungsfunktion <strong>von</strong> Jenkinson 19 einem Wiederkehrintervall <strong>von</strong> ca. 390 Jahren und einer Ein-<br />

trittswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> ca. 0,0025 (Abb. 4.15).<br />

Abb. 4.15: Häufigkeitsverteilung der Hochwasserstände am Pegel Husum<br />

(Quelle: nach MLR, 2000)<br />

Für die Schäden an den Wertobjekten sind die überflutete Fläche, die Fließgeschwindigkeit, die<br />

Wellenenergie und die Überflutungshöhe <strong>von</strong> Bedeutung. Diese ergeben sich durch die Analyse<br />

des Ereignisablaufs.<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

Die Ereignisablaufanalyse wird auf der Basis verschiedener Szenarien durchgeführt, die im<br />

Rahmen des MERK-Projektes in Zusammenarbeit mit der schleswig-holsteinischen Küstenschutz-<br />

behörde entwickelt wurden. Diese berücksichtigen die wahrscheinlichsten Prozesse, die zu einem<br />

Versagen des Küstenschutzsystems in St. Peter-Ording führen können. Aufgrund der Komplexität<br />

des betrachteten Systems sind unendlich viele verschiedene Ereignisszenarien im Untersuchungs-<br />

raum denkbar. Nur die Veränderung eines Parameters kann dabei das Gesamtergebnis der<br />

Analyse schon erheblich verändern. Für eine umfassende Risikoanalyse wäre demnach ein Multi-<br />

szenario-Ansatz notwendig.<br />

0<br />

Pegel Husum<br />

Häufigkeitsverteilung der Hochwasserstände der Abflussjahre 1944-1993<br />

(Daten beschickt auf das Jahr 2000)<br />

WEIBULL<br />

JENKINSON D<br />

1 10 100 1000<br />

Wiederkehrintervall in Jahren<br />

390<br />

18 Hier wurden lediglich die Ereignisse der letzten 50 Jahre betrachtet, da somit der offensichtlich ansteigende Trend in der Sturmfluthäufigkeit<br />

und -intensität in den letzten Dekaden stärker berücksichtigt werden kann.<br />

19 Zu den verschiedenen Verteilungsfunktionen und den daraus resultierenden Ereignishäufigkeiten siehe REESE (2003).


Risikoanalyse<br />

Da der Fokus der Untersuchung auf den Methoden und Techniken des Analysevorgangs liegt,<br />

sollen hier zwei Szenarien zur exemplarischen Anwendung ausreichen (vgl. Tab. 4.9).<br />

Abbildung 4.16 und Tabelle 4.8 zeigen die gegenwärtige Küstenschutzsituation im Untersuchungsgebiet.<br />

Der Schutzstatus ist seit der Deichverstärkung in Ording Nord (Abschnitt 36.01) in<br />

den Jahren 1994-1996 auf einem relativ hohen Niveau, so dass weitere Maßnahmen gegenwärtig<br />

nicht geplant sind (vgl. MLR, 2001: 72).<br />

36.02<br />

37.01<br />

37.02<br />

Außensand<br />

36.01<br />

38.01<br />

Landesschutzdeich<br />

Unbedeicht (Düne)<br />

38.02<br />

St. Peter-Ording<br />

38.03<br />

Mitteldeich<br />

39.00<br />

Überlaufdeich<br />

Abb. 4.16: Küstenschutzsituation in St. Peter-Ording<br />

(Quelle: nach MLR, 2001)<br />

Tab. 4.8: Küstenschutz in St. Peter-Ording<br />

(Quelle: MLR, 2001)<br />

Ab -<br />

schnitt<br />

Nr.<br />

Die wesentlichen Versagensprozesse während der Sturmfluten <strong>von</strong> 1962 und 1976 lagen in einer<br />

Überströmung und einem Wellenüberlauf an den Deichkörpern an der deutschen Nordseeküste,<br />

was zu einer Schädigung der Binnenböschung und zu einer rückschreitenden Erosion führte<br />

(vgl. KORTENHAUS und OUMERACI, 2002: 13).<br />

Dementsprechend werden unter Berücksichtigung der verschiedenen Deichtypen und Kronenhö-<br />

hen Deichüberläufe und Deichbrüche als Versagensprozesse am Deichkörper simuliert. Neben<br />

dem Scheitelwasserstand ist die Verweilzeit der hohen Wasserstände maßgeblich für den Ener-<br />

gieeintrag im Küstenraum verantwortlich. Für die Ereignisablaufanalyse ist es daher notwendig,<br />

den zeitlichen Verlauf eines Extremereignisses an der Westküste zu berücksichtigen. Hierzu<br />

wurde die Sturmflutganglinie des Ereignisses <strong>von</strong> 1976 verwendet (Abb. 4.17).<br />

Unter Berücksichtigung aller Prozesse, die für den Überflutungsverlauf <strong>von</strong> Bedeutung sind, ergeben<br />

sich nach der Parametrisierung die in der der Tabelle 4.9 dargestellten Szenarien. Die für<br />

die Versagensprozesse relevanten Küstenabschnitte wurden direkt im Gelände eruiert.<br />

36.01<br />

36.02<br />

37.01<br />

37.02<br />

38.01<br />

38,02<br />

38,03<br />

Name<br />

Ording Nord<br />

(bis Nackhörn)<br />

Ording Süd<br />

(bis St. Peter)<br />

St. Peter Nord<br />

Düne (kei n LSD)<br />

St. Peter Süd<br />

Überlaufdeich<br />

(kein LSD)<br />

Boehl Nord<br />

(Asphaltdeich)<br />

Boehl Mitte<br />

(bis Süderhöft)<br />

Boehl Süd<br />

(bis Ehstenkoog)<br />

Station<br />

Anfang<br />

(Kkm)<br />

Station<br />

Ende<br />

(Kkm)<br />

Länge<br />

(km)<br />

107<br />

Kronenhöhe<br />

2000<br />

(NN+ m)<br />

127,603 130,440 2,837 8,6<br />

130,440 132,352 1,912 8,0<br />

132,352 133,195 0,843 Max. 16<br />

133,195 135,156 1,961 6,5<br />

135,156 138,176 3,020 7,5<br />

138,176 139,771 1,595 7,6<br />

139,771 141,070 1,299 8,3<br />

39.00 Ehstenkoog 141,070 142,605 1,535 7,8


108<br />

Risikoanalyse<br />

Darüber hinaus sind weitere Faktoren, wie beispielsweise das Einströmvolumen und die Ein-<br />

dringdauer des Wassers durch die Deichbruchstelle sowie die Dauer des Rückflusses des Über-<br />

flutungswassers bis auf Niveau der Deichbruchsohle zu berücksichtigen. Diese Parameter ergeben<br />

sich direkt aus der Überflutungssimulation.<br />

Tab 4.9: Überflutungsszenarien in St. Peter-Ording<br />

Szenario<br />

(St. Peter-<br />

Ording)<br />

SPO-I<br />

SPO-II<br />

Versagens-<br />

prozess<br />

Deichüberlauf<br />

Deichbruch<br />

Deichüberlauf<br />

Deichbruch<br />

Sturmflutscheitelwasserstand<br />

Scheitel<br />

(m ü. NN)<br />

6,6<br />

6,6<br />

6,6<br />

6,6<br />

Verweildauer<br />

(h)<br />

1,5<br />

1,5<br />

1,5<br />

1,5<br />

Wellenauflauf<br />

(m)<br />

ca. 1,7<br />

ca. 2,1<br />

ca. 1,7<br />

ca. 2,1<br />

Deichtyp<br />

Überlaufdeich<br />

(6,5 m ü. NN)<br />

LSD<br />

(7,6 m ü. NN)<br />

Überlaufdeich<br />

(6,5 m ü. NN)<br />

LSD<br />

(7,6 m ü. NN)<br />

Prozessbereich<br />

Deichbruch - Deichüberlauf<br />

Stelle (Kkm) Breite<br />

133,5 -135,1<br />

138,9-139,0<br />

133,5 -135,1<br />

138,9-139,0<br />

Auf 1,9 km<br />

100 m<br />

Auf 1,9 km<br />

200 m<br />

Tiefe<br />

(bis auf.)<br />

-<br />

3 m ü. NN<br />

-<br />

3 m ü. NN<br />

Prozessentwicklung<br />

Vertikal<br />

-<br />

20 min<br />

-<br />

20 min<br />

Horizontal<br />

(% Bruchbreite)<br />

15 min - 40%<br />

30 min - 66%<br />

60 min - 100%<br />

30 min - 40%<br />

60 min - 66%<br />

90 min - 90%<br />

120 min - 100%<br />

Das Ziel der Überflutungssimulation ist eine möglichst realistische Abschätzung der räumlichen<br />

Ausdehnung des Überflutungsgebietes (Schadensraum) sowie der schadensrelevanten Parameter<br />

wie Überflutungshöhe, -dauer und Strömung.<br />

Bei einem Deichbruch lassen sich verschiedene Phasen der Bruchentwicklung unterscheiden, mit<br />

denen unterschiedliche Einströmvolumen des Überflutungswassers und verschiedene Berech-<br />

nungsansätze verbunden sind (KORTENHAUS, 2002; vgl. DE VROEG et al., 2002). In der Tabelle 4.10<br />

sind die verschiedenen Phasen dargestellt. 20<br />

Tab 4.10: Deichbruchphasen und die Berechnung des Einströmvolumens<br />

Phase Prozesse Erläuterungen<br />

I<br />

Wellenüberschlag /<br />

-überlauf<br />

II Vertikale Erosion<br />

III<br />

IV<br />

Horizontale Erosion<br />

Vollkommener<br />

Überfall<br />

Unvollkommener<br />

Überfall<br />

• Einströmvolumen vergleichsweise gering – daher in der Untersuchung nicht<br />

berücksichtigt;<br />

• Annahme, dass bei max. Außenwasserstand Phase II beginnt;<br />

• Deichbruchprozess beginnt häufig mit kleineren Rinnen;<br />

• Vorschädigungen des Deichkörpers häufig Ursache für Rillenbildung (z.B. Wühltiere,<br />

Trittschäden, Installationen);<br />

• Oft Schädigung der Deichoberfläche durch Treibselgut;<br />

• Rückschreitende Erosion <strong>von</strong> der Binnenböschung zum seeseitigen Deichfuß -<br />

Deichbruchsohle auf Geländeniveau;<br />

• Mit der Vertikalerosion beginnt auch schon eine horizontale Erosion;<br />

• Stetige Verbreiterung der Deichbruchweite b;<br />

• Deichbruchbreiten <strong>von</strong> 100 bis max. 200 m realistisch;<br />

• Zeitliche Dynamik der progressiven Entwicklung der Breschenbreite: mit steigendem<br />

Innenwasserstand und zunehmender Bruchbreite reduziert sich die Strömungsgeschwindigkeit<br />

und Erosionskraft;<br />

• Zur zeitlichen Entwicklung der Breschenbreite siehe Szenarien;<br />

• Ab einem best. Innenwasserstand wird Durchfluss durch Rückstaueffekt reduziert,<br />

es kommt zum unvollkommenen Überfall, der durch einen experimentell ermittelten<br />

Abminderungskoeffizienten (c) berücksichtigt wird (s. BOLLRICH, 2000);<br />

• Fließwechsel wenn Innenwasserstand ca. 70% der Höhe des Außenwasserstandes<br />

erreicht (breitkroniges Bauwerk);<br />

• Prozessumkehr, wenn Innenwasserstand höher als Außenwasserstand;<br />

Q = Durchfluss in m³/s; b = Breite der Bruchstelle; µ = dimensionsloser Überfallbeiwert; g = Erdbeschleunigung = 9,81 m/s²;<br />

h = Überfallhöhe in m; c = Abminderungskoeffizient;<br />

Berechnung des Einströmvolumens<br />

-<br />

Nach Poleni für Überströmen<br />

eines breitkronigen<br />

Bauwerkes mit Überfallbeiwert<br />

0,5-0,55;<br />

Q = b* ? * µ * v2g * h 3/2<br />

Nach Führböter zur überschlägigen<br />

Berechnung<br />

einer Koogfüllung:<br />

Q = b * v8/27g * h 3/2<br />

Unter Berücksichtigung des<br />

Rückstaueffektes:<br />

Q = c * b * v8/27g * h 3/2<br />

20 Hierbei handelt es sich um eine generalisierte Darstellung der gegenwärtigen Erkenntnisse aus vergangenen Deichbruchereig -<br />

nissen sowie aus ingenieurswissenschaftlichen Untersuchungen im Labor und Freiland (vgl. DE VROEG et al., 2002; FÜHRBÖTER,<br />

1987; KORTENHAUS, 2002;).


Risikoanalyse<br />

Der Einströmprozess vollzieht sich in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Geländehöhe der Deichbruchsohle,<br />

der dynamischen Höhe des Sturmflutscheitels und des Koogwasserstandes. Nach Abschluss des<br />

Füllungsvorganges kann es je nach Höhenniveau der Deichbruchsohle seewärts zu einem Aus-<br />

strömen des Überflutungswassers kommen.<br />

Die Eindringdauer des Wassers bestimmt maßgeblich das gesamte Einströmvolumen und somit<br />

die Überflutungshöhe in den Untersuchungsgebieten. Sie ist unter Berücksichtigung der Ent-<br />

wicklung des Sturmflutwasserstandes und der Höhe der Breschensohle mit der idealisierten<br />

Sturmflutganglinie zu ermitteln.<br />

Ist das Gesamteinströmvolumen bekannt, so muss zur Feststellung des Überflutungswasserstandes<br />

im Koog das Fassungsvermögen des Überflutungsgebietes ermittelt werden. Mit Hilfe des GIS -<br />

Moduls Arc/Info-TIN wurde mit den Höheninformationen ein digitales Geländemodell erstellt, auf<br />

dessen Basis der dynamische Füllungsvorgang sowie die <strong>von</strong> der Topologie abhängigen Über-<br />

flutungshöhen simuliert werden konnten. Hierzu wurden unter Berücksichtigung der relevanten<br />

Parameter Füllungskurven für Teilräume im Überflutungsgebiet berechnet (Abb. 4.17).<br />

Wasserstand m ü.NN<br />

7,00<br />

6,00<br />

5,00<br />

4,00<br />

3,00<br />

2,00<br />

1,00<br />

Abb. 4.17: Modifizierte Sturmflutganglinie und Füllungskurven zur Überflutungssimulation<br />

(Quelle: eigene Berechnungen; ALR HUSUM, 2002)<br />

In Abbildung 4.18 sind die Versagensbereiche, die Ausdehnung der Überflutungsgebiete sowie<br />

die Überflutungshöhen und der schadensrelevante Brandungs- und Strömungsbereich für die<br />

Szenarien SPO-I und SPO-II dargestellt. Die Größe des gesamten Überflutungsgebietes abzüglich<br />

des Deichvorlandes beträgt für SPO-I ca. 1 480 ha, für SPO-II ca. 1 742 ha. Im Wesentlichen lassen<br />

sich im Überflutungsbereich zwei Teilräume abgrenzen, die kausal unmittelbar mit den beiden<br />

Impaktbereichen zusammenhängen.<br />

Überflutungsverlauf in St. Peter-Ording<br />

nach Szenarien und Überflutungsabschnitten<br />

0,00<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />

Modifizierte Sturmflutganglinie vom 03.01.76 am Pegel Everschopsiel<br />

Wasserstand /SPO1-Hinterland<br />

Wasserstand /SPO2-Hinterland<br />

Wasserstand/Zentrum-SPO1/SPO2<br />

Wasserstand/St.Peter-Bad West SPO1/SPO2<br />

Breschensohle<br />

Zeit in in h<br />

Im Süden St. Peter-Ordings kommt es aufgrund der Geländemorphologie hinter der Deichbresche<br />

zu einer raschen Ausbreitung des Überflutungswassers im Hinterland. Aufgrund des Fehlens<br />

einer zweiten Deichlinie kann das Wasser relativ weit landeinwärts vordringen und verteilt sich<br />

109


110<br />

Risikoanalyse<br />

somit auf einen Großteil der niedrig gelegenen Gemeindefläche. Der maximale Überflutungswas-<br />

serstand beträgt hier für SPO-I ca. 1,50 m ü. NN, für SPO-II ca. 2,00 m ü. NN.<br />

In einem Radius <strong>von</strong> 300 m um die Deichbruchstelle werden Strömungsgeschwindigkeiten <strong>von</strong><br />

1 m/s (0-100 m), 2 m/s (100-200 m) und 3 m/s (200-300 m) festgelegt. Zudem können innerhalb der<br />

Brandungszone im Bereich des Vorlandes bei Existenz <strong>von</strong> Wertobjekten zusätzliche Schäden ent-<br />

stehen.<br />

Abb. 4.18: Überflutungssimulation in St. Peter-Ording<br />

Hinter dem Überlaufdeich ist das Gelände durch zahlreiche Dünen und Senken gekennzeichnet.<br />

Für beide Szenarien gilt hier aufgrund der Parametrisierung ein gleicher Überflutungsverlauf. Das<br />

Überflutungswasser füllt zunächst ein Becken unmittelbar hinter dem Überlaufdeich vor dem<br />

Zentrum St. Peter-Ordings bis zu einer Überflutungshöhe <strong>von</strong> ca. 5,00 m ü. NN (Abb. 4.17 - Was-<br />

serstand-Zentrum). Dann fließt das Wasser auch in das östlich angrenzende Gebiet (St. Peter-Bad<br />

West). Da dieser Bereich durch einen alten Mitteldeich begrenzt wird, kommt es hier zu einer ma-<br />

ximalen Überflutungshöhe <strong>von</strong> ca. 3,40 m ü. NN.<br />

Das Szenario SPO-II unterscheidet sich <strong>von</strong> der Parametrisierung lediglich durch die erhöhte<br />

Deichbruchbreite <strong>von</strong> 200 m. Das führt zu einem entsprechend höheren Einströmvolumen und<br />

einer größeren Überflutungsfläche sowie größeren Überflutungshöhen im Hinterland <strong>von</strong> bis zu<br />

2,0 m ü. NN. Im Bereich des Überlaufdeiches entspricht der Überflutungsverlauf aufgrund der<br />

gleichen Ausgangslage dem des Szenarios SPO-I.<br />

Zur Ermittlung der Überflutungshöhen an den potenziell betroffenen Elementen werden im GIS<br />

sog. Hochwasserstandsebenen festgelegt. Diese werden durch die Isohypsen begrenzt und enthalten<br />

sämtliche Flächen, die zwischen zwei Höhenlinien liegen (Äquidistanz: 50 cm). Innerhalb der Stu-<br />

fen ist dann eine Berechnung der mittleren Geländehöhe notwendig. Zum Beispiel wäre in der<br />

Hochwasserstandsebene <strong>von</strong> 1,50-2,00 m ü. NN die mittlere Geländehöhe 1,75 m ü. NN.


Risikoanalyse<br />

Die Überflutungshöhen ergeben sich dann, indem die Wasserstandshöhen mit den mittleren Ge-<br />

ländehöhen abgeglichen werden. So würden z.B. bei einem Überflutungswasserstand <strong>von</strong><br />

2,50 m ü. NN bei einer mittleren Geländehöhe <strong>von</strong> 1,75 m ü. NN die Risikoelemente mit einem<br />

Wasserstand <strong>von</strong> ca. 75 cm überflutet werden (IFB-BRASCHEL und SCHMITZ, 1995).<br />

Abschließend muss die Überflutungsdauer im Überflutungsgebiet ermittelt werden, da sie einen<br />

erheblichen Einfluss auf die Schadenserwartung hat. Diese wird maßgeblich durch das Abfließen<br />

des Wassers bestimmt. Ein schnelles Abführen des eingedrungenen Wassers über die Bresche ist<br />

nur bis zur Sohlenhöhe im Deichbruchbereich möglich. Das im Gelände verbleibende Wasser<br />

wird darüber hinaus über die natürliche Entwässerung sowie durch Pumpleistungen im Rahmen<br />

der postventiven Maßnahmen abgeführt. Mit den Erkenntnissen aus vergangenen Koogüberflu-<br />

tungen (vgl. JANSEN, 1976) und unter Berücksichtigung <strong>von</strong> modernen Pumpleistungen kann <strong>von</strong><br />

einer täglichen Sunkrate <strong>von</strong> ca. 8 cm/d ausgegangen werden. Mit Hilfe des digitalen Geländemodells<br />

ist es möglich, die Verweildauer der Überflutung in niedrig gelegenen Bereichen abzu-<br />

schätzen.<br />

4.4.3 Wertermittlung im Küstenraum<br />

Nach der Abschätzung des Wirkungsraumes wird mit der Wertermittlung das Schadenspotenzial<br />

all jener Wertobjekte erfasst, auf welche die Überflutungsprozesse schädigend einwirken können.<br />

Hierzu werden diese identifiziert, inventarisiert und bewertet (vgl. Kap. 4.1.3.2).<br />

4.4.3.1 Methodik<br />

Folgende vulnerable Risikoelemente werden im Rahmen der Wertermittlung berücksichtigt 21 :<br />

• Einwohner<br />

• Arbeitsplätze<br />

• Gästebetten<br />

• Gebäude<br />

• Privates Inventar<br />

• Kraftfahrzeuge<br />

• Verkehrsflächen<br />

• Landwirt. Nutzflächen<br />

• Viehvermögen<br />

Die Inventarisierung der Objekte wurde mikroskalig auf der Basis <strong>von</strong> Geländekartierungen und<br />

verschiedenen Daten durchgeführt (vgl. REESE et al., 2003). Die Ergebnisse sind eine Momentauf-<br />

nahme, die sich entsprechend der saisonalen Häufung der schleswig-holsteinischen Sturmfluter-<br />

eignisse auf die Wertverhältnisse in den Wintermonaten bezieht.<br />

• Wald- und<br />

• Forstflächen<br />

• Bodenwerte im Siedlungsraum<br />

• Freizeit- und Erholungsflächen<br />

• Bruttowertschöpfung<br />

• Ausrüstungsvermögen<br />

• Vorratsvermögen<br />

• Windkraftanlagen<br />

21 Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Schadenskategorien. Die Arbeit fokussiert die potenziellen sozioökonomischen<br />

Schäden, die hier ausgewählten Risikoelemente stellen den dominierenden Anteil sozioökonomischer Strukturen im Küstenraum<br />

dar (vgl. REESE et al., 2003).<br />

111


112<br />

Risikoanalyse<br />

Objekte, die nur temporär während des Sommers gefährdet sind, werden <strong>von</strong> der Inventarisie-<br />

rung ausgeschlossen (z.B. Sportboote, Strandk örbe etc.).<br />

Der Anspruch der mikroskaligen, objektbezogenen Wertermittlung erfordert eine sehr aufwen-<br />

dige Datenbeschaffung nach dem Indikatorenansatz (vgl. Kap. 4.1.3.2). Die Datenverfügbarkeit<br />

wird hierbei u. a. durch den Datenschutz limitiert. Daher kann nicht für alle Schadenskategorien<br />

hinsichtlich der Aktualität und Aggregation eine homogene Datenbasis erstellt werden. 22<br />

Die wichtigsten Informationen wie Flächennutzungen und Gebäudestrukturen werden direkt im<br />

Untersuchungsgebiet durch Nutzungskartierungen gewonnen. Über die entsprechenden Adressen<br />

können so z.B. die Einwohnerzahlen aus dem Einwohnermelderegister den Gebäuden zuge-<br />

ordnet werden. Die Tabelle 4.11 zeigt die Informationsquellen und Indikatoren für die Erfassung<br />

und Bewertung der verschiedenen Schadenskategorien.<br />

Tab. 4.11: Informationsquellen für die Inventarisierung und Bewertung des Schadenspotenzials<br />

Schadenskategorie Quelle Bezugszeitpunkt Indikator<br />

Einwohner • Einwohnermelderegister St. Peter-Ording • 4/ 2001 • Anzahl Personen<br />

Arbeitsplätze • Experteninterviews, Nutzungskartierung • 12/ 2001 • Anzahl Erwerbstätige<br />

Gästebetten • Gästeverzeichnis, Nutzungskartierung • 7/ 2001 • Anzahl Gästebetten<br />

Gebäude<br />

Privates Inventar<br />

Kraftfahrzeuge<br />

Verkehrsflächen<br />

Landwirt. Nutzflächen<br />

Viehvermögen<br />

Wald- und Forstflächen<br />

Bodenwerte im Siedlungsraum<br />

Freizeit- und Erholungsflächen<br />

• DGK5<br />

• Nutzungskartierung<br />

• Wertermittlungsrichtlinien 1995<br />

• DGK5<br />

• Nutzungskartierung<br />

• Versicherungen<br />

• Kraftfahrtbundesamt<br />

• Internet / Gebrauchtwagenmarkt<br />

• DGK5<br />

• Nutzungskartierung<br />

• Straßenbauamt Lübeck<br />

• Landschaftsplan St. Peter-Ording<br />

• Amtlicher Bodenschätzer Nordfriesland<br />

• Nutzungskartierung<br />

• Statistisches Landesamt Schleswig-Holstein<br />

• Statistisches Landesamt Schleswig-Holstein<br />

• ZMP<br />

• Internet / Viehmarkt<br />

• Landschaftsplan St. Peter-Ording<br />

• Amtlicher Bodenschätzer Nordfriesland<br />

• diverse<br />

• 12/ 2000<br />

• 1995<br />

• diverse<br />

• 12/ 2000<br />

• 12<br />

• 12/ 1998<br />

• 5/ 2000<br />

• diverse<br />

• 12/ 2000<br />

• 10/ 2000<br />

• 2000<br />

• 12/ 2000<br />

• 12/ 2000<br />

• 1995<br />

• 5/ 1999<br />

• 7/ 1999-10/ 2000<br />

• 4/2001<br />

• 2000<br />

• 12/ 2000<br />

• Gebäudegrundfläche in m 2<br />

• Geschosszahl, Alter, Zustand<br />

• Wert in Euro<br />

• Wohnfläche in m 2<br />

• Gebäudenutzung<br />

• Wert in Euro/m 2 Wohnfläche<br />

• Anzahl Kraftfahrzeuge nach Typen<br />

• Wert in Euro / Fahrzeug<br />

• Länge in m bzw. Fläche in m 2<br />

• Verkehrsflächentyp<br />

• Baukosten in Euro/m bzw. m 2<br />

• Nutzung in m 2<br />

• Wert in Euro/m 2<br />

• Landwirtschaftliche Betriebe<br />

• Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe<br />

mit Viehhaltung<br />

• Anzahl Vieh nach Arten<br />

• Wert in Euro/Stück bzw. Kg<br />

• Wert in Euro/Stück bzw. Kg<br />

• Nutzung in m 2<br />

• Wert in Euro/m 2<br />

• Gutachterausschuss für Grundstückswerte • 2000 • Bodenrichtwerte in Euro/m 2<br />

• DGK5<br />

• Nutzungskartierung<br />

• Experteninterviews<br />

• diverse<br />

• 12/ 2000<br />

• 10/ 2000<br />

• Fläche in m 2<br />

• Flächentyp<br />

• Baukosten in Euro/m 2 bzw. pro Anlage<br />

Bruttowertschöpfung • Statistisches Landesamt Baden-Württemberg • 1998 • Wertschöpfung pro Erwerbstätigen<br />

Ausrüstungsvermögen<br />

Vorratsvermögen<br />

Windkraftanlagen<br />

• DGK5<br />

• Nutzungskartierung<br />

• Experteninterviews (Betriebsausstatter,<br />

Betriebsversicherungen)<br />

• DGK5<br />

• Nutzungskartierung<br />

• Deutsche Bank (Jahresabschlüsse<br />

westdeutscher Unternehmen)<br />

• Internet<br />

• Nutzungskartierung<br />

• Experteninterviews (Windtest GmbH)<br />

• diverse<br />

• 12/ 2000<br />

• 12/ 2000<br />

• diverse<br />

• 12/ 2000<br />

• 1996<br />

• diverse<br />

• 12/ 2000<br />

• 12/ 2001<br />

22 Zu den verschiedenen Datenquellen und den Problemen der Datenerfassung siehe REESE (2003).<br />

• Gebäudegrundfläche in m 2<br />

• Fläche der Gewerbebetriebe in m 2<br />

• Wert in Euro/m 2<br />

• Gebäudegrundfläche in m 2<br />

• Fläche der Gewerbebetriebe in m 2<br />

• Wert in Euro/m 2 Betriebsfläche<br />

• Wert in Euro/m 2 Betriebsfläche<br />

• Anlagenzahl und Lage<br />

• Baukosten pro Anlage


Risikoanalyse<br />

Die Objektbezogenen Ergebnisse der Erfassung wurden für die anschließende Bewertung in ein<br />

GIS überführt. In Kap. 4.1.3.2 sind die Grundlagen und Methoden der Wertermittlung eingehend<br />

erläutert worden. Im Folgenden beschränken sich die Erläuterungen daher auf die unterschiedli-<br />

chen Verfahren zur Wertbestimmung der verschiedenen Schadenskategorien im Küstenraum. 23<br />

Intangibles Schadenspotenzial<br />

Einwohner werden im gefährdeten Raum als prioritäres Schutzgut betrachtet. Sie werden nach<br />

den Informationen des Einwohnermelderegisters mit der Anzahl der gemeldeten Personen auf die<br />

entsprechenden Wohngebäude im Untersuchungsgebiet übertragen (Haupt- und Nebenwohnsitze).<br />

Eine monetäre Bewertung wird aus moralisch-ethischen Gründen nicht durchgeführt. Die<br />

Anzahl der Arbeitsplätze wird auf der Basis <strong>von</strong> Expertengesprächen branchenspezifisch und<br />

unter Berücksichtigung der Betriebsgrundfläche auf die Betriebe übertragen. Die Gästebetten<br />

werden über die Unterkunftsverzeichnisse den touristischen Einrichtungen zugeordnet. Zusätzliche<br />

intangible Schadenspotenziale wie Kultur- oder Umweltgüter werden aufgrund der<br />

Evaluationsprobleme (vgl. Kap. 4.1.3.2) nicht berücksichtigt.<br />

Vermögenswerte (direktes, tangibles Schadenspotenzial)<br />

Zur Monetarisierung der Vermögenswerte wird ein Top down-Ansatz mit einem Bottom up-Ansatz<br />

nach dem Gegenstromprinzip kombiniert. So können besonders bedeutsame Strukturen individu-<br />

ell bewertet und Wertagglomerationen verdeutlicht werden. Die Bewertung wird nach dem Prinzip<br />

der realen Schadensregulierung durchgeführt, welches sich an den tatsächlichen Belastungen für<br />

die Betroffenen orientiert. Hierbei wird je nach Schadenskategorie ein Brutto- oder Nettokonzept<br />

verfolgt. Die Werte werden schließlich zum Wiederbeschaffungspreis berechnet (vgl. Kap. 4.1.3.2).<br />

Gebäude<br />

Das Gebäudevermögen wird nach dem Bruttokonzept auf der Basis der Kartierungsergebnisse,<br />

der digital ermittelten Gebäudegrundflächen und den sog. Wertermittlungs-Richtlinien und Nor-<br />

malherstellungskosten 1995 des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau<br />

(KLEIBER, 2000) ermittelt. Hierzu werden anhand <strong>von</strong> Gebäudetypenblättern die Neubauwerte für<br />

spezifische Gebäudetypen mit oder ohne Keller nach deren Nutzung, Stockwerkshöhe und Gebäudegrundfläche<br />

sowie der Ausstattung und dem Alter berechnet. Zur Berücksichtigung des<br />

Bundeslandes und der Ortsgröße sind darüber hinaus verschiedene Korrekturfaktoren in die Be-<br />

rechnung einzubeziehen. Während Nebengebäude (z.B. Garagen, Gartenhäuser etc.) über Exper-<br />

teninformationen evaluiert werden, lassen sich die Werte der Außenanlagen zusätzlich mit 3 %<br />

des Gesamtgebäudewertes berechnen (KÄHLER, 2000). Die Gebäudegrundstücke werden über die<br />

Bodenwerte im Siedlungsraum gesondert erfasst.<br />

Privates Inventar<br />

Das private Inventar wird nach dem Bruttoprinzip berechnet. Die Evaluation orientiert sich hierbei<br />

an der Tarifierung für Hausratsversicherungen. So berechnet z.B. die Provinzial Brandkasse ihre<br />

Prämien mit einem Wert <strong>von</strong> ca. 700 €/m 2 Wohnfläche (KÄHLER, 2000). Dieser Basiswert kann unter<br />

Berücksichtigung der Gebäudegüte gegebenenfalls nach oben bzw. unten korrigiert werden.<br />

23 Zu den Möglichkeiten und Problemen der verschiedenen Verfahren siehe REESE (2003).<br />

113


114<br />

Risikoanalyse<br />

Auf der Basis der Gebäudegrundfläche, die aus dem GIS zu extrahieren ist, lässt sich mit einem<br />

Faktor die Wohnfläche berechnen (KLAGGES und ARETZ, 2000). Der durchschnittliche Inventar-<br />

wert wird dann auf die Wohnfläche der Gebäudeteile, die eine Wohnnutzung aufweisen, übertra-<br />

gen.<br />

Kraftfahrzeuge<br />

Auf der Basis <strong>von</strong> Statistiken des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) sind die Bestandsdaten der ver-<br />

schiedenen Fahrzeugklassen (Personenkraftwagen, Krafträder, Nutzfahrzeuge, Anhänger) in der<br />

Gemeinde St. Peter-Ording zu ermitteln (KRAFTFAHRT-BUNDESAMT, 1999, 2000). Nach einer internetbasierten<br />

Recherche des Gebrauchtwagenmarktes können daraufhin für die Gemeinde anhand<br />

<strong>von</strong> durchschnittlichen typspezifischen KFZ-Werten die Gesamtwerte differenziert nach Fahr-<br />

zeugklassen berechnet werden (Nettoprinzip). Für PKW, Krafträder und Anhänger ist dann ein<br />

Wert pro Einwohner zu berechnen und dieser entsprechend der Bevölkerungsverteilung auf das<br />

Untersuchungsgebiet zu übertragen. Die Werte der Nutzfahrzeuge werden anschließend unter<br />

Berücksichtigung der Wirtschaftsabteilung und der Betriebsgröße den Gewerbebetrieben zuge-<br />

wiesen.<br />

Verkehrsflächen<br />

Die Verkehrsflächen umfassen hier sowohl Linien- als auch Flächenelemente (z.B. Straßen, Bahn-<br />

linien, Parkplätze etc.). Die Längen- und Flächeninformationen der gefährdeten Strukturen im<br />

Untersuchungsraum werden aus dem GIS extrahiert und nach dem Bruttoprinzip über durchschnittliche<br />

Neubaukosten bewertet (DEUTSCHE BAHN NETZ AG-NIEDERLASSUNG NORD, 2000;<br />

STRAßENBAUAMT LÜBECK, 2000).<br />

Landwirtschaftliche Nutzflächen<br />

Aus dem Landschaftsplan der Gemeinde können die landwirtschaftlichen Nutzflächen in das GIS<br />

übertragen werden. Die Informationen der Landschaftspläne wurden zusätzlich durch Gelände-<br />

begehungen verifiziert. Die Flächenwerte lassen sich dann auf der Basis durchschnittlicher Preise<br />

evaluieren, welche der amtliche Bodenschätzer aus Verkäufen landwirtschaftlicher Nutzflächen<br />

ableiten konnte (MARTENS, 2001). Die Durchschnittswerte betragen im Untersuchungsgebiet für<br />

Ackerflächen 1,30 €/m 2 , für Grünland 1,00 €/m 2 und für Feuchtgrünland 0,80 €/m 2 .<br />

Viehvermögen<br />

Im Rahmen der Evaluation werden alle zu landwirtschaftlichen Zwecken gehaltenen Tiere bewertet.<br />

Die Viehbestandszahlen sind einer Sonderaufbereitung des Statistischen Landesamtes<br />

Schleswig-Holstein zu entnehmen (STATISTISCHES LANDESAMT SCHLESWIG-HOLSTEIN, 1999a). Die<br />

Berechnung des Viehvermögens basiert auf den Erzeuger- u. Großhandelspreisen der ZMP (2000,<br />

2001, 2001a) und einer internetbasierten Auswertung <strong>von</strong> Verkaufslisten (PFERDEMARKT, 2000).<br />

Auf der Grundlage der ermittelten Preise und dem Gesamtviehbestand der Gemeinde wird ein<br />

gemeindespezifisches Viehvermögen ermittelt. Über die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe<br />

mit Viehhaltung (STATISTISCHES LANDESAMT SCHLESWIG-HOLSTEIN, 1999b) wird dann ein durch-<br />

schnittliches Viehvermögen pro Betrieb errechnet und dieses auf die Viehhaltungsbetriebe im<br />

Untersuchungsraum übertragen.


Wald- und Forstflächen<br />

Risikoanalyse<br />

Die Wald- und Forstflächen wurden auf der Basis des Landschaftsplans nach einer Verifizierung<br />

über die Nutzungskartierung ins GIS übertragen. Der amtliche Bodenschätzer bestimmt für den<br />

Untersuchungsraum folgende Flächenwerte pro m 2 (Bodenwerte inklusive Bestand):<br />

Laubholz: 0,40 €; Nadelholz: 0,30 €; Mischwald: 0,35 €; Bruchwald: 0,10 € (MARTENS, 2001).<br />

Die Werte werden auf die Wald- und Forstflächen übertragen.<br />

Bodenwerte im Siedlungsraum<br />

Als Böden im Siedlungsraum werden alle bebauten und unbebauten Siedlungsflächen zusammengefasst.<br />

Diese Flächen sind dem GIS zu entnehmen. Als Bewertungsgrundlage dienen die<br />

vom GUTACHTERAUSSCHUSS FÜR GRUNDSTÜCKSWERTE IM KREIS NORDFRIESLAND (2000) veröffent-<br />

lichten Bodenrichtwerte.<br />

Freizeit- und Erholungsflächen<br />

Unter dem Begriff der Freizeit- und Erholungsflächen sind die Flächen der Tennis- Golf-, Skate-<br />

und Sportplätze, Minigolf-Anlagen, Spielplätze, Bootsliegeplätze und Campingplätze zusammen-<br />

gefasst. Die Bewertung dieser Flächen und Anlagen wird aufgrund der unterschiedlichen Struktur<br />

individuell vorgenommen. Als Grundlage dienen hierbei die jeweiligen Anlagekosten (vgl.<br />

MÜLLER-LANDSCHAFTBAU GMBH, 2000).<br />

Ausrüstungsvermögen<br />

Im Rahmen der Untersuchung wird ausschließlich das materielle Anlagevermögen als das Ausrüs-<br />

tungsvermögen der ortsansässigen Betriebe ermittelt. Darunter fallen alle nicht privat genutzten<br />

Gebäude. Aus Expertengesprächen mit verschiedenen Ladenausstattern sowie Betriebsversiche-<br />

rungen und potenziell betroffenen Betrieben konnten Informationen über das Ausrüstungsver-<br />

mögen im Untersuchungsgebiet gewonnen werden. Durchschnittliche Quadratmeterpreise<br />

werden dann, differenziert nach Betriebsart, auf die einzelnen Einrichtungen unter Berücksichti-<br />

gung der Betriebsgrundflächen übertragen. Die ermittelten Werte beziehen sich auf das Preisni-<br />

veau im November 2000.<br />

Vorratsvermögen<br />

Aus verschiedenen Veröffentlichungen <strong>von</strong> Firmenbilanzen lässt sich ein Verhältnis zwischen<br />

Ausrüstungs- und Vorratsvermögen herstellen (DEUTSCHE BUNDESBANK, 1999). Auf der Grund-<br />

lage des ermittelten Ausrüstungsvermögens ist darüber das Vorratsvermögen der einzelnen Betriebe<br />

im Untersuchungsgebiet zu evaluieren.<br />

Windkraftanlagen<br />

Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein verwaltet und aktualisiert den Bestand aller<br />

Windräder des Landes auf Gemeindeebene (LANDWIRTSCHAFTSKAMMER SCHLESWIG-HOLSTEIN,<br />

2001). In diesem Kataster sind die Typenbezeichnungen und verschiedene technische Daten der<br />

Anlagen verzeichnet. Mit Hilfe <strong>von</strong> typspezifischen Herstellerpreisen lassen sich die Werte der<br />

Anlagen im Untersuchungsraum berechnen.<br />

115


116<br />

Risikoanalyse<br />

Wirtschaftliche Aktivitäten (indirektes, tangibles Schadenspotenzial)<br />

Bruttowertschöpfung<br />

Die Bruttowertschöpfung (BWS) wird für ein komplettes Wirtschaftsjahr berechnet. Da Inform ati-<br />

onen zur BWS auf Gemeindeebene nicht verfügbar sind, muss auf höher aggregierte Daten zurückgegriffen<br />

werden, um näherungsweise die Wertschöpfung zu ermitteln. Das STATISTISCHE<br />

LANDESAMT BADEN-WÜRTTEMBERG veröffentlicht in der Statistik Bruttoinlandsprodukt, Bruttowert-<br />

schöpfung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991-2000 u. a. für Schleswig-Holstein<br />

durchschnittliche Bruttowertschöpfungen zu Herstellungspreisen pro Erwerbstätigem nach Wirtschaftsbereichen<br />

(ebd., 2001). Somit lässt sich eine durchschnittliche BWS differenziert nach den<br />

Wirtschaftskategorien auf die Erwerbstätigen der Betriebe im Untersuchungsgebiet übertragen.<br />

4.4.3.2 Ergebnisse<br />

Mit dem Geographischen Informationssystem werden die Schadenspotenziale berechnet und ver-<br />

ortet. So ist es z.B. möglich, durch eine Verschneidung der Höhenschichtenkarte mit den digitalen<br />

Ergebnissen der Wertermittlung die Höhenlagen der einzelnen Wertobjekte zu bestimmen<br />

(Tab. 4.12).<br />

Tab. 4.12: Gesamtschadenspotenzial im potenziellen Überflutungsgebiet nach Höhenschichten<br />

Intangibel<br />

< 0 m ü NN 0 - 1 m ü NN 1 - 2 m ü NN 2 - 3 m ü NN 3 - 4 m ü NN 4 - 5 m ü NN Gesamt<br />

Einwohner (HW u. NW) 0 21 889 2.024 1.941 1.436 6.311<br />

Arbeitsplätze 0 7 596 1.033 808 956 3.400<br />

Gästebetten 0 28 1.989 3.229 2.877 2.231 10.354<br />

Tangibel<br />

Gebäude 0 € 4.308.200 € 176.716.700 € 303.954.500 € 261.101.400 € 215.977.700 € 962.058.500 €<br />

Privates Inventar 0 € 1.538.300 € 46.715.100 € 72.939.500 € 58.655.400 € 41.901.000 € 221.749.200 €<br />

Bodenwerte im Siedlungsraum<br />

0 € 6.150.500 € 107.039.700 € 148.363.500 € 125.046.800 € 104.473.600 € 491.074.200 €<br />

Kraftfahrzeuge 0 € 286.700 € 3.339.800 € 6.511.500 € 3.435.100 € 2.625.100 € 16.198.200 €<br />

Verkehrsflächen 0 € 9.849.300 € 35.532.600 € 28.379.000 € 23.510.000 € 19.079.100 € 116.349.900 €<br />

Windkraftanlagen 0 € 0 € 482.500 € 0 € 0 € 0 € 482.500 €<br />

Landwirtschaftl. Flächen<br />

0 € 3.800.100 € 11.143.900 € 987.200 € 252.400 € 31.800 € 16.215.500 €<br />

Viehvermögen 0 € 98.600 € 1.218.200 € 1.029.100 € 130.300 € 391.000 € 2.867.200 €<br />

Wald- u. Forstflächen 0 € 1.100 € 79.900 € 52.200 € 121.300 € 125.200 € 379.600 €<br />

Freizeit- u. Erholungsflächen<br />

0 € 0 € 8.865.500 € 3.599.700 € 7.281.600 € 2.506.500 € 22.253.300 €<br />

Bruttowertschöpfung 0 € 157.300 € 18.811.700 € 33.481.800 € 26.002.600 € 30.990.000 € 109.443.500 €<br />

Ausrüstungsvermögen 0 € 370.000 € 28.477.600 € 49.972.200 € 50.031.700 € 40.371.600 € 169.223.200 €<br />

Vorratsvermögen 0 € 23.200 € 3.259.800 € 4.593.500 € 4.614.900 € 2.535.600 € 15.027.000 €<br />

Gesamt 0 € 26.583.300 € 441.683.000 € 653.863.700 € 560.183.500 € 461.008.200 € 2.143.321.800 €<br />

% 0,00 1,24 20,61 30,51 26,14 21,51 100,00<br />

Demnach leben 6 331 der insgesamt 6 934 Einwohner (91 %) im potenziellen Überflutungsgebiet<br />

(< 5 m ü. NN inklusive Vorland). Als weitere intangible Werte wurden 3 400 Arbeitsplätze und<br />

ca. 10 350 Gästebetten im Untersuchungsraum ermittelt.


Risikoanalyse<br />

Das tangible Schadenspotenzial hat einen Gesamtwert <strong>von</strong> etwa 2,143 Mrd. Euro. Die Anteile der<br />

verschiedenen Schadenskategorien verdeutlicht die Abbildung 4.19.<br />

Abb. 4.19: Tangibles Schadenspotenzial im potenziellen Überflutungsgebiet<br />

Den dominierenden Anteil bilden mit ca. 45 % die Gebäudewerte. Zudem sind die Bodenwerte im<br />

Siedlungsraum und das private Inventar mit ca. 23 % bzw. 10 % wichtige Wertekategorien. Für<br />

diese Strukturen konnten im Rahmen des MERK-Projektes auch für andere Untersuchungsräume<br />

ähnliche Größenordnungen ermittelt werden. Die ökonomischen Kategorien der Bruttowert-<br />

schöpfung und des Ausrüstungsvermögens sowie die Verkehrsflächen komplettieren den Haupt-<br />

anteil des Gesamtschadenspotenzials. Die übrigen Wertobjekte haben eine vergleichsweise<br />

geringere Bedeutung.<br />

100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

Einwohner (HW u. u.<br />

NW)<br />

Tangibles Gesamtschadenspotenzial: 2,143 Mrd. €<br />

Beschäftigte<br />

Bodenwerte im Siedlungsraum<br />

22,91%<br />

Privates Inventar<br />

10,35%<br />

Gästebetten<br />

Gebäude<br />

Gebäudeinventar<br />

Gebäude<br />

44,89%<br />

Grundstückswerte<br />

Kraftfahrzeuge<br />

Verkehrsflächen<br />

5,43%<br />

Verkehrsflächen<br />

Bruttowertschöpfung<br />

5,11%<br />

Abb. 4.20: Höhenverteilung des Schadenspotenzials im potenziellen Überflutungsgebiet<br />

Windkraftanlagen<br />

Ausrüstungsvermögen<br />

7,90%<br />

Wald- u. Forstflächen<br />

0,02%<br />

Landwirtschaftl.<br />

Flächen<br />

Viehvermögen<br />

0,13%<br />

Viehvermögen<br />

Wald- u. u. Forstflächen<br />

Freizeit- u. Erholungsflächen<br />

1,04%<br />

Landwirtschaftl. Nutzflächen<br />

0,76%<br />

Freizeit- u. u.<br />

Erholungsflächen<br />

Bruttowertschöpfung<br />

Ausrüstungsvermögen<br />

Vorratsvermögen<br />

Vorratsvermögen<br />

0,70%<br />

Kraftfahrzeuge<br />

0,76%<br />

Windkraftanlagen<br />

0,02%<br />

Gesamt<br />

4 - 5 m ü NN<br />

3 - 4 m ü NN<br />

2 - 3 m ü NN<br />

1 - 2 m ü NN<br />

0 - 1 m ü NN<br />

< 0 m ü NN<br />

117


118<br />

Risikoanalyse<br />

Für die möglichen Schäden ist u. a. die Höhenlage des Schadenspotenzials entscheidend, da die<br />

Überflutungshöhe in der Regel der dominierende Schadensfaktor ist. Die Abbildung 4.20 zeigt die<br />

Höhenverteilung der verschiedenen Wertobjekte.<br />

Im Untersuchungsraum liegen demnach keine Wertobjekte unter 0 m ü. NN. Während die landwirtschaftlichen<br />

Strukturen (Nutzflächen und Viehvermögen) in den niedrig gelegenen Höhenbe-<br />

reichen bis 2 m ü. NN konzentriert sind, verteilen sich die übrigen Schadenskategorien relativ<br />

homogen auf die Höhenschichten zwischen 1 und 5 m ü. NN.<br />

Aus den Wertermittlungsergebnissen lassen sich verschiedene gebietsspezifische Indizes ableiten,<br />

anhand derer verschiedene Gebiet grob miteinander verglichen werden können (Tab. 4.13).<br />

Tab. 4.13: Gebietsspezifische Indizes des Schadenspotenzials<br />

Fläche des Gemeindegebietes<br />

Fläche des potenziellenÜberflutungsgebietes<br />

Gefährdete<br />

Einwohner<br />

Schadenspotenzial Schadenspotenzial<br />

/ Gemeindegebiet<br />

Schadenspotenzial<br />

/ potenzielles<br />

Überflutungsgebiet<br />

Schadenspotenzial<br />

pro gefährdetem<br />

Einwohner<br />

2.825 ha 3.943 ha 6.311 2.143.321.800 € 758.700 €/ha 544.000 €/ha 339.617 €<br />

Abschließend sollen die Ergebnisse der Wertermittlung räumlich dargestellt werden. Hierzu wird<br />

mit Hilfe des GIS auf das Untersuchungsgebiet ein Raster (Kantenlänge der Planquadrate: 300 m)<br />

projiziert. Mit der Verschneidung dieses fishnet und den Evaluationsergebnissen können die<br />

Schadenspotenziale für die Rasterflächen berechnet werden. Somit lassen sich räumliche Wertekonzentrationen<br />

im Küstenraum hervorheben.<br />

Die Abbildung 4.21 zeigt die räumliche Verteilung der gefährdeten Einwohner sowie des Gesamt-<br />

schadenspotenzials im potenziellen Überflutungsgebiet.<br />

Abb. 4.21: Räumliche Verteilung des Schadenspotenzials im potenziellen Überflutungsgebiet


Risikoanalyse<br />

Hierbei wird die Konzentration des Schadenspotenzials im Bereich des küstenparallelen Sied-<br />

lungsgürtels deutlich, innerhalb dessen, bestimmte Bereiche besonders hohe Einwohnerzahlen<br />

bzw. monetäre Werte aufweisen (z.B. Innenstadt und Wohngebiete in St. Peter-Böhl).<br />

4.4.4 Schadensschätzung im Küstenraum<br />

Auf der Basis der Ereignisablaufanalyse (Kap. 4.4.2) und der Wertermittlungsergebnisse<br />

(Kap. 4.4.3) kann nun die Vulnerabilität mit einer prognostischen Schadensschätzung ermittelt<br />

werden. Hierbei liegt der Fokus auf der Darstellung der Methodik und des verwendeten Modells.<br />

Da lediglich zwei exemplarische Szenarien betrachtet werden, kann die ermittelte<br />

Schadenserwartung nur einen Ausschnitt aus den möglichen Konsequenzen einer extremen<br />

Sturmflut im Untersuchungsraum darstellen. Für eine umfassende Risikoanalyse wäre darüber<br />

hinaus eine Vielzahl <strong>von</strong> Szenarien erforderlich.<br />

4.4.4.1 Methodik<br />

Zwischen der ereignisspezifischen Einwirkung und der Schädigung eines betroffenen Objektes<br />

besteht entsprechend der Kondition des Objektes eine quantitative Beziehung, die in einem Mo-<br />

dell abgebildet werden kann.<br />

Tab. 4.14: Parametrisierung für die Schadensschätzung<br />

Leitparameter Einfluss auf... Mögl. Auswirkungen Berücksichtigung... Ausprägung<br />

Überflutungshöhe alle Vermögenskomponenten<br />

Zusätzliche Parameter<br />

Salzgehalt<br />

Jahresei ntrittszeitpunkt des<br />

Ereignisses<br />

Tageseintrittszeitpunkt des<br />

Ereignisses<br />

zahlreiche Vermögenskomponenten<br />

z.B. Hausrat und<br />

Flächennutzungen wie Acker<br />

und Grünland<br />

alle Vermögenskomponenten,<br />

insbesondere Land- und<br />

Forstwirtschaft<br />

alle Vermögenskomponenten<br />

Einwirkdauer des Wassers alle Vermögenskomponenten<br />

Fließgeschwindigkeit alle Vermögenskomponenten<br />

Wellenenergie alle Vermögenskomponenten<br />

Wasserinhaltsstoffe alle Vermögenskomponenten<br />

Vorwarnzeit<br />

Reaktionszeit/-Evakuierungszeit<br />

Evakuierungsgrad<br />

ausschließlich mobile Objekte<br />

(KFZ, Inventar, Vorratsvermögen,<br />

Einwohner)<br />

ausschließlich mobile Objekte<br />

(KFZ, Inventar, Vorratsvermögen,<br />

Einwohner)<br />

ausschließlich mobile Objekte<br />

(KFZ, Inventar, Vorratsvermögen,<br />

Einwohner)<br />

z.B. Chemische Prozesse<br />

Aufschwemmen <strong>von</strong> Objekten<br />

Schäden an Elektrik<br />

z.B. Korrosion<br />

Höhe des Schadenspotenzials<br />

z.B. in touristischen Gebieten;<br />

klimatische Bedingungen (z.B.<br />

Frost, Eisgang und niedrige<br />

Wassertemperatur im Winter);<br />

Abwesenheiten während der<br />

Urlaubszeit;<br />

Überraschungseffekt in der<br />

Nacht, Abwesenheiten<br />

z.B. Lösungsprozesse, Schädigung<br />

wasserempfindlicher<br />

Objekte, Vegetationsschädigung,<br />

Produktionsausfälle;<br />

mechanische Schädigung im<br />

hochenergetischen Bereich<br />

mechanische Schädigung im<br />

hochenergetischen Bereich durch<br />

Druckschlag<br />

Verunreinigungen und Reinigungskosten;<br />

Schädigung empfindlicher<br />

Objekte<br />

bestimmt maßgeblich die Evakuierung<br />

und damit die Schadensreduzierung<br />

bestimmt maßgeblich die Evakuierung<br />

und damit die Schadensreduzierung<br />

Schadensreduzierung<br />

als mittlere Überflutungshöhe in<br />

cm innerhalb der jeweiligen<br />

Hochwasserstandebene<br />

nein, da keine geeigneten<br />

Informationen diesbezüglich<br />

vorliegen<br />

durch Erhebung des Schadenspotenzials<br />

im Winter. Frost,<br />

Eisgang u. Wassertemperatur<br />

werden nicht berücksichtigt;<br />

außerhalb der Urlaubszeit<br />

je nach Geländeniveau;<br />

Nordseeküste: bis max. 5,0 m<br />

Ostseeküste: bis max. 3,2 m<br />

entfällt<br />

nein entfällt<br />

in Tagen in Abhängigkeit <strong>von</strong><br />

Geländetopologie und Sunkraten<br />

innerhalb des Strömungskegels<br />

hinter der Deichbruchstelle<br />

innerhalb der Brandungszone<br />

auf Flächen über Reinigungskosten;<br />

bei anderen Objekten in den<br />

Schadenfunktionen berücksichtigt<br />

und nicht gesondert erhoben<br />

nur nachrangig, da die Reaktionszeit<br />

entscheidend ist für die<br />

Evakuierung<br />

als entscheidendes Kriterium für<br />

den Erfolg <strong>von</strong> Evakuierungsmaßnahmen<br />

durch prozentuale Reduzierung<br />

des vulnerablen Schadenspotenzials<br />

Winter (Dezember)<br />

1 Tag bis max. 7 Wochen<br />

119<br />

Zone I: 0-100 m 3 m/s<br />

Zone II: 100-200 m 2 m/s<br />

Zone III: 200-300 m 1 m/s<br />

Wellenenergie im Rahmen der<br />

Untersuchung nicht quantifizierbar<br />

durchschnittliches Maß an<br />

Wasserinhaltsstoffen<br />

Schadensfaktor 2 bei Ölkontamination<br />

max. 12 h<br />

3 h<br />

je nach Schadenskategorie sehr<br />

unterschiedlich (z.B. KFZ 80 %<br />

bei 3 h Evakuierungszeit)


120<br />

Risikoanalyse<br />

Neben den Rahmenbedingungen, die sich aus der Ereignisablaufanalyse ergeben, sind für die<br />

Schadensschätzung weitere Parameter zu berücksichtigen, die die Schäden im Küsteraum beein-<br />

flussen. Die Parametrisierung erfolgt auf der Basis der Systemkenntnisse und einer Expertenbe-<br />

fragung (vgl. Kap. 4.2.3). Tabelle 4.14 zeigt die a priori festgelegten Rahmenbedingungen.<br />

Die Parametrisierung erlaubt die Berücksichtigung zusätzlicher Schäden auf High-Impakt-Flä-<br />

chen durch Brandung und Strömung. Zudem müssen Interventionsmaßnahmen berücksichtigt<br />

werden. So haben vergangene Ereignisse gezeigt, dass insbesondere durch Evakuierung mobiler<br />

Wertobjekte (z.B. KFZ, priv. Inventar) die Schadenserwartung erheblich gesenkt werden kann<br />

(vgl. KRON, 2001: 470).<br />

Die Tabelle 4.15 zeigt die in der Analyse verwendeten Evakuierungsraten.<br />

Tab. 4.15: Evakuierungsraten mobiler Wertobjekte<br />

Wertobjekt Evakuierungsrate<br />

KFZ 80 %<br />

Vieh 50 %<br />

Rückzugsstockwerk vorhanden<br />

privates Inventar 30 %<br />

Vorräte im Handel 20 %<br />

Ausrüstung Dienstleistung und Verwaltung 30 %<br />

Ausrüstung Produktionsgewerbe 1 %<br />

Kein Rückzugsstockwerk vorhanden<br />

privates Inventar 5 %<br />

Vorräte im Handel 5 %<br />

Ausrüstung Dienstleistung und Verwaltung 5 %<br />

Ausrüstung Produktionsgewerbe 0 %<br />

Für einen Großteil der Schadenskategorien kann die Berechnung der Schäden mit einem empirischen<br />

Modell durchgeführt werden. Dieses stützt sich im Wesentlichen auf sog. Wasserstands-<br />

Schadensfunktionen. Hierbei handelt es sich um normierte Funktionen, mit denen die Beziehung<br />

zwischen dem Leitparameter Überflutungswasserstand an den Wertobjekten und dem zu erwarten-<br />

den Schaden dargestellt werden. Diese basieren auf Schadensdaten vergangener Überflutungser-<br />

eignisse und bezeichnen die Schäden in monetären Größen oder als prozentualen Anteil am<br />

Gesamtwert des Objektes.<br />

In Deutschland wurde Anfang der 80er Jahre unter Federführung des Bayerischen Landesamtes für<br />

Wasserwirtschaft begonnen, ein Kollektiv <strong>von</strong> Hochwasserschadensdaten aufzubauen. 1989 wurde<br />

auf der Basis dieser Datenbank für die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) das Programm<br />

HOWAS zur Erfassung und Auswertung <strong>von</strong> Hochwasserschäden entwickelt. Hieraus lassen sich<br />

Wasserstands-Schadensfunktionen für Flussüberschwemmungen ableiten (vgl. MURL, 2000a: 40ff;<br />

NIEKAMP, 2001: 442).


Risikoanalyse<br />

Eine Übertragung solcher Süßwasserfunktionen auf den Küstenraum gilt aber als problematisch,<br />

weil hier u. a. durch die differenten hydrologischen wie hydraulischen Rahmenbedingungen als<br />

auch die andersgearteten Wasserinhaltstoffe (z.B. Salzgehalt) höhere Schäden entstehen könnten.<br />

Da Schadensdaten aus Sturmflutereignissen in Deutschland nur begrenzt vorhanden sind, wur-<br />

den im MERK-Projekt für nutzungsspezifische Objektcluster (z.B. zweigeschossige Gebäude)<br />

Datenkollektive aus HOWAS entnommen und für diese über Regressionsanalysen Schadensfunk-<br />

tionen abgeleitet. Die Abbildung 4.22 zeigt exemplarisch eine solche Funktion für zweigeschossige<br />

Gebäude.<br />

Schaden (%)<br />

45 45<br />

40 40<br />

35 35<br />

30 30<br />

25 25<br />

20 20<br />

15 15<br />

10 10<br />

5<br />

Abb. 4.22: Ableitung einer Wasserstands-Schadensfunktion<br />

(Quelle: nach PFLÜGNER, 2001)<br />

Obwohl aus dem HOWAS -Datenpool in der Vergangenheit vielfach Exponentialfunktionen ab -<br />

geleitet wurden (vgl. GÜNTHER und SCHMIDTKE, 1988), ergaben sich für zahlreiche Kategorien<br />

lineare Funktionsverläufe als beste Anpassung.<br />

Die Funktionen wurden dann im Rahmen einer Expertenbefragung hinsichtlich ihrer Plausibilität<br />

und Übertragung auf den Küstenraum diskutiert und angepasst (vgl. REESE, 2003). Aufgrund der<br />

begrenzten Rohdaten, der Parametrisierung und subjektiven Einschätzung durch die Experten<br />

sowie einer teils erforderlichen Extrapolation sind die Funktionen nur begrenzt repräsentativ und<br />

mit relativ großen Unsicherheiten verbunden (vgl. THIEKEN et al., 2002). Daher ist es ratsam, diese<br />

zukünftig weiter zu entwickeln.<br />

Die Abbildung 4.23 zeigt die generierten Wasserstands-Schadensfunktionen für die verschiedenen<br />

Schadenskategorien.<br />

Regressionsanalyse<br />

für Gebäude mit zwei Geschossen ohne Keller<br />

Y = 5 X<br />

0<br />

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00<br />

Überflutungswasserstand (m)<br />

Regressions-Statistik<br />

Rohdaten<br />

Linear<br />

(Rohdaten)<br />

Multipler Korrelationskoeffizient 0,369619953<br />

Bestimmtheitsmaß 0,136618909<br />

Adjustiertes Bestimmtheitsmaß 0,133246327<br />

Standardfehler 4,88152494<br />

Beobachtungen 258<br />

258<br />

121


122<br />

Schaden (%)<br />

Schaden (%)<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Abb. 4.23: Wasserstands-Schadensfunktionen<br />

Risikoanalyse<br />

Darüber hinaus gibt es Schadenskategorien, deren Schäden nicht maßgeblich <strong>von</strong> der Überflutungshöhe<br />

determiniert werden (z.B. Bruttowertschöpfung, Wald- und Forstflächen). Hier<br />

bestimmen andere Parameter, wie z.B. die Überflutungsdauer, die Schadenserwartung.<br />

Mit der Expertenbefragung konnten auch hierzu qualitative und quantitative Informationen ge-<br />

wonnen werden. Die Tabelle 4.16 zeigt die Methodik der Schadenschätzung für diese Wertob -<br />

jekte. 24<br />

Wasserstands-Schadensfunktionen<br />

Gebäude<br />

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5<br />

Überflutungshöhe (m)<br />

0<br />

Gebäude 2 G+K Gebäude 2 G Gebäude 4 G+K<br />

Gebäude 4 G Gebäude-Halle<br />

Wasserstands-Schadensfunktionen<br />

Kraftfahrzeuge und Windkraftanlagen<br />

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5<br />

Überflutungshöhe (m)<br />

PKW PKW (wegschwemmen)<br />

NFZ<br />

WKA<br />

NFZ (wegschwemmen)<br />

X = Überflutungshöhe (m)<br />

Y = Schaden (%)<br />

G = Geschosse<br />

K = Keller<br />

OG = Obergeschoss<br />

D = Dienstleistung<br />

H = Handel<br />

P = Produktionsgewerbe<br />

V = Verwaltung<br />

PKW = Personenkraftwagen<br />

NFZ = Nutzfahrzeuge<br />

WKA = Windkraftanlagen<br />

Wasserstands-Schadensfunktionen<br />

Gebäudeinhalt<br />

24 Zu den Einzelergebnissen der Expertenbefragung und Ableitung der Evaluationsmethodik siehe REESE (2003).<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4<br />

Überflutungshöhe (m)<br />

Priv. Inventar OG Priv. Inventar K<br />

Ausrüstung D/H/V OG Ausrüstung D/H/V K<br />

Ausrüstung P OG Ausrüstung P K<br />

Ausrüstung P Halle Vorräte OG<br />

Vorräte K Vorräte Halle<br />

Geschosshöhen (lichtes Maß)<br />

Gebäudenutzung<br />

Obergeschoss<br />

Keller Halle<br />

Dienstleistung / Handel /<br />

Verwaltung<br />

3,00 m 2,20 m 4,00 m<br />

Produktionsgewerbe 3,00 m 2,20 m 4,00 m<br />

Wohnen 2,50 m 2,20 m -<br />

Funktionen<br />

Gebäude 2 G+K Y = 5 X<br />

Gebäude 2 G Y = 3 + 5 X<br />

Gebäude 4 G+K Y = 3 X<br />

Gebäude 4 G Y = 3 + 3 X<br />

Gebäude Halle Y = 12,5 X<br />

Priv. Inventar OG Y = 60 v X<br />

Priv. Inventar K Y = 68 v X - 6<br />

Ausrüstung D/H/V OG Y = 57 v X + 5<br />

Ausrüstung D/H/V K Y = 68 v X - 6<br />

Ausrüstung P OG Y = 20 X<br />

Ausrüstung P K Y = 28 X<br />

Ausrüstung P Halle Y = 15 X<br />

Vorräte OG Y = 5 + 38 X<br />

Vorräte K Y = 5 + 43 X<br />

Vorräte Halle Y = 5 + 32 X


Risikoanalyse<br />

Nach der Übertragung des Evaluations-Modell in das GIS, wird unter Berücksichtigung der Scha-<br />

densprozesse (Überflutungswasserstände, Einwirkdauer, mechanische Schädigungen im High-<br />

Impakt-Bereich etc.) und der Objektwerte und Evakuierungsraten die Schadenserwartung für die<br />

verschiedenen Kategorien berechnet. Die Ergebnisse der Schadensschätzung werden den entsprechenden<br />

Flächen im GIS zugeordnet und können so räumlich ausgewertet werden.<br />

Tab. 4.16: Erweiterung des Modells zur Schadensschätzung<br />

Schadenskategorie Erläuterungen<br />

Landwirtschaftliche<br />

Nutzflächen - Grünland<br />

Landwirtschaftliche<br />

Nutzflächen - Acker<br />

Viehvermögen<br />

Wald- und Forstflächen<br />

Verkehrs-, Freizeit-,<br />

Erholungsflächen<br />

Bruttowertschöpfung<br />

Arbeitsplätze<br />

Gästebetten<br />

Einwohner<br />

4.4.4.2 Ergebnisse<br />

Direkte Verluste z.B. durch Erosion oder durch<br />

Verringerung des Verkehrswertes am Boden<br />

werden nicht evaluiert; Ertragsverluste maßgeblich<br />

vom Eintrittszeitpunkt bestimmt;<br />

Nach 2 h direktem Wasserkontakt Totalschaden;<br />

Evakuierungsquote (50 %) und Leistungseinbußen<br />

(10 %) bestimmen die Schäden;<br />

Direkte Verluste z.B. durch Erosion oder durch<br />

Verringerung des Verkehrswertes am Boden<br />

werden nicht evaluiert; Ertragsverluste<br />

Mechanische Schäden durch Strömung und<br />

Brandung;<br />

Reinigungskosten entsprechend der Erfahrungen<br />

bei Flussüberschwemmungen;<br />

Angabe in Produktionsausfall/d; Ausfallzeiten<br />

abhängig <strong>von</strong> Wasserstand und Sunk;<br />

Ausfallzeiten: Direkt betroffene Betriebe: Überflutungsdauer<br />

+ Instandsetzungsdauer;<br />

Isolierte Betriebe: Überflutungsdauer;<br />

Identifizierung der direkt betroffenen Erwerbstätigen;<br />

Keine sekundären Schäden betrachtet;<br />

Identifizierung der direkt betroffenen Gästebetten;<br />

Keine sekundären Schäden betrachtet;<br />

Ermittlung <strong>von</strong> Todesraten, sowie Verletzten nur<br />

schwer möglich; Daher Abschätzung betroffener<br />

und evakuierter Personen sowie der Evakuierungskosten;<br />

Schadenserwartung<br />

High-Impakt-Bereich Low-Impakt-Bereich<br />

100 %<br />

100 %<br />

55 % 55 %<br />

100 %<br />

Zone I: 80 %; Zone II:<br />

30 %; Zone III: 10 % der<br />

Neubaukosten<br />

100 %<br />

100 %<br />

100 %<br />

Kosten pro evakuierter<br />

Person: ca. 150 €;<br />

100 % aller Personen sind<br />

betroffen und müssen<br />

evakuiert werden;<br />

Überflutung > 1 Woche: 65 % Schaden<br />

am Jahresertrag;<br />

Überflutung < 1 Woche: 30 % Schaden<br />

am Jahresertrag<br />

Überflutung > 2 Woche: 100 % Schaden<br />

am Jahresertrag;<br />

Überflutung < 2 Woche: 36 % Schaden<br />

am Jahresertrag<br />

Überflutung > 3 Tage: Nadelwald: 5 %,<br />

Mischwald: 3,5 %; Laubwald: 2 % Schaden<br />

am Jahresertrag;<br />

Reinigungskosten befestigter<br />

Flächen: ca. 6,00 €/m 2<br />

Reinigungskosten unbefestigter<br />

Flächen: ca. 3,60 €/m 2<br />

Über Ermittlung der Überflutungsdauer<br />

und Instandsetzungsdauer (t);<br />

t (d) = 7 * X<br />

[X = Wasserstand (m)]<br />

Monetäre Evaluation erfolgt über Wertschöpfung;<br />

123<br />

Monetäre Evaluation erfolgt über Wertschöpfung;<br />

Kosten pro evakuierter Person: ca. 150 €;<br />

Betroffene Personen = Im Überflutungsgebiet<br />

gemeldet;<br />

Evakuierte Personen = Bei sehr hohen<br />

Wasserständen oder fehlenden Rückzugsstockwerken;<br />

Die Ergebnisse lassen sich nun je nach Bedarf und Fragestellung auswerten und visualisieren. Die<br />

Darstellung der Schadenserwartung konzentriert sich im Folgenden auf die Höhenverteilung und<br />

die Anteile der verschiedenen Schadenskategorien. Die Tabelle 4.17 zeigt die Gesamtschäden für<br />

die Überflutungsszenarien.<br />

Nach Szenario SPO-I leben <strong>von</strong> insgesamt 6 311 Einwohnern im Untersuchungsraum 1 271 Personen<br />

innerhalb des Überflutungsgebietes (ca. 20 %), <strong>von</strong> denen nach den vorab festgelegten Rah-<br />

menbedingungen 195 evakuiert werden müssten. Die tangiblen Schäden betragen hier<br />

ca. 55 Mio. €, wobei mit ca. 37 % der Gesamtschäden eine Konzentration in der Höhenschicht zwi-<br />

schen 2 und 3 m zu erkennen ist.


124<br />

Risikoanalyse<br />

Nach dem Szenario SPO-II steigt die Zahl der betroffenen Einwohner auf 1 954 (ca. 30 %), die der<br />

zu evakuierenden auf 222 Personen. Die monetäre Schadenserwartung hat einen Umfang <strong>von</strong><br />

ca. 69 Mio. €. Hier ist ein Großteil der Schäden im Höhenbereich zwischen 1 und 2 m zu erkennen<br />

(ca. 34 %).<br />

Tab. 4.17: Schadenserwartung in den Überflutungsgebieten - Monetäre Werte in Tsd. Euro -<br />

< 0 m ü NN 0 - 1 m ü NN 1 - 2 m ü NN 2 - 3 m ü NN 3 - 4 m ü NN 4 - 5 m ü NN Gesamt<br />

Intangibel SPO-I SPO-II SPO-I SPO-II SPO-I SPO-II SPO-I SPO-II SPO-I SPO-II SPO-I SPO-II SPO-I SPO-II<br />

Betroffene Einwohner<br />

(HW u. NW)<br />

Zu evakuierende<br />

Einwohner<br />

0 0 21 21 206 889 693 693 157 157 194 194 1 271 1 954<br />

0 0 0 0 48 75 65 65 20 20 62 62 195 222<br />

Betroffene Beschäftigte 0 0 7 7 247 596 439 439 193 193 308 308 1.194 1 543<br />

Betroffene Gästebetten 0 0 28 28 435 1 989 1 470 1 470 577 577 944 944 3 454 5 008<br />

Tangibel<br />

Evakuierungskosten 0 0 3 3 30 133 104 104 23 23 29 29 190 293<br />

Gebäudeschäden 0 0 251 375 2 718 6 913 7 305 7.305 8 856 8 856 4 645 4 645 23 777 28 096<br />

Inventarschäden 0 0 431 527 1 934 6 587 6 180 6 180 698 698 1 235 1 235 10 480 15 229<br />

Kraftfahrzeugschäden 0 0 2 18 31 119 113 113 39 39 115 115 304 408<br />

Schäden an Verkehrsflächen<br />

Schäden an Windkraftanlagen<br />

4 4 701 701 1 635 1 825 857 857 441 441 466 452 4 105 4 281<br />

0 0 0 0 4 9 0 0 0 0 0 0 4 9<br />

Viehschäden 0 0 59 59 488 730 0 0 0 0 0 0 547 790<br />

Schäden an Freizeitflächen<br />

0 0 0 0 146 400 130 130 14 14 8 8 299 553<br />

Wertschöpfungsverluste 0 0 7 10 349 653 1.041 1 027 1 160 1 160 423 423 2 982 3 275<br />

Ausrüstungsschäden 0 0 76 96 2 069 5 688 4 198 4 198 2 168 2 168 2 991 2 991 11 504 15 143<br />

Vorratsschäden 0 0 7 10 290 667 138 138 89 89 209 209 734 1 115<br />

Gesamt 4 4 1 540 1 803 9 699 23 729 20 069 20 055 13 491 13 491 10 125 10 111 54 930 69 195<br />

% 0,01 0,01 2,80 2,61 17,66 34,29 36,54 28,98 24,56 19,50 18,43 14,61 100,00 100,00<br />

< 0 m ü NN 0 - 1 m ü NN 1 - 2 m ü NN 2 - 3 m ü NN 3 - 4 m ü NN 4 - 5 m ü NN Gesamt<br />

Ertragsverluste Acker 0 0 22 22 58 65 0 0 0 0 0 0 81 88<br />

Ertragsverluste Grünland<br />

0 0 207 207 243 558 40 40 12 12 1 1 504 819<br />

Ertragsverluste Forst 0 0 0 0 1 1 0 0 4 4 3 3 8 8<br />

Gesamt 0 0 € 230 230 302 624 40 40 16 16 4 4 594 915<br />

% 0,00 0,00 38,78 25,17 50,98 68,22 6,88 4,44 2,69 1,74 0,66 0,43 100,00 100,00<br />

Die Verteilung der Schäden auf die verschiedenen Schadenskategorien ist in Abb. 4.24 dargestellt.<br />

Mit 43 % (SPO-I) bzw. 40 % (SPO-II) sind die größten Schadensanteile an Gebäuden zu erwarten.<br />

Dieses ist im Wesentlichen auf das sehr hohe Schadenspotenzial der Bauten zurückzuführen. Mit<br />

jeweils ca. 20 % haben darüber hinaus die zum großen Teil mobilen Sachwerte des Ausrüstungs-<br />

vermögens und des privaten Inventars einen erheblichen Anteil an den Schäden. Würden Evaku-<br />

ierungsmaßnahmen nicht berücksichtigt werden, so wären diese Verluste noch wesentlich höher.<br />

Während die Wertschöpfungsverluste mit ca. 7,5 % und die Schäden an Verkehrsflächen mit<br />

ca. 5 % noch einen bedeutenden Anteil an der Schadenserwartung haben, sind die Verluste an den<br />

übrigen Schadenskategorien eher gering.


Anteil an der Gesamtschadenserwartung (%)<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Risikoanalyse<br />

Abb. 4.24: Verteilung der Schadenserwartung auf die Schadenskategorien<br />

Mit der Schadensschätzung ist die Vulnerabilitätsanalyse abgeschlossen. Im Folgenden wird auf<br />

der Basis dieser Ergebnisse und den Erkenntnissen aus der Gefährdungsanalyse das Risiko im<br />

Untersuchungsraum abgeschätzt.<br />

4.4.5 Risikoabschätzung im Küstenraum<br />

Das spezifische Risiko wird quantitativ ermittelt als Produkt aus der Gefährdung und der Vulnera-<br />

bilität. Es wird üblicherweise angegeben als Schadenshöhe pro Jahr (vgl. Kap. 4.1.4).<br />

Wie in Kap. 4.4.2 erläutert wurde, hat das betrachtete Sturmflutereignis mit einem Scheitelwasserstand<br />

<strong>von</strong> 6,60 m ü. NN am Bezugspegel Husum bei einem Wiederkehrintervall <strong>von</strong> ca. 400<br />

Jahren eine Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> ca. 0,0025. Da bei diesem Wasserstand <strong>von</strong> einem Ver-<br />

sagen des Deichsystems ausgegangen wird, entspricht die Überflutungswahrscheinlichkeit des<br />

Hinterlandes der Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses.<br />

Da die betroffenen Flächen die gleiche Gefährdung aufweisen, ist eine räumliche Differenzierung<br />

der Überflutungswahrscheinlichkeiten im Untersuchungsgebiet nicht erforderlich.<br />

Die verorteten Schäden an den Wertobjekten und die Gefährdung lassen sich abschließend mit<br />

dem GIS kombinieren. Das so ermittelte Risiko wird dann kartographisch in einer Risikokarte<br />

dargestellt. Wie schon bei der Visualisierung der Wertermittlungsergebnisse wurde hierzu ein<br />

Raster auf das Untersuchungsgebiet projiziert. Die Verschneidung des Rasters mit dem Risiko der<br />

Wertobjekte erlaubt es, Bereiche mit besonders hohen Risiken im Küstenraum zu identifizieren.<br />

Somit stellen die Risikokarten eine wichtige Grundlage für das Risikomanagement dar<br />

(vgl. VOGT, 2000: 113).<br />

Die Abbildung 4.25 zeigt die räumliche Verteilung der betroffenen Einwohner 25 für die betrachte-<br />

ten Szenarien.<br />

Gebäude Ausrüstung Priv. Inventar<br />

Verkehrsflächen<br />

Wertschöpfung<br />

Schadenskategorien<br />

Schadenserwartung<br />

Anteile der Schadenskategorien<br />

Vorrat Vieh KFZ<br />

SPO-I 43,29 20,94 19,08 7,47 5,43 1,34 1,00 0,55 0,54 0,35 0,01<br />

SPO-II 40,60 21,88 22,01 6,19 4,73 1,61 1,14 0,59 0,80 0,42 0,01<br />

25 Betroffene Einwohner sind die im Überflutungsgebiet lebenden Personen (nach Informationen des Einwohnermelderegisters).<br />

Freizeitflächen<br />

Evakuierung<br />

Windkraftanlagen<br />

125


126<br />

Risikoanalyse<br />

Die betroffenen Einwohner (Szenario SPO-I = 1 271; SPO-II = 1 954) konzentrieren sich im Wesent-<br />

lichen auf die Wohngebiete in der Nähe des wirtschaftlichen Zentrums und in St. Peter-Bad West<br />

(vgl. Kap. 4.4.2).<br />

Abb. 4.25: Räumliche Verteilung der betroffenen Einwohner<br />

Da nach dem Szenario SPO-II eine größere Fläche überflutet wäre, ist die Zahl der <strong>von</strong> einem<br />

Überflutungsereignis betroffenen Menschen entsprechend höher. Mit Hilfe dieser Visualisierung<br />

können z.B. Evakuierungsmaßnahmen für den Ereignisfall optimiert werden.<br />

Abb. 4.26: Räumliche Verteilung des monetären Sturmflutrisikos


Risikoanalyse<br />

Auch wenn die Bevölkerung als prioritäres Schutzgut betrachtet wird, so ist auch das monetäre<br />

Risiko bei der zukünftigen Maßnahmenplanung zu berücksichtigen.<br />

Die Risikoabschätzung ergibt ein monetäres Gesamtrisiko im Überflutungsraum für das Szenario<br />

SPO-I <strong>von</strong> ca. 140 000 Euro/a und für das Szenario SPO-II <strong>von</strong> ca. 170 000 Euro/a.<br />

Die Kenntnis des monetären Risikos erlaubt es z.B., im Rahmen <strong>von</strong> Kosten-Nutzen-Analysen die<br />

Risiken den Kosten <strong>von</strong> Schutzmaßnahmen (z.B. Deichbau) gegenüber zu stellen (vgl. BUCK, 1995;<br />

NIEKAMP, 2001). Somit lässt sich der Ressourceneinsatz zur Minimierung <strong>von</strong> Risiken optimieren.<br />

Die räumliche Verteilung des monetären Risikos ist in Abb. 4.26 dargestellt. Die höchsten Schadenswahrscheinlichkeiten<br />

konzentrieren sich im Siedlungsraum. Hierbei weisen die Rasterflächen<br />

(Planquadrat = 0,9 ha) teils ein Risiko <strong>von</strong> mehr als 10 000 € pro Jahr auf. Das Risiko in dem land-<br />

wirtschaftlich geprägten Hinterland ist mit maximal 2 500 € pro betroffene Teilfläche wesentlich<br />

geringer.<br />

Mit der exemplarischen Analyse des Sturmflutrisikos im Küstenraum der Gemeinde St. Peter-Or-<br />

ding konnte gezeigt werden, dass eine objektbezogene Evaluation der Risiken möglich ist. Die<br />

Ergebnisse sind sehr detailliert und eignen sich gut als Basis für ein zukünftiges Risikomanagement<br />

in überflutungsgefährdeten Gebieten. Der Aufwand dieser mikroskaligen Methode ist der-<br />

zeit aber noch vergleichsweise hoch. Eine Standardisierung des Verfahrens wäre erforderlich, um<br />

die Risikoanalyse als Instrument in der konkreten Maßnahmenplanung zu etablieren.<br />

Im Rahmen des MERK-Projektes wurde hierzu ein erster Ansatz untersucht (vgl. REESE et al.,<br />

2003; REESE, 2003).<br />

Das vorgestellte Verfahren hat nicht den Anspruch, die gesellschaftliche Risikoakzeptanz in eine<br />

wissenschaftliche Risikokalkulation einzubeziehen. Das berechnete Risiko ist hier lediglich als<br />

Informationsbasis für ein zukünftiges Risikomanagement und für den gesellschaftlichen Bewer-<br />

tungsprozess zu verstehen. Die Zukunft wird zeigen, ob den betroffenen Individuen und Kollektiven<br />

das spezifische Risiko vermittelt werden kann und dieses dann als Grundlage für den<br />

Umgang mit dem Risiko akzeptiert wird.<br />

Die Methoden und Techniken der Risikoanalyse sind kritisch zu bewerten. Wie gezeigt wurde, ist<br />

die Risikoabschätzung zum Teil mit Unsicherheiten belastet. So sind zum einen die Ereigniswahrscheinlichkeiten<br />

nur sehr ungenau abzuschätzen und zum anderen unterliegt die Ermittlung der<br />

Schadenserwartung allein aufgrund der (willkürlichen) Festlegung vulnerabler Schadenskatego-<br />

rien einer gewissen Subjektivität seitens des Bearbeiters.<br />

Nicht zuletzt das Szenariokonzept und die Unsicherheit der Modelle führt immer wieder zu einer<br />

geringen gesellschaftlichen Akzeptanz der nach wissenschaftlichen Kriterien ermittelten Risiken.<br />

Doch trotz der Kritik an der quantitativen Risikoanalytik kann die Adaption an die versicherungs-<br />

wirtschaftliche Risikoformel zukünftig sinnvoll sein, wenn Methoden und Modelle weiterentwi-<br />

ckelt werden, um die teils großen Unsicherheiten der Risikoabschätzung zu minimieren. Hierbei<br />

zeichnet sich insbesondere bei der Generierung der Evaluationsmodelle und der Entwicklung<br />

probabilistischer Gefährdungsabschätzungen ein hoher Forschungsbedarf ab. Hinsichtlich der<br />

Modellentwicklung für die Abschätzung möglicher Sturmflutschäden im Küstenraum konnte an<br />

dieser Stelle ein Beitrag geleistet werden. Doch auch die hier diskutierten Methoden bedürfen ei-<br />

ner Verifizierung und Weiterentwicklung.<br />

127


128<br />

Risikoanalyse<br />

Trotz der Kritik an quantitativen Risikoanalysen sind bis dato auch <strong>von</strong> Seiten der Sozialwissen-<br />

schaften keine Methoden bereitgestellt worden, die für eine Risikobeurteilung besser geeignet<br />

scheinen (vgl. Kap. 5). Mit der naturwissenschaftlich-technischen Risikoanalyse kann somit ge-<br />

genwärtig - unter Berücksichtigung aller Unsicherheiten - ein spezifisches Risiko als Grundlage<br />

für ein präventives Risikomanagement abgeschätzt werden. Dass ein Bedarf hierfür besteht, be-<br />

weist die wiederholte Forderung nach Risikoabschätzungen insbesondere auf der Ebene des Ma-<br />

nagements und der Maßnahmenplanung (vgl. BMVBW, 2002).


5. Risikobewertung<br />

Risikobewertung<br />

129<br />

„Wenn wir diese Situation nicht wollten,<br />

würden wir hier auch nicht wohnen.<br />

Das Hochwasser gehört hier einfach dazu,<br />

und ohne würde etwas fehlen.“<br />

Aussage eines Lübecker Bürgers nach<br />

dem Überflutungsereignis am 21.02.2002<br />

Insbesondere die Diskussion um die zivile Nutzung der Kernenergie machte die Grenzen des<br />

klassischen Risikokonzeptes in der Vergangenheit evident, denn Risikofaktoren sind zunehmend<br />

Unbekannte, so dass neben den Unsicherheiten klassischer Risikoabschätzungen subjek tive Evaluationsspielräume<br />

zunehmen. Außerdem bestimmen weniger das objektive statistische Risiko als<br />

vielmehr die individuellen Risikobewertungen der Gesellschaft die Optionen und -restriktionen<br />

öffentlichen Handelns. Der quantitativ-analytische Ansatz der Risikoabschätzung reicht demnach<br />

nicht aus, um risikopolitische Entscheidungen zu treffen. Vielmehr muss die gesellschaftliche Be-<br />

trachtungsweise und somit die Akzeptanz bzw. Akzeptabilität in den Managementprozess integ-<br />

riert werden. Der gesellschaftliche Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozess gegenüber Risiken<br />

wird im Folgenden unter dem Terminus der Risikobewertung zusammengefasst. Diese wird hier<br />

definiert als die individuelle oder kollektive Beurteilung eines Risikos unter Informationsauf-<br />

nahme und dem Einfluss <strong>von</strong> persönlichen, sozialen und kulturellen Faktoren. Der Entschei-<br />

dungsprozess gliedert sich in eine Wahrnehmungsphase, in der Risiken identifiziert, analysiert<br />

und formuliert werden, und eine Evaluationsphase, in der Alternativen entworfen und bewertet<br />

sowie Handlungen entschieden werden (vgl. PLAPP, 2001).<br />

Die Untersuchung der Risikobewertung soll in der vorliegenden Arbeit eine Antwort auf die Frage<br />

liefern, wie das Risiko <strong>von</strong> Naturgefahren im Allgemeinen und das <strong>von</strong> Sturmfluten im Besonde-<br />

ren individuell oder kollektiv wahrgenommen wird, und ob und warum diese Risiken (nicht) akzeptiert<br />

werden. Während in Kapitel 2.3 ein allgemeiner Überblick zur Risikoforschung dargelegt<br />

wurde, soll an dieser Stelle das Thema der gesellschaftlichen Dimension des Risikos nochmals<br />

aufgenommen und näher untersucht werden. Nach einem Überblick zum Stand der formal-nor-<br />

mativen, der psychologisch-kognitiven sowie der kulturell-soziologischen Forschung zur Risikobewertung<br />

und deren Relevanz für die Wahrnehmung und Evaluation <strong>von</strong> Naturrisiken, wird die<br />

gesellschaftliche Bewertung des Sturmflutrisikos am Beispiel der Fokusgebiete St. Peter-Ording<br />

(Nordseeküste) und Lübeck (Ostseeküste) erläutert.<br />

5.1 Ergebnisse der Risikoakzeptanzforschung<br />

In der klassischen Risikoforschung können im Wesentlichen drei Strömungen identifiziert wer-<br />

den, die sich mit Fragen der Risikobewertung bzw. der Akzeptanz <strong>von</strong> Risiken beschäftigen.<br />

Diese sind: der <strong>von</strong> STARR (1969) entwickelte Ansatz der verdeckten Präferenzen (formal-normativ),<br />

der Ansatz der offenbarten Präferenzen (psychologisch-kognitiv), der u. a. <strong>von</strong> SLOVIC, FISCHHOFF<br />

und LICHTENTSTEIN (1985) verfolgt wurde, sowie verschiedene soziologisch-kulturelle Ansätze.


130<br />

5.1.1 Formal-normative Ansätze<br />

Risikobewertung<br />

STARRs Konzept basiert - geleitet durch die Frage „How safe is safe enough“ - auf einer formal-<br />

normativen Betrachtungsweise des Risikos. Im Zentrum der Betrachtung steht hierbei die Beziehung<br />

zwischen dem gesellschaftlichem Nutzen einer Situation (meist als ökonomische Größe) und<br />

dem damit verbundenen Risiko (i. d. R. als Todeswahrscheinlichkeit). Nach STARR nimmt die Ak-<br />

zeptanz eines Risikos zu, wenn der damit verbundene Nutzen steigt. Der retrospektive Ansatz<br />

baut auf der Annahme auf, dass „…unsere Gesellschaft historisch akzeptable Gleichgewichte <strong>von</strong><br />

technischen Nutzen und gesellschaftlichen Kosten empirisch gefunden hat - durch trial and error<br />

und anschließende Korrekturmaßnahmen“ (STARR, 1993: 5). Somit soll die Antwort auf die ein-<br />

gangs gestellte Frage mit dem historisch gesellschaftlich akzeptierten Risikoniveau gefunden<br />

werden.<br />

Das Instrumentarium basiert hierbei auf der quantitativen Ermittlung eines universell gültigen<br />

Risikomaßes, um die gesellschaftlich bewerteten positiven und negativen Effekte einer Aktivität<br />

abzubilden. Evaluationsgrundlage ist die aus der Versicherungswissenschaft entliehene Risiko-<br />

formel, nach der das Risiko berechnet wird als Produkt aus Wahrscheinlichkeit und Schadenserwartung<br />

(vgl. Kap. 4).<br />

In Risikovergleichen werden die berechneten Risiken, die aktuell eingegangen werden, mit solchen,<br />

die in der Vergangenheit akzeptiert wurden, verglichen (revealed preference-Methode).<br />

Die Analyse historischer Daten führt STARR zu folgenden Schlussfolgerungen (vgl. SLABY und<br />

URBAN, 2002: 2ff):<br />

• Es besteht eine Beziehung zwischen Risiko und Nutzen, und die Akzeptanz entspricht etwa der dritten<br />

Potenz des Nutzens;<br />

• freiwillige Risiken werden in etwa 1000 mal eher akzeptiert als unfreiwillig eingegangene;<br />

• je mehr Individuen einem Risiko ausgesetzt sind, desto weniger wird es akzeptiert;<br />

• als Maßstab für die Akzeptanz kann das statistisch ermittelte Risiko für den Tod durch Krankheit ge-<br />

nutzt werden.<br />

Der Ansatz der verdeckten Präferenzen erwies sich für eine rationale Klärung der Akzeptanz <strong>von</strong><br />

Risiken als ungeeignet. Zentrale Kritikpunkte sind u. a. die mathematische Berechnung auf der<br />

Basis großer Unsicherheiten und die Risikovergleiche mit historisch unwandelbaren Risikoak -<br />

zeptanzschwellen. Der Vergleich zweier Risiken ist nur sinnvoll, wenn u. a. das risikobegründende<br />

Ereignis ein homogenes ist, welches darüber hinaus sehr häufig eintritt und gut beobachtet<br />

werden kann. Außerdem muss das Schadensereignis einer bestimmten Risikoquelle zugeordnet<br />

werden können. Ansonsten sind die Daten mit sehr hohen Unsicherheiten belastet (vgl. WBGU,<br />

1999: 231).<br />

Außerdem werden die zahlreichen theoretischen Prämissen der Methode kritisiert, wie z.B. die<br />

Annahme, dass das vergangene gesellschaftliche Verhalten als ein Indikator für gegenwärtige<br />

Präferenzen gelten kann und die Voraussetzung, dass eine erkannte Aktivität eine Akzeptanz des<br />

damit verbundenen Risikos impliziert.


Risikobewertung<br />

Zudem ist der Ansatz problematisch, da er hinsichtlich der Präferenzen und der vollständigen<br />

Information <strong>von</strong> einer homogenen Gesellschaft ausgeht (SLABY und URBAN, 2002). Insbesondere<br />

die Sicherheitsdebatte im Zusammenhang mit der zivilen Nutzung der Kerntechnik hat die Gren-<br />

zen und Probleme des formal-normativen Risikoansatzes und die große Kluft zwischen dem<br />

formalen und dem gesellschaftlich bewerteten Risiko dargestellt. Unter anderem die Reaktorka-<br />

tastrophe <strong>von</strong> Tschernobyl hat die unrealistischen Wahrscheinlichkeitskalküle der Anlagenbetrei-<br />

ber schonungslos offenbart.<br />

5.1.2 Psychologisch-kognitive Ansätze<br />

Der Ansatz der offenbarten Präferenzen ist im Wesentlichen als eine Reaktion auf den Ansatz <strong>von</strong><br />

STARR zu sehen und sehr eng mit dem psychometrischen Paradigma in der Risikoforschung verbunden<br />

(SLOVIC, 1992). Hierbei wird nicht angenommen, dass eine erkennbare gesellschaftliche<br />

Aktivität gleichsam die Akzeptanz des damit verbundenen Risikos bedeutet. Zudem wird betont,<br />

dass in der Vergangenheit eingegangene Risiken keine Aussage über die gegenwärtige Akzeptanz<br />

zulassen. Vielmehr wird die subjektive individuelle Komponente der Risikowahrnehmung und<br />

-bewertung fokussiert und das bestehende Verfahren um psycho-logisch-kognitive Aspekte er-<br />

weitert. Schwerpunkte des Ansatzes sind (vgl. KARGER, 1996: 31):<br />

• Bestimmung der wahrgenommenen Höhe des Risikos;<br />

• Analyse der kognitiven Struktur des Risikos;<br />

• Vergleich der Risikowahrnehmung für unterschiedliche Risikoquellen;<br />

• Bestimmung der Einflussfaktoren und Merkmale auf die Risikowahrnehmung;<br />

• Analyse komparativer Risikourteile (Laien vs. Experten);<br />

• Bestimmung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses.<br />

Hierbei wird ein psychometrischer Ansatz 1 verwendet, der auf die quantitative Beschreibung der<br />

kognitiven und evaluativen mentalen Struktur <strong>von</strong> Risiko und ihren Determinanten zielt<br />

(vgl. JUNGERMANN und SLOVIC, 1993).<br />

Auf die Basis des Ansatzes <strong>von</strong> STARR wird ein anderes methodisches Konzept aufgesetzt. Die<br />

Daten werden nicht indirekt aus historischen Betrachtungen gewonnen, sondern vielmehr in di-<br />

rekter Weise empirisch erhoben. In der überwiegenden Anzahl der psychometrischen Studien<br />

werden auf der Ebene der Risikocharakteristik individuelle Urteile für eine Serie <strong>von</strong> Risiken an-<br />

hand mehrdimensionaler Skalierungsmethoden durch direkte Befragungen der Bevölkerung erfasst<br />

und faktorenanalytisch oder anhand multidimensionaler Verfahren (Faktorenanalyse,<br />

Clusteranalyse) ausgewertet (vgl. DEUTSCH, 2002; KARGER, 1996). Anstelle der revealed preference-<br />

Methode tritt die expressed preference-Methode (vgl. SLABY und URBAN, 2002; WEICHSELGARTNER,<br />

2001).<br />

1 Psychometrie ist ein ursprünglich aus der Psychophysik stammender Messansatz, der funktionale Beziehungen zwischen Reizen<br />

und dadurch hervorgerufene Erlebnisse aufdecken soll (vgl. DEUTSCH, 2002). Im Bereich der Risikoforschung zielt der<br />

psychometrische Ansatz auf die quantitative Beschreibung der kognitiven und evaluativen mentalen Struktur <strong>von</strong> Risiko und<br />

ihren Determinanten. Neben dem psychometrischen Ansatz steht der mentale Modelle Ansatz, der den Faktor Wissen und die<br />

konzeptionellen und funktionalen Unterschiede zwischen Experten und Laien in den Vordergrund stellt (vgl. KARGER, 1996: 33f).<br />

131


132<br />

Risikobewertung<br />

Folgende Verfahren werden hierbei eingesetzt:<br />

• Einzelreiz-Rating: Die Befragten vergleichen jedes Risiko aus einer Gruppe <strong>von</strong> Risiken mit einem<br />

vorgegebenen Standard und geben entsprechende Einschätzungen ab. Die Zu-<br />

ordnung führt zu einer eindeutigen Klassifikation des einzelnen Risikos zu ei-<br />

ner Skalenposition;<br />

• Mehrfachreiz-Rating: Hierbei sind mehrere Risiken nach einem vorgegebenen Kriterium untereinan-<br />

der zu vergleichen und zu ordnen, das Ergebnis ist eine Rangordnung der be-<br />

werteten Risiken in Bezug auf die ausgesuchten Kriterien;<br />

• Ähnlichkeits-Rating: Hierbei werden Risikopaare vorgegeben, die dann im Hinblick auf ihre Ähnlich-<br />

keit skaliert oder in eine auf ausgewählte Kriterien bezogene Rangfolge zu<br />

bringen sind.<br />

Die Ergebnisse der zahlreichen Untersuchungen zeigen, dass die Risikobewertung nicht allein<br />

durch die Merkmale der Risiken bestimmt wird. Die identifizierten Faktoren, welche das gesamte<br />

Stimulset bilden, lassen sich drei Dimensionen zuordnen, den Risikomerkmalen, den Personmerkma-<br />

len und den Umweltbedingungen (Setting).<br />

SLOVIC, FISCHHOFF und LICHTENTSTEIN (1985) konnten durch verschiedene Untersuchungen zwei<br />

Risikomerkmale identifizieren, welche die individuelle Risikoperzeption maßgeblich beeinflus-<br />

sen: die Schrecklichkeit (dread risk) und die Bekanntheit (familarity). Die Aspekte, welche die<br />

Schrecklichkeit bestimmen, sind z.B. die Beherrschbarkeit, Freiwilligkeit und Reduzierbarkeit; die<br />

Aspekte, welche die (Un-)Bekanntheit determinieren, sind z.B. die wissenschaftliche Klärung oder<br />

die unmittelbare Wirkung. Die Abbildung 5.1 fasst die Einflussfaktoren zusammen.<br />

Schrecklichkeit<br />

beherrschbar nicht beherrschbar<br />

nicht schrecklich schrecklich<br />

keine Gefahr einer globalen Katastrophe Gefahr einer globalen Katastrophe<br />

nicht beherrschbar<br />

Folgen nicht tödlich Folgen tödlich<br />

Nutzen gerecht verteilt Nutzen ungerecht verteilt<br />

Schaden für ein Individuum Schaden für viele<br />

geringes Risiko für künftige Generationen hohes Risiko für künftige Generationen<br />

leicht reduzierbar schwer reduzierbar<br />

Risiko nimmt ab Risiko nimmt zu<br />

freiwillig unfreiwillig<br />

Bekanntheit<br />

wahrnehmbar nicht wahrnehmbar<br />

den Betroffenen bekannt den Betroffenen nicht bekannt<br />

unmittelbare Wirkung verzögerte Wirkung<br />

altes Risiko neues Risiko<br />

wissenschaftlich geklärt wissenschaftlich nicht geklärt<br />

Abb. 5.1: Dominierende Faktoren und Merkmale für die Risikobewertung<br />

(Quelle: nach WEICHSELGARTNER, 2001: 34f)


Risikobewertung<br />

Schrecklichkeit ist das bestuntersuchte Merkmal. Es beschreib t das eingeschätzte Schadensaus-<br />

maß, welches mit einem Risiko verbunden wird. Dieses bestimmt insbesondere die Risikobewertung<br />

<strong>von</strong> sog. Laien. Schrecklichkeit wird hierbei relativ unabhängig <strong>von</strong> der Wahrscheinlichkeit<br />

bewertet. Das unterscheidet die non-professionals <strong>von</strong> den professionals. Letztere messen der Wahr-<br />

scheinlichkeit eine wesentlich höhere Bedeutung zu.<br />

Gegen diese Ergebnisse sprechen andere Untersuchungen, nach denen sich Menschen z.B. eher<br />

gegen häufiger auftretende Bagatellschäden versichern als gegen Unfälle mit hohem Schaden aber<br />

geringerer Häufigkeit (vgl. KUNREUTHER et al., 1978). Auch HOLTGRAVE und WEBER ziehen aus<br />

ihren Untersuchungen den Schluss, dass „…the dimension of probability of harm is an important<br />

predictor of risk ratings. This dimension is lacking in the Slovic model.“ (ebd. 1993: 558; zit. in<br />

KARGER, 1996: 43)<br />

Die Bekanntheit eines Risikos - im Sinne des Bekanntheitsgrades - hängt unmittelbar mit der<br />

Schrecklichkeit zusammen. Ein neu einzuführendes Risiko, welches demnach unbekannt ist (z.B.<br />

Gentechnik), induziert Befürchtungen, weil u. a. neues erlernt werden muss. Da die Bekanntheit<br />

nicht vorrangig <strong>von</strong> individueller Kenntnis abhängig ist, gilt sie auch nicht als Personmerkmal<br />

(vgl. JUNGERMANN und SLOVIC, 1993, 1997; SLOVIC, 1987). Als weiteres Risikomerkmal beschreib t<br />

SLOVIC (1987) das Ausgesetztsein (exposure) im Sinne der Anzahl der betroffenen Menschen. 2<br />

In Abhängigkeit dieser Risikomerkmale haben Schadensereignisse unterschiedliche Signalwirkun-<br />

gen, wobei ein Ereignis, welches mit einem unbekannten und schrecklichen Risiko in Verb indung<br />

gebracht wird, eine größere Signalwirkung hat als solche, bekannter Art. Diese Signalwirkung ist<br />

zurückzuführen auf „…das [hypothetische] Risiko, das in der Unkenntnis möglicher Risiken<br />

liegt“ (JUNGERMANN und SLOVIC, 1993: 104). Es wird als besonders bedrohlich erlebt.<br />

Andere Untersuchungen ergaben, dass die individuelle Unfallhäufigkeit in die Abschätzung der<br />

eigenen Unfallgefahr eingeht. Wenn diese als gering eingeschätzt wird, dann ist das Katastrophenpotenzial<br />

entscheidend für die Risikobewertung. Hierbei korrespondiert die Unfallgefahr mit<br />

dem Personmerkmal persönliche Betroffenheit.<br />

Bei den Personmerkmalen sind Wissen, Erfahrung und Werthaltung <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung.<br />

So definiert RENN (1993) für die individuelle Risikobewertung folgende persönliche Begleit-<br />

umstände, welche die Risikobewertung zusätzlich beeinflussen:<br />

• Einstellung und Interessen<br />

• Freiwilligkeit<br />

• Persönliche Kontrollmöglichkeit<br />

• Natürlichkeit der Risikoquelle<br />

• Sicherheit fataler Folgen<br />

• Reversibilität der Folgen<br />

• Katastrophenfähigkeit der Risikoquelle<br />

• Gerechtigkeit der Nutzen- und Risikoverteilung<br />

• Möglichkeit weitreichender Folgen<br />

• Natürlichkeit der Risikoquelle<br />

• Folgen für kommende Generationen<br />

• Sinnliche Wahrnehmbarkeit<br />

• Gewöhnung an die Risikoquelle<br />

• Erfahrungen mit Technik und Natur<br />

• Kongruenz Nutznießer und Risikoträger<br />

• Vertrauen in öffentliche Kontrolle<br />

2 Der WBGU identifiziert als wahrgenommene Risikoeigenschaften die Eintrittswahrscheinlichkeit, das Schadenspotenzial, die<br />

Wahrnehmbarkeit, tempo rale Aspekte, die Begrenzbarkeit der Folgen, direkte und indirekte Auswirkungen sowie die Irreversibilität<br />

der Folgen (ebd. 1999: 169).<br />

133


134<br />

Risikobewertung<br />

Im Folgenden werden einige Personmerkmale näher erläutert (vgl. WBGU, 1999: 177ff).<br />

Freiwilligkeit der Risikoübernahme<br />

Risiken, denen Menschen gegen ihren Willen ausgesetzt sind, werden meist als größer empfunden<br />

und auch weniger akzeptiert als solche, die Menschen freiwillig eingehen (JUNGERMANN und<br />

SLOVIC, 1997; RENN, 1992). Die Zumutung eines Risikos führt i. d. R. wegen geringer Möglichkeit<br />

der Einflussnahme (Autarkie- und Kontrollverluste) zu aversiver Haltung. Darüber hinaus gibt es<br />

aber auch Risiken, die bewusst eingegangen werden(z.B. Rauchen und Funsportarten).<br />

Persönliche Erfahrung<br />

Schlechte Erfahrungen führen i. d. R. dazu, Risiken sehr hoch einzuschätzen und etwas dagegen<br />

zu unternehmen (z.B. Schutzmaßnahmen). Bei wiederholter Betroffenheit kann es aber auch zur<br />

Resignation kommen. Sind keine Erfahrungen vorhanden, führt das oft zu einer Unterschätzung<br />

und zu fehlenden Vorsorgemaßnahmen. Aber ohne Erfahrung werden Risiken teils sehr hoch<br />

eingeschätzt, z.B. wenn die Wahrnehmbarkeit und die Kontrollierbarkeit beschränkt oder die po-<br />

tenziellen Schäden sehr hoch sind (z.B. Klimaänderungen).<br />

Betroffenheit <strong>von</strong> einem Schaden<br />

Personen, die potenziell <strong>von</strong> einem Ereignis betroffen sind, schätzen die Risiken höher ein als sol-<br />

che, die keine negativen Folgen erwarten.<br />

Kontrollierbarkeit<br />

Risiken, die nicht beeinflusst werden können, werden i. d. R. als sehr bedrohlich eingeschätzt.<br />

Menschen, die ständig in einer nicht kontrollierbaren Risikosituation leben, verfolgen oftmals be-<br />

stimmte Strategien die z.B. vom Leugnen, Wunschdenken, religiösen Vertrauen oder Fatalismus<br />

geprägt sind. Zudem erscheinen solche Risiken, die zwar nicht kontrolliert werden können, vor<br />

denen man sich aber in Sicherheit bringen kann (Schutz oder Flucht), weniger bedrohlich.<br />

Wissen<br />

Das Wissen beeinflusst die Risikobewertung. Das Verhältnis zwischen Wissen und der Einschätzung<br />

der Bedrohlichkeit ist aber sehr komplex. Es gibt Fälle, in denen genaueres Wissen über eine<br />

Gefahr zu einer niedrigeren oder auch einer höheren Beurteilung der Bedrohung führt. Das Wis-<br />

sen allein ist nicht entscheidend, es ist vermischt mit anderen Faktoren wie Schutzmöglichkeiten<br />

und Werthaltungen.<br />

Einstellungen<br />

Bestimmte Bedrohungen sind oft in generelle Werthaltungen und Ideologien eingebettet. So be-<br />

urteilen z.B. Personen mit konservativer Werthaltung eher den Nutzen der Kernenergie, während<br />

Menschen mit liberalen Wertorientierungen die möglicherweise negativen Folgen betonen.<br />

Interessen<br />

Interessen korrespondieren stark mit dem persönlichen Nutzen. Je größer das persönliche Inte-<br />

resse, desto geringer wird das Risiko eingeschätzt bzw. desto eher wird es akzeptiert.


Gewöhnung<br />

Risikobewertung<br />

Risiken, die den Menschen vertraut sind werden oft weniger bedrohlich eingeschätzt als unbe-<br />

kannte (z.B.: Bergbau vs. Gentechnologie).<br />

Die skizzierten Faktoren hängen immer mit der Interpretationskultur der Gesellschaft oder einer<br />

sozialen Gruppe zusammen und sind stets in einem Gesamtzusammenhang und im Kontext zu<br />

den herrschenden Rahmenbedingungen, wie z.B. der Form der Risikoquelle, zu betrachten.<br />

In psychometrischen Studien werden die Personen i. d. R. auch nach der Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

<strong>von</strong> bestimmten Ereignissen befragt. Die Untersuchungen ergaben hierbei, dass diese Einschätzung<br />

im Alltag bestimmten Faustregeln des Denkens (Heuristiken) unterliegt. Für die rationale<br />

Beurteilung <strong>von</strong> Risiken gelten diese oft als ungeeignet.<br />

Folgende Heuristiken sind für die individuelle Bewertung <strong>von</strong> Risiken typisch (vgl. WBGU, 1999):<br />

• Verfügbarkeitsheuristik: Ereignisse, an welche die Person Erinnerungen knüpft, werden als wahr-<br />

scheinlicher eingestuft als solche, die weniger im Gedächtnis verfügbar sind<br />

(JUNGERMANN, 1982);<br />

• Spielerfalle: (aus Beobachtungen <strong>von</strong> Personen bei Würfelspielen entwickelt) Menschen,<br />

die vor kurzem erst Opfer eines Ereignisses wurden, glauben nicht, dass sich<br />

in Kürze ein solches Ereignis wiederholt;<br />

• Prospekt-Theorie (Framing): Ereignisse werden als risikoreicher eingeschätzt, wenn sie negativ dargestellt<br />

werden (z.B. Angabe der Todesrate <strong>von</strong> 60 % anstelle der Überlebensrate <strong>von</strong><br />

40 %) (TVERSKY und KAHNEMANN, 1981).<br />

Eine wichtige Größe der Persönlichkeit eines Perzipienten (Empfänger) ist die Toleranz gegenüber<br />

Informationen, die eine kognitive Dissonanz hervorrufen. Die Theorie der kognitiven Dissonanz<br />

geht auf FESTINGER (1957) zurück. Sie erläutert die psychologische Dynamik , die maßgeblich das<br />

Verhalten steuert, wenn Dissonanzen (Unstimmigkeiten) zwischen ihren Kognitionen, Meinun-<br />

gen, Überzeugungen und ihrem Verhalten erkannt werden. So werden Informationen selektiv<br />

aufgenommen oder abgelehnt bzw. umgedeutet. Menschen haben hierbei grundsätzlich die Neigung,<br />

kognitive Dissonanzen durch bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen zu reduzie-<br />

ren. So werden entweder Informationen gesucht, die die Dissonanz verringern oder aber solche<br />

vermieden, die die Dissonanz noch erhöhen.<br />

Neben den Risiko- und Personmerkmalen komplettieren die Umweltbedingungen das Stimulset<br />

(DEUTSCH, 2002). Die räumliche Nähe hat einen großen Einfluss auf die Risikobewertung. So<br />

schätzen Personen, in deren Nähe großtechnische Anlagen geplant wurden, das damit verbun-<br />

dene Risiko sowie die zu erwartenden Nachteile höher ein (NIMBY - Not-in-my-Backyard). Dieser<br />

Faktor korrespondiert mit der Einschätzung der persönlichen Betroffenheit (MARKS und VON<br />

WINTERFELDT, 1984). Zudem haben die politisch-wirtschaftlichen und sozialen Rahmendaten (z.B.<br />

Krieg, Primärenergiekrisen, Rezession, Vermögensumverteilung) Auswirkungen auf die Selektion<br />

der Risikomerkmale.<br />

135


136<br />

Risikobewertung<br />

In hoch entwickelten Industrienationen kommt es außerdem durch die wachsende Dynamik,<br />

Komplexität und Globalität zu nicht mehr überschaubaren Auswirkungen <strong>von</strong> Entscheidungen.<br />

Der hieraus resultierende Autarkieverlust führt wiederum zu einem erhöhten Sicherheitsbedürf-<br />

nis und einer geringeren Akzeptanz <strong>von</strong> Risiken (vgl. LÜBBE, 1993; WBGU, 1999).<br />

Die dargestellten Faktoren und Begleitumstände der Risikobewertung sind nur eine Auswahl<br />

möglicher Einflüsse, deren Gesamtheit im Modell nicht zu erfassen ist. Die Liste ließe sich unend-<br />

lich fortsetzen. So gelangt der psychologisch-kognitive Erklärungsansatz, wie auch schon der<br />

formal-normative Ansatz an seine Erfassungsgrenzen. Darüber hinaus sind weitere Kritikpunkte<br />

festzustellen. So stützen sich viele Arbeiten auf die Befragung kleiner Personenkreise. Sozial-<br />

strukturelle Aspekte (z.B. Alter, Geschlecht, Bildungsstand) werden kaum berücksichtigt, und die<br />

Schwächen der Demoskopie belasten die Untersuchungsergebnisse. Zudem führt die Date-<br />

naggregation zu einem Verlust des individuellen Aspektes und zu einer ungewünschten Homogenisierung<br />

der Gesellschaft (vgl. JUNGERMANN und SLOVIC, 1997).<br />

Ein fataler Irrtum ist außerdem die Differenzierung in nicht sachverständig (Laien) und sachverstän-<br />

dig (Experten) bzw. ein objektives und ein subjektives Risiko. Beide Gruppen unterliegen kognitions-<br />

psychologischen Prozessen, spezifischen Interessen und Einstellungen und können sich den<br />

jeweiligen Umweltbedingungen nicht entziehen. Zum anderen führt über die implizite Wertung<br />

der Begriffe objektiv und subjektiv (richtig vs. falsch bzw. verzerrt) zu einer Sichtweise, dass die<br />

subjektiven Risiken den objektiven angepasst werden müssen und somit die Kluft zwischen Laien<br />

und Experten eher vergrößert als verkleinert wird.<br />

Die Risikobewertung der Gesellschaft bleibt demnach auch mit den psychologisch-kognitiven<br />

Verfahren eine black box. Der Verdienst des Ansatzes ist es allerdings, dass er die Vielfalt der<br />

Bewertungsfaktoren aufgezeigt hat. Zudem konnte dargelegt werden, dass es den Risikobegriff<br />

nicht gibt. Das Risiko wird bestimmt durch „…zahlreiche qualitative und quantitative Attribute,<br />

unterliegt starken kognitiven wie motivationalen Einflüssen und wird je nach Merkmalen der<br />

Gefahrenquelle und des Beurteilers unterschiedlich gebraucht. Die Einschätzung und Beurteilung<br />

eines Risikos hängt erheblich <strong>von</strong> der spezifischen Art der thematisierten Risikoquellen sowie <strong>von</strong><br />

Wissen und Werten der befragten Personen ab .“ (WEICHSELGARTNER, 2001: 39)<br />

5.1.3 Soziologisch-kulturelle Ansätze<br />

Die Erkenntnis, dass Risiken gesellschaftliche Konstrukte sind und immer im Verhältnis zum gesellschaftlichen<br />

Kontext des Perzipienten zu sehen sind, führte zu einer mehr soziologisch-kultu-<br />

rellen Orientierung in der Risikoforschung. Im Zentrum des Interesses stehen die Faktoren und<br />

Prozesse, die Meinungsdominanzen, Polarisierungen und Konflikte generieren.<br />

Hierbei sind zahlreiche Forschungsperspektiven zu erkennen, die sich im Wesentlichen in zwei<br />

Forschungsrichtungen wieder finden. Während die Risikokommunikationsforschung die Wirkung<br />

und Bedeutung der Kommunikation im gesellschaftlichen Risikoverhalten betrachtet, machen<br />

kultur-soziologische Forschungsansätze die Einflüsse der sozialen Identität der Beurteiler zum<br />

Gegenstand ihrer Untersuchungen. Eine Synthese der verschiedenen Perspektiven und ihrer Bedeutung<br />

für die Risikoforschung erläutert WEICHSELGARTNER (2001).


5.1.3.1 Risikokommunikation sforschung<br />

Risikobewertung<br />

Wie schon dargestellt wurde, ist die Risikobewertung in vielerlei Hinsicht kognitionstheoretisch<br />

erklärbar. Da hierbei erkannt wurde, dass die Wahrnehmung sozialer Beeinflussung unterliegt, ist<br />

es nahe liegend, dass der Kommunikation hierbei eine große Bedeutung zukommt. Dieser Zu-<br />

sammenhang wurde u. a. <strong>von</strong> PERRY et al. (1982) empirisch aufgezeigt.<br />

Bevor auf die verschiedenen Forschungsansätze eingegangen wird, soll das Prinzip der Kommunikation<br />

in der Bedeutung als Austausch <strong>von</strong> Informationen kurz erklärt werden (der Begriff wird<br />

später weiter gefasst). Hierzu betrachten wir das auf Sender-Empfänger-Problemen ausgerichtete<br />

Nachrichtenquadrat <strong>von</strong> SCHULZ VON THUN (1993).<br />

Demnach kann Kommunikation auf vier Ebenen stattfinden: der Sachebene, der Beziehungsebene,<br />

der Selbstdarstellungsebene und der Appellebene. Die Ebenen sind nicht strikt <strong>von</strong>einander zu<br />

trennen, so schwingen bei einer Nachricht i. d. R. alle Ebenen mehr oder weniger mit.<br />

Beziehungsebene<br />

Abb. 5.2: Das Nachrichtenquadrat<br />

(Quelle: SCHULZ VON THUN, 1993)<br />

Nachricht<br />

Auf der Sachebene geht es um die Darstellung <strong>von</strong> Informationen. Bei der Risikokommunikation<br />

kommt es durch unterschiedliche Methoden und Interpretationen <strong>von</strong> Ergebnissen der Risikodar-<br />

stellung oftmals zu Auseinandersetzungen zwischen den Akteuren.<br />

Auf der Beziehungsebene geht es um das Verhältnis der Akteure zueinander. Sympathie und Anti-<br />

pathie haben hier eine große Bedeutung. In der Risikokommunikation kommt es aufgrund des<br />

hohen Konfliktpotenzials häufig zu Nachrichten, die die Missachtung gegenüber einem anderen<br />

Akteur ausdrücken. Oft ist es hilfreich, die Beziehungen zueinander offen zu diskutieren.<br />

Auf der Selbstdarstellungsebene versuchen die Akteure, ihre Person in einer bestimmten Weise zu<br />

präsentieren (z.B. kompetent, vertrauenswürdig). Hierbei gilt, dass das, was gesendet wird, nicht<br />

unbedingt auch so empfangen wird (z.B. komplizierte Ausdrucksweise und elegant gekleidet<br />

wird oft als arrogant wahrgenommen).<br />

Auf der Appellebene wird versucht, emotionales bzw. kognitives Verhalten zu ändern, so wird mit<br />

Aufklärungskampagnen oft der Appell verknüpft Schützt euch vor dieser Gefahr! (vgl. WBGU, 1999)<br />

Sach-<br />

ebene<br />

Selbstdarstellungsebene<br />

Wert-<br />

ebene<br />

137


138<br />

Risikobewertung<br />

In der Risikokommunikationsforschung wurden unterschiedliche Ansätze verfolgt, die a) den<br />

Fokus auf die Wirkung <strong>von</strong> Massenmedien legen, die b) das Wissen als entscheidendes Kriterium<br />

für die Risikobewertung betrachten oder die c) die Zumutbarkeit <strong>von</strong> Risiken und die Fairness im<br />

Risikodiskurs hervorheben, wobei die Ausrichtungen nicht immer eindeutig zu trennen sind und<br />

sich auch zeitlich überschneiden.<br />

Nutzen und Risiken werden den gesellschaftlichen Rezipienten vermittelt durch Wissenschaft,<br />

Politik und Massenmedien, wobei der massenmediale Einfluss zwar nicht unwesentlich ist, oft<br />

aber auch überschätzt wird. Eine abschließende Klärung der Wirkung und Bedeutung massen-<br />

medialer Berichterstattung wird in der Kommunikationsforschung nicht geliefert. Die Frage, ob<br />

die mediale Kommunikation Ursache oder Folge der Risikoakzeptanz bzw. Aversion ist (chicken-<br />

egg-question), bleibt offen. Festzuhalten bleiben folgende Wirkungsannahmen (WBGU, 1999: 175):<br />

• Medien beeinflussen den Wissenserwerb und -stand der Rezipienten;<br />

• Medien beeinflussen die Auswahl der als problematisch angesehenen Themen (agenda setting);<br />

• Medien haben einen Einfluss auf Meinungen und Einstellungen der Rezipienten;<br />

• Medien beeinflussen das Image <strong>von</strong> Akteuren;<br />

• Medien haben Einfluss auf die Fähigkeit der Rezipienten, aktiv mit Risiken umzugehen und sie besser<br />

bewältigen zu können.<br />

Hierbei ist zu bedenken ist, dass es äußerst schwierig ist, mediale Einflüsse <strong>von</strong> anderen, z.B. in-<br />

terpersoneller Kommunikation, zu trennen. Zudem konnte in verschiedenen Studien festgestellt<br />

werden, dass die mediale Berichterstattung oftmals verzerrt bzw. ungenau ist (Tab. 5.1;<br />

vgl. DUNWOODY und PETERS, 1993; HALLER, 1987).<br />

Tab. 5.1: Unkorrektheiten in der Berichterstattung neuseeländischer Zeitungen über globale<br />

Klimaänderungen (Quelle: PETERS , 1995)<br />

Kriterium<br />

Zahl der<br />

Ungenauigkeiten<br />

% der Artikel<br />

Unkorrekte Überschrift 22 12<br />

Unkorrekter 1. Absatz 17 9<br />

Unkorrekte Illustration oder Bildunterschrift 3 2<br />

Wissenschaftliche/technische Unkorrektheit 139 34<br />

Nicht-wissenschaftliche Unkorrektheit 72 32<br />

Fehlzitierung 110 34<br />

Weglassung 64 25<br />

Übertreibung 81 26<br />

Verzerrung 54 20<br />

Da der Journalismus nicht im gesellschaftsfreien Raum stattfindet, sind mediale Darstellungen der<br />

Ausdruck der gruppenspezifischen Bewertungsweise des Journalisten.<br />

Zudem wurde konstatiert, dass sich der Journalismus nicht als Vermittler staatlicher Informatio-<br />

nen eignet. Demgegenüber steht doch in manchen Situationen die faktische Bereitschaft der Me-<br />

dien, sich z.B. während einer Katastrophe in faktische und informelle Kooperationen mit dem<br />

Katastrophenschutz einbinden zu lassen, und damit vom Beobachter zum Akteur zu werden. Dies<br />

scheint besonders auf lokaler Ebene möglich zu sein (PETERS und REIFF, 2000: 75f).


Risikobewertung<br />

Empirische Befunde hinsichtlich der deutschen Medienlandschaft zeigen, dass Risiken im We-<br />

sentlichen in den Themenfeldern Politik und Recht und weniger in den Feldern Wissenschaft und<br />

Ökonomie medial verarbeitet werden. Hierbei wird meist über die möglichen negativen Folgen<br />

berichtet. Weitergehende Charakterisierungen <strong>von</strong> Risiken, wie z.B. die Bedeutung für folgende<br />

Generationen, werden eher selten dargestellt. SINGER und ENDRENY (1987) kommen zu dem<br />

Schluss, dass Medien nicht über Risiken sondern über Schäden berichten. 3<br />

Der zweite wesentliche Ansatz in der Risikokommunikationsforschung konzentriert sich auf die<br />

Unterschiede zwischen dem Wissen der sog. Experten (professionals) und Laien (non-professionals)<br />

und sieht als entscheidenden Grund <strong>von</strong> Risikokonflikten das Wissensproblem beider Seiten. Es<br />

werden wiederum Risiko-Risiko-Vergleiche angestellt, wobei - um es vorwegzunehmen - Ver-<br />

gleichbarkeitsprobleme auftreten, die schon in Kapitel 5.1.2 erläutert wurden. Wesentliche<br />

Aspekte bei diesem Ansatz sind ein adäquater Wissenstransfer in die Gesellschaft über eine ver-<br />

ständliche Form der Risikodarstellung in der Öffentlichkeit und eine Verbesserung der Güte <strong>von</strong><br />

Risikoanalysen. Hierzu werden Risikobewertungsraster für die Güte <strong>von</strong> Risikostudien Anleitun-<br />

gen zur Verbesserung der Risikodarstellung, Kommunikationsleitfäden, Kardinal Regeln für eine<br />

adäquate Risikokommunikation sowie Checklisten zur Bewertung <strong>von</strong> Unsicherheiten und der<br />

Qualität der Risikoabschätzung entwickelt. So bemühen sich die Kommunikatoren mit verschie-<br />

denen Glaubwürdigkeits- und Informationsstrategien, das Ansehen und die Akzeptanz der Risi-<br />

kodarstellung zu erhöhen. Fairness spielt hierbei eine große Rolle (vgl. WIEDEMANN et al., 1990).<br />

Die Abbildung 5.3 zeigt Ansätze und Beispiele zur Verbesserung der Risikokommunikation.<br />

Trotz der positiven Effekte eines Wissenstransfers weisen u. a. JUNGERMANN und SLOVIC (1993)<br />

darauf hin, dass Information auch Ängste schüren kann (vgl. Verfügbarkeitsheuristiken in<br />

Kap. 5.1.2). Allerdings müssen spätestens im Ereignisfall die Risiken kommuniziert werden, da<br />

das Fehlen <strong>von</strong> Informationen u. a. die Gefahr <strong>von</strong> Gerüchten mit sich bringt (vgl. DEUTSCH,<br />

2002).<br />

Neben den schon erläuterten Problemen der Risiko-Risiko-Vergleiche, muss der Ansatz kritisiert<br />

werden, da Wissen bzw. Information nicht immer gleichbedeutend ist mit Akzeptanz. Zudem<br />

führt die einseitige Information in einem hierarchischen Kommunikationssystem unweigerlich zu<br />

Akzeptanzproblemen. Außerdem besteht das Problem, dass der Kommunikator zu einem Risikolehrer<br />

wird, der vorab das objektive Risiko festlegt und dieses den non-professionals, die zu Risiko-<br />

schülern werden, in einer didaktisch optimierten Weise vermittelt. Der Ansatz scheitert demnach<br />

an altbekannten Problemen (vgl. Kap. 5.1.2). So erreichen die gesellschaftlichen Risikokommuni-<br />

kationsprogramme meistens nicht ihr Ziel. Zu sehr konzentrieren sich die Ansätze auf einfache<br />

Kommunikationskonzepte, die der Komplexität der realen Kommunikation mit all ihren gesell-<br />

schaftlichen Interaktionen und Kontexten nicht gerecht werden. Daher kommen selbst Kommuni-<br />

kationsforscher zu dem Schluss, dass Konsens weniger durch Schulung zu erreichen ist, als viel-<br />

mehr durch einen gesellschaftlichen Diskurs und Partizipation, wobei die Qualität der Kommuni-<br />

kation ausschlaggebend ist (OTWAY und WYNNE, 1993).<br />

3 Zu der Rolle der Medien als Akteure während einer Katastrophe siehe PETERS und REIFF (2000), PETERS und GLASS (2002). Zur<br />

Bedeutung der Medien als Akteure im Katastrophenmanagement siehe THORWARTH (2001).<br />

139


140<br />

Risikobewertung<br />

Ansätze zur Verbesserung der Risikokommunikation<br />

Verständlichmachen <strong>von</strong> Risiken: z.B. Auswahl <strong>von</strong> Risikovergleichen<br />

Bewertung <strong>von</strong><br />

Risikoabschätzungsverfahren: z.B. Qualitätsmaße für Risikostudien;<br />

Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

und Konfliktvermittlung: z.B. Strukturierung <strong>von</strong> Konflikten;<br />

Umgang mit<br />

Glaubwürdigkeitsproblemen: z.B. Kommunikationsstrategien zur Imageverbesserung;<br />

Bewertung <strong>von</strong><br />

Risikokommunikationsstrategien: z.B. Messung <strong>von</strong> Wissens- und Einstellungsänderung<br />

Richtlinien für Risiko- und Schadensdarstellungen (Die fünf Gebote)<br />

Gebot der Richtigkeit: Benutze gültige und zuverlässige Daten;<br />

Gebot der Fairness: Wähle die Bezugsgrößen, die auf das Risiko der Betroffenen<br />

zugeschnitten sind. Der Bezug auf das allgemeine Risiko in der<br />

Bevölkerung ist z.B. irreführend, wenn die Risiken in der Nachbarschaft<br />

einer Müllverbrennungsanlage oder eines Kraftwerks<br />

debattiert werden;<br />

Gebot der Vollständigkeit: Wenn z.B. bei Entscheidungen um Technologien neben unmittelbaren<br />

Todesfallrisiken auch Langzeitschäden für die Umwelt <strong>von</strong><br />

Bedeutung sind, so sind diese anzugeben;<br />

Gebot der Verständlichkeit: Risikoangaben müssen verständlich formuliert werden. So ist die<br />

Information, es bestehe ein Risiko <strong>von</strong> 0,0018 weniger verständlich<br />

als die Information, es besteht nur für zwei <strong>von</strong> 1.000 Personen ein<br />

Risiko;<br />

Gebot des relevanten Bei Risikovergleichen ist darauf zu achten, dass Vergleiche gewählt<br />

Risikovergleichs: werden, die aus der Sicht der Laien auch vernünftig sind und nicht<br />

gegen deren Wahrnehmungsgewohnheiten verstoßen. Es ist<br />

beispielsweise nicht richtig, unfreiwillige Risiken mit freiwillig<br />

übernommenen oder bereits akzeptierte mit nicht akzeptierten<br />

Risiken zu vergleichen (Quelle: nach RUFF, 1993; WBGU, 1999)<br />

Abb. 5.3: Verbesserung der Risikokommunikation<br />

(Quelle: nach RUFF, 1993; WBGU, 1999; WIEDEMANN, 1990)<br />

Die Forschung konzentriert sich gegenwärtig nicht mehr nur auf das Wissensdefizit der Bevölke-<br />

rung, sondern erweitert die Betrachtung um den offensichtlichen Vertrauensverlust in der Bevöl-<br />

kerung (vgl. BECHMANN und STEHR, 2000). Fairness und Zumutbarkeit sind hierbei die zentralen<br />

Aspekte. So wird neben dem Akzeptanzbegriff der Terminus der Akzeptabilität definiert, der die<br />

Sicht des Kommunikators berücksichtigt und demnach die Zumutbarkeit <strong>von</strong> Risiken impliziert.<br />

Das Ziel des Ansatzes ist die Aufklärung der Bevölkerung und die Vermittlung neutraler, objekti-<br />

ver und ideologiefreier Informationen (vgl. WEICHSELGARTNER, 2001).<br />

Doch unterscheidet sich der Ansatz nicht sehr <strong>von</strong> früher verwendeten, da dieser wiederum be-<br />

lastet wird durch die Trennung <strong>von</strong> Experten und Laien sowie ein methodisches und ein intuitives<br />

Handlungsprinzip. Die bekannten Wissenshierarchien und monolateralen Kommunikationsbezie-<br />

hungen führen dazu, dass auch dieser Ansatz nicht überzeugen kann.<br />

Andere Ansätze sehen in der Partizipation der Bevölkerung den Ausweg aus den Risikokonflik-<br />

ten. Hierzu wurden zahlreiche Diskursverfahren entwickelt, in denen die Kluft zwischen Exper-<br />

ten und Laien überbrückt werden soll (vgl. ÖGUT, 2002).<br />

(Quelle: nach WIEDEMANN, 1990)<br />

Doch auch diese Diskursverfahren sind keine Garantie für einen gesellschaftlichen Konsens.<br />

Vielmehr ist es wichtig, „…dass die Sachfragen auf der Basis nachvollziehbarer Methodik geklärt,<br />

die Bewertungsfragen erörtert und die Handlungsfolgerungen konsistent abgeleitet werden. […]<br />

Das Ergebnis eines Diskurses ist mehr Klarheit, nicht unbedingt Einigkeit.“ (WBGU, 1999: 278)<br />

Die verschiedenen Methoden diskursiver Verfahren werden in Kap. 6.2.1.4 näher erläutert.


Risikobewertung<br />

Daneben gibt es Betrachtungsweisen, die sich stärker auf die Fragen der Glaubwürdigkeit und des<br />

Vertrauens gegenüber den Entscheidungsträgern ausrichteten. Im Zentrum der Betrachtung stehen<br />

die gesellschaftlichen Akteure und die Arenen, in denen über das Risiko kommuniziert wird<br />

(vgl. VON WINTERFELDT und EDWARDS, 1984). Hierbei geht es im Wesentlichen um vertrauensbildende<br />

Maßnahmen, Ethik und Vernunft (vgl. ROHRMANN, 1990). RAYNER und CANTOR (1987)<br />

fragen in diesem Zusammenhang und in Anlehnung an STARR (1969) „How fair is safe enogh?“<br />

5.1.3.2 Ansatz der kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen<br />

Nach dem kulturell-soziologischen Ansatz sind für die Einschätzung <strong>von</strong> Risiken und das Ver-<br />

halten in Risikosituationen das kulturelle System des Perzipienten mit den darin enthaltenen<br />

Wertvorstellungen sowie die soziale Einbindung in das Gesellschaftssystem maßgebend. Hierbei<br />

beschreibt das kulturelle Glaubenssystem die kollektiven Vorstellungen (soziale Repräsentationen)<br />

darüber, wie die Welt funktioniert (WBGU, 1999; vgl. DOUGLAS und WILDAVSKY, 1982; RAYNER,<br />

1992, 1993).<br />

Die sozialen Repräsentationen beschreiben das gruppenspezifische Wissen, welches den Menschen<br />

erlaubt, Situationen einzuschätzen und daraufhin zu handeln. Verschiedene Untersuchun-<br />

gen ergaben, dass es nicht nur kulturspezifische Unterschiede in der Bewertung <strong>von</strong> Risiken gibt,<br />

sondern auch innerhalb einer Gesellschaft verschiedene Subkulturen bzw. Personengruppen zu<br />

identifizieren sind, die unterschiedliche Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster haben. Hierbei<br />

sind die Unterschiede innerhalb eines Landes meistens größer als zwischen verschiedenen Län-<br />

dern (ROHRMANN, 1995).<br />

Auch wenn die gesellschaftlichen Gruppen selten in reiner Form existieren und auch nicht präzise<br />

<strong>von</strong>einander abgegrenzt werden können, so lassen sich doch Kollektive mit vergleichbaren Wahrnehmungsmustern<br />

und Risikoverhaltensweisen identifizieren. In der Literatur sind dazu unter-<br />

schiedliche Konzepte vorgestellt worden (vgl. DOUGLAS und WILDAVSKY, 1993; RAYNER, 1993;<br />

RENN, 1992).<br />

In der Tabelle 5.2 sind die verschiedenen Kulturtypen nach SCHWARZ und THOMPSON (1990)<br />

dargestellt.<br />

Tab. 5.2: Kulturtypen<br />

(Quelle: nach SCHWARZ und THOMPSON, 1990; aus WEICHSELGARTNER, 2001: 51)<br />

Bevorzugte Organisationsart<br />

Einstellung zur<br />

natürlichen Sphäre<br />

Hierarchisch Egalitär Individualistisch Fatalistisch<br />

An Niederlassungen<br />

gebundene Gruppe<br />

Natur ist launisch/nachsichtig<br />

Egalitär organisierte<br />

Gruppe<br />

Natur ist vergänglich<br />

Ich-orientiertes Netz Randgruppe<br />

Natur ist gütig<br />

Natur ist unberechenbar<br />

Rationalität Verfahrenstechnisch Kritisch Unabhängig Fatalistisch<br />

Umgang mit Risiken<br />

Ablehnung und Auf -<br />

nahme<br />

Ablehnung und<br />

Ablenkung<br />

Annahme und Ablenkung<br />

Annahme und Auf -<br />

nahme<br />

141


142<br />

Risikobewertung<br />

Neben den kulturellen Strukturen hat die soziale Gemeinschaft einen unmittelbaren Einfluss auf<br />

die Risikobewertung. Durch kommunikative Prozesse werden soziale Normen und Wissen pro-<br />

duziert, was die Einschätzung <strong>von</strong> Risiken beeinflusst. Für den Bewertungsprozess sind soziale<br />

Normen und Regeln entscheidend, die auf der Basis kultureller Werte entstehen. Somit ist oftmals<br />

die Entscheidung der sozialen Gemeinschaft maßgebend für die Haltung gegenüber Risiken (vgl.<br />

RENN, 1992). Für die Bildung einer sozialen Gruppe ist ein gewisses Maß an Ähnlichkeit bezüglich<br />

Einstellungen, Interessen, Lebenslagen etc. zwischen den Gruppenangehörigen notwendig<br />

(WBGU, 1999: 170).<br />

Für das Individuum hat die Gruppenzugehörigkeit unterschiedliche Funktionen:<br />

• psychische und materielle Unterstützung bei der Bewältigung <strong>von</strong> Belastungen;<br />

• wirksame Grundlage für Einflussprozesse (Gruppenpotenzial);<br />

• Quelle für Informationen und Bewertung der Situation.<br />

Die kollektive Bewertung der Situation unterliegt hierbei nach dem WBGU (1999) verschiedenen<br />

situativen Hintergrundvariablen, der Verursachung des Risikos, der Vertrautheit des Risikos, der<br />

Lebenssituation der Betroffenen, dem Verhalten der zuständigen Behörden und der Signalwirkung<br />

lokaler Ereignisse.<br />

Neben den unterschiedlichen Kulturtypen innerhalb einer Gesellschaft lassen sich verschiedene<br />

soziale Gruppen als Akteure im Kommunikationsprozess differenzieren (WBGU, 1999: 273ff;<br />

vgl. ROHRMANN, 1990). In der Tabelle 5.3 sind diese Akteure sowie deren unterschiedliche Are-<br />

nen, Handlungsmöglichkeiten und Kommunikationsprobleme zusammengefasst.<br />

Tab. 5.3: Determinanten der Risikokommunikation<br />

(Quelle: nach WBGU, 1999; WEICHSELGARTNER, 2001)<br />

Akteure Arenen Handlungsmöglichkeiten Kommunikationsprobleme<br />

• Verursacher<br />

• Betroffene<br />

• Öffentlichkeit<br />

• Nichtregierungsorganisationen<br />

• Regulative Instanzen<br />

• Politik<br />

• Wissenschaft<br />

• Medien<br />

• Parlamente<br />

• Verwaltung<br />

• Gerichte<br />

• Wissenschaftsbetrieb<br />

• Bürgerinitiativen<br />

• Medien<br />

• Informationsbeschaffung<br />

• Bemühen um gemeinschaftliche<br />

Initiativen<br />

• Protestaktivitäten zur<br />

Verhinderung<br />

• Eigene Vorschläge<br />

• Wissensunterschiede<br />

• Verständlichkeitsprobleme<br />

• Wert-, Interessen-, Perspektiv-Divergenzen<br />

• Mangel an Glaubwürdigkeit<br />

Die verschiedenen Ansätze der Risiko(-akzeptanz)forschung haben die Komplexität des Themas<br />

offen gelegt. In Ansätzen konnte der theoretische, zum Teil empirisch belegte Hintergrund der<br />

gesellschaftlichen Risikobewertung erläutert werden. Bevor im Anschluss die gesellschaftliche<br />

Bewertung <strong>von</strong> Naturrisiken betrachtet wird, sollen die bisherigen Ergebnisse kurz zusammenge-<br />

fasst werden.


Risikobewertung<br />

Abbildung 5.4 zeigt das Wirkungsgefüge der für die Risikobewertung maßgebenden Akteure,<br />

Einflussfaktoren und Merkmale.<br />

Öffentlichkeit<br />

Abb. 5.4: Wirkungsgefüge sozio kultureller, sozialer und individueller Risikofaktoren<br />

• einen allgemeingültigen, allseits anerkannten Risikobegriff kann und wird es nicht geben. Für den<br />

zukünftigen Umgang mit Risiken wäre es <strong>von</strong> Vorteil, wenn diese Tatsache in allen Disziplinen Berück-<br />

sichtigung findet;<br />

• die Bestimmung des Risikos als quantitatives Maß aus der Eintrittswahrscheinlichkeit und dem erwarte-<br />

ten Schadensausmaß reicht für einen rationalen Umgang mit dem Risiko nicht aus;<br />

• das Risiko wird durch den gesellschaftlichen Bewertungsprozess zu einem kaum fassbaren Konstrukt,<br />

welches beeinflusst wird <strong>von</strong> zahlreichen individuellen bzw. kollektiven sozialen, kulturellen, kogniti-<br />

ven und situativen Faktoren;<br />

Nichtregierungsorganisationen<br />

Wissenschaft Risiko<br />

Kommunikation, Wahrnehmung,<br />

Bewertung, Umgang<br />

Politik<br />

Verursacher<br />

Soziale Gemeinschaft<br />

• Vertrautheit<br />

• Verhalten der<br />

Behörden<br />

• Signalwirkung<br />

• Situation Betroffener<br />

Kulturelle Rahmenbedingungen<br />

Wahrgenommene<br />

Risikomerkmale<br />

• Schrecklichkeit<br />

• Bekanntheit<br />

• Ausgesetztsein<br />

Medien<br />

• psychologisch-kognitive Studien konnten zeigen, dass sich das Stimulset aus verschiedenen Risikomerk-<br />

malen, Personmerkmalen und Heuristiken sowie den spezifischen Umweltbedingungen zusammensetzt,<br />

diese lassen sich durch empirische Untersuchungen erfassen;<br />

Personmerkmale<br />

• Freiwilligkeit<br />

• Betroffenheit<br />

• Kontrollierbarkeit<br />

• Bekanntheit/Wissen<br />

• Einstellung<br />

• Interessen<br />

• Gewöhnung<br />

• Informationsverarbeitung<br />

Betroffene<br />

Regulative<br />

Instanzen<br />

143


144<br />

Risikobewertung<br />

• die Risikokommunikation ist mehr als nur die Vermittlung <strong>von</strong> Wissen, vielmehr ist sie das verbindende<br />

Element im gesellschaftlichen Bewertungsprozess und ein Mittel zur Verhaltensbeeinflussung und zur<br />

kooperativen Konfliktlösung. Eine Verbesserung der Kommunikation ist möglich und wünschenswert,<br />

führt aber nicht zwangsläufig zu einer Akzeptanz <strong>von</strong> Risiken; zudem birgt sie die Gefahr der Manipu-<br />

lation;<br />

• massenmediale Berichterstattung hat einen - wenn auch noch nicht definierbaren - Einfluss auf die<br />

gesellschaftliche Risikobewertung. Seriöse und verantwortungsvolle Berichterstattung kann zu einer<br />

verbesserten Risikokommunikation, muss aber nicht zwangsläufig auch zu einer Akzeptanz <strong>von</strong> Risiken<br />

führen;<br />

• Wissen beeinflusst die Risikobewertung. Die Differenzierung <strong>von</strong> Laien und Experten ist in diesem Zu-<br />

sammenhang aber nicht sinnvoll, da sie die Gefahr birgt, dass das Expertenwissen als höherwertig ange-<br />

sehen wird, und Experten sich zu Risikolehrern (wenn auch mit optimierten didaktischen Fähigkeiten)<br />

oder zu Aufklärern an den Laien machen.<br />

• der Sachverstand der Nichtsachverständigen sollte vielmehr in einem gleichberechtigten Partizipations-<br />

prozess genutzt werden; Fairness und die transparente Darstellung <strong>von</strong> Akzeptanz und Akzeptabilität<br />

(Zumutbarkeit) können zu einem Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsgewinn im gesellschaftlichen Dis-<br />

kurs führen;<br />

• die Kenntnis der sozialen und kulturellen Einbindungen der Individuen und der die Kommunikation<br />

bestimmenden Determinanten ist für das Verständnis der Risikobewertung essentiell.<br />

5.2 Risikobewertung <strong>von</strong> Naturgefahren<br />

Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus der Risikoakzeptanzforschung soll nun der gesell-<br />

schaftliche Bewertungsprozess <strong>von</strong> Naturrisiken näher betrachtet werden.<br />

Während zu Beginn der Hazard-Forschung Naturgefahren lediglich nach naturwissenschaftlichen<br />

Parametern beschrieben wurden, rückte mit dem Bedeutungszuwachs des effizienten Einsatzes<br />

<strong>von</strong> Ressourcen die Wahrnehmung der verschiedenen Gefahrenmerkmale in den Mittelpunkt der<br />

Betrachtung.<br />

5.2.1 Schulen der Naturgefahrenforschung<br />

In der Naturgefahren- bzw. Naturkatastrophenforschung sind drei Schulen zu unterscheiden, die<br />

sich mit der gesellschaftlichen Bedeutung <strong>von</strong> Naturgefahren befassen:<br />

• die Vulnerabilitätschule fokussiert die Gründe der Anfälligkeit einer Gesellschaft für eine<br />

Katastrophe;<br />

• die Desaster-Schule betrachtet den Umgang der Menschen mit einem realen Katastrophen-<br />

ereignis;<br />

• die Chicagoer Schule untersucht den Umgang der Menschen mit der Bedrohung durch<br />

Naturgefahren,


Risikobewertung<br />

Mit der Vulnerabilitäts-Schule entwickelte sich in den 70er und 80er Jahren eine Sichtweise, wel-<br />

che die Verletzlichkeit einer Gesellschaft gegenüber natürlichen Ereignissen aufgrund spezifischer<br />

sozioökonomischer sowie gesellschaftlicher und kultureller Strukturen zum Untersuchungsgegenstand<br />

machte. Ziel der Forschung ist es heute noch, gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu<br />

analysieren (vgl. SUSMAN et al., 1983). Da Armut und Überbevölkerung als ein Indiz für eine hohe<br />

Vulnerabilität gilt, konzentrieren sich die Forschungen auf weniger entwickelte Länder.<br />

Der Vulnerabilitäts-Ansatz bietet für die Untersuchungen zur Risikowahrnehmung und<br />

-bewertung kaum Anhaltspunkte. Entwickelt werden hierbei lediglich Deskriptionen, keine Erklärungsmodelle.<br />

Zudem leiden die Ansätze an methodischen Schwächen (KARGER, 1996). Für das<br />

Verständnis des jeweiligen Katastrophenrisikos unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen und ver-<br />

schiedener Regionen sind Vulnerabilitätsstudien zukünftig aber unerlässlich, denn nur die<br />

Kenntnis besonders verletzlicher Strukturen erlaubt es, geeignete Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge<br />

zu entwickeln (vgl. VAN DILLEN, 2002; WEICHSELGARTNER, 2001).<br />

Die Desaster -Schule fragt nach dem menschlichen Verhalten im Zusammenhang mit einem rea-<br />

len Katastrophenereignis. Im Wesentlichen sind hierbei drei Forschungsrichtungen zu erkennen.<br />

Während sich ein eher soziologisch orientierter Ansatz mit den sozialen Folgen einer Katastrophe<br />

z.B. für gesellschaftliche Strukturen (vgl. KREPS, 1989) beschäftigt, befasst sich ein zweiter Ansatz<br />

mit dem individuellen bzw. kollektiven Verhalten der Menschen während und nach einem Katastrophenereignis<br />

(QUARANTELLI, 1983; QUARANTELLI und DYNES, 1970). Der dritte Aspekt kon-<br />

zentriert sich auf das menschliche Verhalten gegenüber Notfallwarnungen. Hierbei werden die<br />

Merkmale einer effektiven Notfallwarnung und die personalen und situationalen Faktoren für ein<br />

verändertes Verhalten gegenüber Warnungen untersucht (vgl. MILETI, 1975).<br />

Die Desaster-Schule liefert für die Risikobewertung einige brauchbare Hinweise. Vor allem die<br />

Frage nach dem Zusammenhang zwischen den Eigenschaften <strong>von</strong> Gefahrenquellen und ihrer Be-<br />

wältigung ist hierbei interessant.<br />

Die Chicagoer Schule wurde nach dem zweiten Weltkrieg <strong>von</strong> dem amerikanische Geographen<br />

Gilbert White sowie seinen Mitarbeitern Jan Burton und Robert Kates am geographischen Institut<br />

der Universität Chicago begründet (vgl. WHITE, 1936, 1945). Ihr sehr stark politik- und anwen-<br />

dungsbezogener Forschungsansatz folgte einem verhaltensorientierten und individuumzentrier-<br />

ten Paradigma. Mit der Erkenntnis, dass erst das Verständnis des individuellen Verhaltens<br />

gegenüber Naturgefahren ein effizientes Management ermöglicht, rückte der Mensch in das Zent-<br />

rum der Forschung (BURTON, 1972).<br />

Folgende Aspekte bestimmten die Forschungsarbeiten (vgl. KARGER, 1996):<br />

• Abschätzung der Anzahl gefährdeter Menschen;<br />

• Bestimmung möglicher Anpassungs- und Interventionsstrategien gesellschaftlicher Gruppen und<br />

Beschreibung des Anpassungsprozesses im sozialen Kontext;<br />

• Untersuchung, wie Naturgefahren wahrgenommen und Naturkatastrophen abgeschätzt werden;<br />

• Entwicklung optimaler Anpassungsstrategien im Hinblick auf deren soziale Konsequenzen.<br />

145


146<br />

5.2.2 Das Modell der Chicagoer Schule<br />

Risikobewertung<br />

Da verschiedene Aspekte der Chicagoer Schule für die Risikobewertung <strong>von</strong> besonderer Bedeu-<br />

tung sind, werden diese im Folgenden näher erläutert. Da es sich hierbei in Teilen um Modelle<br />

handelt, die nicht immer empirisch belegt werden konnten, sollen vorab die theoretischen<br />

Grundlagen dargestellt werden, um anschließend die empirischen Ergebnisse diesbezüglich zu<br />

erörtern. Hierbei ist zu bedenken, dass die im Wesentlichen <strong>von</strong> BURTON, KATES und WHITE ent-<br />

wickelten Annahmen und Hypothesen in der Vergangenheit vielfach modifiziert und erweitert<br />

wurden.<br />

5.2.2.1 Entscheidungsmodell<br />

In der Chicagoer Schule wurde ein deskriptives Entscheidungsmodell entwickelt. Die Orientie-<br />

rung entspricht hierbei weitestgehend dem psychologisch-kognitiven Ansatz in der Sicherheitswissenschaft<br />

und prägt heute noch die Naturgefahrenforschung (dominante approach ) (vgl. BELL<br />

et al., 1988; CHESTER, 1993; KATES, 1976).<br />

Auf SIMON (1959) geht das Konzept der begrenzten Rationalität (bounded rationality) zurück, nach<br />

dem Gefahren grundsätzlich durch einen Perzeptionsfilter betrachtet werden. Da der Mensch es<br />

nicht vermag, in Entscheidungsprozessen alle Alternativen zu berücksichtigen, wird ein (nicht<br />

immer dem Optimum entsprechender) Kompromiss zwischen Nutzen und Risiko gewählt.<br />

TOBIN und MONTZ (1997) unterscheiden in diesem Zusammenhang verschiedene Faktoren, wel-<br />

che die Wahrnehmung <strong>von</strong> Naturgefahren bestimmen (vgl. HIDAJAT, 2001). Diese sind in Abbil-<br />

dung 5.5 dargestellt.<br />

Physische Umwelt<br />

Sozioökonomische Umwelt<br />

Psychologische<br />

Einflussgrößen<br />

Einstellung<br />

Abb. 5.5: Einflussfaktoren der Wahrnehmung<br />

(Quelle: nach TOBIN und MONTZ, 1997)<br />

Faktoren der Situation<br />

• Häufigkeit, Ausmaß, Auftretensmuster,<br />

Dauer des Ereignisses<br />

• Kultur, Bildung, Beschäftigte/Einkommen,<br />

Religion, soziale Bündnisse, Alter,<br />

Geschlecht, Haushaltsgröße<br />

Maßnahme<br />

Faktoren der Erkenntnis<br />

• Gesundheitsschäden, Todesfälle, Verlust<br />

an Sachwerten, intangible Schäden<br />

• Naturvorstellung, Toleranz gegenüber<br />

Informationen, die eine kognitive<br />

Dissonanz bewirken, wahrgenommene<br />

Handlungseffizienz, Risikogeneigtheit,<br />

Kontrollüberzeugung


Risikobewertung<br />

Die Autoren differenzieren zwei Kollektive <strong>von</strong> Einflussfaktoren: die der Situation, welche sich<br />

aus den physischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen ergeben, und die der Erkennt-<br />

nis, die psychologische Aspekte und solche der Einstellung umfassen.<br />

Die situativen Einflüsse der physischen Umwelt werden durch die Eigenschaften des Ereignisses<br />

bestimmt. Häufigkeit, Ausmaß, Dauer und das Auftretensmuster sind hierbei die dominierenden<br />

Größen. Diese Aspekte finden sich zum Teil in den wahrgenommenen Risikoeigenschaften wie-<br />

der, die schon in Kap. 5.1.2 identifiziert wurden.<br />

Die sozioökonomische Umwelt umfasst die individuelle Einbettung und den Status im gesellschaftlichen<br />

Kontext. Die kulturellen Rahmenbedingungen, Religion und soziale Bündnisse sowie<br />

Bildung, Beschäftigung, Einkommen, Haushaltsgröße und demographische Faktoren bilden den<br />

sozioökonomischen Hintergrund für individuelle Risikobewertungen.<br />

Die psychologischen Einflüsse und die der individuellen Einstellung bilden den Faktor der Er-<br />

kenntnis. Die Erkenntnis ist hierbei die Erwartungshaltung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit<br />

der Auswirkungen und die Abschätzung der persönlichen Vulnerabilität (vgl. HIDAJAT, 2001). Die<br />

erwarteten Auswirkungen beziehen sich auf die möglichen Todesfälle bzw. Gesundheitsschäden<br />

und Stress sowie den Verlust oder auch den Gewinn 4 an tangiblen und intangiblen Werten. Die<br />

Einflussgrößen der Persönlichkeit sind die wahrgenommene Kontrollüberzeugung und Hand-<br />

lungseffizienz, die Risikogeneigtheit, die Vorstellung <strong>von</strong> der Natur (Naturbild) und die Toleranz<br />

gegenüber Informationen, die eine kognitive Dissonanz hervorrufen (vgl. Kap. 5.1.2).<br />

Die verschiedenen Faktoren der Erwartung und der Persönlichkeit korrelieren miteinander und<br />

wirken sowohl auf die Psyche als auch die Einstellung (vgl. HIDAJAT, 2001; KARGER 1996; TOBIN<br />

und MONTZ, 1997).<br />

5.2.2.2 Wahrnehmungsmodelle 5<br />

Menschen haben Schwierigkeiten, probabilistisch zu denken. Zahlreiche Untersuchungen im<br />

Zusammenhang mit Naturgefahren konnten zeigen, dass Menschen aufgrund verschiedener<br />

kognitiver Informationsprozesse Ereigniswahrscheinlichkeiten über- bzw. unterschätzen und In-<br />

formationen auch unterschiedlich interpretieren, um den Umgang mit der Unsicherheit zu er-<br />

leichtern. SMITH unterscheidet drei verschiedene Grundtypen <strong>von</strong> Wahrnehmungsmodellen<br />

(ebd. 2001: 70f):<br />

Die determinierte Wahrnehmung<br />

Die Willkürlichkeit des Auftretens <strong>von</strong> katastrophalen Ereignissen veranlasst die Menschen, Er-<br />

eignisse in einem spezifischen Muster zu ordnen (z.B. in sich immer wiederholende Zyklen oder<br />

regelmäßige Intervalle).<br />

4 Zum Beispiel durch positive Effekte in Überschwemmungsgebieten wie natürliche Düngung der landwirtschaftlichen Nutzflächen.<br />

5 Der Begriff der Wahrnehmung entspricht hier dem in der Arbeit verwendeten Terminus der Bewertung, daher könnten die Modelle<br />

auch als Bewertungsmodelle im Sinne der Perzeption und der Evaluation bezeichnet werden.<br />

147


148<br />

Die dissonante Wahrnehmung<br />

Risikobewertung<br />

Die Gefahrenverleugnung ist hierbei die am meisten negierende Form der Wahrnehmung. So<br />

werden vergangene Ereignisse als außergewöhnliche Zufälle betrachtet, so dass es als unwahr-<br />

scheinlich gilt, dass sie sich wiederholen. Die völlige Verleugnung <strong>von</strong> Ereignissen ist ein Weg,<br />

mit der Bedrohung im Alltag umzugehen.<br />

Die probabilistische Wahrnehmung<br />

Hierbei wird die Gefahr erkannt, wahrgenommen, die Ereignisse als willkürlich eingestuft und<br />

akzeptiert. Die Akzeptanz ist verbunden mit einer Verantwortungsübergabe an eine höhere<br />

Macht, z. B. an die Regierung oder Gott (Act-of-God-Syndrom).<br />

5.2.2.3 Schwellenkonzept<br />

BURTON, KATES und WHITE (1978) entwickelten das Schwellenkonzept zur Erklärung der Zusam-<br />

menhänge zwischen der Wahrnehmung und der Handlungsentscheidung (vgl. FRITZSCHE, 1994).<br />

Scheint die Befriedigung eines Bedürfnisses gefährdet, so greifen verschiedene Verhaltensmuster,<br />

die sich jeweils durch sog. Bewusstseinsschwellen gegeneinander abgrenzen lassen (vgl. Abb. 5.6).<br />

Diese Bewusstseinsschwellen als Auslösemechanismus für den Entscheidungsprozess können<br />

individuell sehr unterschiedlich sein. Das Modell basiert auf den Befunden aus Laborexperimen-<br />

ten zu Versicherungsentscheidungen, nach denen Menschen sich nur dann gegen ein Ereignis<br />

versichern, wenn deren Auftretenswahrscheinlichkeit jenseits einer bestimmten Schwelle einge-<br />

schätzt wird (SLOVIC et al., 1977).<br />

Abb. 5.6: Schwellenkonzept der Wahrnehmung und Handlungsentscheidung<br />

(Quelle: nach BURTON, KATES und WHITE, 1993; FRITZSCHE, 1994; HIDAJAT, 2001)<br />

Die im Folgenden erläuterten Verhaltensmuster haben einen idealisierten Modellcharakter. In der<br />

Realität ist immer eine Kombination bzw. Überlappung der verschiedenen Verhaltensweisen fest-<br />

zustellen.<br />

Wahrnehmungsschwelle<br />

Handlungsschwelle<br />

Tragbarkeitsschwelle<br />

Rückzugsschwelle<br />

Flucht<br />

Risikostufe V<br />

Überprüfung der<br />

Gefahrensituation gefordert<br />

Risikostufe IV<br />

Gefahrenreduktion verlangt<br />

Risikostufe III<br />

Gefahr akzeptiert<br />

Risikostufe II<br />

Gefahr unerkannt bzw. erduldet<br />

Risikostufe I


Risikobewertung<br />

Das Schwellenkonzept kann wie folgt zusammengefasst werden (vgl. HIDAJAT, 2001):<br />

Auf der ersten Stufe reagiert der Mensch aus seinem existentiellen Grundbedürfnis heraus und<br />

nimmt Gefahren nicht wahr, um ein produktives Leben zu führen. Wird die Gefahr realisiert, so<br />

wird sie oftmals verdrängt, abgeschwächt oder sogar geleugnet. Der Schaden wird hingenommen<br />

und als Schicksal empfunden (Risikostufe I).<br />

An der Wahrnehmungsschwelle wird die Gefahr, mit der man sich auseinandersetzen muss, als et-<br />

was potenziell Schadenbringendes bewusst wahrgenommen. Auf der zweiten Stufe werden die<br />

negativen Auswirkungen demnach erkannt und als bedeutend eingestuft, doch die Reaktion<br />

bleibt passiv und es werden keine Gegenmaßnahmen getroffen. Das Risiko wird akzeptiert, man<br />

lernt mit der Gefahr zu leben. Eher wird ein bekanntes Übel toleriert, als sich auf etwas mit ungewissem<br />

Ausgang einzulassen (Risikostufe II).<br />

Wird die Handlungsschwelle überschritten, wird das Bedürfnis geweckt, die Gefahr zu reduzieren.<br />

Hierbei dominiert i. d. R. die Katastrophenbewältigung anstelle einer Katastrophenprävention<br />

(Risikostufe III).<br />

Bei Überschreitung der Tragbarkeitsschwelle wird eine grundlegende Überprüfung der für die Ge-<br />

fährdung verantwortlichen Situation gefordert. Korrekturmaßnahmen sind nicht mehr ausreichend,<br />

sondern grundlegende Verbesserungen oder akzeptable Alternativen müssen erarbeitet<br />

werden (Risikostufe IV).<br />

Wenn sich das Risiko nicht genügend reduzieren lässt, kann an der Rückzugsschwelle u. U. die<br />

Flucht als letzte Verhaltensweise gewählt werden. Dieser Fall tritt aber eher selten ein, da die Bindungen<br />

an den Wohnort und die gesellschaftliche Umgebung in der Regel außerordentlich stark<br />

sind (Risikostufe V).<br />

5.2.3 Determinanten der Bewertung <strong>von</strong> Naturrisiken<br />

Wie gezeigt wurde, werden Risiken als Konstrukte im gesellschaftlichen Bewertungsprozess vor<br />

dem Hintergrund zahlreicher wahrgenommener Einflussfaktoren beurteilt. Im Folgenden sollen<br />

die empirischen Erkenntnisse hinsichtlich verschiedener Risikomerkmale, Personmerkmale und<br />

der Umweltbedingungen sowie ihre Bedeutung für die Bewertung <strong>von</strong> Naturgefahren und Natur-<br />

risiken betrachtet werden. Da die Einflussfaktoren miteinander korrelieren, lassen sich Wieder-<br />

holungen in den folgenden Erläuterungen nicht immer vermeiden.<br />

Die vorliegende Arbeit rekurriert vielfach auf die einzigen prospektiven Ermittlungen der gesell-<br />

schaftlichen Bewertung <strong>von</strong> Naturrisiken in Deutschland <strong>von</strong> PLAPP (2003) und GEIPEL et al.<br />

(1997). Beide Untersuchungen stützen sich auf Bevölkerungsbefragungen. GEIPEL et al. wählten<br />

als Untersuchungsraum das Mittelrheinische Becken, während PLAPP ihre Studie am Beispiel <strong>von</strong><br />

sechs deutschen Städten bzw. Stadtgebieten durchführte, die zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich<br />

stark <strong>von</strong> extremen Naturereignissen betroffen waren.<br />

149


150<br />

Risikobewertung<br />

Bevor auf die einzelnen Determinanten der Risikobewertung eingegangen wird, sollen vorab die<br />

Risikoprofile verschiedener Naturgefahren gezeichnet werden. Die Darstellung der wahrgenom -<br />

menen bzw. zugeschriebenen Risikomerkmale der Gefahren Sturm, Hochwasser und Erdbeben gibt<br />

vorab einen Einblick in bedeutende Aspekte der gesellschaftlichen Einschätzung <strong>von</strong> Naturrisiken.<br />

Die Erläuterungen stützen sich hierbei auf die Untersuchung <strong>von</strong> PLAPP (2003). Das Studien-<br />

design umfasste hierbei eine Kombination des psychometrischen Ansatzes mit Konzepten der<br />

Kulturtheorie, die ergänzt wurden durch Assoziationstests zu den Begriffen Risiko, Natur und<br />

Umwelt sowie Tests zur Risikoeinstellung (PLAPP, 2001: 235ff).<br />

Abbildung 5.7 zeigt die individuelle Einschätzung der neun erfassten Merkmale für die unter-<br />

schiedlichen Risiken auf einer progressiven Skala <strong>von</strong> 1 bis 5.<br />

Sturm, Hochwasser und Erdbeben und die Gefährdung daraus… *<br />

Für mich keine Gefährdung 1 2 3 4 5<br />

Todesfolgen<br />

unwahrscheinlich<br />

Abb. 5.7: Risikomerkmale für Sturm, Hochwasser und Erdbeben<br />

(Quelle: nach PLAPP, 2003: 59)<br />

Die Risikoprofile gestalten sich trotz einiger kleiner Unterschiede sehr ähnlich. Den Gefahren wird<br />

eine niedrige (Erdbeben) bis mittlere (Hochwasser) persönliche Gefährdung zugewiesen, mit der<br />

nur eine geringe Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Todesopfern verbunden wird. Während dem Kenntnis-<br />

stand der Forschung ein mittleres Maß zugeschrieben wird, gelten die Gefahren als relativ<br />

bekannt, und Furchtassoziationen sind eher gering ausgeprägt. Die Befragten sehen besonders<br />

hinsichtlich der Gefahr <strong>von</strong> Erdbeben kaum die Möglichkeit der Einflussnahme. Insbesondere<br />

Hochwasser werden als eher häufige Ereignisse eingeschätzt, die, ähnlich wie Sturmereignisse,<br />

eher vorhersagbar sind als Erdbeben. Auffällig ist die Annahme der Befragten, dass die betrachteten<br />

Naturgefahren zukünftig zunehmen könnten, wobei Sturm und Hochwasser eine stärkere<br />

Zunahme als den Erdbeben zugewiesen wird.<br />

Für mich eine große<br />

Gefährdung<br />

1 2 3 4 5 Todesfolgen zu erwarten<br />

Vollkommen erforscht 1 2 3 4 5 Vollkommen unerforscht<br />

Ist mir lange bekannt 1 2 3 4 5 Ist mir völlig neu<br />

Macht mir keine Angst 1 2 3 4 5 Macht mir viel Angst<br />

Viele Einflussmöglichkeiten 1 2 3 4 5 Keine Einflussmöglichkeiten<br />

Passiert fast nie 1 2 3 4 5 Passiert sehr oft<br />

Ist sicher vorhersagbar 1 2 3 4 5 Ist gar nicht vorhersagbar<br />

Werden seltener 1 2 3 4 5 Werden häufiger<br />

* Auszug aus dem Befragungsbogen<br />

** Die Verbindungslinien zwischen den Mittelwerten haben keine mathematische Bedeutung.<br />

Erdbeben Sturm Hochwasser<br />

1 2 3 4 5<br />

Mittelwert**


Risikobewertung<br />

PLAPP (2003: 65) fasst die wahrgenommenen Risikomerkmale der Naturgefahren wie folgt zu-<br />

sammen: „Sturm, Hochwasser und Erdbeben werden hinsichtlich ihrer Risikomerkmale bei ge-<br />

ringen Unterschieden recht ähnlich wahrgenommen: unkontrollierbar, nicht schrecklich, vorher-<br />

sehbar (Sturm, Hochwasser) bzw. nicht vorhersehbar (Erdbeben).“ Auf die einzelnen Risikomerkmale<br />

soll bei der Betrachtung der Bewertungseinflüsse näher eingegangen werden.<br />

5.2.3.1 Gefährlichkeit<br />

Wie die Untersuchungen <strong>von</strong> SLOVIC et al. (1986) schon zeigten, wird die Gefährlichkeit bzw. Be-<br />

drohung verschiedener Risikoquellen sehr unterschiedlich wahrgenommen. Die Autoren konnten<br />

nachweisen, dass Erdbeben im Vergleich zu zivilisatorischen Risiken hinsichtlich der Schrecklich-<br />

keit unterdurchschnittlich eingeschätzt wurden.<br />

PLAPP (2003) ermittelte durch Befragungen die Gefährdungseinschätzung für 16 verschiedene<br />

Risikoquellen aus dem Bereich Technik, Freizeit, Gesellschaft sowie Natur und Umwelt auf einer<br />

Skala <strong>von</strong> 1 bis 100. Hierbei wurde auch nach der Einschätzung der Naturgefahren Erdbeben,<br />

Hochwasser und Sturm gefragt.<br />

Die Tabelle 5.4 zeigt die Ergebnisse der Untersuchung geordnet nach dem Median der Schätzun-<br />

gen. Hierbei zeigt sich ein differenziertes Bild sowohl im Vergleich der Naturgefahren unterein-<br />

ander als auch zu den zivilisatorischen Risiken. Nach Aids, Hausbrand und der Schädigung der<br />

Ozonschicht positionieren die Befragten die Gefahr <strong>von</strong> Erdbeben auf den 4. Rang. Neben Erdbe-<br />

ben als gefährlichste natürliche Risikoquelle nimmt Hochwasser einen mittleren Rang ein, wäh-<br />

rend die Gefährlichkeit <strong>von</strong> Stürmen eher niedrig eingeschätzt wird.<br />

Zudem konnten in der Untersuchung signifikante Unterschiede in der Gefährlichkeitsabschät-<br />

zung zwischen männlichen und weiblichen Befragten festgestellt werden (vgl. Kap. 5.2.3.7).<br />

PLAPP untersuchte zudem die Zusammenhänge zwischen den Risikomerkmalen (vgl. Abb. 5.7)<br />

und der eingeschätzten Gefährlichkeit. Wie zu erwarten, zeigt sich hierbei, dass je stärker die<br />

wahrgenommene persönliche Gefährdung ist, desto höher wird auch die Gefährlichkeit der Risikoquelle<br />

eingeschätzt. 6 Zudem bestehen schwache Korrelationen bei der Einschätzung <strong>von</strong> Sturm<br />

und Hochwasser mit den diesbezüglichen Furchtassoziationen. Die Autorin kommt letztlich zu<br />

dem Schluss, dass durch die Merkmale persönliche Gefährdung, Angstgefühl und Häufigkeit lediglich<br />

25,9 % der Varianz zu erklären sind und darüber hinaus die übrigen Risikomerkmale nicht statistisch<br />

nachweisbar zur Erklärung der Risikobewertung beitragen (ebd., 2003: 60).<br />

Vergleicht man die Befragungsergebnisse mit denen der Bedrohungseinschätzung durch die Be-<br />

völkerung in der Studie <strong>von</strong> GEIPEL et al. (1997), so zeigen sich hier Unterschiede. Während<br />

GEIPEL et al. als bedrohlichste Risikoquelle einen Atomunfall ermitteln konnten, rangiert die<br />

Atomenergie in der Untersuchung <strong>von</strong> PLAPP lediglich auf Rang sieben (Tab. 5.4).<br />

6 Der signifikanteste Zusammenhang besteht bei der Sturmgefahr (r = 0,61). Bei Hochwasser ist er wesentlich geringer ausgeprägt<br />

(r = 0,46) und bei Erdbeben ist er nicht nachweisbar (PLAPP, 2003: 60).<br />

151


152<br />

Risikobewertung<br />

Das mag zum einen daran liegen, dass GEIPEL et al. explizit nach der Bedrohung durch einen Un-<br />

fall fragen, während PLAPP die Gefährdung durch die Nutzung der Atomenergie einschätzen<br />

lässt. Möglicherweise zeigt sich hier ein Framing-Effekt, nach dem Ereignisse als risikoreicher<br />

eingeschätzt werden, wenn sie negativ dargestellt werden (vgl. TVERSKY und KAHNEMANN, 1981).<br />

Eine andere Erklärung wäre, dass GEIPEL et al. in ihrer Untersuchung mit dem Begriff der Be-<br />

drohlichkeit die Schrecklichkeit implizieren, denn danach werden Atomunfälle i. d. R. als die<br />

schrecklichsten eingeschätzt (vgl. SLOVIC et al., 1987).<br />

Die Einschätzungen der verschiedenen Naturgefahren Erdbeben, Hochwasser bzw. Über-<br />

schwemmungen sind in beiden Untersuchungen ähnlich, wobei zu bedenken ist, dass GEIPEL et al.<br />

lediglich neun Risikoquellen darstellen und somit Überschwemmungen im Untersuchungsset an<br />

letzter Stelle stehen.<br />

Tab. 5.4: Gefährlichkeitsschätzung für unterschiedliche Risikoquellen<br />

(Quelle: nach PLAPP, 2003: 57; GEIPEL, 1997)<br />

Rang Risikoquelle n Median Mittelwert<br />

Standardabweichung<br />

Varianz<br />

1. Aids 446 88 75 27,65 764,39 7.<br />

2. Hausbrand 450 79,5 69,73 27,50 756,20 5.<br />

3. Schädigung der Ozonschicht 450 78 74,52 20,29 411,67 -<br />

4. Erdbeben 449 73 62,66 31,45 989,11 3.<br />

5. Rauchen 447 72 71,36 21,73 472,03 -<br />

6. Umweltverschmutzung 449 72 68,24 21,92 480,31 -<br />

7. Atomenergie 448 65 63,02 27,72 768,28 1.<br />

8. Hochwasser 448 61 59,13 26,02 677,10 9.<br />

9. Wirtschaftskrise 446 56 57,93 23,67 560,09 -<br />

10. Genfood 448 52 54,29 28,19 792,88 -<br />

11. Autofahren 449 50 51,42 22,70 515,07 2.<br />

12. Alkohol 445 49 49,37 23,75 564,17 -<br />

13. Sturm 446 45,5 47,59 23,29 542,64 -<br />

14. Elektrosmog 449 40 41,22 23,87 569,71 -<br />

15. Skifahren 446 37,5 37,88 21,11 445,78 -<br />

16. Flugzeugfliegen 449 30 34,81 23,05 531,43 -<br />

Gültige Fälle (listenweise) 421<br />

PLAPP konnte in einem Vergleich verschiedener <strong>von</strong> ein em Hochwasser betroffenen Gebiete fest-<br />

stellen, dass die Befragten aus den häufig überschwemmten Gebieten in Passau und Köln-Rodenkirchen<br />

die Gefährlichkeit <strong>von</strong> Hochwasser geringer einschätzen als die 1999 durch das Pfingsthochwasser<br />

erstmals betroffenen Menschen in Neustadt a. d. Donau.<br />

Dieses könnte unterschiedliche Gründe haben. Zum einen kann es mit der Gewöhnung oder auch<br />

der Verdrängung erklärt werden, zum anderen weisen die soziodemographischen Strukturen der<br />

Befragten in Passau - viele Befragte zeigen eine hohe Bildung und wohnen zur Miete - eher auf<br />

eine niedrigere Einschätzung der Gefährlichkeit hin. Ein anderer Erklärungsversuch wäre, dass<br />

die hohe Einschätzung in Neustadt a. d. Donau im Zusammenhang mit der hohen Schadenerfah-<br />

rung und Sensibilität aufgrund der erst kürzlich eingetretenen Schäden zu sehen ist. Dieser<br />

Zusammenhang liegt in der Untersuchung nahe, da die Personen mit der höchsten Schadenerfahrung<br />

(Einwohner <strong>von</strong> Köln und Neustadt a. d. Donau) die Hochwasser am Gefährlichsten ein-<br />

schätzen.<br />

Rang<br />

GEIPEL<br />

(1997)


Risikobewertung<br />

Die niedrige Schadenerfahrung in Passau ist möglicherweise mit den differenten soziodemogra-<br />

phischen Faktoren zu erklären (hoher Anteil jüngerer Personen, die i. d. R. kaum Wohneigentum<br />

besitzen).<br />

GEIPEL et al. haben außerdem die Unterschiede der Gefahrenabschätzung durch sog. Laien und<br />

Experten untersucht. Hierbei zeigen sich deutliche Differenzen, was sich weitestgehend mit den<br />

Erkenntnissen aus früheren psychologisch-kognitiven Studien deckt. In der Tabelle 5.5 sind die<br />

Ergebnisse der Befragungen dargestellt.<br />

Tab. 5.5: Einschätzung der Bedrohlichkeit <strong>von</strong> Risiken im Mittelrheinischen Becken<br />

(Quelle: nach GEIPEL et al., 1997: 38)<br />

Risiko<br />

Bevölkerungsbefragung<br />

Rang<br />

Expertenbefragung<br />

Rang<br />

Atomunfall 1 1<br />

Verkehrsunfall 2 3<br />

Erdbeben 3 5<br />

Chemieunfall 4 2<br />

Brandgefahren 5 4<br />

Hautkrebs 5 6<br />

Aids 7 8<br />

Vulkanausbruch 8 9<br />

Überschwemmungen 9 6<br />

Während bei beiden Personengruppen die Bedrohlichkeit eines Atomunfalls als stärkste eingeschätzt<br />

wird, sehen sowohl Experten als auch Laien einen erneuten Ausbruch des Laacher See-<br />

Vulkans als weniger bedrohlich. Differenzen werden bei den Risikoquellen Erdbeben und<br />

Chemieunfall deutlich, Entscheidungsträger stufen Chemieunfälle, die Bevölkerung ein Erdbe-<br />

benereignis höher ein. Auch die Bedrohung durch ein Hochwasserereignis wird <strong>von</strong> den Experten<br />

als bedrohlicher eingeschätzt. Dass die allgegenwärtige Hochwassergefahr <strong>von</strong> der Bevölkerung<br />

eher als geringe Bedrohung gesehen wird ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die<br />

Menschen gelernt haben, mit dieser zu leben und umzugehen (vgl. WEICHSELGARTNER, 2001).<br />

5.2.3.2 Eintritts- und Schadenswahrscheinlichkeit<br />

Die individuelle Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses bestimmte lange Zeit die<br />

Hazard-Forschung. Hierbei ging man da<strong>von</strong> aus, dass diese sowohl die Risikobewertung als auch<br />

das Vorsorgeverhalten maßgeblich beeinflusst. Während SLOVIC et al. mit ihrem psycho-metri-<br />

schen Ansatz nur einen geringen Zusammenhang zwischen der Risikobewertung und der<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit ermittelten (ebd., 1985), kamen andere Studien zu gegensätzlichen<br />

Ergebnissen (vgl. Kap. 5.1.2).<br />

KARGER (1996) kommt zu dem Schluss, dass die Frage nach dem Einfluss der Wahrscheinlichkeit<br />

neu gestellt werden muss. Hierbei sind zukünftig neben der Abschätzung der Unsicherheit auch<br />

die individuelle Bewältigung (z.B. Heuristiken) als Determinante der Wahrscheinlichkeitsschät-<br />

zung zu berücksichtigen.<br />

153


154<br />

Risikobewertung<br />

Die Abschätzung der Auftretenswahrscheinlichkeiten <strong>von</strong> Ereignissen bzw. Katastrophen ist mit<br />

großen Schwierigkeiten verbunden. Daher werden bei der individuellen Risikobewertung mit<br />

intuitiven Heuristiken mentale Strategien angewendet, mit denen Unsicherheiten reduziert bzw.<br />

vermieden werden können. Die in Tabelle 5.6 dargestellten empirisch nachgewiesenen Befunde<br />

decken sich im Wesentlichen mit den Erkenntnissen der psychologisch-kognitiven Risikofor-<br />

schung (vgl. Kap. 5.1.2 und 5.2.2).<br />

Tab. 5.6: Ursachen der Fehleinschätzung <strong>von</strong> Wahrscheinlichkeiten<br />

(Quelle: nach KARGER, 1996)<br />

Heuristik Empirischer Befund<br />

Gamblers fallacy<br />

Illusionary correlation bias<br />

Law of small numbers<br />

Availability<br />

Anchoring<br />

Sind statistisch zufällig auftretende Naturkatastrophen in einem Jahr<br />

aufgetreten, dann ist es unwahrscheinlicher oder auch wahrscheinlicher,<br />

dass sie im nächsten Jahr wieder auftreten.<br />

Zufällig auftretende Ereignisse werden als deterministische Ereignisse<br />

interpretiert, die in regelmäßigen Abständen bzw. zyklisch auftreten.<br />

Das Auftreten <strong>von</strong> zwei Ereignissen kurz hintereinander führt dazu,<br />

dass ein drittes und noch schwereres Ereignis im gleichen Zeitabstand<br />

vorausgesagt wird.<br />

Erst kürzlich erlebte Ereignisse erhöhen die Erwartung eines weiteren<br />

Ereignisses.<br />

Bei vorhandener Vorerfahrung dient diese als Anker für die Wahrscheinlichkeitsschätzung,<br />

welche dann i. d. R. als zu gering eingestuft<br />

wird.<br />

Darüber hinaus konnten verschiedene Interpretationsmuster der spezifischen Gefahrensituation<br />

festgestellt werden. Demnach zeigt sich bei den Einwohnern in potenziell gefährdeten Gebieten<br />

eine Tendenz dazu, die Gefahr zu leugnen oder zu verharmlosen. Als Strategien wurden im We-<br />

sentlichen solche erkannt, die die Gefahr auslöschen und solche, die die Unsicherheit beseitigen<br />

(KARGER, 1996: 21).<br />

In Tabelle 5.7 sind die verschiedenen Strategien im Umgang mit Unsicherheit dargestellt.<br />

Tab. 5.7: Strategien im Umgang mit Unsicherheit<br />

(Quelle: nach BURTON et al., 1968; in KARGER, 1996: 22)<br />

Existenz der Gefahr<br />

verleugnen oder<br />

herunterspielen<br />

„Wir haben hier keine<br />

Überschwemmung<br />

sondern nur Hochwasser“<br />

„Das kann hier nicht<br />

passieren“<br />

Gefahr auslöschen Gefahr beseitigen<br />

Wiederauftreten einer<br />

Gefahr verleugnen oder<br />

herunterspielen<br />

„Blitze schlagen niemals<br />

zweimal an der selben<br />

Stelle ein“<br />

„Das ist eine Laune der<br />

Natur“<br />

Unsicherheit bestimmbar<br />

und erkennbar machen<br />

„Nach sieben fetten<br />

Jahren…sieben magere<br />

Jahre“<br />

„Überschwemmungen<br />

treten alle fünf Jahre auf“<br />

Unsicherheit einer<br />

höheren Macht zuschreiben<br />

„Das liegt in der Hand<br />

Gottes“<br />

„Die Regierung kümmert<br />

sich darum“<br />

Die räumliche Nähe hat somit einen großen Einfluss auf die Risikobewertung <strong>von</strong> Naturgefahren.<br />

Während Personen, in deren Nähe großtechnische Anlagen geplant werden, das damit verbun-<br />

dene Risiko aufgrund der Unfreiwilligkeit der Risikoübernahme höher einschätzen und i. d. R.<br />

ablehnen (NIMBY-Not-in-my-Backyard-Effekt), stellt sich bei Naturgefahren offensichtlich ein ge-<br />

genteiliger Effekt heraus.


Risikobewertung<br />

Aus der Strategie „Bei uns wollen wir das nicht“ wird die Einstellung „Bei uns passiert so etwas<br />

nicht.“ SMITH bezeichnet diese Verhaltensweise als dissonante Wahrnehmung (ebd., 2001;<br />

vgl. Kap. 5.2.2.2).<br />

Für die Fragestellung der Arbeit ist eine Untersuchung <strong>von</strong> KATES (1967) besonders interessant.<br />

Hierbei wurden Bewohner an den Küsten Megalopolis zu ihrem Wissen und ihren Erfahrungen mit<br />

Sturmkatastrophen befragt. In Tabelle 5.8 sind die verschiedenen Interpretationsmuster darge-<br />

stellt. Jedes Muster ist mit unterschiedlichen Erwartungen hinsichtlich des Auftretens einer Ka-<br />

tastrophe und der daraus resultierenden Schäden verbunden.<br />

Tab. 5.8: Interpretationsmuster <strong>von</strong> Sturmkatastrophen an der amerikanischen Atlantikküste<br />

(Quelle: nach KATES , 1967; in KARGER, 1996: 22f)<br />

Interpretationsmuster<br />

Erwartung zukünftiger Naturereignisse (in %; n=327)<br />

Keine Stürme<br />

oder Schäden<br />

Unsicherheit in<br />

Bezug auf<br />

Stürme oder<br />

Schäden<br />

Erwartung <strong>von</strong><br />

Stürmen aber<br />

keine bzw.<br />

unsichere<br />

Schäden<br />

Erwartung<br />

<strong>von</strong> Stürmen<br />

und Schäden<br />

Gesamt<br />

Ableugnen der Gefahr 2 - 1 - 3<br />

Katastrophe ist ein einmaliges Ereignis<br />

5 4 - - 9<br />

Katastrophen wiederholen sich aber<br />

keine persönliche Betroffenheit 4 1 - - 5<br />

Ereignisse treten seltener auf 1 - 2 - 3<br />

Ereignisse nicht prognostizierbar - 3 16 13 32<br />

Ereignisse treten zyklisch auf 1 1 20 22 44<br />

Ereignisse treten häufiger auf - - - 2 2<br />

Die Befragungen zeigen, dass 12 % der Küstenbewohner die Gefahr <strong>von</strong> Stürmen leugnen oder<br />

diese als ein einmaliges Ereignis ansehen. Diese Gruppe geht da<strong>von</strong> aus, dass gar keine Katastrophen<br />

auftreten werden oder aber das Schicksal in Gottes Hand liegt (dissonante bzw. probabilistische<br />

Wahrnehmung). Der Großteil der Befragten sieht Stürme als ein sich wiederholendes Ereignis,<br />

wobei 32 % der Meinung sind, dass die Wissenschaft keine Erkenntnisse über die Auftretenswahr-<br />

scheinlichkeit hat. 29 % erwarten eine Katastrophe, <strong>von</strong> denen aber nur 13 % <strong>von</strong> negativen Kon-<br />

sequenzen ausgehen. Die Mehrzahl sieht in dem Auftreten der Ereignisse eine gewisse Ordnung,<br />

wobei ein zyklisches Erscheinungsbild bevorzugt wird (determinierende Wahrnehmung). Diese Ein-<br />

stellung impliziert eine gewisse Kontrollmöglichkeit, indem die Unvorhersehbarkeit negiert wird.<br />

Ein geringer Anteil der Befragten neigt zu einer ansteigenden (2 %) bzw. fallenden (3 %) Trend-<br />

entwicklung. Zudem gibt es eine Personengruppe (5 %), die zwar die Möglichkeit einer Sturmkatastrophe<br />

sieht, sich selbst aber nicht bedroht fühlt (unrealistischer Optimismus) (KARGER, 1996: 23f;<br />

vgl. SMITH, 2001: 70f).<br />

GEIPEL et al. (1997) untersuchten die Wahrnehmung und Bewertung unterschiedlicher Risiken im<br />

Mittelrheinischen Becken. Wenn auch die Eintrittswahrscheinlichkeit in der Studie eher nachrangig<br />

betrachtet wurde - der Fokus lag auf dem gesellschaftlichen Umgang mit Risiken - so lassen sich<br />

hierzu doch einige Erkenntnisse skizzieren.<br />

155


156<br />

Risikobewertung<br />

In Abbildung 5.8 sind die Ergebnisse der Wahrscheinlichkeitsschätzungen <strong>von</strong> Katastrophen im<br />

Mittelrheinischen Becken dargestellt. Alle Befragten sehen für sich einen Verkehrsunfall am Wahr-<br />

scheinlichsten, gefolgt <strong>von</strong> einem Hausbrand und der Gefahr <strong>von</strong> Hautkrebs. Ein Erdbeben wird<br />

auf Rang vier als die wahrscheinlichste Naturkatastrophe betrachtet, während Überschwemmun-<br />

gen auf Rang sieben und ein Vulkanausbruch auf Rang neun sogar unwahrscheinlicher eingestuft<br />

werden als ein Atomunfall.<br />

Anteil der Nennungen<br />

%<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

6<br />

14<br />

61<br />

Verkehrsunfall<br />

25<br />

24<br />

7<br />

Hausbrand<br />

18 9<br />

Abb. 5.8: Aussagen über die Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Katastrophen im Mittelrheinischen Becken<br />

(Quelle: nach GEIPEL, 1997: 29)<br />

Die Autoren untersuchten darüber hinaus die Unterschiede der Wahrnehmung und Bewertung<br />

durch die Bevölkerung und durch Entscheidungsträger aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft.<br />

Die meisten der Befragten - sowohl Experten als auch Laien - schätzen <strong>von</strong> den gewählten Risiken<br />

einen Verkehrsunfall als wahrscheinlichstes Ereignis, einen Vulkanausbruch hingegen als un-<br />

wahrscheinlichstes Risiko (Tab. 5.9). Die Experten messen im Gegensatz zur Bevölkerung den<br />

Überschwemmungen auf Rang zwei eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit zu, während die Erdbeben<br />

auf Rang 7 hier eine eher untergeordnete Bedeutung haben.<br />

20<br />

3<br />

Hautkrebs<br />

11<br />

7<br />

Erdbeben<br />

9 10 7<br />

Tab. 5.9: Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Risiken im Mittelrheinischen Becken<br />

(Quelle: nach GEIPEL et al., 1997: 38)<br />

Risiko<br />

Bevölkerungsbefragung<br />

Rang<br />

Expertenbefragung<br />

Rang<br />

Atomunfall 6 8<br />

Verkehrsunfall 1 1<br />

Erdbeben 4 7<br />

Chemieunfall 5 4<br />

Brandgefahren 2 3<br />

Hautkrebs 3 5<br />

Aids 8 6<br />

Vulkanausbruch 9 9<br />

Überschwemmungen 7 2<br />

11<br />

3<br />

Chemieunfall<br />

Risikoquelle<br />

6<br />

9<br />

7 6<br />

Atomunfall<br />

Überschwemmung<br />

4<br />

3<br />

3<br />

Aids<br />

Rang 3<br />

Rang 2<br />

Rang 1<br />

Vulkanausbruch


Risikobewertung<br />

BURTON und KATES (1964) konnten feststellen, dass Experten die Möglichkeit einer wiederholten<br />

Überschwemmung nie ausschlossen, während 39 % der Befragten, die bereits eine Überflutung<br />

erlebt hatten, die Möglichkeit leugneten.<br />

HEWITT und BURTON (1971) ermittelten in Experten- und Laienbefragungen (Ontario, USA), dass<br />

die Laien eine genaue Vorstellung da<strong>von</strong> haben, welche Naturgefahren sie bedrohen. Die Wahr-<br />

scheinlichkeitsschätzungen zeigen jedoch erhebliche Unterschiede zu den <strong>von</strong> Experten ermittel-<br />

ten statistischen Häufigkeiten. Hierbei fiel auf, dass insbesondere Ereignisse mit niedriger<br />

Häufigkeit oft unter- bzw. überschätzt werden. Dieses könnte auch ein Indiz für die Erfahrung als<br />

Determinante der Wahrscheinlichkeitsschätzung sein (vgl. Kap. 5.2.3.4).<br />

5.2.3.3 Kontrollierbarkeit und Kontrollüberzeugung<br />

GOLANT und BURTON (1970) konnten die Kontrollierbarkeit als einen dominanten Faktor der<br />

Wahrnehmung und Bewertung <strong>von</strong> Naturgefahren herausstellen. Die Kontrollierbarkeit ist dem -<br />

nach eine wesentliche Größe zur wahrgenommenen Differenzierung <strong>von</strong> Naturgefahren. Sie hat<br />

aber für die individuelle Einschätzung der Höhe der Naturrisiken - im Gegensatz zur Beurteilung<br />

<strong>von</strong> technologischen Risiken - nur eine untergeordnete Bedeutung (vgl. BRUN, 1992).<br />

GOLANT und BURTON (1970) kommen darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass Naturgefahren<br />

i. d. R. als nicht kontrollierbare, lokal begrenzte und freiwillige Gefahren eingeschätzt werden.<br />

Überschwemmungen hingegen wird eine mittlere Kontrollierbarkeit zugeschrieben, die wohl aus<br />

der Interaktion zwischen Mensch und Umwelt als Ursache für Überschwemmungen resultiert<br />

(vgl. KARGER, 1996).<br />

Innerhalb des deskriptiven Entscheidungsmodells der Chicagoer Schule (vgl. KATES, 1976) wird die<br />

Kotrollüberzeugung als wichtige Persönlichkeitsvariable zur individuellen Risikobewertung ange-<br />

nommen. Nach BURTON et al. (1978) ist der Grad der Anpassungsreaktion abhängig vom Faktor<br />

Persönlichkeit und der Neigung zum Fatalismus. Als Einflussgröße der Persönlichkeit wird hierbei<br />

nach extern und intern kontrollierten Menschen unterschieden: Intern kontrollierte Menschen<br />

wollen ihr Schicksal lenken und selbst bestimmen, während extern kontrollierte Menschen die<br />

katastrophalen Ereignisse außerhalb ihres Kontrollbereiches sehen.<br />

Dieses entspricht nach SMITH (2001) einer probabilistische Wahrnehmung (vgl. Kap. 5.2.2.2), wonach<br />

die Verantwortung an eine höhere Macht abgegeben wird. Hierbei ist festzustellen, dass die<br />

Bedeutung der Religion oder einer anderen höheren Macht bei den Menschen in vielen unterent-<br />

wickelten Ländern ausgeprägter ist als in Industrienationen. So konnte HIDAJAT (2001) in Befragungen<br />

im Gebiet des indonesischen Vulkans Merapi feststellen, dass die Bevölkerung durch eine<br />

extern kontrollierte Persönlichkeit mit Neigung zum Fatalismus geprägt ist.<br />

TURNER und KIECOLT (1984) konnten in einer repräsentativen Studie in den USA feststellen, dass<br />

die kulturellen Rahmenbedingungen auch innerhalb einer Gesellschaft einen Einfluss auf die<br />

wahrgenommene Kontrollierbarkeit haben.<br />

157


158<br />

Risikobewertung<br />

So fanden sie heraus, dass Afroamerikaner eher als Anglo- und Mexiko-Amerikaner der Meinung<br />

sind, dass Erdbeben unabhängig <strong>von</strong> Vorsorgemaßnahmen Schäden anrichten und nichts getan<br />

werden kann, sie zu verhindern bzw. sie abzumildern. Zudem sind Mexiko-Amerikaner eher als<br />

Anglo- und Afroamerikaner der Auffassung, dass sie selbst im Falle eines Erdbebens die Katastrophe<br />

bewältigen können (KARGER, 1996).<br />

Nach DRABEK (1985) reagieren Menschen weniger sensibel auf Gefahren, die sie für nicht kontrol-<br />

lierbar halten. Auch BAUM et al. (1983) sehen in der wahrgenommenen Kontrollierbarkeit einen<br />

Einfluss auf die Gefährdungseinschätzung. Da Naturereignisse weitestgehend als unkontrollierbar<br />

angesehen werden, haben Menschen auch nicht die Erwartung, diese kontrollieren zu können.<br />

Es besteht also grundsätzlich ein Mangel an Kontrollmöglichkeit.<br />

Wie die Untersuchung <strong>von</strong> GOLANT und BURTON (1970) gezeigt hat, wird Überschwemmungen<br />

aber eine mittlere Kontrollierbarkeit zugeschrieben. Es ist anzunehmen, dass dieses u. a. auf die<br />

effektiven Schutzmaßnahmen zurückzuführen ist. In diesem Fall besteht nur ein geringer Kon-<br />

trollmangel. Kommt es aber im Ereignisfall z.B. zum Versagen <strong>von</strong> Schutzmaßnahmen, so führt<br />

das zu einem Verlust an Kontrolle, welcher wesentlich stärkeren Stress induziert als der grundsätzliche<br />

Mangel an Kontrolle (vgl. BAUM et al., 1983).<br />

KARGER (1996) vermutet, dass sich die Bedeutung der wahrgenommenen Kontrollierbarkeit für<br />

die Einschätzung der Höhe des Risikos erhöht, wenn Menschen <strong>von</strong> einem Ereignis bedroht sind.<br />

Hierzu empfiehlt sie, in zukünftigen Studien (zur Abschätzung <strong>von</strong> Umweltrisiken) die wahrge-<br />

nommene Kontrollierbarkeit der Gefahr selbst und die Kontrollierbarkeit der Folgen zu differen-<br />

zieren. Zudem sollte die wahrgenommene persönliche Kontrolle der sog. Laien sowie die der<br />

Entscheidungsträger zukünftig stärker berücksichtigt werden. Sie weist darauf hin, dass Ergeb-<br />

nisse der Entscheidungsforschung erwarten lassen, dass die individuelle Handlungsbereitschaft<br />

insbesondere <strong>von</strong> der persönlichen Kontrollierbarkeit abhängt.<br />

Ob zwischen der wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses und der individuellen<br />

Kontrollüberzeugung ein Zusammenhang besteht, ist nicht eindeutig geklärt. So weisen BURTON<br />

und KATES (1964) in einer interkulturellen Studie darauf hin, dass in einer Gesellschaft, in der die<br />

Kontrollüberzeugung gegenüber Naturgefahren dominant ist, die Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>von</strong><br />

Naturereignissen geringer eingeschätzt wird. SAARINEN (1966) konnte feststellen, dass Personen<br />

mit einer hohen eigenen Kontrollüberzeugung für sich ein größeres und effizienteres Bewältigungspotenzial<br />

abschätzen als Personen, die überwiegend eine externale Kontrollüberzeugung<br />

haben (vgl. KARGER, 1996).<br />

In Großbritannien konnte für Hochwasserrisiken gezeigt werden, dass viele Menschen ihre per-<br />

sönliche Vulnerabilität zu gering einschätzen und insbesondere im Vergleich zu anderen Personen<br />

ihre Potenz zur Beeinflussung des Ereignisses bzw. zur Reduzierung der negativen Folgen<br />

höher einstufen (vgl. GREEN, TUNSTALL und FORDHAM, 1990; HOUSE und FORDHAM, 1997).


5.2.3.4 Erfahrung und Bewusstsein<br />

Risikobewertung<br />

Während die Einschätzung der Ereigniswahrscheinlichkeit offensichtlich mit dem Wissen und der<br />

Erfahrung zusammenhängt, ist die Frage, ob die individuelle Einschätzung der Schadenserwartung<br />

mit der Erfahrung korreliert, nicht eindeutig festzustellen. Während einige Untersuchungen<br />

hierbei einen positiven Zusammenhang feststellen (vgl. KUNREUTHER, 1978), kommen andere<br />

Untersuchungen, sogar bei der Betrachtung gleicher Risikoquellen, zu einem anderen Ergebnis<br />

(vgl. PERRY et al., 1981).<br />

Der Grad der Wahrnehmung ist abhängig <strong>von</strong> der Fähigkeit, das Risiko einzuschätzen und <strong>von</strong><br />

der Kenntnis über die Gefahrenursache. Somit erhöht eine Vorerfahrung das Problembewusstsein<br />

und auch die Bereitschaft für ein Risikomanagement (CHAPMAN, 1994; GENEEN, 1995; KARGER,<br />

1996; SMITH und TOBIN, 1979).<br />

Befragungen <strong>von</strong> GEIPEL et al. (1997) im Mittelrheinischen Becken ergaben, dass sowohl die erd-<br />

beben- als auch die überschwemmungserfahrenen Personen diese Risiken im Vergleich mit acht<br />

weiteren Risikoquellen auf Rang zwei einschätzen. Dies lässt den Schluss zu, dass durch die per-<br />

sönliche Erfahrung eine höhere Sensibilisierung gegenüber diesen Naturgefahren vorhanden ist.<br />

Diese Annahme wird durch andere Studien gestützt. So konnten PARKER und HARDING (1979)<br />

einen signifikanten Zusammenhang zwischen der individuellen Erfahrung einer Naturkatastro-<br />

phe und dem Gefahrenbewusstsein feststellen. Tabelle 5.10 verdeutlicht diesen Zusammenhang.<br />

Tab. 5.10: Zusammenhang zwischen Erfahrung und Gefahrenbewusstsein<br />

(Quelle: nach PARKER und HARDING , 1979)<br />

Anzahl der persönlichen<br />

Erfahrungen mit Überschwemmungen<br />

Ja<br />

Gibt es ein Überschwemmungsproblem in dieser<br />

Gegend? (Angaben in %)<br />

Nein, ich weiß nicht, ich<br />

bezweifle es<br />

0 10 38<br />

1 – 3 39 29<br />

> 3 37 25<br />

Ich weiß nicht 14 8<br />

Auch prognostische Aussagen über die Erwartung eines nächsten Ereignisses korrelieren positiv<br />

mit der persönlichen Erfahrung, wobei die Prognosen dort am ungenausten waren, wo die Erfahrung<br />

einer Katastrophe fehlte (vgl. BURTON et al., 1993).<br />

Burton und Kates (1964) konnten in Befragungen hingegen feststellen, dass 39 % der Befragten,<br />

die bereits eine Überflutung erlebt hatten, die Möglichkeit eines weiteren Ereignisses leugneten.<br />

Dieses ist wohl mit dem systematischen Interpretationsmuster zu erklären, was den potenziell<br />

Betroffenen erlaubt, mit einer gegenwärtigen Bedrohung umzugehen (vgl. Kap. 5.2.3.2).<br />

Die Beziehung zwischen der individuellen Einschätzung der Schadenserwartung und der Erfah-<br />

rung ist nicht eindeutig geklärt. Während einige Untersuchungen einen positiven Zusammenhang<br />

feststellen, kommen andere Untersuchungen, zu einem entgegengesetzten Ergebnis (vgl. Kap.<br />

5.2.3.2).<br />

159


160<br />

Risikobewertung<br />

Verschiedene Studien zeigen außerdem, dass die persönliche Erfahrung mit einer Gefahr die be-<br />

fragten Personen zu der Annahme bewegt, dass die Schäden durch Naturkatastrophen vermeid-<br />

bar sind, wobei die Präventionsmöglichkeiten mehr bei Institutionen und weniger im eigenen<br />

Handeln gesehen werden. Zudem führt die Vorerfahrung lediglich bei der erlebten Gefahr zu einer<br />

höheren Einschätzung der individuellen Vulnerabilität (KARGER, 1996).<br />

TAYLER et al. (1988) entwickelten die Hypothese, dass die Erfahrung das individuelle Grundkonzept<br />

der Gefahr ändert. So konnten sie feststellen, dass Farmer, die häufiger mit Dürreperioden<br />

konfrontiert waren, nur noch sehr schwere und lang andauernde Dürren als solche bezeichneten<br />

und gleichzeitig die subjektive Erwartung seltener eingeschätzt wurde. Die Autoren erklärten dies<br />

mit einem Adaptionsverhalten gegenüber der Gefahr (KARGER, 1996).<br />

PLAPP (2003) konnte in Befragungen der Bevölkerung in verschiedenen deutschen Städten feststellen,<br />

dass ein signifikanter Unterschied in der Einschätzung der Gefährlichkeit <strong>von</strong> Naturgefah-<br />

ren zwischen Personen mit und ohne Schadenerfahrung besteht (vgl. Kap. 5.2.3.1). Personen mit<br />

Erfahrung aus Schadenereignissen bewerteten hierbei Stürme, Hochwasser und Erdbeben we-<br />

sentlich gefährlicher. Für Hochwasser stellt die Autorin fest, dass insbesondere die Erfahrung in<br />

der Katastrophenbewältigung, vor allem auch für das Vertrauen in die Behörden und den Katast-<br />

rophenschutz eine Rolle spielt.<br />

Interessant hinsichtlich der Wahrnehmung, aber auch bezüglich der Vorhersagemöglichkeit <strong>von</strong><br />

Naturgefahren, sind sog. makroskopische Beobachtungen. Menschen, die in enger Verbindung zur<br />

Natur leben, können sinneswahrnehmbare Beobachtungen in der Umwelt machen, die als Vorzei-<br />

chen für ein natürliches Extremereignis gewertet werden können. So konnten in China unter Ein-<br />

bezug <strong>von</strong> Laienbeobachtungen Erdbeben erfolgreich vorhergesagt werden (GEENEN, 1995).<br />

Auch HIDAJAT (2001) konnte am indonesischen Vulkan Merapi durch Befragungen der <strong>von</strong> einer<br />

Eruption potenziell betroffenen Bevölkerung einige Hinweise auf Laienbeobachtungen sammeln,<br />

die auf eine mögliche Aktivität des Vulkans hindeuteten (z.B. auffälliges Tierverhalten). Zudem<br />

konnte in dieser Studie festgestellt werden, dass Befragte aussagen, sich an die Naturgefahr ge-<br />

wöhnt zu haben. Die Gefahr wird dann nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen, wenn man ihr<br />

schon lange ausgesetzt ist oder sie <strong>von</strong> der Gesellschaft akzeptiert oder geduldet wird.<br />

FUCHS et al. (2000) konnten feststellen, dass die Erfahrung hinsichtlich der Naturgefahren im Al-<br />

penraum früher <strong>von</strong> Generation zu Generation weitergeben wurde und demnach eine hohe Eigenverantwortung<br />

in der Familie lag. Dieser Generationsvertrag ist insbesondere <strong>von</strong> Seiten der<br />

jüngeren Generationen aufgelöst worden. Die Informationen werden nicht mehr weitergegeben<br />

oder wegen wirtschaftlicher Interessen und Zweckoptimismus auch abgelehnt, was zu einem ge-<br />

ringeren Gefahrenbewusstsein junger Menschen führt. So wird das Risiko durch Naturgefahren<br />

unterschätzt und verdrängt. Kommt es zu einem Schadenereignis, wird die Verantwortung und<br />

Forderung nach Entschädigung an staatliche Einrichtungen abgeschoben.


Risikobewertung<br />

Der Einfluss der Erfahrung ist somit als empirisch belegte Einflussgröße im Bewertungsprozess<br />

festzuhalten. Doch ist auch anzumerken, dass die Erfahrung bzw. das Wissen um eine Gefahr<br />

nicht sehr lange anhält. Ungefähr sechs Monaten nach einem Ereignis setzt der sog. Motivationale<br />

Verfall ein (BAUMANN und SIMS, 1978), der dazu führt, dass nach spätestens 15 Jahren das Wissen<br />

so weit verblasst ist, dass eine Entscheidung hierdurch nicht mehr beeinflusst wird. WAGNER und<br />

SUDA (2002) stellen für verschiedene Gemeinden im Alpenraum fest, dass Ereignisse wie z.B.<br />

Überschwemmungen nach spätestens ca. 40 Jahren nicht mehr im Bewusstsein der Bevölkerung<br />

sind.<br />

5.2.3.5 Einstellungen und Werthaltungen<br />

BURTON und KATES (1964) weisen darauf hin, dass in Gesellschaften, in denen die Meinung vorherrscht,<br />

die Natur kontrollieren zu können, die Auftretenswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Naturgefahren<br />

unterschätzt wird. SAARINEN (1973) konnte in einer Studie verschiedene Naturbilder bei Farmern<br />

feststellen, die bei der individuellen Erwartung einer Naturkatastrophe eine Rolle spielen. Dem -<br />

nach werden folgende Einstellungen zur Natur erfasst:<br />

• der Mensch als Beherrscher der Natur ;<br />

• der Mensch in Harmonie mit der Natur ;<br />

• der Mensch als Untertan der Natur.<br />

Unterschiede in der Risikobewertung bei Personen verschiedener politischer Orientierungen sind<br />

im Zusammenhang mit Naturgefahren nicht untersucht worden. Es ist aber durchaus denkbar,<br />

dass z.B. konservative Personen aufgrund eines stärkeren Vertrauens in Institutionen und Behör-<br />

den zu niedrigeren Risikobewertungen gelangen als Menschen mit liberaler politischer Einstel-<br />

lung (vgl. FLYNN et al., 1994).<br />

5.2.3.6 Emotionen<br />

Emotionen haben bei der Einschätzung <strong>von</strong> Naturrisiken eine Bedeutung. So können Furchtassoziationen,<br />

als Ausdruck der Schrecklichkeit <strong>von</strong> Risiken (vgl. SLOVIC et al., 1985) dazu führen, dass<br />

diese höher eingeschätzt oder aber über verschiedene Bewältigungsmuster geleugnet bzw. ver-<br />

drängt werden.<br />

GEIPEL et al. (1997) konnten in ihren Untersuchungen im Mittelrheinischen Becken die Furcht der<br />

Bevölkerung vor unterschiedlichen Katastrophen ermitteln. Abbildung 5.9 zeigt die Ergebnisse<br />

der Studie.<br />

Demnach fürchten, unabhängig <strong>von</strong> persönlichen Erfahrungen, die meisten Menschen am ehesten<br />

eine Katastrophe durch einen Kernkraftunfall. Auf den zweiten Rang setzten die Befragten einen<br />

Verkehrsunfall, auf den 3. Rang die Furcht vor einem Erdbeben. Die Angst vor einem Vulkanaus-<br />

bruch und vor Überschwemmungen ist im Rahmen des gewählten Risikosets eher niedrig ausge-<br />

prägt.<br />

161


162<br />

Anteil der Nennungen<br />

Risikobewertung<br />

Abb. 5.9: Furchtassoziationen mit unterschiedlichen Risikoquellen im Mittelrheinischen Becken<br />

(Quelle: nach GEIPEL, 1997: 28)<br />

PLAPP (2003) kommt in ihrer Untersuchung für die Naturgefahren Sturm, Erdbeben und Hoch-<br />

wasser zu einem ähnlichen Ergebnis. Lediglich die Angst vor Erdbeben wird in dieser Studie<br />

niedriger eingeschätzt als bei GEIPEL et al. (vgl. Abb. 5.7).<br />

5.2.3.7 Soziodemographische Faktoren<br />

Untersuchungen zu Naturgefahren haben in der Vergangenheit lediglich den Einfluss sozio-<br />

demographischer Variablen auf die Wahrscheinlichkeitsabschätzung und den Umgang mit Unsi-<br />

cherheit betrachtet. Die Ergebnisse decken sich weitestgehend mit den Erkenntnissen der<br />

psychometrischen Risikowahrnehmungsforschung (KARGER, 1996).<br />

Median der geschätzten Gefährlichkeit<br />

70%<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

11<br />

11<br />

44<br />

Atomunfall<br />

82<br />

92<br />

Aids<br />

13<br />

10<br />

17<br />

69<br />

Risikoquelle<br />

Verkehrsunfall<br />

85 82<br />

Hausbrand<br />

15<br />

13<br />

9<br />

Erdbeben<br />

73<br />

13<br />

66<br />

Schädig. Ozonschicht<br />

16 12 11<br />

5 5 5<br />

Hausbrand<br />

74 74<br />

67<br />

Abb. 5.10: Unterschiedliche Gefährdungsschätzungen <strong>von</strong> Männern und Frauen (Skala <strong>von</strong> 1-100)<br />

(Quelle: PLAPP, 2003: 58)<br />

76<br />

Erdbeben<br />

16 16<br />

Hautkrebs<br />

Risikoquelle<br />

57<br />

Umweltverschmutzung<br />

Chemieunfall<br />

Atomkraft<br />

9<br />

9<br />

10<br />

Aids<br />

47<br />

62<br />

Genfood<br />

Rang 3<br />

Rang 2<br />

Rang 1<br />

4<br />

5 2<br />

3<br />

2 1<br />

Vulkanausbruch<br />

45<br />

37<br />

Männer<br />

Frauen<br />

Elektrosmog<br />

Überschwemmung<br />

34<br />

25<br />

Flugzeug fliegen


Risikobewertung<br />

Demnach gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Risikobewertung. Frauen tendieren in<br />

der Regel zu einer höheren Risikoeinschätzung als Männer. Diese Tendenz konnte auch PLAPP<br />

(2003) für die Einschätzung der Gefährlichkeit verschiedener Risikoquellen (auf einer Skala <strong>von</strong><br />

1-100) feststellen (Abb. 5.10). Von 16 untersuchten Risikoquellen wurden für neun Gefahren<br />

signifikante Unterschiede der Gefährdungseinschätzung zwischen Männern und Frauen ermittelt.<br />

Allerdings können die Unterschiede auch aus dem generell differenten Antwortverhalten zwi-<br />

schen männlichen und weiblichen Befragten resultieren. Die Ergebnisse sind daher problematisch<br />

(PLAPP, 2003: 57).<br />

Während verschiedene Untersuchungen keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der individuellen<br />

Abschätzung der Auftretenswahrscheinlichkeit und soziodemographischen Faktoren,<br />

wie Alter, Einkommen oder Ausbildung feststellen konnten (vgl. BURTON und KATES, 1964;<br />

BAUMANN und EMMER, 1976), kommen PARKER und HARDING (1979) zu dem Ergebnis, dass mit<br />

zunehmendem Alter und geringerem Einkommen die Tendenz besteht, Flutkatastrophen abzuleugnen.<br />

FRIEDESAM (1962), MOORE et al. (1963) und SAARINEN (1966) konnten darüber hinaus nachweisen,<br />

dass ältere Menschen weniger bereit sind, ihre Lage zu verändern. Nach DRABEK (1985) sind bei<br />

älteren Menschen die Risikowahrnehmungen intensiver. Gleichzeitig ist bei diesen die Skepsis<br />

gegenüber einer Evakuierung sehr stark ausgeprägt. TOBIN und MONTZ (1997) stellten die Be-<br />

hauptung auf, dass ein Zusammenhang zwischen Alter und Stress in Bezug auf die Naturgefahr<br />

besteht. Personen mittleren Alters (45-60 Jahre) verspüren demnach eine höhere Belastung, da sie<br />

eine größere Verantwortung für Kinder und Ältere tragen (vgl. HIDAJAT, 2001). SAARINEN (1966)<br />

konnte feststellen, dass die Genauigkeit der Wahrscheinlichkeitsabschätzung mit dem Alter zu-<br />

nimmt.<br />

Da mit zunehmendem Alter oftmals eine dementsprechend lange Aufenthaltsdauer in potenziell<br />

gefährdeten Gebieten einher geht, schließt KARGER (1996) daraus, dass hierbei möglicherweise<br />

nicht das Alter sondern die Erfahrung als determinierende Größe gesehen werden muss.<br />

JIANGGUANG (1994) stellte zudem fest, dass jüngere Personen solche Risiken höher bewerten, die<br />

Eigentum und das persönliche Leben bedrohen. Ältere Menschen hingegen schätzen Risiken, wel-<br />

che die Umwelt gefährden, am höchsten ein.<br />

FUCHS et al. (2000) konnten in ihrer Untersuchung zu alpinen Naturgefahren feststellen, dass zwischen<br />

Generationen erhebliche Unterschiede in der Wahrnehmung <strong>von</strong> Risiken und im Wissen<br />

um die Gefahrenarten im Alpenraum auftreten. Demnach sind sich die über 50-jährigen der Ge-<br />

fahren bewusster als jüngere Menschen, da früher das Wissen <strong>von</strong> den Eltern und Großeltern an<br />

die Kinder weitergeben wurde (vgl. 5.2.3.4).<br />

Bildung und Einkommen haben i. d. R. nur eine untergeordnete Bedeutung bei der Abschätzung<br />

des Risikomaßes. Wenn diesbezüglich ein Effekt nachweisbar ist, dann gilt: je geringer das Ein-<br />

kommen und die Bildung, desto höher das Risikourteil (KARGER, 1996).<br />

Die Studie <strong>von</strong> PLAPP stellt darüber hinaus für die Risikoquellen Sturm und Hochwasser einen<br />

signifikanten Zusammenhang zwischen der eingeschätzten Gefährlichkeit und der Wohnart der<br />

Risikoperzipienten heraus. Demnach bewerten Hauseigentümer die Gefährlichkeit i. d. R. höher<br />

als Personen, die zur Miete wohnen. Dieses lässt sich wohl mit der individuellen Schadenserwar-<br />

tung erklären, da Eigentümer neben den Schäden am Gebäudeinhalt auch die finanziellen Konse-<br />

quenzen am Gebäude tragen müssen (vgl. ebd., 2003: 59).<br />

163


164<br />

Risikobewertung<br />

Verschiedenen Studien konnten Unterschiede in der Risikobewertung zwischen Land- und Stadt-<br />

bewohnern feststellen. Erklärt wird dies mit dem vergleichsweise breiteren Wissen der Landbe-<br />

wohner <strong>von</strong> vergangenen Ereignissen sowie einer daraus resultierenden größeren Sensitivität<br />

(KARGER, 1996).<br />

Die relativ geringe Bedeutung der soziodemographischen Variablen - abgesehen <strong>von</strong> den ge-<br />

schlechtsspezifischen, die als relativ stabil gelten - wird deutlich, wenn andere Determin anten wie<br />

Einstellungen und Werthaltungen in die Betrachtungen mit einbezogen werden. Für die Erklä-<br />

rung <strong>von</strong> Urteilsprozessen haben soziodemographische Einflüssen dann nur noch eine marginale<br />

Bedeutung (KARGER, 1996).<br />

5.2.3.8 Kulturelle Faktoren<br />

Während sich zu Beginn der Hazard-Forschung die Untersuchungen in einem westlichen Kultur-<br />

kontext konzentrierten, wurde das Forschungsfeld in den 60er Jahren auf andere Kulturkreise<br />

ausgedehnt. Verschiedene Studien zeigten, dass Gefahren und Risiken zwischen verschiedenen<br />

Subkulturen unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden. Dieses wurde mit den unterschiedlichen<br />

Lebensbedingungen z.B. in verschiedenen ethnischen Gruppen erklärt. Doch konn-<br />

ten auch Differenzen festgestellt werden, wenn die sozioökonomischen Rahmenbedingungen<br />

kontrolliert wurden.<br />

So konnten TURNER und KIECOLT (1984) in Befragungen mexiko-, anglo- und afroamerikanischer<br />

Personen folgende statistisch signifikante Unterschiede ermitteln (in KARGER, 1996: 19):<br />

• Es bestehen Unterschiede hinsichtlich der Kontrolleinschätzung. So sind Afroamerikaner eher der Mei-<br />

nung, dass Erdbeben unabhängig <strong>von</strong> Vorsorgemaßnahmen Schäden anrichten und nichts getan werden<br />

kann, sie zu verhindern bzw. abzumildern.<br />

• Es zeigen sich Unterschiede bezüglich der wahrgenommenen individuellen Handlungseffizienz. So sind<br />

Mexiko-Amerikaner eher der Auffassung, dass sie selbst im falle eines Erdbebens wirksam die Katastro-<br />

phe bewältigen können.<br />

• Der unrealistische Optimismus ist unterschiedlich stark ausgeprägt. So glauben Afroamerikaner am stärks-<br />

ten, selbst nicht <strong>von</strong> einem Erdbeben betroffen zu sein.<br />

• Die Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich der subjektiven Einschätzung der Auftretenswahrschein-<br />

lichkeit. So ist die Erwartung, dass ein Erdbeben nächstes Jahr wieder auftritt, bei den Mexiko-<br />

Amerikanern am Größten.<br />

Eine Studie <strong>von</strong> SIMS und BAUMANN (1972) ergab, dass ein Großteil der in tornadogefährdeten<br />

Regionen Alabamas lebenden Menschen da<strong>von</strong> überzeugt sind, dass es <strong>von</strong> Gott oder vom Glück<br />

abhängt, was mit ihnen geschieht. Die ähnlich stark gefährdete Bevölkerung in Illinois ist eher der<br />

Meinung, dass ihr eigenes Verhalten dafür verantwortlich ist, was mit ihnen passiert, so dass sie<br />

Schutzmaßnahmen gegen Sturmereignisse treffen. So ist Zahl der Todesfälle in Illinois (bei ähnlich<br />

starker Gefährdung) wesentlich geringer als in Alabama.


Risikobewertung<br />

BURTON et al. (1993) konnten zudem in einer Studie feststellen, dass - unabhängig <strong>von</strong> der Gefah-<br />

renquelle - Bewohner katastrophengefährdeter Gebiete in industriellen Gesellschaften mit hohem<br />

Einkommen zu der Annahme tendieren, dass Katastrophen jährlich auftreten, während Personen<br />

mit niedrigem Einkommen in vor-industriellen Gesellschaften da<strong>von</strong> ausgehen, dass diese gebündelt<br />

auftreten.<br />

Andere Untersuchungen ergaben, dass interkulturelle Unterschiede hinsichtlich der probabilisti-<br />

schen Verarbeitung <strong>von</strong> Informationen bestehen. „Asiaten beispielsweise tendieren dazu, quantitative<br />

Wahrscheinlichkeiten in binäre Kategorien sicher vs. unsicher zu übersetzen. Hingegen<br />

unterscheiden Briten verschiedene Grade an Unsicherheit, die relativ gut kalibriert sind. Darüber<br />

hinaus zeigt sich, dass interkulturell unterschiedliche Interpretationsmuster im Umgang mit Unsi-<br />

cherheit dominieren.“ (KARGER, 1996: 50)<br />

Kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung <strong>von</strong> Risiken lassen sich auch aus<br />

Untersuchungen ableiten, die u. a. sog. makroskopische Beobachtungen der einheimischen Bevölke-<br />

rung erfassen konnten. So nehmen naturverbundene Menschen die Umwelt wesentlich intensiver<br />

wahr und können u. U. in der Natur Hinweise auf mögliche Extremereignisse erkennen<br />

(vgl. GEENEN, 1995; HIDAJAT, 2001).<br />

5.2.3.9 Verursachung<br />

Die Verursachung wurde in der Vergangenheit u. a. als differenzierendes Merkmal <strong>von</strong> Gefahrenquellen<br />

berücksichtigt. Hierbei wird i. d. R. zwischen natürlichen und anthropogenen Gefah-<br />

ren unterschieden, je nachdem, wem der Hauptanteil der Verursachung zuzuschreiben ist<br />

(KARGER, 1996). So unterscheidet ROWE (1977) unvermeidbare Gefahren, wie z.B. Meteoriten, <strong>von</strong><br />

solchen, die vermeidbar sind (z.B. Überschwemmungen). Diesen lassen sich anthropogene Mana-<br />

gementrisiken, wie z.B. der Bruch eines Staudamms, und quasi-natürliche bzw. quasi-anthropogene<br />

Gefahren (je nach Sichtweise) gegenüber stellen. Diese werden zwar vom Menschen<br />

induziert, aber <strong>von</strong> der Natur vermittelt (z.B. Klimawandel).<br />

Die Verursachung kann einen wesentlichen Einfluss auf die Risikobewertung haben. Wie die Risi-<br />

kowahrnehmungsforschung gezeigt hat, sind Menschen weniger bereit, Risiken zu akzeptieren,<br />

die nicht <strong>von</strong> ihnen selbst verursacht werden. Die Zumutung <strong>von</strong> Risiko führt i. d. R. wegen ge-<br />

ringer Möglichkeit zur Einflussnahme (Autarkie- und Kontrollverluste) zu aversiver Haltung.<br />

Die Verursachung korrespondiert demnach stark mit der Freiwilligkeit der Risikoübernahme und<br />

der Kontrollierbarkeit (vgl. JUNGERMANN und SLOVIC, 1997; RENN, 1992).<br />

Naturgefahren sind oftmals durch Extremereignisse der natürlichen Sphäre charakterisiert, auf<br />

die der Mensch, abgesehen <strong>von</strong> möglichen Schutzmaßnahmen, nur einen geringen Einfluss und<br />

eine begrenzte Kontrollmöglichkeit hat. Demnach wird die Verursachung i. d. R. der natürlichen<br />

Sphäre zugeschrieben. Kommt es aber zu einem Versagen der Schutzmaßnahmen, werden hier-<br />

durch die Defizite im Risikomanagement offensichtlich. In diesem Fall werden die Gründe eher in<br />

der menschlichen Handlungsweise gesucht und die Ereignisse z.B. als Ergebnis falscher Planun-<br />

gen bewertet.<br />

165


166<br />

Risikobewertung<br />

GEIPEL et al. konnten in ihren Befragungen der Bevölkerung im Mittelrheinische Becken verschie-<br />

dene Gründe für das Auftreten <strong>von</strong> Überschwemmungen ermitteln. Hierbei ist zu bedenken, dass<br />

im Untersuchungsraum in den Jahren 1993 und 1995 Hochwasserereignisse eingetreten sind. Die<br />

Abbildung 5.11 zeigt die Ergebnisse der Untersuchung.<br />

Ergebnis falscher Planung<br />

Rache der Natur<br />

Schwere Folgen wegen<br />

hohem Schadenspotenzial<br />

Schicksalsschlag<br />

Unvorhersehbares<br />

Naturereignis<br />

Strafe Gottes<br />

5<br />

Abb. 5.11: Aussagen über die Gründe <strong>von</strong> Hochwasser im Mittelrheinischen Becken<br />

(Quelle: nach GEIPEL, 1997: 22)<br />

Die Befragten sehen das Hochwasser eher als ein anthropogen generiertes Problem. So geben 76 %<br />

an, dass das Ereignis aus einer falschen Planung resultiert. Nahezu der gleiche Anteil sieht in der<br />

Gefahr <strong>von</strong> Überschwemmungen eine Rache der Natur. Diese Haltung reflektiert möglicherweise<br />

die anhaltende Diskussion um einen Raubbau an der Natur und zeigt indirekt das Bedürfnis der<br />

Befragten nach einem veränderten Umweltverhalten. 60 % der Personen sehen als Grund der<br />

Schäden durch Überschwemmungen die Ansammlung hoher Schadenspotenziale im gefährdeten<br />

Raum, während 39 % das Ereignis als ein Schicksalsschlag interpretieren. 28 % der Befragten se-<br />

hen Überschwemmungen als ein unvorhersehbares Ereignis und nur 5 % betrachten es als eine<br />

Strafe Gottes. Letzteres ist ein Anzeichen dafür, dass innerhalb unseres Kulturkreises das Act-of-<br />

God-Syndrom nur noch eine untergeordnete Bedeutung hat (vgl. HIDAJAT, 2001; PLAPP, 2003).<br />

PLAPP (2003) hat in ihrer Studie ebenfalls nach der individuellen Einschätzung der Ursachen <strong>von</strong><br />

natürlichen Extremereignissen und den daraus resultierenden Schäden gefragt. Für die Naturge-<br />

fahren Sturm, Hochwasser und Erdbeben kommt sie zu demselben Schluss wie schon GEIPEL et al.<br />

(1997): in einer modernen, säkularistischen Gesellschaft werden die Ereignisse nicht mehr als<br />

Strafe Gottes angesehen. Trotzdem zeigt PLAPP, dass die Bevölkerung immer noch das Bedürfnis<br />

hat, die Ursache in einem Akt höherer Gewalt zu sehen (Schicksalsschläge, unvorhersehbare Na-<br />

turereignisse). Insbesondere bei Sturm und Hochwasser wird aber auch eine erhebliche Verursa-<br />

chung durch anthropogene Einflüsse konstatiert (ebd., 2003: 60f).<br />

28<br />

39<br />

60<br />

76<br />

75<br />

95<br />

0 20 40 60 80 100 %<br />

72<br />

61<br />

40<br />

24<br />

25<br />

Ja<br />

Nein


Risikobewertung<br />

Bevor im anschließenden Kapitel die Risikowahrnehmung und -bewertung im norddeutschen<br />

Küstenraum näher betrachtet wird, sollen die erläuterten Konzepte und empirischen Erkenntnisse<br />

- unter besonderer Berücksichtigung der Hochwassergefahr - kurz zusammengefasst werden.<br />

Folgende Befunde sind festzustellen:<br />

• Einflussfaktoren für die Bewertung <strong>von</strong> Naturgefahren und -risiken sind situative (physische und sozio-<br />

ökonomische) und solche der Erkenntnis (psychologische Faktoren und Einstellung).<br />

• Verschiedene Wahrnehmungsmodelle erleichtern den Umgang mit Unsicherheit (determinierende,<br />

dissonante und probabilistische Wahrnehmung).<br />

• (Natur-)risiken werden oberhalb einer individuellen Wahrnehmungsschwelle erfasst und durch einen<br />

Perzeptionsfilter wahrgenommen. Unterhalb einer individuell entschiedenen Handlungsschwelle wird<br />

eine Gefahr akzeptiert bzw. verdrängt. Darüber besteht das Bedürfnis die Gefahr zu reduzieren, wobei<br />

oftmals Postvention einer Prävention vorgezogen wird. Bei Überschreitung einer Tragbarkeitsschwelle<br />

werden grundsätzliche Veränderungen und Alternativen gefordert. Letztlich kann das Überschreiten ei-<br />

ner Rückzugsschwelle zur Migration aus dem gefährdeten Raum führen.<br />

• Naturrisiken werden hinsichtlich ihrer Risikomerkmale sehr ähnlich wahrgenommen. Sie gelten<br />

überwiegend als nicht schrecklich und unkontrollierbar, freiwillig und lokal begrenzt.<br />

• Die Einschätzung der Gefährlichkeit zeigt ein differenziertes Bild sowohl im Vergleich der Naturgefahren<br />

untereinander als auch zu den zivilisatorischen Risiken. Hochwasser nimmt hierbei einen mittleren Rang<br />

ein. Je stärker die persönliche Gefährdung eingeschätzt wird, desto höher fällt die generelle Gefähr-<br />

dungsabschätzung aus. Zur Erklärung der Risikobewertung zeigen sich nur relativ schwache Zusam-<br />

menhänge zu den wahrgenommenen Risikomerkmalen. Gewöhnungs- und Verdrängungseffekte,<br />

soziodemographische Faktoren und Schadenerfahrung haben möglicherweise einen erheblichen Einfluss<br />

bei der Beurteilung der Gefährdung. Zwischen sog. Experten und Laien bestehen teils große Unter-<br />

schiede in der Einschätzung der Bedrohung unterschiedlicher Risikoquellen. Zudem werden Hochwas-<br />

sergefahren oftmals <strong>von</strong> der Bevölkerung unterschätzt, während sie <strong>von</strong> den Experten als eher<br />

bedrohlich eingestuft werden.<br />

• Auftretenswahrscheinlichkeiten und ihr Einfluss bei der Risikobewertung sind nicht befriedigend geklärt.<br />

Untersuchungsergebnisse zeigen erhebliche Differenzen. Die Einschätzung der Eintrittswahrscheinlich-<br />

keit hängt im Wesentlichen mit dem Wissen und der Erfahrung zusammen. Verschiedene mentale Heu-<br />

ristiken und Strategien im Umgang mit Unsicherheit führen darüber hinaus zu Fehleinschätzungen der<br />

Eintrittswahrscheinlichkeiten (sowohl Über - als auch Unterschätzung). Unfälle bzw. Katastrophen durch<br />

Naturereignisse werden insbesondere im Vergleich zu zivilisatorischen Risiken <strong>von</strong> der Bevölkerung als<br />

weniger wahrscheinlich bis unwahrscheinlich angenommen.<br />

Während Laien Flussüberschwemmungen eher als unwahrscheinlich betrachten, werden diese <strong>von</strong> den<br />

Experten als recht wahrscheinlich angesehen. Ob die individuelle Einschätzung der Schadenswahr-<br />

scheinlichkeit mit der Erfahrung korreliert ist nicht eindeutig festzustellen.<br />

• Die Kontrollierbarkeit ist eine wesentliche Größe zur wahrgenommenen Differenzierung <strong>von</strong> Naturgefah-<br />

ren. Sie hat aber für die individuelle Einschätzung der Höhe der Naturrisiken - im Gegensatz zur Beur-<br />

teilung <strong>von</strong> technologischen Risiken - nur eine untergeordnete Bedeutung. Naturgefahren gelten i. d. R.<br />

als unkontrollierbar. Eine geringe Kontrollierbarkeit kann zu geringerer Sensibilität führen. Über-<br />

schwemmungen hingegen wird oftmals auch eine mittlere Kontrollierbarkeit zugeschrieben. Damit wird<br />

ein geringerer Kontrollmangel aber auch bei Versagen der Schutzmaßnahmen ein hoher Kontrollverlust<br />

wahrgenommen, der wiederum zu hohem Stress und Unzufriedenheit mit dem Risikomanagement füh-<br />

ren kann. Die individuelle Kontrollüberzeugung als Persönlichkeitsvariable ist entscheidend für den Grad<br />

der Anpassungsreaktion und somit eine wichtige Voraussetzung für ein effektives Krisenmanagement<br />

und die Hilfe zur Selbsthilfe.<br />

167


168<br />

Risikobewertung<br />

So tendieren intern kontrollierte Menschen dazu, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Die persönliche<br />

Vulnerabilität wird hierbei oftmals unterschätzt, da insbesondere die eigenen Interventionsfähigkeiten<br />

überschätzt werden. External orientierte Personen neigen hingegen dazu, die Kontrolle abzugeben. In<br />

der Kontrollüberzeugung wurden interkulturelle Unterschiede nachgewiesen.<br />

• Das Wissen <strong>von</strong> und die Erfahrung mit dem Risiko bestimmen maßgeblich den Grad der Risikowahrneh-<br />

mung. Somit erhöht eine Vorerfahrung das Problembewusstsein und auch die Bereitschaft für ein Risi-<br />

komanagement bis hin zu einer Anpassung an die Gefahrensituation. Verschiedene Strategien im<br />

Umgang mit Unsicherheit zeigen aber auch gegenteilige Reaktionen, wie z.B. das Leugnen einer Gefahr<br />

und fatalistische Einstellungen. Die persönliche Erfahrung mit einer Gefahr führt zudem oftmals zu der<br />

Überzeugung, dass Schäden vermeidbar sind, wobei i. d. R. dies als Aufgabe der zuständigen Institutio-<br />

nen und Behörden angesehen wird. Die persönliche Erfahrung mit Schäden und einer Katastrophenbe-<br />

wältigung führt im Allgemeinen zu einer erhöhten Gefährdungseinschätzung und ist für das Vertrauen<br />

in die Behörden und den Katastrophenschutz besonders bedeutsam. Erfahrung ist bei vielen insbeson-<br />

dere sehr seltenen Ereignissen eine Funktion der Zeit. Daher verfügen jüngere Generationen oftmals<br />

über geringe Kenntnisse <strong>von</strong> Naturgefahren in ihrem Lebensraum. Ungefähr sechs Monate nach einem<br />

Ereignis setzt der sog. Motivationale Verfall ein, der dazu führt, dass nach spätestens 15 Jahren das Wissen<br />

so weit verblasst ist, dass eine Entscheidung hierdurch nicht mehr beeinflusst wird.<br />

• Einstellungen können einen erheblichen Einfluss auf die Risikobewertungen haben. So bestimmt z.B. die<br />

generelle Einstellung zur Natur (Naturbild) die Risikoentscheidung. Politische Orientierungen, wirt-<br />

schaftliche Interessen und Zweckoptimismus sind individuelle Haltungen, welche die Wahrnehmung<br />

und Beurteilung <strong>von</strong> Risiken beeinflussen können.<br />

• Emotionen wie Angst können dazu führen, dass Risiken höher eingeschätzt oder aber über verschiedene<br />

Bewältigungsmuster geleugnet bzw. verdrängt werden. Die Angst vor Überschwemmungen wurde im<br />

Vergleich zu anderen Risiken eher gering eingestuft.<br />

• Soziodemographische Unterschiede zeigen sich z.B. zwischen Männern und Frauen. Letztere tendieren in<br />

der Regel zu einer höheren Risikoeinschätzung als Männer. Das Alter des Perzipienten hat nachweislich<br />

einen Einfluss auf die Risikobewertung. Ältere Menschen nehmen Risiken intensiver wahr. Sie, haben<br />

i. d. R. ein größeres Wissen hinsichtlich der Gefahren, sind aber auch weniger bereit, ihre Lage zu verän-<br />

dern. Zudem besteht die Annahme, dass jüngere Menschen solche Risiken höher bewerten, die Eigen-<br />

tum und das persönliche Leben bedrohen, Ältere eher globale Risiken, die die Umwelt gefährden.<br />

Aufgrund wirtschaftlicher Interessen und Zweckoptimismus wird das Risiko durch Naturgefahren <strong>von</strong><br />

jüngeren Generationen oftmals unterschätzt und verdrängt. Werden andere Determinanten wie Einstel-<br />

lungen und Werthaltungen in die Betrachtungen mit einbezogen, haben soziodemographische Einflüsse<br />

für die Bewertung nur noch eine marginale Bedeutung.<br />

• Kulturelle Faktoren führen zu deutlichen interkulturellen Unterschieden zwischen Gesellschaften und<br />

Subkulturen innerhalb einer Gesellschaft. Hierbei spielen interkulturell unter schiedliche Interpretati-<br />

onsmuster, Einstellungen wie das spezifische Naturbild oder die externale bzw. internale Persönlichkeit<br />

eine große Rolle insbesondere auch für eine Risikoprävention.<br />

• Die Verursachung korrespondiert offensichtlich mit der Freiwilligkeit der Risikoübernahme und der Kon-<br />

trollierbarkeit. Risiken, die nicht <strong>von</strong> den Perzipienten selbst verursacht werden, werden eher hoch und<br />

wenig kontrollierbar eingeschätzt und abgelehnt. Hochwasser werden zum großen Teil als ein anthro-<br />

pogen generiertes Risiko betrachtet. Die Interpretation des Ereignisses als Act-of-God spielt in einer mo-<br />

dernen, säkularistischen Gesellschaft nur noch eine untergeordnete Rolle.


Risikobewertung<br />

Abschließend ist festzustellen, dass generalisierte und auf andere Gebiete übertragbare Aussagen<br />

hinsichtlich der Bedeutung verschiedener Einflussfaktoren auf die gesellschaftliche Risikobewer-<br />

tung nur sehr schwer möglich sind. Zu sehr führen die Interaktionen zwischen den spezifischen<br />

situativen und persönlichen Determinanten zu einem diffusen Bild des individuell und kollektiv<br />

wahrgenommenen Risikos. Das beweisen die oftmals differierenden empirischen Ergebnisse der<br />

verschiedenen Studien. Um sich also dem Risiko als gesellschaftlich generierten Konstrukt nähern<br />

zu wollen, sind Untersuchungen in den betrachteten Problemgebieten unumgänglich. Die empiri-<br />

schen Befunde weisen auf die wichtigsten Aspekte hin, die hierbei berücksichtigt werden sollten.<br />

5.3 Risikobewertung im schleswig-holsteinischen Küstenraum<br />

Im Folgenden soll untersucht werden, wie die Küstenbewohner das Sturmflutrisiko in den potenziell<br />

überflutungsgefährdeten Räumen Schleswig-Holsteins bewerten. Hierzu wurden in der Ge-<br />

meinde St. Peter-Ording (Nordseeküste) und in der Stadt Lübeck (Ostseeküste) Befragungen in<br />

der potenziell betroffenen Bevölkerung durchgeführt. Der Fokus lag hierbei auf der anwendungs-<br />

orientierten Analyse des Risikobewusstseins und der individuell wahrgenommenen Möglichkeiten<br />

<strong>von</strong> Maßnahmen zur Verbesserung der Risikokommunikation und zur Minimierung <strong>von</strong><br />

Schäden im Ereignisfall. Daher soll auf eine multivariate Analysemethode der Ergebnisse, z.B. zur<br />

Darstellung der Bedeutung kultureller oder soziodemographischer Einflüsse auf die Risikobe-<br />

wertung, verzichtet werden.<br />

Die Fragen umfassen dementsprechend folgende Themenkomplexe:<br />

• Bewusstsein, Erfahrung und Wissen hinsichtlich des Sturmflutrisikos sowie die Einschätzung der Höhe<br />

des gegenwärtigen und zukünftigen Risikos;<br />

• Einschätzung der gegenwärtigen und zukünftigen persönlichen und institutionellen Schutz- bzw.<br />

Präventionsstrategien und -maßnahmen;<br />

• Beurteilung der gegenwärtigen und zukünftigen persönlichen und institutionellen Strategien und<br />

Maßnahmen im Katastrophenfall;<br />

• Einschätzung der Risikokommunikation bzw. -information.<br />

Da die Methoden der Befragungen in den Fokusgebieten Unterschiede aufweisen, und a priori die<br />

Annahme besteht, dass die spezifischen Rahmenbedingungen an der Nord- und Ostseeküste eine<br />

differente Risikobewertung zur Folge haben, werden die Befragungsergebnisse in St. Peter-Ording<br />

und Lübeck separat erläutert.<br />

5.3.1 Risikobewertung an der Nordseeküste - Fallbeispiel St. Peter -Ording<br />

Das Ziel der Einwohnerbefragung in der Gemeinde St. Peter-Ording war die Ermittlung der sub-<br />

jektiven Bewertung des gegenwärtigen und zukünftigen Sturmflutrisikos sowie der Handlungs-<br />

weise der Bevölkerung vor und während eines Überflutungsereignisses.<br />

169


170<br />

Risikobewertung<br />

Im Zeitraum vom 02. bis 31. Oktober 2002 wurde eine schriftliche Befragung der Haushalte<br />

durchgeführt (Grundgesamtheit: ca. 2 360 Haushalte, zufällig ausgewählte Stichprobe: 400 Haus-<br />

halte). Zielgruppe der Befragung waren Personen, die dauerhaft in St. Peter-Ording wohnen. Der<br />

Fragebogen umfasste insgesamt 15 Fragen.<br />

Von den 400 Fragebögen wurden 156 zurückgesendet, <strong>von</strong> denen 155 ausgewertet werden konn-<br />

ten. Die relativ hohe Rücklaufquote <strong>von</strong> ca. 39 % zeigt, dass die Einwohner St. Peter-Ordings an<br />

dem Thema des Sturmflutrisikos interessiert sind. Zum Teil verbinden die Befragten mit den Er-<br />

gebnissen der Untersuchung auch einen Nutzen für die Gemeinde 7 . Lediglich 16 der befragten<br />

Personen haben ihren Nebenwohnsitz in St. Peter-Ording, so dass der Großteil der Befragten ein<br />

ständig präsentes Risiko bewertet. Nahezu die Hälfte der Befragten (46,5 %) ist nach 1976 in die<br />

Gemeinde gezogen und hat somit die schweren Sturmfluten <strong>von</strong> 1962 und 1976 in St. Peter-Or-<br />

ding nicht miterlebt. Einige wohnten jedoch schon vorher an der Nordseeküste (z.B. Hamburg,<br />

Bremen, Hallig Hooge). Das Alter der Befragten liegt zwischen 18 und 89 Jahre.<br />

Grundsätzlich ist bei der Ergebnisauswertung zu bedenken, dass die Aussagen nur als begrenzt<br />

repräsentativ zu werten sind. So ist anzunehmen, dass insbesondere Personen mit Sturmfluterfahrung<br />

und einem entsprechenden Sensibilisierungsgrad ein generelles Interesse entwickeln und<br />

sich deshalb für die Beteiligung an der Befragung entscheiden. Bevölkerungsteile, die sich des<br />

Risikos nicht so bewusst sind, sehen möglicherweise auch nicht die Veranlassung, an der Befra-<br />

gung teilzunehmen, wodurch insbesondere das ermittelte Bild des Wissens sowie der Erfahrung<br />

und des Bewusstseins gewissen Verzerrungen unterliegen könnte.<br />

Im Folgenden werden die Ergebnisse der verschiedenen Fragen erläutert (vgl. MERTSCH, 2003).<br />

Frage 1: Haben Sie sich schon einmal Gedanken über die Auswirkungen einer Sturmflut gemacht?<br />

143 der Befragten (92,2 %) haben sich schon einmal Gedanken über die Auswirkungen einer<br />

Sturmflut gemacht. 10 (6,5 %) antworteten mit nein, 2 (1,3 %) haben zu dieser Frage keine Anga-<br />

ben gemacht. Das Befragungsergebnis zeigt, dass sich die Einwohner in St. Peter-Ording zum<br />

größten Teil bewusst darüber sind, dass die Möglichkeit einer Sturmflut besteht und, dass diese<br />

auch negative Auswirkungen mit sich bringen könnte.<br />

Frage 2: Haben Sie schon Erfahrungen mit Sturmfluten gemacht?<br />

102 der Befragten (65,8 %) haben bereits Erfahrungen mit Sturmfluten gemacht. 51 Bewohner<br />

(32,9 %) gaben an, diesbezüglich keine Erfahrungen zu haben, zwei Personen (1,3 %) machten<br />

hierzu keine Angaben. Als besonders prägend wurden <strong>von</strong> 54 Personen die schwere Sturm flut<br />

<strong>von</strong> 1962 genannt (zehn waren als Feuerwehrmann bzw. freiwilliger Helfer im Einsatz), während<br />

25 Bewohner die Sturmflut <strong>von</strong> 1976 als besonders einschneidendes Erlebnis in Erinnerung haben<br />

(drei als Feuerwehrmann bzw. freiwilliger Helfer im Einsatz). Neun <strong>von</strong> ihnen gaben beide<br />

Sturmflutereignisse an.<br />

7 Eine Bürgerin schrieb: "Ganz toll ist ihre Anregung, [...]. Wir wünschen uns sehr, dass sie etwas Positives bewegen können."


Risikobewertung<br />

Frage 3: Wissen Sie, ab welchem Sturmflutwasserstand die Lage in St. Peter-Ording bedrohlich wird?<br />

64 der Befragten (41,3 %) gaben an, zu wissen, ab welchem Sturmflutwasserstand die Lage in der<br />

Gemeinde bedrohlich wird. Die Mehrheit der Befragten (58 %) hat diese Frage verneint. Eine Per-<br />

son machte keine Angaben hierzu.<br />

Frage 1: Haben Sie sich<br />

schon einmal Gedanken<br />

über die Auswirkungen<br />

einer Sturmflut gemacht?<br />

Frage 2: Haben Sie schon<br />

Erfahrungen mit<br />

Sturmfluten gemacht?<br />

Frage 3: Wissen Sie, ab<br />

welchem<br />

Sturmflutwasserstand die<br />

Lage in St. Peter-Ording<br />

bedrohlich wird?<br />

Abb. 5.12: Sturmflutrisiko in St. Peter-Ording - Bewusstsein, Erfahrung und Wissen<br />

(nach MERTSCH, 2003)<br />

Aussagen wie "Ich lebe an der Nordsee hinter dem Deich" zeigen, dass bei einem Großteil der<br />

Bevölkerung in St. Peter-Ording das Bewusstsein des Risikos <strong>von</strong> Sturmfluten relativ stark ausge-<br />

prägt ist. So beschreiben sieben der Befragten die Sturmfluten als Teil des Lebens an der Nordsee-<br />

küste.<br />

Dieses wird u. a. auch deutlich durch die Personifizierung der Naturgefahr in dem Begriff des<br />

Blanken Hans. Mediale Klassiker, wie z.B. Der Schimmelreiter <strong>von</strong> THEODOR STORM oder der seit<br />

Jahrzehnten jährlich präsentierte Kinofilm Die Sturmflut, unterstützen den Mythos der Naturge-<br />

fahr.<br />

Neben dem Bewusstsein der Gefährdung ist die Erfahrung mit Sturmfluten <strong>von</strong> großer Bedeu-<br />

tung insbesondere für das Risiko- und Krisenmanagement. Mit ca. 65 % ist die Anzahl derer, die<br />

persönlich Erfahrungen mit Sturmflutereignissen machen konnten, relativ hoch.<br />

Zur Erfassung des individuellen Wissens hinsichtlich der Sturmflutgefährdung wurde lediglich<br />

nach dem kritischen Sturmflutwasserstand gefragt. Diesbezüglich konnten knapp 60 % der Perso-<br />

nen keine Angaben machen. Ob die verbleibenden Personen realistische Einschätzungen abgeben<br />

konnten, wurde in der Befragung allerdings nicht geklärt.<br />

41,3<br />

65,8<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Das Ergebnis entspricht den Erfahrungen aus anderen Untersuchungen, nach denen die sog.<br />

Laien hinsichtlich der naturwissenschaftlichen Determinanten der Gefahren nur ein geringes spezifisches<br />

Wissen aufweisen (vgl. Kap. 5.2.3).<br />

92,2<br />

58<br />

ja nein keine Angabe<br />

32,9<br />

6,5<br />

1,3<br />

1,3<br />

0,7<br />

171


172<br />

Risikobewertung<br />

Frage 4: Wie hoch schätzen Sie das Risiko einer Sturmflutkatastrophe in St. Peter-Ording?<br />

Das Risiko einer Sturmflutkatastrophe in St. Peter-Ording wird <strong>von</strong> 27 der Befragten (17,4 %) als<br />

hoch eingeschätzt. Die Mehrheit der Befragten sieht in dem Katastrophenrisiko eher eine geringe<br />

Bedeutung (61,3 % - gering; 20 % - sehr gering). Zwei Personen meinen, dass in St. Peter-Ording<br />

kein Risiko einer Sturmflutkatastrophe besteht.<br />

Frage 4: Wie hoch<br />

schätzen Sie das Risiko<br />

einer Sturmflutkatastrophe<br />

in St. Peter-Ording?<br />

Abb. 5.13: Bewertung des Katastrophenrisikos durch Sturmfluten in St. Peter-Ording<br />

(nach MERTSCH, 2003)<br />

Der Großteil der Befragten sieht in St. Peter-Ording nur ein geringes Risiko einer katastrophalen<br />

Sturmflut. Diese Bewertung mag auf den hohen Küstenschutzstatus an der Westküste zurückzu-<br />

führen sein. Möglicherweise resultiert die Einschätzung aber auch aus einer Verdrängungsstrate-<br />

gie, denn wie in Kapitel 5.2 gezeigt wurde, tendieren Menschen dazu, ständig präsente Risiken zu<br />

ignorieren bzw. zu leugnen, um sie ertragen zu können.<br />

17,4 % der Befragten sind der Meinung, dass das Katastrophenrisiko hoch ist. Es ist anzunehmen,<br />

dass sich auch dieser Personenkreis bei der Risikoeinschätzung an dem gegenwärtigen Küsten-<br />

schutzstatus orientiert, diesen aber als zu niedrig bewertet und dementsprechend eine Verbesse-<br />

rung der Maßnahmen für notwendig erachtet.<br />

Frage 5: Glauben Sie, dass das Land bzw. die Gemeinde ausreichende Schutzmaßnahmen (Deichbau,<br />

Warnsystem, Notfallpläne, Bürgerinformationen u. a.) gegen Sturmfluten bzw. für den<br />

Sturmflutfall getroffen hat? Wenn nein, was könnte verbessert werden? (Mehrfachnennungen<br />

waren bei dieser Frage möglich)<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

17,4 61,3 20,0 1,3<br />

hoch gering sehr gering kein Risiko<br />

Auf diese Frage antworteten 81 Personen (52,3 %) mit ja . Beinahe ebenso viele, 70 der Befragten<br />

(45,2 %) stimmten mit nein. Vier gaben hierzu keine Auskunft.<br />

Frage 5: 5: Glauben Sie, dass das<br />

Land bzw. die Gemeinde<br />

ausreichende Schutzmaßnahmen<br />

gegen Sturmfluten bzw. für den<br />

Ereignisfall getroffen hat?<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

52,3 45,2 2,5<br />

ja ja nein keine Angabe<br />

Abb. 5.14: Bewertung der Maßnahmen gegen Sturmfluten in St. Peter-Ording<br />

(nach MERTSCH, 2003)


Risikobewertung<br />

Die institutionellen Maßnahmen zum Schutz vor Sturmfluten bzw. für den Ereignisfall werden zu<br />

ähnlichen Anteilen als ausreichend und nicht ausreichend bewertet. Die hohe Anzahl derer, die<br />

die Maßnahmen als nicht ausreichend einschätzen, überrascht allerdings, da nur 17,4 % der Be-<br />

fragten in St. Peter-Ording ein hohes Katastrophenrisiko wahrnehmen (s. Frage 4). Dieses mag<br />

zum einen daran liegen, dass die Befragten nicht zwangsläufig mit dem als zu niedrig beurteilten<br />

Schutzstatus ein Risiko katastrophaler Ereignisse verbinden. Zum anderen kann es aber auch zum<br />

Ausdruck bringen, dass seitens der Bevölkerung ein generelles Vertrauensdefizit gegenüber den<br />

zuständigen Behörden besteht.<br />

Auf die Zusatzfrage, was hinsichtlich der Maßnahmen verbessert werden könnte, antworteten 33<br />

der Befragten, dass sie sich mehr Informationen wünschen. 8 Diese Aussagen zeigen zum einen das<br />

große Interesse der Bevölkerung an der Sturmflutthematik, legen zum anderen aber auch das In-<br />

formationsdefizit der Bevölkerung und die Forderung nach einer transparenten Risikopolitik<br />

nahe. 30 Personen sind der Meinung, dass der Küstenschutz verbessert werden müsste, so seien<br />

die Deiche zu niedrig und müssten verstärkt bzw. erhöht werden, vor allem in den Gemeindetei-<br />

len Bad und Böhl. Zudem würden die Deiche zu wenig gewartet. 9 Die Forderung nach einem<br />

höheren Küstenschutzstatus wird <strong>von</strong> den Küstenbewohnern an der Westküste Schleswig-Holsteins<br />

immer wieder ausgesprochen. Hierin offenbart sich der Wunsch nach einem maximalen<br />

Sturmflutschutz. In diesem sehen die Menschen eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt ihres<br />

Lebens- und Wirtschaftraumes.<br />

Berücksichtigt man, dass in St. Peter-Ording der Ausbau des Küstenschutzes entsprechend des<br />

Generalplans, vorerst abgeschlossen ist, so zeigt sich, dass der <strong>von</strong> den Experten objektiv abge-<br />

schätzte Schutzstatus nicht immer den Bedürfnissen der Betroffenen vor Ort entsprechen muss. In<br />

diesem Zusammenhang wird oft auch seitens der Bevölkerung kritisiert, dass die Küstenschutz-<br />

planung ohne die Bürger durchgeführt wird. Eine verbesserte Informationspolitik könnte hier<br />

sicherlich das vorhandene Konfliktpotenzial reduzieren.<br />

Interessant sind die Aussagen zur Verbesserung der Maßnahmen für den Ereignisfall. Mit insge-<br />

samt 24 Nennungen zeigt sich auch hier, dass die Menschen ein Sicherheitsdefizit wahrnehmen<br />

und damit den Wunsch äußern, sich besser auf einen Katastrophenfall vorzubereiten bzw. besser<br />

auf einen solchen vorbereitet zu werden. So sehen 12 Befragte im Warnsystem Verbesserungsbe-<br />

darf. 10 Ebenfalls 12 Personen sind der Meinung, dass entweder keine oder zu alte Notfallpläne in<br />

der Gemeinde vorhanden sind. Zudem sollten diese veröffentlicht werden. Fünf nannten zur Verbesserung<br />

der Prävention regelmäßige Übungen nicht nur für die zuständigen Einsatzkräfte. 11<br />

8 Nennungen waren z.B.: "Bürgerinformationen alle 5 Jahre", "Infoblatt bei der Gemeinde", "Mehr Infos und Verhaltensempfehlungen"<br />

und "Mehr Informationen - bevor der Notfall eintritt".<br />

9 Nennungen waren z.B.: "Deich erhöhen in Böhl und Bad", "Höhere Deic he, dass unsere Häuser geschützt sind", "Bessere Wartung<br />

der Deiche (Tierbauten, Pflanzenwuchs bei Teerdeichen, Deichhöhe), "Schafe müssen auf den Deich".<br />

10 Nennungen waren z.B.: "Sirenen müssten wieder angeschafft werden" und " bei Sturm sind frühere Warnungen notwendig".<br />

11 Nennungen waren z.B.: "Praktische Übungen alle 5 Jahre" und "Übungen der Feuerwehr zum Frühjahr und Herbst".<br />

173


174<br />

Risikobewertung<br />

Abb. 5.15: Vorschläge zur Maßnahmenverbesserung in St. Peter-Ording<br />

(nach MERTSCH, 2003)<br />

Frage 6: Sind Ihnen Maßnahmen zu ihrem persönlichen Schutz gegen Hochwasser bekannt?<br />

107 der 155 Befragten (69 %) sind keine Maßnahmen zum persönlichen Schutz gegen Hochwasser<br />

bekannt. 45 (29 %) gaben an, Maßnahmen zu kennen, drei machten hierzu keine Angaben.<br />

Frage 7: Haben Sie selbst vorbeugende Schutzmaßnahmen gegen Überflutung en infolge <strong>von</strong> Sturmfluten<br />

getroffen?<br />

Von den 45 Haushalten, denen persönliche Schutzmaßnahmen bekannt waren, hab en lediglich 17<br />

tatsächlich Maßnahmen zu Ihrem persönlichen Schutz getroffen. 107 Personen haben keine Maß-<br />

nahmen getroffen, weil ihnen keine bekannt sind (s. Frage 6).<br />

Frage 8: Wären Sie daran interessiert, eine Versicherung gegen Sturmflutschäden abzuschließen?<br />

43 der Befragten (27,7 %) wären daran interessiert, eine Versicherung gegen Sturmflutschäden zu<br />

erwerben. 71 (45,8 %) haben kein Interesse an einer Versicherung, z. T. weil sie bereits eine abge-<br />

schlossen haben oder eine Versicherung für sie zu teuer wäre bzw. Sturmflutschäden zur Zeit in<br />

Deutschland nicht versicherbar sind. 36 Personen (23,2 %) waren unentschlossen.<br />

Knapp 70 % der Befragten haben keine Vorstellungen <strong>von</strong> persönlichen Schutzmaßnahmen. Diese<br />

Zahl mag verwundern, berücksichtigt m an das relativ hohe Maß an persönlichen Erfahrungen mit<br />

Sturmfluten (vgl. Frage 2). Auch die Einschätzung <strong>von</strong> 45 % aller Befragten, dass die behördlichen<br />

Schutzmaßnahmen nicht ausreichend sind (vgl. Frage 5) könnte den Schluss nahe legen, dass die<br />

Menschen individuelle Schutzmaßnahmen ergreifen. Dieses ist allerdings nur bei sehr wenigen<br />

der Fall.<br />

Entgegen der kollektiv wahrgenommenen Defizite im Schutzstatus wird hierbei deutlich, dass die<br />

Bevölkerung sich doch weitestgehend auf den institutionellen Schutz verlässt. Während 30 % der<br />

Befragten ein Interesse an einer Sturmflutversicherung zeigen, lehnt fast die Hälfte aller Personen<br />

dieses ab.<br />

Notfallübungen<br />

Warnsystem<br />

Notfallpläne<br />

Küstenschutz<br />

Bürgerinformation<br />

Vorschläge zur Maßnahmenverbesserung<br />

5<br />

12<br />

12<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Anzahl der Nennungen<br />

30<br />

33


Risikobewertung<br />

Fälschlicherweise wird zum Teil da<strong>von</strong> ausgegangen, dass ein Versicherungsschutz besteht, denn<br />

gegenwärtig werden in Deutschland keine Sturmflutversicherungen angeboten (vgl. Kap. 6.2.6).<br />

Frage 6: 6: Sind Ihnen<br />

Maßnahmen zu ihrem<br />

persönlichen Schutz gegen<br />

Hochwasser bekannt?<br />

Frage 7: 7: Haben Sie selbst<br />

vorbeugende<br />

Schutzmaßnahmen gegen<br />

Überflutung infolge <strong>von</strong><br />

Sturmfluten getroffen?<br />

Frage 8: 8: Wären Sie daran<br />

interessiert, eine<br />

Versicherung gegen<br />

Sturmflutschäden zu<br />

erwerben?<br />

11,0<br />

Abb. 5.16: Maßnahmen der Bevölkerung in St. Peter-Ording<br />

(nach MERTSCH, 2003)<br />

Frage 9: Kennen Sie die Einsatzstrategien, die bei einem Deichversagen in Ihrem Wohngebiet vorgesehen<br />

sind? Wenn ja, nennen Sie bitte ein Beispiel.<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Auf diese Frage antworteten 134 Personen (86,5 %) mit nein. Nur 20 der Befragten (12,9 %) gaben<br />

an, die Einsatzstrategien zu kennen. Als Beispiel nannten drei Personen, dass in diesem Fall die<br />

Stöpen (Fluttore) geschlossen werden. Zehn Befragte gaben an, dass sie evakuiert würden bzw.<br />

dass Sammelpunkte hierfür bekannt sind und zwei Einwohner sagten, dass bei einem Deichver-<br />

sagen Sandsäcke zum Einsatz kommen. Eine Person hat zu dieser Frage keine Angaben gemacht.<br />

Frage 10: Wissen Sie im Katastrophenfall, was Sie persönlich zu tun haben?<br />

29,0<br />

27,7<br />

103 Personen (66,5 %) gaben an, im Notfall nicht zu wissen, was sie persönlich zu tun haben. Nur<br />

48 der Befragten (30,9 %) wissen, welche Reaktionen im Ereignisfall notwendig sind. 12 Personen<br />

würden sich demnach in höher gelegene Gebiete zurückziehen. 13 der Befragten sehen als sinn-<br />

volle Reaktion den Rückzug der gefährdeten Personen und Wertgegenstände in das Oberge-<br />

schoss. Vier gaben an, mit Sandsäcken Türen und Fenster abzudichten, fünf würden sich im<br />

Rathaus bzw. bei der Feuerwehr melden. Weitere Nennungen waren: Ruhe bewahren (2x), Strom<br />

abstellen, und auf Rettung warten. Vier Personen haben hierzu keine Auskunft gegeben.<br />

87,0<br />

69,0<br />

45,8 23,2<br />

ja ja nein nicht sicher keine Angabe<br />

2,0 2,0<br />

2,0 2,0<br />

3,2 3,2<br />

175


176<br />

Risikobewertung<br />

Abb. 5.17: Aussagen zum Verhalten im Katastrophenfall in St. Peter-Ording<br />

(nach MERTSCH, 2003)<br />

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass nur ein geringer Teil der Befragten weiß, welche Strategien<br />

und Maßnahmen im Katastrophenfall erforderlich sind. Insbesondere der sehr geringe Kenntnisstand<br />

der behördlichen Reaktionen zeigt ein erhebliches Wissensdefizit der Bevölkerung. Dieses<br />

resultiert zum Teil sicherlich aus einer unzureichenden Informationspolitik seitens der Behörden<br />

(vgl. Frage 5 bzw. 11). Das geringe Wissen führt darüber hinaus dazu, dass knapp zwei Drittel der<br />

Befragten für den Ereignisfall keine persönlichen Maßnahmen benennen können und somit auf<br />

externe Anweisungen angewiesen wären oder intuitiv auf die Situation reagieren müssten. So ist<br />

sicherlich da<strong>von</strong> auszugehen, dass Betroffene im Ereignisfall zumindest sich selbst und wertvolle<br />

Sachgüter in höhere Stockwerke verlagern.<br />

Frage 11: Glauben Sie, <strong>von</strong> der Gemeinde bzw. den zuständigen Behörden über die Risiken einer Sturmflut<br />

und vorbeugende Schutzmaßnahmen (Zeitpunkt, Art und Umfang) ausreichend informiert zu<br />

werden?<br />

Frage 9: Kennen Sie die<br />

Einsatzstrategien, die bei<br />

einem Deichversagen in<br />

Ihrem Wohngebiet<br />

vorgesehen sind?<br />

Frage 10: Wissen Sie im<br />

Katastrophenfall, was Sie<br />

persönlich zu tun haben?<br />

100 der Befragten (64,5 %) glauben, nicht ausreichend <strong>von</strong> der Gemeinde bzw. den zuständigen<br />

Behörden informiert zu werden, während 48 Personen (31 %) die Informationen als ausreichend<br />

bewerten. Sieben haben die Frage nicht beantwortet.<br />

Als Informationsvermittler während eines Ereignisses nannten 21 Befragte die Medien (Radio und<br />

Fernsehen) und 15 die Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr und Polizei. 12 machten diesbe-<br />

züglich keine genaueren Angaben.<br />

Frage 11: Glauben Sie, <strong>von</strong> der<br />

Gemeinde bzw. den zuständigen<br />

Behörden über die Risiken einer<br />

Sturmflut und vorbeugende<br />

Schutzmaßnahmen ausreichend<br />

informiert zu werden?<br />

12,9<br />

Abb. 5.18: Bewertung der behördlichen Informationen in St. Peter-Ording<br />

(nach MERTSCH, 2003)<br />

30,9<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

86,5<br />

66,5<br />

ja nein keine Angabe<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

31,0 64,5 4,5<br />

ja nein keine Angabe<br />

0,6<br />

2,6


Risikobewertung<br />

Der Großteil der Bevölkerung artikuliert hier nochmals den Mangel an Informationen bezüglich<br />

präventiver und reaktiver Maßnahmen. Lediglich ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass<br />

die Informationspolitik ausreichend ist.<br />

Frage 12: Glauben Sie, dass das Sturmflutrisiko infolge einer erwarteten Klimaänderung zunehmen wird?<br />

Eine deutliche Mehrheit der Befragten (72,3 %) glaubt, dass das Sturmflutrisiko infolge möglicher<br />

Klimaänderungen zunehmen wird. 25 Personen (16,1 %) meinen, dass sich das Sturmflutrisiko<br />

nicht erhöht. 16 (10,3 %) sind sich nicht sicher, zwei Befragte machten keine Angaben.<br />

Frage 13: Rechnen Sie damit, im Falle eines deutlich gestiegenen Risikos auch weiterhin <strong>von</strong> den Entscheidungsträgern/Behörden<br />

ausreichend geschützt und auch vor Schaden bewahrt zu werden? Was<br />

wäre dann Ihrer Meinung nach vorrangig zu tun?<br />

Während 45 Personen (29 %) da<strong>von</strong> ausgehen, im Falle eines deutlich gestiegenen Risikos auch<br />

weiterhin <strong>von</strong> den Entscheidungsträgern ausreichend geschützt zu werden, sehen 53 Befragte<br />

(34,2 %) für diesen Fall einen unzureichenden Schutz durch die Behörden. Als notwendige Maßnahmen<br />

nannten die Befragten - neben den in Frage 5 schon erläuterten - z.B. eine Verbesserung des<br />

Klimaschutzes, ein Ökologisches Verhalten und die Einrichtung eines Fonds: Naturkatastrophen. 54<br />

(34,8 %) haben sich darüber noch keine Meinung gebildet bzw. können es noch nicht abschätzen.<br />

Zwei Personen haben hierzu keine Angaben gemacht.<br />

Frage 14: Würden Sie bei zunehmendem Sturmflutrisiko aus der Gemeinde St. Peter-Ording wegziehen?<br />

Bei zunehmendem Sturmflutrisiko würden 29 der Befragten (18,7 %) aus der Gemeinde St. Peter-<br />

Ording wegziehen. 102 (65,8 %) planen nach wie vor in St. Peter-Ording wohnen zu bleiben, während<br />

23 (14,8 %) Personen dieses noch nicht genau wissen. Eine Person hat dazu keine Angaben<br />

gemacht.<br />

Ein möglicher Klimawandel wird im Küstenraum zum großen Teil als zusätzliche Bedrohung<br />

angesehen. So glauben knapp drei Viertel der Befragten, dass es hierdurch zu einer Zunahme des<br />

Sturmflutrisikos kommen könnte. Während gegenwärtig noch ca. 52 % der befragten Personen<br />

der Meinung sind, dass die zuständigen Behörden ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen<br />

haben (vgl. Frage 5), denken nur 29 %, dass dieser Schutzstatus auch zukünftig erhalten bleibt.<br />

Allerdings gehen auch nur ca. 34 % da<strong>von</strong> aus, dass dieser Schutz zukünftig nicht ausreichen<br />

wird, während gegenwärtig mehr als 45 % die derzeitigen Schutzmaßnahmen als ungenügend be-<br />

werten. Das könnte bedeuten, dass ein Anteil derer, die gegenwärtig mit dem Schutzstatus unzu-<br />

frieden sind, zukünftig eine bessere Anpassung im Zuge der Klimaänderungen in Betracht zieht.<br />

Entsprechend der Unsicherheiten prognostizierter Klimaänderungen ist auch die Anzahl der Personen<br />

relativ hoch, die sich nicht sicher sind, wie sich das Sturmflutrisiko und der Schutzstatus<br />

zukünftig darstellen werden.<br />

177


178<br />

Risikobewertung<br />

Darüber hinaus würden mehr als zwei Drittel der Befragten zukünftig auch bei einem erhöhten<br />

Sturmflutrisiko in der Gemeinde St. Peter-Ording wohnen bleiben. Das zeigt, wie stark die Bin-<br />

dung der Menschen an ihren Wohnort und ihre Heimat ist. Doch neben dieser Personengruppe<br />

sind auch ein bedeutender Teil der Befragten zur Migration bereit (18,7 %) bzw. sind sich dessen<br />

noch nicht sicher (14,8 %).<br />

Frage 12: Glauben Sie, dass das<br />

Sturmflutrisiko infolge einer<br />

erwarteten Klimaänderung<br />

zunehmen wird?<br />

Frage 13: Rechnen Sie damit, im<br />

Falle eines deutlich gestiegenen<br />

Risikos auch weiterhin <strong>von</strong> den<br />

Entscheidungsträgern/Behörden<br />

ausreichend geschützt und auch<br />

vor Schaden bewahrt zu werden?<br />

Frage 14: Würden Sie bei<br />

zunehmendem Sturmflutrisiko aus<br />

der Gemeinde St. Peter-Ording<br />

wegziehen?<br />

18,7<br />

29,0<br />

Abb. 5.19: Aussagen zu zukünftigen Veränderungen des Sturmflutrisikos in St. Peter-Ording<br />

(nach MERTSCH, 2003)<br />

Frage 15: Hat die Hochwa sserkatastrophe an der Elbe im August 2002 Ihr Bewusstsein bzw. Ihre Wahr-<br />

nehmung gegenüber Sturmfluten verändert?<br />

Das Ereignis an der Elbe im August 2002 hat bei 70 der Befragten (45,1%) das Bewusstsein bzw.<br />

die Wahrnehmung gegenüber Sturmfluten verändert. 64 Personen (41,3%) verneinten dies, acht<br />

(5,2%) wussten es nicht und 13 machten hierzu keine Angaben. Eine Person schrieb dazu: "Das<br />

kann man nicht miteinander vergleichen."<br />

Das Befragungsergebnis zeigt, dass aktuelle Ereignisse durchaus die gesellschaftliche Risikobe-<br />

wertung beeinflussen. Allerdings ist anzunehmen, dass die erhöhte Sensibilisierung eines großen<br />

Personenkreises nach relativ kurzer Zeit wieder nachlassen dürfte. Denn i. d. R. sind während der<br />

betrachteten Ereignisses keine persönlichen Erfahrungen gemacht worden und das Bewusstsein,<br />

welches im Wesentlichen durch die mediale Präsentation der Katastrophe geweckt wurde, hält<br />

nicht lange an.<br />

72,3<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

34,2<br />

65,8<br />

ja nein nicht sicher keine Angabe<br />

16,1<br />

34,8<br />

10,3<br />

14,8<br />

1,3<br />

2,0<br />

0,7


Risikobewertung<br />

Die Tabelle 5.11 zeigt die Gesamtergebnisse der Einwohnerbefragung in St. Peter-Ording.<br />

Tab. 5.11: Ergebnisse der Einwohnerbefragung in St. Peter-Ording<br />

(nach MERTSCH, 2003)<br />

Frage ja nein<br />

Frage 1:<br />

Haben Sie sich schon einmal Gedanken über die Auswirkungen einer Sturmflut gemacht?<br />

Frage 2:<br />

Haben Sie schon Erfahrungen mit Sturmfluten gemacht?<br />

Frage 3:<br />

Wissen Sie, ab welchem Sturmflutwasserstand die Lage in St. Peter-Ording bedrohlich wird?<br />

Frage 5:<br />

Glauben Sie, dass das Land bzw. die Gemeinde ausreichende Schutzmaßnahmen gegen Sturmfluten<br />

bzw. für den Ereignisfall getroffen hat?<br />

Frage 6:<br />

Sind Ihnen Maßnahmen zu ihrem persönlichen Schutz gegen Hochwasser bekannt?<br />

Frage 7:<br />

Haben Sie selbst vorbeugende Schutzmaßnahmen gegen Überflutung infolge <strong>von</strong> Sturmfluten getroffen?<br />

Frage 8:<br />

Wären Sie daran interessiert, eine Versicherung gegen Sturmflutschäden zu erwerben?<br />

Frage 9:<br />

Kennen Sie die Einsatzstrategien, die bei einem Deichversagen in Ihrem Wohngebiet vorgesehen<br />

sind?<br />

Frage 10:<br />

Wissen Sie im Katastrophenfall, was Sie persönlich zu tun haben?<br />

Frage 11:<br />

Glauben Sie, <strong>von</strong> der Gemeinde bzw. den zuständigen Behörden über die Risiken einer Sturmflut und<br />

vorbeugende Schutzmaßnahmen ausreichend informiert zu werden?<br />

Frage 12:<br />

Glauben Sie, dass das Sturmflutrisiko infolge einer erwarteten Klimaänderung zunehmen wird?<br />

Frage 13:<br />

Rechnen Sie damit, im Falle eines deutlich gestiegenen Risikos auch weiterhin <strong>von</strong> den Entscheidungsträgern/Behörden<br />

ausreichend geschützt und auch vor Schaden bewahrt zu werden?<br />

Frage 14:<br />

Würden Sie bei zunehmendem Sturmflutrisiko aus der Gemeinde St. Peter-Ording wegziehen?<br />

Frage 15:<br />

Hat die Hochwasserkatastrophe an der Elbe im August 2002 Ihr Bewusstsein bzw. Ihre Wahrnehmung<br />

gegenüber Sturmfluten verändert?<br />

Frage 4:<br />

Wie hoch schätzen Sie das Risiko einer Sturmflutkatastrophe in St. Peter-Ording?<br />

Nennungen (%)<br />

nicht<br />

sicher<br />

Keine<br />

Angabe<br />

92,2 6,5 - 1,3<br />

65,8 32,9 - 1,3<br />

41,3 58 - 0,7<br />

52,3 45,2 - 2,5<br />

29,0 69,0 - 2,0<br />

11,0 87,0 - 2,0<br />

27,7 45,8 23,2 3,3<br />

12,9 86,5 - 0,6<br />

30,9 66,5 - 2,6<br />

31,0 64,5 - 4,5<br />

72,3 16,1 10,3 1,3<br />

29,0 34,2 34,8 2,0<br />

18,7 65,8 14,8 0,7<br />

45,1 41,3 5,2 8,4<br />

hoch gering<br />

Sehr<br />

gering<br />

Kein Risiko<br />

17,4 61,3 20 1,3<br />

Zusammenfassend lassen sich folgende Aspekte der gesellschaftlichen Bewertung des Sturmflutrisikos<br />

in St. Peter-Ording feststellen:<br />

• Einem Großteil der Bevölkerung in St. Peter-Ording ist das Sturmflutrisiko bewusst, denn Sturmfluten<br />

werden als Teil des Lebens an der Nordseeküste betrachtet. So ist die Anzahl derer, die in der Vergan-<br />

genheit persönliche Erfahrungen durch Sturmflutereignisse machen konnten, relativ hoch.<br />

• Der Großteil der Befragten sieht in St. Peter-Ording nur ein geringes Risiko einer katastrophalen Sturm-<br />

flut.<br />

179


180<br />

Risikobewertung<br />

• Die institutionellen Maßnahmen zum Schutz vor Sturmfluten bzw. für den Ereignisfall werden zu ähnli-<br />

chen Anteilen als ausreichend bzw. nicht ausreichend bewertet. Verbesserungsmöglichkeiten werden<br />

sowohl im Küstenschutz als auch in der Information der Bevölkerung und verschiedenen Maßnahmen<br />

zur Katastrophenbewältigung gesehen.<br />

• Nur ein geringer Teil der Befragten weiß, welche individuellen und behördlichen Strategien und<br />

Maßnahmen im Katastrophenfall erforderlich sind. Dieses Wissensdefizit ist nach Meinung der Befrag-<br />

ten auf einen Mangel an behördlichen Informationen bezüglich präventiver und reaktiver Maßnahmen<br />

zurückzuführen. Daher wird eine intensivere Informationspolitik gefordert.<br />

• Ein möglicher Klimawandel wird im Küstenraum zum großen Teil als zusätzliche Bedrohung angese-<br />

hen. Mehr als zwei Drittel der Befragten würden aber zukünftig auch bei einem erhöhten Sturmflutrisiko<br />

in der Gemeinde St. Peter-Ording wohnen bleiben.<br />

Ob die Befragungsergebnisse in anderen Gebieten an der deutschen Nordseeküste ähnlich aus-<br />

fallen, ist aufgrund der vergleichbaren historischen Erfahrungen sowie ähnlicher geographischer,<br />

sozioökonomischer und kultureller Rahmenbedingungen anzunehmen. Um dieses zu klären,<br />

müssten zusätzliche Befragungen in anderen Untersuchungsräumen durchgeführt werden.<br />

5.3.2 Risikobewertung an der Ostseeküste - Fallbeispiel Lübeck<br />

Die Bevölkerungsbefragung in der Stadt Lübeck wurde, im Gegensatz zur Untersuchung in<br />

St. Peter-Ording, vor dem Hintergrund eines realen Überflutungsereignisses durchgeführt.<br />

Nach einer dreitägigen Westwindphase kam es am 21.02. 2002 durch die Drehung des Windes auf<br />

Nord bei gleichzeitiger Windzunahme zu einem Rückschwappeffekt des Wasserkörpers der Ostsee<br />

und damit zu einem leichten Hochwasser an der westlichen Ostseeküste. Am Pegel Lübeck Tra-<br />

vemünde wurde ein maximaler Wasserstand <strong>von</strong> 1,76 m ü. NN gemessen.<br />

Das Ereignis führte im Stadtteil Travemünde-Priwall und in der Altstadt Lübecks zu Überflutun-<br />

gen und Schäden an Sachgütern. Menschen wurden nicht verletzt.<br />

Nach einer Rekonstruktion der tatsächlichen Überflutungsgebiete war es möglich, innerhalb des<br />

betroffenen Raumes die Befragung an zufällig ausgewählten Haushalten durchzuführen. Der Fragebogen<br />

umfasste insgesamt 13 Fragen. Die Grundgesamtheit der betrachteten Zielgruppe betrug<br />

ca. 200 betroffene Haushalte und Betriebe. Von diesen konnten 43 als Stichprobe befragt werden<br />

(21,5 % der Grundgesamtheit). Die Befragungsergebnisse sind somit als eingeschränkt repräsen-<br />

tativ zu werten.<br />

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Befragung erläutert.<br />

Frage 1: Waren Sie sich bewusst darüber, dass sie im hochwassergefährdeten Bereich leben?<br />

Von insgesamt 43 Befragten wussten 42 (97,7 %), dass sie innerhalb eines potenziellen Überflu-<br />

tungsgebietes wohnen. Lediglich eine Person war erst kürzlich in das Gebiet Priwall gezogen und<br />

sich der Gefahr einer Überflutung nicht bewusst. Diese Person äußerte große Besorgnis, wegen<br />

des vor kurzem fertig gestellten Hauses, an dem keine Objektschutzmaßnahmen eingeplant worden<br />

waren.


Risikobewertung<br />

Frage 2: Haben Sie mit der Möglichkeit eines Hochwassers gerechnet?<br />

40 Personen (93,0 %) haben die Möglichkeit eines Hochwassers in Betracht gezogen, während drei<br />

der Befragten in dem Gebiet Priwall nicht damit gerechnet haben.<br />

Frage 3: Können sie sich an ähnliche Hochwasserereignisse erinnern?<br />

An ähnliche Ereignisse konnten sich 34 Personen (79,1 %) erinnern, neun beantworteten die Frage<br />

mit nein. 23 Befragte nannten daraufhin als erstes das Hochwasserereignis des Jahres 1995, bei<br />

dem wesentlich größere Schäden entstanden als im Februar 2002. Im Gebiet der Lübecker Altstadt<br />

gaben <strong>von</strong> 24 Befragten 18 an, sich an ein ähnliches Hochwasser zu erinnern, sechs verneinten die<br />

Frage. Im Gebiet Priwall antworteten 16 Befragte mit ja, drei mit nein.<br />

Frage 1: Waren Sie sich<br />

bewusst darüber, dass sie<br />

im hochwassergefährdeten<br />

Bereich leben?<br />

Frage 2: Haben Sie mit der<br />

Möglichkeit eines<br />

Hochwassers gerechnet?<br />

Frage 3: Können sie sich<br />

an ähnliche<br />

Hochwasserereignisse<br />

erinnern?<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Abb. 5.20: Überflutungsrisikos in Lübeck - Bewusstsein und Erfahrung<br />

Das Bewusstsein und die Erfahrungen bezüglich des Hochwasserrisikos sind im betroffenen Ge-<br />

biet Lübecks sehr stark ausgeprägt. Das ist auf die in der Vergangenheit periodisch aufgetretenen<br />

Überflutungsereignisse zurückzuführen. Hierbei ist den Befragten insbesondere das Ereignis <strong>von</strong><br />

1995 im Gedächtnis, bei dem durch wesentlich höhere Wasserstände als im Februar 2002 umfang-<br />

reiche Schäden auftraten.<br />

Es ist anzunehmen, dass das Bewusstsein des Überflutungsrisikos in weniger stark hochwasser-<br />

frequentierten Gebieten an der Ostseeküste geringer ausgeprägt ist als in Lübeck. Abgesehen <strong>von</strong><br />

den Schadensereignissen der Jahre 1978/79 (Schneekatastrophe und Sturmhochwasser) und der<br />

Sommersturmflut im August 1989 liegt das einzige Katastrophenereignis an der Ostseeküste<br />

ca. 130 Jahre zurück. Somit beeinflussen schwere Sturmfluten nur noch marginal das Risikobe-<br />

wusstsein der Küstenbewohner. 12 Zahlreiche Gespräche mit Einwohnern in den Gemeinden<br />

Scharbeutz und Timmendorfer Strand sowie auf der Insel Fehmarn stützen die Annahme, dass ein<br />

Großteil der Bevölkerung hier keine bzw. nur eine sehr geringe Bedrohung durch Sturmfluten<br />

wahrnimmt.<br />

12 Durch öffentliche Veranstaltungen und mediale Berichterstattungen zum 125järigen Gedenken an die Jahrhundertsturmflut 1872<br />

konnte das Risikobewusstsein der Bevölkerung 1997 für kurze Zeit erhöht werden.<br />

79,1<br />

97,7<br />

93,0<br />

ja nein keine Angabe<br />

20,9<br />

2,3<br />

7,0<br />

181


182<br />

Risikobewertung<br />

Frage 4: Wurden sie vor dem Hochwasser gewarnt? Wenn ja wie?<br />

34 Personen (79,1 %) gaben an, vor dem Hochwasser gewarnt worden zu sein, während neun<br />

keine Warnung wahrgenommen haben. Letztere waren sich aufgrund eigener Lagebeurteilungen<br />

vor Ort aber trotzdem der bedrohlichen Situation bewusst. 27 Befragte wurden zuerst durch die<br />

Lautsprecherdurchsagen <strong>von</strong> Feuerwehr und Polizei <strong>von</strong> der bevorstehenden Überflutung infor-<br />

miert. Fünf Personen wurden durch Nachbarn und zwei durch das Radio <strong>von</strong> der bevorstehenden<br />

Überflutung in Kenntnis gesetzt.<br />

Frage 5: Hören bzw. sehen sie täglich Radio bzw. Fernsehen?<br />

35 Personen (81,4 %) nutzen täglich die Medien Hörfunk und Fernsehen, acht Befragte verneinten<br />

diese Frage.<br />

Frage 6: Fühlten sie sich durch die Medien ausreichend informiert?<br />

Insgesamt 23 Personen fühlten sich durch die Medien ausreichend informiert (53,5 %), 14 (32,6 %)<br />

nicht, 6 Befragte (13,9 %) machten dazu keine Angaben. Hierbei wurde oft bemängelt, dass im<br />

Radio konkrete Hinweise wie z.B. Wasserstandsmeldungen zur Einschätzung der lokalen Situation<br />

fehlten.<br />

Abb. 5.21: Aussagen zu Warnungen und Informationen im Ereignisfall in Lübeck<br />

Knapp 80 % aller Befragten wurden vor dem Überflutungsereignis gewarnt. Von diesen erfuhren<br />

wiederum ca. 80 % die Warnung durch die Einsatzkräfte der Feuerwehr und Polizei, ca. 15 %<br />

durch interpersonelle Kommunikation mit den Nachbarn und lediglich 5 % durch Hörfunkmel-<br />

dungen.<br />

Frage 4: Wurden sie vor<br />

dem Hochwasser gewarnt?<br />

Wenn ja wie?<br />

Frage 5: Hören bzw. sehen<br />

sie täglich Radio bzw.<br />

Fernsehen?<br />

Frage 6: Fühlten sie sich<br />

durch die Medien<br />

ausreichend informiert?<br />

Generell ist festzustellen, dass die Warnungen im Ereignisfall im Wesentlichen die Einwohner<br />

erreichen. Auffällig ist der hohe Grad der direkten Information durch die Einsatzkräfte vor Ort.<br />

Der Vorteil dieser Informationsvermittlung ist, dass die potenziell Betroffenen in den jeweiligen<br />

Gefährdungsgebieten gezielt erreicht werden können und darüber hinaus nicht auf die Medien als<br />

klassische Informationsvermittler angewiesen sind.<br />

53,5<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

79,1<br />

81,4<br />

ja nein keine Angabe<br />

20,9<br />

18,6<br />

32,6 13,9


Risikobewertung<br />

Die Hälfte aller befragten Personen fühlte sich im Ereignisfall nicht ausreichend durch die Medien<br />

informiert. Es ist aber da<strong>von</strong> auszugehen, dass bei extremeren Ereignissen die Medien das Ge-<br />

schehen intensiver verfolgen und so die medialen Informationen an Bedeutung gewinnen.<br />

Frage 7: Halten sie Küstenschutzmaßnahmen in Lübeck für notwendig?<br />

Insgesamt 29 der Befragten (67,4 %) halten Küstenschutzmaßnahmen in Lübeck für wichtig, neun<br />

Personen (20,9 %) glauben, dass diese nicht notwendig sind. Interessant ist, dass ein Großteil der<br />

Befragten der Meinung ist, dass Küstenschutzbauwerke den Wohncharakter an der Trave stören<br />

würden. Zahlreiche Kommentare verdeutlichen zudem, dass die periodischen Überschwemmun-<br />

gen - ähnlich wie der Mythos Sturmflut an der Westküste Schleswig-Holsteins - zum Leben in der<br />

Altstadt Lübecks dazu gehören und die Menschen sich daran gewöhnt haben.<br />

Darüber hinaus bewirken die Überflutungsereignisse eine wichtige soziale Bindung zwischen den<br />

Betroffenen auch über die Zeit des Ereignisses hinaus. 13<br />

Frage 8: Wussten Sie, was im Ereignisfall zu tun ist? Haben sie Informationsmaterial z.B. hinsichtlich<br />

möglicher Maßnahmen für den Fall eines Hochwassers?<br />

Von 43 Befragten gaben 36 (83,7 %) an, zu wissen, was im Hochwasserfall zu tun ist, sieben Per-<br />

sonen wissen es nicht. Die Frage nach bestehendem Informationsmaterial ergab, dass nur am Pri-<br />

wall vor einigen Jahren eine Broschüre zum Verhalten im Hochwasserfall <strong>von</strong> der lokalen Feuer-<br />

wehr verteilt wurde. Zudem gaben viele Personen an, im nachbarschaftlichen Dialog Informationen<br />

auszutauschen. Zehn Befragte betonten nochmals, dass die Hochwassergefahr an der Trave<br />

gute Nachbarschaftsverhältnisse schaffe und die soziale Gemeinschaft stärke (vgl. Frage 7).<br />

Frage 9: Haben sie Maßnahmen zu ihrem Schutz oder zum Schutz des Gebäudes ergriffen?<br />

Insgesamt 24 Personen (55,8%) haben Maßnahmen zu ihrem Schutz oder zum Schutz des Gebäu-<br />

des ergriffen, 19 taten dieses nicht. Insgesamt 18 Befragte gaben an, Schotts vor der Eingangstür<br />

angebracht zu haben. Elf Personen benutzen Pumpen und ebenso viele bevorraten Sandsäcke für<br />

den Ereignisfall.<br />

Die Frage nach der Notwendigkeit des Küstenschutzes zeigt, dass zwei Drittel der Befragten die-<br />

sen für sinnvoll halten. Insbesondere in der Lübecker Altstadt äußern aber auch viele Personen<br />

Bedenken darüber, dass durch die Schutzanlagen der Charme der Wohngegend verloren gehen<br />

könnte. Küstenschutz ist zwar als Mittel des Sicherheitszuwachses im Küsteraum gewollt, aber<br />

nicht auf Kosten der Attraktivität der Wohngegend.<br />

13 Kommentare zum Küstenschutz waren u a.:<br />

„Ohne das Hochwasser würde ein Teil des Charmes der Wohngegend fehlen.“<br />

„Wir veranstalten jedes Jahr im Februar mit etwa 12 Nachbarn ein Hochwassergedächtnisessen, wegen des Hochwassers 1979.“<br />

„Wenn das Wasser zurückgeht, stehen alle drauß en an der Straße und saufen...“<br />

„Wenn wir diese Situation nicht wollten, würden wir hier auch nicht wohnen. Das Hochwasser gehört hier einfach dazu und ohne<br />

würde etwas fehlen.“<br />

183


184<br />

Risikobewertung<br />

Von den meisten Befragten wird außerdem der soziale Aspekt der Überflutungen angesprochen,<br />

da hierdurch die Gemeinschaft gestärkt wird. So werden Informationen ausgetauscht und die<br />

Nachbarn helfen sich im Ereignisfall gegenseitig bei der Evakuierung <strong>von</strong> mobilen Gegenständen<br />

und bei verschiedenen temporären Objektschutzmaßnahmen. Da ein Großteil der Betroffenen auf<br />

die Überflutungen relativ gut vorbereitet ist und diese im Wesentlichen gut bewältigen kann,<br />

werden Überflutungen zu einem gesellschaftlichen Ereignis.<br />

Frage 7: Halten sie Küstenschutzmaßnahmen in Lübeck für<br />

notwendig?<br />

Frage 8: Wussten Sie, was im Ereignisfall zu tun ist?<br />

Haben sie Informationsmaterial z.B. hinsichtlich möglicher<br />

Maßnahmen für den Fall eines Hochwassers?<br />

Frage 9: Haben sie Maßnahmen zu ihrem Schutz oder zum<br />

Schutz des Gebäudes ergriffen?<br />

Abb.5.22: Aussagen zu präventiven und reaktiven Maßnahmen in Lübeck<br />

Hierzu ist anzumerken, dass diese Aussagen im Wesentlichen unter dem Eindruck relativ leichter<br />

Hochwasserereignisse gemacht wurden. Es ist sicherlich da<strong>von</strong> auszugehen, dass ein extremes<br />

Ereignis, durch das wesentlich höhere Verluste an Sachgütern und möglicherweise auch an Men-<br />

schenleben entstehen können, zu einer gänzlich anderen Einschätzung des Überflutungsrisikos<br />

führen würde. Denn vorbereitet ist die Bevölkerung lediglich auf diese weniger schweren Ereig-<br />

nisse, was sich unter anderem 1995 zeigte, als sich bei einem höheren Wasserstand zahlreiche<br />

Objektschutzmaßnahmen als ungenügend erwiesen.<br />

Frage 10: Fühlen sie sich nach diesem Hochwasser dauerhaft bedroht?<br />

Acht der Befragten (18,6 %) fühlen sich nach diesem Hochwasser dauerhaft bedroht, 34 Personen<br />

(79,1 %) schließen aus dem Ereignis keine dauerhafte Gefährdung.<br />

Frage 11: Werden sie nach diesem Ereignis etwas im Umgang mit der Hochwassergefahr ändern?<br />

Nach diesem Ereignis werden 13 Befragte (30,2 %) etwas im Umgang mit der Hochwassergefahr<br />

ändern. 30 Personen (69,8 %) verneinten diese Frage. Als häufigste Maßnahme wurde die Installa-<br />

tion <strong>von</strong> Überflutungsschotts genannt. Von zwei Befragten wurde die Absicht bekundet, mehr auf<br />

Warnungen zu achten.<br />

55,8<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

67,4<br />

83,7<br />

20,9 11,7<br />

44,2<br />

ja nein keine Angabe<br />

16,3


Risikobewertung<br />

Frage 12: Halten sie für sich persönlich eine Sturmflutversicherung für sinnvoll?<br />

Eine Sturmflutversicherung halten 16 Personen (37,2 %) für sinnvoll. 24 Befragte (55,8 %) sehen<br />

keine Veranlassung dazu.<br />

Frage 13: Glauben Sie, dass es z.B. durch einen Meeresspiegelanstieg künftig häufiger zu Hochwasser-<br />

ereignissen kommen wird?<br />

Insgesamt 31 der Befragten (72,1 %) glauben, dass es durch einen steigenden Meeresspiegelanstieg<br />

künftig häufiger zu Hochwasserereignissen kommen wird. Sieben Personen (16,3 %) glauben das<br />

nicht, und fünf gaben an, diesen Sachverhalt nicht einschätzen zu können.<br />

Abb. 5.23: Zukünftiger Umgang mit dem Risiko in Lübeck<br />

Die Aussagen zur Wirkung des betrachteten Ereignisses und zum zukünftigen Umgang mit dem<br />

Risiko zeigen, dass nur knapp ein Fünftel der Befragten durch das Ereignis eine dauerhafte Be-<br />

drohung wahrnimmt. Zudem planen ein Drittel der befragten Personen zusätzliche Schutzmaßnahmen<br />

an den gefährdeten Objekten, und ebenfalls ein Drittel würde unter dem Eindruck der<br />

entstandenen Schäden eine Versicherung gegen Sturmfluten abschließen wollen. Entscheidend<br />

hierfür wäre allerdings die Höhe der Versicherungsprämie, denn viele der Befragten denken, dass<br />

die zukünftig zu erwartenden Schäden wesentlich geringer sein werden, als regelmäßige Versi-<br />

cherungsbeiträge.<br />

Frage 10: Fühlen sie sich nach<br />

diesem Hochwasser dauerhaft<br />

bedroht?<br />

Frage 11: Werden sie nach<br />

diesem Ereignis etwas im<br />

Umgang mit der<br />

Hochwassergefahr ändern?<br />

Frage 12: Halten sie für sich<br />

persönlich eine<br />

Sturmflutversicherung für<br />

sinnvoll?<br />

Frage 13: Glauben Sie, dass es<br />

durch Meeresspiegelanstieg<br />

künftig häufiger zu<br />

Hochwasserereignissen kommen<br />

wird?<br />

18,6<br />

30,2<br />

37,2<br />

72,1<br />

Anteil der Nennungen<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

79,1<br />

69,8<br />

55,8<br />

ja nein nicht sicher keine Angabe<br />

16,3 11,6<br />

7,0<br />

2,3<br />

185


186<br />

Risikobewertung<br />

Obwohl die meisten Personen glauben, dass es zukünftig häufiger zu Hochwasserereignissen<br />

kommen wird - ein großer Teil der Befragten sieht in den letzten Dekaden schon eine Zunahme<br />

<strong>von</strong> Hochwasserereignissen - schlägt sich dieses nur wenig in einem verbesserten Vorsorgever-<br />

halten nieder.<br />

Die Aussagen zeigen nochmals, dass die Befragten bei der Einschätzung des Risikos ausschließ-<br />

lich auf die Erfahrungen aus den Überflutungsereignissen der letzten Jahre zurückgreifen und<br />

den Umgang mit dem Risiko nur geringfügig ändern werden. Die Möglichkeit eines extremen<br />

Hochwassers wurde in diesem Zusammenhang kaum genannt.<br />

Tabelle 5.12 zeigt die Gesamtergebnisse der Befragungen in Lübeck.<br />

Tab. 5.12: Ergebnisse der Einwohnerbefragung in Lübeck<br />

Frage ja nein<br />

Frage 1:<br />

Waren Sie sich bewusst darüber, dass sie im hochwassergefährdeten Bereich leben?<br />

Frage 2:<br />

Haben Sie mit der Möglichkeit eines Hochwassers gerechnet?<br />

Frage 3:<br />

Können sie sich an ähnliche Hochwasserereignisse erinnern?<br />

Frage 4:<br />

Wurden sie vor dem Hochwasser gewarnt? Wenn ja wie?<br />

Frage 5:<br />

Hören bzw. sehen sie täglich Radio bzw. Fernsehen?<br />

Frage 6:<br />

Fühlten sie sich durch die Medien ausreichend informiert?<br />

Frage 7:<br />

Halten sie Küstenschutzmaßnahmen in Lübeck für notwendig?<br />

Frage 8:<br />

Wussten Sie, was im Ereignisfall zu tun ist? Haben sie Informationsmaterial z.B.<br />

hinsichtlich möglicher Maßnahmen für den Fall eines Hochwassers?<br />

Frage 9:<br />

Haben sie Maßnahmen zu ihrem Schutz oder zum Schutz des Gebäudes ergriffen?<br />

Frage 10:<br />

Fühlen sie sich nach diesem Hochwasser dauerhaft bedroht?<br />

Frage 11:<br />

Werden sie nach diesem Ereignis etwas im Umgang mit der Hochwassergefahr ändern?<br />

Frage 12:<br />

Halten sie für sich persönlich eine Sturmflutversicherung für sinnvoll?<br />

Frage 13:<br />

Glauben Sie, dass es z.B. durch einen Meeresspiegelanstieg künftig häufiger zu<br />

Hochwasserereignissen kommen wird?<br />

Nennungen (%)<br />

nicht<br />

sicher<br />

Keine<br />

Angabe<br />

97,7 2,3 - -<br />

93,0 7,0 - -<br />

79,1 20,9 - -<br />

79,1 20,9 - -<br />

81,4 18,6 - -<br />

53,5 32,6 - 13,9<br />

67,4 20,9 - 11,7<br />

83,7 16,3 - -<br />

55,8 44,2 - -<br />

18,6 79,1 - 2,3<br />

30,2 69,8 - -<br />

37,2 55,8 - 7,0<br />

72,1 16,3 11,6 -<br />

Zusammenfassend lassen sich folgende Beobachtungen der gesellschaftlichen Bewertung des<br />

Überflutungsrisikos in Lübeck feststellen:<br />

• Das Bewusstsein und die Erfahrungen bezüglich des Risikos leichter Hochwasserereignisse bzw.<br />

Überflutungen sind im betroffenen Gebiet Lübecks sehr stark ausgeprägt. Das ist auf die periodischen<br />

Überflutungen in der Vergangenheit zurückzuführen. Die Möglichkeit eines extremen Hochwassers be-<br />

einflusst die Risikoeinschätzung aber nur marginal.<br />

• Ein Großteil der Befragten wurde vor dem Überflutungsereignis im Februar 2002 gewarnt. Hierbei schei-<br />

nen die Warnungen durch die Einsatzkräfte vor Ort eine besondere Bedeutung zu haben. Zudem fühlte<br />

sich die Hälfte aller befragten Personen im Ereignisfall nicht ausreichend durch die Medien informiert.


Risikobewertung<br />

• Küstenschutzmaßnahmen werden <strong>von</strong> ca. zwei Drittel der Befragten als sinnvoll bewertet, allerdings nur<br />

dann, wenn der Charme der Wohngegend dabei nicht verloren geht.<br />

• Überflutungen haben einen sozialen Aspekt, indem durch Informationsaustausch und gegenseitige Hilfe<br />

die soziale Gemeinschaft gestärkt wird. Der Großteil der Betroffenen ist auf leichte Hochwasser bzw.<br />

Überschwemmungen relativ gut vorbereitet so dass diese zu einem gesellschaftlichen Ereignis werden.<br />

Schwerere Ereignisse werden aber in der individuellen Prävention kaum berücksichtigt.<br />

• Unter dem Eindruck des Überflutungsereignisses und unter dem Aspekt einer möglichen zukünftigen<br />

Häufung <strong>von</strong> Hochwasserereignissen planen nur ca. ein Drittel aller Befragten einen veränderten Um-<br />

gang mit dem Überflutungsrisiko.<br />

• Knapp ein Viertel der Befragten meinen, in den letzten Dekaden eine Zunahme <strong>von</strong> Hochwasserereig-<br />

nissen beobachtet zu haben.<br />

5.3.3 Vergleich der Risikobewertung an der Nord- und Ostseeküste<br />

Vergleicht man die Ergebnisse der Einwohnerbefragung in St. Peter-Ording und in Lübeck, so<br />

zeigen sich insbesondere aufgrund der differenten Rahmenbedingungen deutliche Unterschiede<br />

in der Bewertung des Sturmflutrisikos an der Nord- und Ostseeküste. Da nur für zwei Teilräume<br />

empirische Daten vorliegen, müssen die Erläuterungen zur Bewertung des Risikos im Folgenden<br />

als Annahmen betrachtet werden. Um diese zu verifizieren, müssten zusätzliche Befragungen in<br />

anderen Gebieten durchgeführt werden.<br />

An der Nordseeküste wehren sich die Menschen seit 1000 Jahren mit umfangreichen Küsten-<br />

schutzmaßnahmen gegen die periodisch auftretenden Sturmfluten. Die heutige Küstenlinie ist im<br />

Wesentlichen das Ergebnis solcher Extremereignisse und der anthropogenen Bemühungen, sich<br />

gegen diese zu schützen und dem Meer Land abzugewinnen. Zahlreiche katastrophale Sturmflu-<br />

ten sind historisch überliefert und die letzten verheerenden Ereignisse der Jahre 1962 und 1976<br />

sind den Küstenbewohnern noch in guter Erinnerung. Somit haben sich die Menschen an der<br />

Westküste Schleswig-Holsteins an das Leben hinter dem Deich gewöhnt, denn Sturmfluten gehören<br />

zum Leben an der Wesküste dazu.<br />

Obwohl sich die Bevölkerung der ständigen Bedrohung bewusst ist, bedingt das historisch gewachsene<br />

Vertrauen in den Küstenschutz die Wahrnehmung eines relativ hohen Sicherheitsstatus.<br />

Um diesen zu erhalten, besteht seitens der Küstenbewohner die kompromisslose Forderung nach<br />

einem Ausbau bzw. einer Erhaltung der bestehenden Küstenschutzmaßnahmen.<br />

Doch wegen des hohen Schutzstatus an der Westküste, ist ein Großteil der Bevölkerung nur unzureichend<br />

auf ein mögliches Überflutungsereignis vorbereitet. Insbesondere eine Verbesserung des<br />

Wissens um mögliche präventive bzw. interventive Maßnahmen könnte im Ereignisfall mögliche<br />

Schäden - auch an Personen - minimieren. Hierzu ist eine veränderte Informationspolitik seitens<br />

der Kommunen und Behörden notwendig. Diese wird <strong>von</strong> den Einwohnern in St. Peter-Ording<br />

auch explizit gefordert.<br />

187


188<br />

Risikobewertung<br />

An der Ostseeküste hingegen führt die geringere Eintrittswahrscheinlichkeit extremer Ereignisse,<br />

dazu, dass leichte Überschwemmungen das mentale Bild der Ostsee als Gefahrenquelle prägen.<br />

Lediglich in wenigen, periodisch überfluteten Teilräumen besteht hinsichtlich des Sturmflutrisi-<br />

kos ein ausgeprägtes Bewusstsein. Aber auch in diesen Teilräumen wird das Risiko lediglich auf<br />

der Basis der erfahrenen leichten Ereignisse bewertet, so dass die Vorsorgemaßnahmen nur unzu-<br />

reichend an ein Extremereignis angepasst wären.<br />

Darüber hinaus bestehen in weiten Räumen, die in der Vergangenheit nur sehr selten <strong>von</strong> Über-<br />

flutungen betroffen waren, kaum Maßnahmen zum Schutz gegen den Einfluss des Meeres. Hier<br />

bestimmen insbesondere natürliche Strukturen, wie z.B. historisch gewachsene Strandwälle und<br />

Dünen, das Bild des Küstenschutzes.<br />

Der oftmals niedrige Schutzstatus an der Ostseeküste ist nicht zuletzt auch auf die Zuständigkei-<br />

ten zurückzuführen. Während an der Nordseeküste die Maßnahmen <strong>von</strong> den zuständigen<br />

Behörden getragen werden, sind an der Ostsee i. d. R. die Kommunen bzw. diejenigen für den<br />

Küstenschutz zuständig, die durch die Maßnahmen einen Vorteil erfahren. Auch wenn diesbe-<br />

züglich umfangreiche Fördergelder in Anspruch genommen werden können, so sind die Gemein-<br />

den doch oftmals mit den Kosten des Küstenschutzes überfordert.<br />

Außerdem ist vielfach auch eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit dem Sturmflutrisiko zu<br />

konstatieren. Diese kommt z.B. dadurch zum Ausdruck, dass vielerorts in unmittelbarer Nähe zur<br />

Ostsee Gebäude ohne jegliche Schutzmaßnahmen errichtet werden.<br />

Abschließend ist festzustellen, dass das gesellschaftliche Urteil offensichtlich auch das Manage-<br />

ment <strong>von</strong> Naturrisiken determiniert. So ist die drängende gesellschaftspolitische Frage nach der<br />

Risikovorsorge, den Handlungsprioritäten und -präferenzen nur unter Berücksichtigung der ge-<br />

sellschaftlichen Bewertung der Risiken und des Nutzens <strong>von</strong> anthropogenen Aktivitäten zu be-<br />

antworten.<br />

Da Entscheidungen bezüglich des Umgangs mit Risiken, wie z.B. die Allokation der Mittel, <strong>von</strong><br />

der Gesellschaft mitgetragen werden müssen, ist es erforderlich, die Sichtweise der betroffenen<br />

Bevölkerung zu verstehen. Somit sollte das Wissen um die gesellschaftliche Risikobewertung zu-<br />

künftig mit den Methoden der empirischen Sozialforschung verbessert werden.


6. Risikomanagement<br />

Risikomanagement<br />

189<br />

„Where should we spend whose money<br />

to undertake what programmes<br />

to save which lives<br />

with what probability?”<br />

ZECKHAUSER und SHEPARD (1984)<br />

Die Aufgabe des Risikomanagements ist die Umsetzung der Ergebnisse der Risikoanalyse und der<br />

Risikobewertung. Die Handlungsmaxime ist hierbei der Schutz vor Naturereignissen und die Re-<br />

duzierung der daraus resultierenden Risiken für den Menschen und seine Güter.<br />

Wie gezeigt werden konnte, bestehen zwischen dem naturwissenschaftlich analysierten, dem ge-<br />

sellschaftlich akzeptierten und dem nach politischen Normen akzeptablen Risiko teils erhebliche<br />

Differenzen. Eine wichtige Aufgabe des Risikom anagements ist es somit, ein allseits toleriertes<br />

Risikomaß zu diskutieren.<br />

Im Rahmen des Managementprozesses müssen nicht nur Sicherheitsdefizite ausgeräumt, sondern<br />

vielmehr ein gesellschaftlich tolerierter Weg im Umgang mit dem identifizierten Risiko beschritten<br />

werden. Hierzu ist ein Wandel <strong>von</strong> einer Sicherheitskultur zu einer Risikokultur notwendig<br />

(vgl. DKKV, 2000a; SCHÜTZ, 2002). So muss das kollektive Risiko zukünftig nicht nur minimiert<br />

sondern auch <strong>von</strong> der Gesellschaft mitgetragen werden. Gelingt eine solche Risikoübernahme,<br />

z.B. durch Partizipation der Betroffenen am Zielfindungs- und Entscheidungsprozess, könnten<br />

zukünftig Schuldzuschreibungen nach Ereignissen verhindert und die Eigenverantwortung und<br />

-initiative aller Risikoteilhaber gestärkt werden.<br />

Neben diesem eher visionären Aspekt des Managements stehen die klassischen Sicherheitsas-<br />

pekte. Hierbei müssen die identifizierten Sicherheitsdefizite gedeckt werden.<br />

Der traditionelle Lösungsansatz bei Naturgefahren ist die Entwicklung eines Projektes mit baulichen<br />

Maßnahmen. Während in der Vergangenheit vielfach die Auswirkungen solcher Eingriffe<br />

auf die Risikosituation sowie die adäquate Allokation der Mittel nicht ausreichend berücksichtigt<br />

wurden, kann hier ein modernes Risikomanagement zur Problemlösung beitragen. Im Rahmen<br />

eines integrierten Entscheidungs- und Planungsprozesses werden möglichst viele Aspekte und<br />

Interessen berücksichtigt, um negative Auswirkungen und Konflikte zu reduzieren oder mögli-<br />

cherweise zu verhindern.<br />

Mit der nachfolgend dargestellten Konzeption eines Managementverfahrens sollen die Erkenntnisse<br />

und Strukturierungsansätze aus Theorie und Praxis vorgestellt werden. Hauptanliegen<br />

ist es, einerseits für eine Abkehr <strong>von</strong> klassischen ereigniszentrierten und i. d. R. reaktiven Mana-<br />

gementstrategien zu sensibilisieren. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung <strong>von</strong> präventi-<br />

ven Strategien hervorgehoben. Andererseits soll die Konzeption als Orientierungshilfe für den<br />

Umgang mit Naturrisiken dienen. Die im Text genannten Beispiele geben Anregungen zur Operationalisierung<br />

<strong>von</strong> Verfahren und Maßnahmen im Risikomanagement.


190<br />

6.1 Risikotypen und Risikomanagement<br />

Risikomanagement<br />

Bevor die verschiedenen Elemente des Risikomanagements erläutert werden, sollen auf der Basis<br />

der Erkenntnisse der Risikoanalyse und -bewertung Naturgefahren im Allgemeinen und Sturm -<br />

fluten im Besonderen nach dem Konzept des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale<br />

Umweltveränderungen (WBGU) klassifiziert werden (ebd., 1999). Diese Vorgehensweise erlaubt<br />

eine zusammenfassende Betrachtung und Typisierung <strong>von</strong> Naturrisiken vor der Darstellung der<br />

politisch-administrativen Werkzeuge. Zudem lassen sich somit grundlegende typspezifische Ver-<br />

fahrensweisen und Managementregeln für Naturrisiken ableiten, die dann im Anschluss konkretisiert<br />

werden.<br />

Die Erläuterungen müssen vor dem Hintergrund folgender Erkenntnis der Naturrisikoforschung<br />

verstanden werden (WBGU, 1999):<br />

Weil Naturgefahren durch den Menschen nicht verhindert werden können, ist das Mobilisierungspotential<br />

der Gesellschaft eher klein. Daher sind die erforderlichen Schutzmaßnahmen oftmals politisch schwer durchsetzbar.<br />

Der WBGU nennt als Gründe hierfür:<br />

• Die geringe Eintrittswahrscheinlichkeit mancher Naturereignisse verleitet dazu anzunehmen, dass das<br />

nächste Ereignis erst in ferner Zukunft eintreten wird.<br />

• Das hohe Schadenspotential der Naturereignisse (z.B. <strong>von</strong> Meteoriteneinschlägen) übersteigt die Vorstel-<br />

lungskraft vieler Menschen.<br />

• Die Unsicherheit bei der Prognose <strong>von</strong> Naturkatastrophen verleitet dazu, ihr Gefahrenpotential zu igno-<br />

rieren oder zu leugnen.<br />

• Ein zusätzlicher Verdrängungseffekt tritt dann auf, wenn seit der letzten Katastrophe längere Zeiträume<br />

verstrichen sind.<br />

• Die Bereitschaft zu finanziellen Opfern für Maßnahmen der Risikominderung verringert sich beträcht-<br />

lich bei Gruppen, die nicht direkt durch ein Naturrisiko betroffen sind oder zu sein scheinen (Beispiel:<br />

Übernahme <strong>von</strong> Kosten für Maßnahmen zur Hochwasserprävention, die nur weiter stromabwärts gele-<br />

genen Gebieten zugute kommt).<br />

• Bestehende technische Schutzmaßnahmen (z.B. Deichbauten in hochwassergefährdeten Gebieten) verlei-<br />

ten die Bevölkerung zu der Illusion, dass kein Restrisiko mehr gegeben ist.<br />

6.1.1 Typen <strong>von</strong> Naturrisiken<br />

Risiken aus Überschwemmungen, Erdbeben und Vulkaneruptionen können dem Risikotyp Zyklop<br />

1 zugeordnet werden (vgl. Kap. 2.5). Dieser ist gekennzeichnet durch eine relativ hohe<br />

Schadenserwartung, die i. d. R. näherungsweise abzuschätzen ist, sowie durch Unsicherheiten<br />

hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit der Ereignisse.<br />

1 Nach der griechischen Mythologie gab es Riesen, die trotz ihrer Kraft mit nur einem Auge gestraft waren. Diese wurden als<br />

Zyklopen (Rundaugen) bezeichnet. Im Zusammenhang mit der Risikobetrachtung symbolisiert der Begriff Zyklop die mangelnde<br />

Fähigkeit, die Wirklichkeit mit zwei Augen zu sehen. So ist bei dem Risikotypen Zyklop gegenwärtig lediglich die<br />

Schadenschätzung bestimmbar, während die Eintrittswahrscheinlichkeit relativ ungewiss ist (WBGU, 1999).


Risikomanagement<br />

Ist die Datenlage gut und die Wahrscheinlichkeit vorhersagbar und relativ klein, so können Überschwemmungen<br />

auch dem Damokles-Typen 2 entsprechen.<br />

Die Tabelle 6.1 zeigt den Risikocharakter <strong>von</strong> extremen Sturmfluten als Risikotyp Zyklop 3 unter<br />

Anwendung der klassifizierenden Kriterien des WBGU.<br />

Tab. 6.1: Sturmfluten als Risikotyp Zyklop - charakteristische Kriterien<br />

(Quelle: nach WBGU, 1999)<br />

Wie in Kap. 4.4 gezeigt wurde, sind für das Sturmflutrisiko die Schadenserwartungen relativ gut<br />

abzuschätzen. Andererseits ist die Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeit gegenwärtig noch<br />

mit großen Unsicherheiten belegt. Somit ist das betrachtete Risiko gegenwärtig eher dem Risikotypen<br />

Zyklop zuzuordnen.<br />

Die Überflutungen durch Sturmfluten konzentrieren sich i. d. R. auf einen relativ schmalen Küstenstreifen,<br />

so dass die Ubiquität eher als gering einzuschätzen ist. Aufgrund der teilweise um-<br />

fangreichen Schäden und der langfristig wirkenden Auswirkungen (z.B. auf die ökonomische<br />

Sphäre) ist mit diesem Risiko eine mittlere Persistenz verbunden. Die Irreversibilität sowie die<br />

Verzögerungswirkung sind relativ gering ausgeprägt (vgl. Kap. 2.5). Interessant ist das Mobilisie-<br />

rungspotenzial bei Sturm fluten. Wie in Kap. 5.2 gezeigt wurde ist, anders als bei technologischen<br />

Risiken, das politische Mobilisierungspotenzial bei Naturgefahren sowie der Druck nach einem<br />

vorbeugenden Risikomanagement eher schwach ausgeprägt. Bei Sturmfluten konzentriert sich<br />

dieses gesellschaftliche Interesse aufgrund der geringen Ubiquität auf die betroffenen Bereiche,<br />

während in Gebieten ohne eine Gefährdung kaum ein Mobilisierungspotenzial zu erkennen ist.<br />

Hierbei spielt auch die Erfahrung und Verfügbarkeit des Wissens eine große Rolle. So konnte gezeigt<br />

werden, dass an der Ostseeküste das gesellschaftliche Bewusstsein und das Verlangen nach<br />

Managementmaßnahmen nur sehr gering ausgeprägt ist.<br />

2 Damokles wurde, so der griechische Mythos, <strong>von</strong> seinem König zu einem Bankett eingeladen, musste sein Essen aber unter einem<br />

Schwert einnehmen, welches nur an einem dünnen Faden hing. Die Bedrohung ging <strong>von</strong> der Möglichkeit aus, dass zu jedem<br />

Zeitpunkt, wenn auch mit geringer Wahrscheinlichkeit, für Damokles ein tödliches Ereignis hätte eintreten können.<br />

Dementsprechend bezieht sich der Risikotyp auf Risikoquellen, die mit einem sehr hohen Schadenspotenzial und einer nur<br />

geringen Schadenswahrscheinlichkeit verbunden sind (WBGU, 1999).<br />

3 Sturmfluten können darüber hinaus bei einer verbesserten Kenntnis der Eintrittswahrscheinlichkeit auch dem Risikotypen<br />

Damokles zugeordnet werden.<br />

Kriterium Eigenschaften<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit W<br />

Abschätzungssicherheit <strong>von</strong> W<br />

Schadensausmaß S<br />

Abschätzungssicherheit <strong>von</strong> S<br />

Ubiquität<br />

Persistenz<br />

Irreversibilität<br />

Verzögerungswirkung<br />

Mobilisierungspotenzial<br />

gering eher gering eher hoch hoch<br />

191


192<br />

Risikomanagement<br />

Im Vergleich dazu sind an der Nordseeküste aufgrund vergangener Ereignisse die Ansprüche an<br />

das behördliche Risikomanagement und dementsprechend auch das Mobilisierungspotenzial der<br />

Bevölkerung wesentlich höher.<br />

6.1.2 Risikomanagement und Risikodynamik<br />

Der Risikotyp Zyklop liegt ähnlich wie der Typ Damokles zwischen dem Grenz- und dem Verbots-<br />

bereich. Durch regulative Maßnahmen des Risikomanagements und durch Verbesserung der Datenlage<br />

und des Wissens um das Risiko, können die Risiken <strong>von</strong> einem Zustand in einen anderen<br />

befördert werden. Hierbei ist das Ziel, die Verschiebung in einen tolerierbaren Normalbereich<br />

(WBGU, 1999; vgl. Kap. 2.5).<br />

Abbildung 6.1 zeigt die Dynamik der Risiken in den verschiedenen Bereichen. Im Zentrum der<br />

Betrachtung steht hierbei der Zyklop-Typ, da sich <strong>von</strong> ihm aus die Risiken in andere Richtungen<br />

wandeln können.<br />

Betrachten wir nochmals das Risiko <strong>von</strong> Sturmfluten: Ist zukünftig durch eine Verbesserung des<br />

Wissens und der Datenlage die Wahrscheinlichkeit des Überflutungsereignisses bestimmbar, so<br />

gibt es zwei Möglichkeiten. Ist die Wahrscheinlichkeit niedrig, lässt sich das Risiko dem Damokles-<br />

Typen zuordnen. Dann kann das Risiko u. U. durch eine Reduzierung des Schadensausmaßes in<br />

den Normalbereich überführt werden. Ist die Wahrscheinlichkeit hoch, so bewegt sich das Risiko in<br />

Richtung des Verbotsbereiches und ist dann kaum tolerierbar.<br />

Abb. 6.1: Möglichkeiten der Verlagerung <strong>von</strong> Risiken<br />

(Quelle: WBGU, 1999: 19)


Risikomanagement<br />

Auch wenn zukünftig die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht genauer zu bestimmen ist, so kann das<br />

Risiko sowohl durch Vorsorgemaßnahmen als auch durch verschiedene Maßnahmen zur Scha-<br />

densreduzierung verringert werden. Lässt sich hierdurch das Katastrophenpotenzial auf ein ak-<br />

zeptables Niveau reduzieren, ist es möglich, das Risiko in den Normalbereich zu überführen. Ist<br />

das trotz aller Maßnahmen nicht möglich, ist eine Grundsatzentscheidung zu treffen, ob man den<br />

Nutzen des Risikos als so hoch ansieht, dass man die hohen Schadenserwartungen toleriert, da die<br />

Katastrophenwahrscheinlichkeit relativ gering ist. Andernfalls ist das Risiko im Verbotsbereich<br />

einzuordnen und die riskanten Handlungen (z.B. Siedlungstätigkeit in potenziellen Überflutungs-<br />

räumen) müssen unterbleiben (WBGU, 1999).<br />

Für das Sturmflutrisiko an den Küsten Schleswig-Holstein bedeutet dies, dass durch die verschie-<br />

denen Maßnahmen des Küstenschutzes und der Katastrophenvorsorge das Risiko i. d. R. in den<br />

Normalbereich zu überführen ist.<br />

Doch, wie schon erläutert wurde, ist das Risikobewusstsein insbesondere an der Ostseeküste<br />

kaum vorhanden. Zudem ist hier vielerorts kaum ein Schutz vor extremen Ereignissen gegeben,<br />

so dass das Katastrophenpotenzial zum Teil relativ hoch ist. Hieraus ließe sich schließen, dass eine<br />

gesellschaftliche Grundsatzentscheidung vielerorts dazu geführt hat, das Risiko aufgrund der<br />

geringen Schadenswahrscheinlichkeit zu akzeptieren.<br />

An der Nordseeküste hingegen sind aufgrund der wesentlich höheren Schadenswahrscheinlich-<br />

keiten in der Vergangenheit umfangreiche Maßnahmen zur Reduzierung des Katastrophenpoten-<br />

zials durchgeführt worden. Somit ist das Risiko hier eher dem Normalbereich zuzuordnen.<br />

Ist das Risiko in diesen Normalbereich überführt, dann muss das Mobilisierungspotenzial berück-<br />

sichtigt werden. Ist dieses gering, sind lediglich die Maßnahmen zu erhalten, die das Risiko im<br />

Normalbereich halten (z.B. Küstenschutz). Zeigt sich jedoch eine stärkere gesellschaftliche Mobili-<br />

sierung oder auch ein Misstrauen gegenüber dem behördlichen Risikomanagement, sind vertrauensbildende<br />

Maßnahmen erforderlich.<br />

So konnte die Befragung in St. Peter-Ording zeigen, dass der gegenwärtige Küstenschutzstatus<br />

<strong>von</strong> einem großen Teil der Bevölkerung als nicht ausreichend wahrgenommen wird.<br />

6.1.3 Instrumente des Managements nach Risikotypen<br />

Im Folgenden werden unter besonderer Berücksichtigung des Sturmflutrisikos für die Risikotypen<br />

Zyklop und Damokles die spezifischen Strategien und Maßnahmen des Managements betrach-<br />

tet.<br />

Der Beirat betont in diesem Zusammenhang, dass es in der Risikopolitik nicht um ein Null-Risiko<br />

geht, sondern vielmehr „…um die Verlagerung der Risiken auf solche Größenordnungen, bei de-<br />

nen die gängigen Methoden der Risiko-Nutzen-Abwägung durch Marktteilnehmer und staatliche<br />

Regulatoren zum Einsatz kommen können.“ (WBGU, 1999: 18)<br />

Das Ziel ist es demnach, die Risiken durch die Maßnahmen in einen Normalbereich zu verlagern, in<br />

dem ein routinemäßiges Management möglich ist.<br />

193


194<br />

Risikotyp Damokles<br />

Risikomanagement<br />

Beim Risikotypen Damokles ist das Hauptproblem das hohe Katastrophenpotenzial. Daher ist die<br />

primäre Strategie dessen Reduzierung. Um die Schadenserwartung zu senken und dem Eintritt<br />

eines Schadens vorzubeugen, sollen durch Forschung die technischen Maßnahmen zur Verhinderung<br />

und Begrenzung <strong>von</strong> Schäden verbessert werden. Hierbei kommt der Frühwarnung vor ex-<br />

tremen Ereignissen eine besondere Bedeutung zu, da diese die für die Reaktion zur Verfügung<br />

stehende Zeit bestimmt. Zudem werden stringente Haftungsregeln und die Sensibilisierung der<br />

potenziell Betroffenen empfohlen, wodurch das Wissen und die selbstständige Reduzierung der<br />

verbleibenden Risiken ausgebaut werden können (vgl. WBGU, 1999).<br />

Für das Sturmflutrisiko im norddeutschen Küstenraum bedeutet diese Forderung eine verstärkte<br />

Forschung im Küsteningenieurswesen, um den Schutzstatus auch bei einer Veränderung der<br />

Rahmenbedingungen (z.B. durch Meeresspiegelanstieg) zu erhalten und auszubauen. Hierbei<br />

sind auch alternative Techniken zu prüfen, mit denen die Auswirkungen auf die Umwelt eingeschränkt<br />

werden können. Neben den technischen Aspekten sind auch Strategien zur Reduzierung<br />

des Schadenspotenzials zu diskutieren. Diese sind z.B. über raumplanerische Mittel zu erreichen,<br />

indem in potenziellen Überflutungsgebieten stringente Vorschriften bei Bauvorhaben geschaffen<br />

werden. Als Ultima Ratio ist auch an einen Rückzug aus hochgefährdeten Bereichen zu denken.<br />

Da im Gegensatz zu technologischen Unfällen im Falle einer Sturmflut kein direkter Verursacher<br />

des Ereignisses festgestellt werden kann, sind Haftungsregeln nur schwer umzusetzen. Obwohl<br />

die eigentlichen Risikoverursacher jene sind, die das Risiko mehr oder weniger freiwillig in Kauf<br />

nehmen, hat die Vergangenheit doch wiederholt gezeigt, dass in einem Ereignisfall das behördliche<br />

Risikomanagement bzw. der Katastrophenschutz für die negativen Folgen verantwortlich<br />

gemacht werden.<br />

Die Überflutungsereignisse an der Elbe im August 2002 haben zudem dargelegt, dass ein Großteil<br />

der Schäden nach katastrophalen Ereignissen durch staatliche Zuwendungen gedeckt werden. In<br />

diesem Zusammenhang ist zukünftig eine verstärkte Eigenverantwortung der potenziell Betroffenen<br />

zu erwirken. Dieses ist nur möglich im Zuge einer verbesserten Informationspolitik, um die<br />

Betroffenen für die bestehenden Risiken zu sensibilisieren. Problematisch ist hierbei, dass eine<br />

Absicherung möglicher Sturmflutschäden z.B. durch Elementarschadensversicherungen gegen-<br />

wärtig in Deutschland nicht möglich ist (vgl. Kap. 6.2.6.1). Trotz wiederholter Anstrengungen<br />

auch seitens der Rückversicherungen ist in naher Zukunft nicht damit zu rechnen, dass eine pri-<br />

vatwirtschaftlich betriebene Sachversicherung für die Risiken im Küstenraum angeboten wird<br />

(vgl. JACOBI et al., 2001). Eine Möglichkeit der individuellen Haftung wäre z.B. die Einrichtung<br />

<strong>von</strong> Risikofonds, in die sowohl staatliche Zuwendungen als auch Leistungen der potenziell Betroffenen<br />

fließen könnten.<br />

Eine weitere präventive Strategie im Umgang mit dem Risikotypen Damokles zielt darauf, die<br />

Resilienz (Widerstandsfähigkeit) gegenüber den Risikopotenzialen zu erhöhen. Diese hängt unmit-<br />

telbar mit dem Maß des Bewältigungspotenzials <strong>von</strong> extremen Situationen zusammen, d.h. der Art<br />

und Weise, wie die Betroffenen der Situation begegnen und welches Potenzial an Selbstorganisa-<br />

tion und Anpassungsfähigkeit sowie Wiederaufbau und Lernfähigkeit vorhanden ist und genutzt<br />

wird. Demnach spielt hierbei die Stärkung der persönlichen und institutionellen Kapazitäten eine<br />

große Rolle.


Risikomanagement<br />

So müssen solche organisatorischen Strukturen, die Einfluss auf Genehmigungsverfahren, Moni-<br />

toring und Ausbildung haben, gestärkt werden. Die schon erläuterten Haftungsregeln sind auch<br />

in diesem Zusammenhang <strong>von</strong> elementarer Bedeutung. Außerdem können verschiedene techni-<br />

sche Maßnahmen wie z.B. der Objektschutz die Widerstandsfähigkeit stärken.<br />

Für das Sturmflutrisiko bedeuten diese Empfehlungen, dass die Betroffenen im Küstenraum auf<br />

eine mögliche Extremsituation vorbereitet werden müssen. So muss die Selbstorganisation für den<br />

Ereignisfall gestärkt werden. So könnten die Schäden z.B. durch adäquate Reaktionen im Ereignis-<br />

fall minimiert werden. In Kap. 5.3 wurde gezeigt, dass diesbezüglich sowohl an der Nordsee- als<br />

auch an der Ostseeküste dringender Handlungsbedarf besteht.<br />

Die dritte Strategie ist die Sicherstellung des Katastrophenmanagements, wobei dieses lediglich<br />

interventive bzw. postventive Maßnahmen umfasst. 4 Diese Strategie ist zwar für den Ereignisfall<br />

<strong>von</strong> großer Bedeutung, sollte aber im Vergleich zu den vorsorglichen, risikoreduzierenden<br />

Instrumenten nachrangig betrachtet werden.<br />

Eine besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die Defizite des deutschen Katastro-<br />

phenschutzes, die während der Überschwemmungsereignisse im August 2002 offengelegt wur-<br />

den (vgl. KNAUP und NELLES, 2002). Zudem besteht oftmals seitens der betroffenen Personen im<br />

Krisenfall eine geringe Akzeptanz der Akteure der Katastrophenverwaltung. Um dieses Verhält-<br />

nis zu verbessern, ist möglicherweise die Einbindung ortskundiger und motivierter Bürger ein<br />

geeigneter Weg (vgl. PFEIL, 2000).<br />

Zudem sollten zur Stärkung des Katastrophenmanagements die persönlichen und institutionellen<br />

Kapazitäten zum Notfallschutz ausgebaut werden. Hierzu muss u. a. eine hohes Ausbildungsni-<br />

veau für die Notfallkräfte gewährleistet werden.<br />

Im Zusammenhang mit dem Sturmflutrisiko sind zudem die bestehenden Katastrophenschutz-<br />

pläne hinsichtlich ihrer Praktikabilität und Aktualität kritisch zu betrachten und identifizierte<br />

Defizite auszuräumen. Darüber hinaus müssen die Küstenbewohner sowie die zuständigen<br />

Einsatzkräfte für den Überschwemmungsfall vorbereitet werden. So könnten regelmäßige Not-<br />

fallübungen und Schulungen die Schäden und Verluste im Ereignisfall minimieren.<br />

Risikotyp Zyklop<br />

Beim Risikotypen Zyklop ist nach dem WBGU das Hauptproblem die Ungewissheit bei der Ein-<br />

trittswahrscheinlichkeit. Daher ist die prioritäre Strategie die Förderung der Forschung zur Ver-<br />

besserung der Abschätzungssicherheit.<br />

Für das Sturmflutrisiko lässt sich in diesem Zusammenhang feststellen, dass die Unsicherheiten<br />

der Ereignisabschätzung im Wesentlichen resultieren aus den kurzen Beobachtungszeiträumen.<br />

Dieser Mangel wird auch zukünftig nicht behoben werden können. Vielmehr ist auf der Basis der<br />

vorhandenen Zeitreihen und gängiger Verfahren der Extremwertstatistik ein probabilistischer<br />

Ansatz zu verfolgen, mit dem u. a. die Versagenswahrscheinlichkeiten <strong>von</strong> Küstenschutzsystemen<br />

berücksichtigt werden können. Für die Anwendung vorhandener Verfahren im Küstenraum sollte<br />

die Forschung vorangetrieben werden (vgl. KORTENHAUS und OUMERACI, 2002).<br />

4 Der Begriff des Katastrophenmanagements wird vielfach auch synonym mit dem Terminus Risikomanagement verwendet und umfasst<br />

dann sowohl Maßnahmen zur Prä-, Inter- und Postvention (vgl. PLATE et al. 2001: 12ff). In der vorliegenden Arbeit werden<br />

darunter ausschließlic h die reaktiven Maßnahmen während und nach einem Ereignis verstanden.<br />

195


196<br />

Risikomanagement<br />

Zudem empfiehlt der WBGU, ein internationales Monitoring durch nationale und internationale<br />

Risikozentren zu installieren. Dabei setzt der Beirat auf die Einrichtung eines UN Risk Assessment<br />

Panels dessen Aufgabe darin besteht, die nationalen Risikozentren zu vernetzen und Erkenntnisse<br />

über Risiken zu sammeln und auszuwerten (ebd., 1999).<br />

Die zweite Handlungsstrategie soll unerwünschten Überraschungen vorbeugen und die Gesellschaft<br />

dagegen absichern. Dafür sind u. a. technische Maßnahmen, die präventive Stärkung der Kapazi-<br />

täten zur Überwachung und Ausbildung sowie verschiedene Haftungsregeln zu installieren, die<br />

schon im Rahmen des Risikotypen Damokles erläutert wurden.<br />

Auch die dritte Strategie, die Sicherstellung des Katastrophenmanagements, entspricht dem Risikotypen<br />

Damokles.<br />

In Tabelle 6.2 sind die empfohlenen Strategien und Maßnahmen im Umgang mit Naturgefahren<br />

zusammengefasst.<br />

Tab. 6.2: Prioritäre Strategien und Maßnahmen für den Umgang mit Naturgefahren<br />

(Quelle: nach WBGU, 1999)<br />

Risikotyp Strategien Maßnahmen<br />

Damokles<br />

Hauptproblem:<br />

hohes Katastrophenpotenzial<br />

Zyklop<br />

Hauptproblem:<br />

Ungewissheit bei der<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

1. Katastrophenpotenzial reduzieren<br />

2. Resilienz erhöhen<br />

3. Katastrophenmanagement sichern<br />

1. Eintrittswahrscheinlichkeit ermitteln<br />

2. Gegen Überraschungen vorbeugen • s. o.<br />

3. Katastrophenmanagement sichern • s. o.<br />

• Forschung zur Verringerung des Katastrophenpotenzials z.B. durch neue<br />

bzw. verbesserte technische Maßnahmen im Objektschutz und in der Vorhersage<br />

extremer Ereignisse;<br />

• Einsatz technischer Schutzmaßnahmen;<br />

• Reduzierung des Schadenspotenzials (raumplanerische Maßnahmen z.B.<br />

stringente Bauvorschriften, Rückzug);<br />

• Sensibilisierung der Bevölkerung;<br />

• Stringente Haftungsregeln (Stärkung der Eigenverantwortung, Einrichtung<br />

<strong>von</strong> Haftungsfonds, Schaffung der Möglichkeit <strong>von</strong> Elementarschadensversicherungen);<br />

• Stärkung der persönlichen und institutionellen präventiven Kapazitäten<br />

(Genehmigung, Monitoring, Ausbildung);<br />

• Hilfe zur Selbsthilfe;<br />

• Einsatz technischer Maßnahmen (z.B. Objektschutzmaßnahmen);<br />

• Haftungsregeln;<br />

• Finanzielle Rücklagen;<br />

• Stärkung der persönlichen und institutionellen interventiven und postventiven<br />

Kapazitäten zum Notfallschutz;<br />

• Prüfung vorhandener Katastrophenschutzpläne und Identifizierung und<br />

Behebung <strong>von</strong> Defiziten;<br />

• Notfallübungen;<br />

• Forschung zur Ermittlung der Eintritts- bzw. Schadenswahrscheinlichkeit<br />

(Probabilistik);<br />

• Internationales Monitoring durch nationale und internationale Risikozentren<br />

sowie Einrichtung eines UN Risk Assessment Panels;<br />

Abschließend lassen sich auf der Basis der Empfehlungen der WBGU folgende generelle Strategien<br />

für das Management <strong>von</strong> Naturrisiken festhalten:<br />

• Katastrophenpotenzial reduzieren;<br />

• Eintrittswahrscheinlichkeit ermitteln;<br />

• Resilienz erhöhen und gegen Überraschungen vorbeugen;<br />

• Katastrophenmanagement sichern.


6.2 Elemente des Risikomanagements<br />

Risikomanagement<br />

Nach den Erläuterungen zur Klassifizierung <strong>von</strong> Risiken und den daraus abzuleitenden prioritä-<br />

ren Instrumenten des Risikomanagements sollen im Anschluss die wichtigsten Elemente diskutiert<br />

werden, die für einen modernen Managementprozess <strong>von</strong> Bedeutung sind. Dieses sind ein<br />

Kooperationsnetzwerk , die Organisation des Verfahrens und Restriktionen sowie ein Zielfin-<br />

dungsprozess, aus dem sich die Strategien und Maßnahmen ableiten lassen (Abb. 6.2).<br />

Abb. 6.2: Elemente eines integrativen Risikomanagementverfahrens<br />

Das zentrale Verfahrenselement ist das Kooperations-Netzwerk, in dem die verschiedenen Ak -<br />

teure am Planungsprozess beteiligt werden. Der Aufbau eines zentralen Netzwerkes, ermöglicht<br />

die Integration unterschiedlicher Perspektiven und Interessen in einem Gesamtkonzept der Risi-<br />

kobetrachtung (vgl. Kap. 2.6). Auf der Basis des akzeptierten Risikos (als Ergebnis der Risikobe-<br />

wertung) und des spezifischen Risikos (als Resultat der Risikoanalyse) sollen hier möglichst eine<br />

konsensuelle Zielvorstellung artikuliert sowie verschiedene Strategien und Maßnahmen geplant<br />

und umgesetzt werden.<br />

In Kapitel 5.1 wurde festgestellt, dass der Partizipation <strong>von</strong> und Kooperation mit einer breiten Öf-<br />

fentlichkeit zukünftig eine besondere Bedeutung im Planungs- und Managementverfahren zu-<br />

kommen wird. Daher wird den Erläuterungen hierzu in dieser Arbeit ein entsprechend großer<br />

Raum eingerichtet.<br />

Bewertung Analyse<br />

Monitoring<br />

6.2.2 Organisation Implementierung<br />

6.2.3 Restriktionen<br />

6.2.4. Zielfindung<br />

Leitbilder<br />

akzeptiertes spezifisches<br />

Risiko<br />

6.2.1 Kooperations-Netzwerk / Partizipation<br />

optimiertes<br />

Management<br />

6.2.6 Maßnahmen<br />

Prävention<br />

Operationelle Ziele<br />

6.2.5 Strategien<br />

Strategische Ziele<br />

Reaktion<br />

197


198<br />

6.2.1 Kooperation und Partizipation<br />

Risikomanagement<br />

In vielen Lebensbereichen schließen sich Akteure zusammen, um im Rahmen <strong>von</strong> Netzwerken<br />

Informationen und Erfahrungen auszutauschen oder Kooperationsprojekte durchzuführen. Zukünftig<br />

sind auch für das regionale und lokale Management <strong>von</strong> Naturrisiken Netzwerke aufzu-<br />

bauen, in denen u. a. die Bevölkerung beteiligt wird.<br />

Auch wenn sich Kooperation und Partizipation in der Praxis überschneiden und daher nicht strikt<br />

zu trennen sind werden diese im klassischen Sinne nicht miteinander gleichgesetzt.<br />

Partizipation ist auf die Beteiligung der Bevölkerung an Planung und deren Umsetzung ausge-<br />

richtet. Sie dient u. a. der Ideenfindung und der Legitimation. In Planungsprozessen ist sie ein<br />

formales Erfordernis bei der Erarbeitung und Genehmigung <strong>von</strong> Plänen, wobei die Interaktionsformen<br />

meistens auf einen Plan oder ein Projekt hin ausgerichtet sind. Partizipation unterstellt<br />

hierbei einen zentralen Entscheidungsprozess innerhalb des politisch-administrativen S ystems, an<br />

dem Dritte lediglich teilhaben (vgl. Kap. 6.2.1.2).<br />

Demgegenüber wird dieser Entscheidungsprozess in der Kooperation nach außen verlagert zwi-<br />

schen die Akteure aus den Sphären <strong>von</strong> Markt, Staat und privaten Haushalten (SELLE, 1994).<br />

Hierbei sollen Handlungspotenziale der Akteure genutzt werden, um Entwicklungsprozesse in<br />

Gang zu setzen. Die Zusammenarbeit in Netzwerken ist im Wesentlichen informell und Kontakte<br />

sind überwiegend multilateral organisiert (MÜLLER, 2002).<br />

Die Begriffe der Partizipation und Kooperation sind wichtige Aspekte der aktuellen planungsthe-<br />

oretischen Diskussion. Im Folgenden werden drei der wichtigsten Planungstheorien innerhalb des<br />

communicative approach beschrieben. Dies sind für den deutschsprachigen Raum das Konzept <strong>von</strong><br />

KLAUS SELLE (Kap. 6.2.1.1), für den englischsprachigen Raum das <strong>von</strong> JOHN FORESTER<br />

(Kap. 6.2.1.2) und das <strong>von</strong> HORST RITTEL (Kap. 6.2.1.3), das sowohl im englischen als auch im<br />

deutschen Sprachraum große Bedeutung erlangt hat (vgl. MÄRKER, 1999).<br />

6.2.1.1 Planung als kooperatives Handeln<br />

Die Ausgangsthese des deutschen Planungswissenschaftlers KLAUS SELLE besagt, dass Planung<br />

generell ständigen Veränderungen unterlegen ist. Dabei bewegen sich die Veränderungen nicht<br />

im Rahmen der Weiterentwicklung des bestehenden planerischen Handwerkszeugs, sondern in<br />

der Entstehung neuer Handlungs- und Organisationsformen. SELLE unterscheidet zwei verschie-<br />

dene Entwicklungen: Die erste liegt in einer Deregulierung der Planung im Sinne eines gesetzlich<br />

getragenen Abbaus und damit in einer Reduzierung des öffentlichen Auftrags zur Mitwirkung an<br />

der räumlichen Entwicklung.<br />

Eine zweite Entwicklung zeigt sich in der Herausbildung neuer Arbeits- und Organisationsfor-<br />

men hin zum kooperativen Handeln, wobei der öffentliche Auftrag beibehalten wird (ebd., 1994).


Risikomanagement<br />

Die zukünftige Aufgabe lautet nach SELLE: „…aktivieren, Eigenaktivitäten zulassen und fördern,<br />

Einstellungen und Verhalten verändern, endogene Potentiale mobilisieren - all dies Tätigkeiten,<br />

die nicht zum traditionellen Planungsverständnis gehören" (ebd., 1994: 20).<br />

Da die klassischen Beteiligungsverfahren keinen Dialog fördern, keine Lernprozesse ermöglichen<br />

und zu langsam sind müssen laut SELLE hoheitliche Handlungsformen des Staates durch nicht-<br />

hierarchische, für Konsensprozesse offene, Instrumentarien und Verfahrensweisen ersetzt werden.<br />

Seine Forderung lautet: Der Eingriffsstaat muss zum kooperativen Staat werden. Doch mit der<br />

Deregulierung darf nicht die Chance der hoheitlichen Intervention aufgegeben werden, da hierdurch<br />

ein Rückfall in ungesteuerte Prozesse und damit die Gefahr der systematischen Benachtei-<br />

ligung durchsetzungsschwacher Belange zu befürchten wäre.<br />

Schließlich folgert SELLE, dass eine neue Verfahrenskultur geschaffen werden muss, in der regulati-<br />

ves hoheitliches Handeln durch Elemente der Kooperation ergänzt und nicht etwa ersetzt wird.<br />

Dabei gibt Planung ihre leitende Rolle auf und wird ein Akteur unter anderen<br />

(ebd., 1994: 46; vgl. LANZ, 1996).<br />

In Abbildung 6.3 ist der traditionelle Planungsansatz einem kooperativen Planungsverständnis<br />

gegenübergestellt.<br />

DeAD -Modell<br />

Intern beraten<br />

Intern beschließen<br />

verkünden<br />

verteidigen<br />

Abb. 6.3: Traditionelles und kooperatives Planungsverständnis<br />

(Quelle: nach MÜLLER, 2002)<br />

Demnach orientiert sich die klassische Planung im Extrem an dem DeAD-Modell 5 , nach dem im<br />

Anschluss an eine behördeninterne Beratung und Beschlussfassung die Entscheidung präsentiert<br />

und vor einer breiten Öffentlichkeit verteidigt wird. Diese identifiziert sich aber letztlich nicht<br />

zwangsläufig mit den Ergebnissen der Planung.<br />

5 DeAD-Modell: Decide internally, Announce and Defend.<br />

Kooperations-<br />

Modell<br />

Gemeinsam<br />

Ideen<br />

sammeln<br />

Gemeinsam<br />

beraten<br />

Gemeinsam<br />

entscheiden<br />

Kooperativ<br />

umsetzen<br />

199


200<br />

Risikomanagement<br />

Demgegenüber steht der kooperative Ansatz, bei dem zunächst auf kooperativem Weg Ideen<br />

gesammelt und beraten werden, um dann gemeinsame Beschlüsse herbeizuführen, die als Grund-<br />

lage für eine kooperative Umsetzung fungieren. Akteure werden also schon während des Pla-<br />

nungsprozesses mobilisiert, um <strong>von</strong> der staatlichen Planung zu mehr privater Initiative und zu<br />

einem stärkeren zivilgesellschaftlichen Engagement zu kommen (MÜLLER, 2002).<br />

In Tabelle 6.3 sind die elementaren Merkmale der Kooperation nach SELLE zusammengefasst.<br />

Tab. 6.3: Merkmale kooperativer Planung<br />

(Quelle: SELLE, 1994: 80)<br />

Dimension Merkmale Gegenpol<br />

Struktur Nicht hierarchisch: Heterarchie, Netzwerk Hierarchisch<br />

Beziehung<br />

Form Vielfältig<br />

Ortsbezug<br />

Tauschförmig, auf Verhandlungen<br />

basierend, dialogisch<br />

Vom Ort ausgehend, auf endogene Potenziale<br />

gerichtet<br />

Direktiv, monologisch<br />

Eindeutig, vorgeschriebene Formen und<br />

Verfahren<br />

Ortsunspezifisch, generalisiert<br />

Ergebnisorientierung Handlungs-/projektorientiert Auf die Erstellung eines Planes ausgerichtet<br />

Aufgabenverständnis Pragmatisch-integrativ (Alltagsbezug) Technokratisch-segmentiert<br />

Zielbezug Offen, multivalider Prozess Definiertes Ziel<br />

Akteursbezug Teiloffen (selektive Einbeziehung) Abgeschottet (DeAD)<br />

Kommunikationsprozess<br />

Auf gemeinsame Erörterung ausgerichtet<br />

(Runder Tisch)<br />

Folge <strong>von</strong> Abstimmungsschritten (Korridor)<br />

Entscheidungsprozess Konsensorientiert Einseitige Entscheidung<br />

Planungs-, Handlungsverlauf Parallel, gleichzeitig Unlinear<br />

Zeit (Veränderbarkeit) Dynamisch, instabil Stabil, dauerhaft, unflexibel<br />

Der Autor weist aber auch darauf hin, dass Kooperation nicht per se positiv ist und auch zahlreiche<br />

Probleme und Nachteile in sich birgt. Da Kooperationsverfahren umso zielstrebiger arbeiten<br />

können, je geringer die Zahl der Beteiligten ist, wird nur eine begrenzte Anzahl an Akteuren zu-<br />

gelassen. So ist das Hauptproblem die soziale Selektivität der Beteiligung an Kooperationsverfahren.<br />

Durch die selektive Auswahl der Kooperanden besteht die Gefahr, dass systematisch nur solche<br />

Akteure berücksichtigt werden, die für die Umsetzung eines Vorhabens strategisch wichtig, also<br />

finanziell oder politisch mächtig sind. Zudem gibt es inhaltliche Probleme. So werden Projekt-<br />

ziele, die über die Leistungsfähigkeit und Konsensbereitschaft der Beteiligten hinausreichen, u. U.<br />

überhaupt nicht erst formuliert. Gerade Themen, die auf hohem Konfliktniveau liegen, laufen<br />

Gefahr, nicht bearbeitet zu werden. Projekte drohen damit zu Vorzeige- und Alibiprojekten zu<br />

werden (LANZ, 1996).<br />

Um zu verhindern, dass kooperative Planung ohne Wertorientierung und ohne ethische Dimension<br />

zum reinen Interessensmanagement verkommt, empfiehlt SELLE Standards für die neuen Ver-<br />

fahren. So müssen Arbeits- und Organisationsformen durch Transparenz, Beteiligungsoffenheit<br />

und das Erreichen aller relevanten Akteure zu einer demokratischen Entwicklung beitragen.


Risikomanagement<br />

Die Tabelle 6.4 zeigt die Voraussetzungen für kooperative Verfahren. Das Grundprinzip der normativen<br />

Standards ist hierbei der faire Prozess (vgl. RAYNER und CANTOR, 1987; ROHRMANN, 1990).<br />

Dieser setzt voraus, dass allen Betroffenen die Beteiligung möglich ist, dass sie den gleichen Zu-<br />

gang zu Informationen und gleiche Verhandlungsmacht haben und dass bei allen die gleiche argumentative<br />

Fähigkeit und die gleiche kommunikative Kompetenz aufgebaut werden kann<br />

(LANZ, 1996).<br />

Tab. 6.4: Voraussetzungen kooperativer Verfahren<br />

(Quelle: SELLE, 1994: 102)<br />

Voraussetzung Fragen<br />

Information und Transparenz<br />

Lasten und Nutzen<br />

Glaubwürdigkeit und Vertrauen<br />

Teilhabe und Einfluss<br />

6.2.1.2 Planung als kommunikatives Handeln<br />

• Ist der Gegenstand, über den diskutiert werden soll, klar?<br />

• Werden die daran geknüpften Absichten und Interessen der verschiedenen Beteiligten<br />

offengelegt?<br />

• Sind Handlungs- und Entscheidungsspielräume für die Entwicklung <strong>von</strong> Konzept und<br />

Projekten bekannt?<br />

• Sind Informationen über Ziele, Konzepte, Folgen, Handlungsspielräume usw.<br />

grundsätzlich allen Beteiligten gleichermaßen zugänglich?<br />

• Werden komplexe Sachverhalte, Spezialwissen usw. in verständlicher Form dargestellt?<br />

(Man muss gegebenenfalls Advokaten oder Dolmetscher für einzelne Beteiligtengruppen<br />

anbieten.)<br />

• Ist der Entscheidungs- und Aushandlungsprozess transparent, der Verfahrensstand für<br />

alle Beteiligten deutlich?<br />

• Sind Vor- und Nachteile, Lasten und Nutzen bekannt?<br />

• Treten Lasten und Nutzen zeitlich oder räumlich in einem erkennbaren Zusammenhang<br />

auf, sind sie sozial ausgewogen verteilt?<br />

• Ergibt sich aus der Sicht der Beteiligten eine positive Bilanz?<br />

• Bietet die Kooperation ausreichend Anreize, einvernehmliche Lösungen zu finden?<br />

• Herrscht zwischen allen Beteiligten ein gewisses Grundvertrauen? (das ist am ehesten<br />

durch klaren Nutzen des Konzeptes und Transparenz des Verfahrens zu sichern.)<br />

• Teilhabe an Informationen allein reicht nicht; es ist auch Teilhabe an Entscheidungen<br />

notwendig. Das heißt: Sind die kooperativen Handlungsformen mit einem Minimum an<br />

Entscheidungsmacht ausgestattet?<br />

Wie in Kapitel 5.1.3.1 gezeigt werden konnte, war der Ausgangspunkt der Risikokommunikationsforschung<br />

die Frage nach der Art und Weise, wie Akteure über ein Risiko kommunizieren und<br />

welche Defizite und Verbesserungen im kommunikativen Umgang mit Risiken daraus abzuleiten<br />

sind. So wurde versucht, mit verschiedenen Glaubwürdigkeits- und Informationsstrategien das<br />

Ansehen und die Akzeptanz der Risikodarstellung zu erhöhen.<br />

Wir kamen hierbei zu dem Schluss, dass Konsens weniger durch Schulung zu erreichen ist, als<br />

vielmehr durch einen gesellschaftlichen Diskurs und Partizipation, wobei die Qualität der Kommu-<br />

nikation ausschlaggebend ist (vgl. OTWAY und WYNNE, 1993).<br />

Diesen Ansatz verfolgt auch der US -amerikanische Planungstheoretiker JOHN FORESTER (1985,<br />

1989), indem er die Theorie des kommunikativen Handelns <strong>von</strong> Jürgen Habermas auf die<br />

Planungspraxis überträgt. Diese betrachtet soziale und politisch-ökonomische Strukturen als<br />

operative Kommunikationsstrukturen und beschreibt die Idealvorstellung einer konsensorien-<br />

tierten, herrschaftsfreien Kommunikation (LANZ, 1996).<br />

201


202<br />

Risikomanagement<br />

Ausgangspunkt FORESTERs ist das Verständnis der Planung als kommunikatives Handeln. Ohne<br />

die Kommunikation wäre eine Planung nicht denkbar: „Planning problems would be inexpressi-<br />

ble, and practical action would be impossible.” (FORESTER, 1989: 143)<br />

Entscheidend für die Qualität einer Planung ist hierbei die Qualität der Kommunikation. Basie-<br />

rend auf der Idee einer konsensorientierten, herrschaftsfreien Kommunikation analysiert FO-<br />

RESTER für die Planungspraxis systematische Verzerrungen der Kommunikationsstrukturen, die<br />

das Leben der Gesellschaft in fortgeschrittenen Industriegesellschaften beherrschen. So werden<br />

diese verzerrt, um Macht abzusichern und auszudehnen (ebd., 1989).<br />

FORESTER leitet aufbauend auf der Universalpragmatik <strong>von</strong> Habermas universelle Normen für eine<br />

unverzerrte Kommunikation ab. Diese umfassen die Geltungsansprüche (LANZ, 1996: 25f):<br />

• Verständlichkeit einer Aussage;<br />

• Wahrhaftigkeit oder Aufrichtigkeit einer Aussage (als Gegensatz zur Lüge oder Täuschung);<br />

• Richtigkeit einer Aussage; Sie bezieht sich auf das soziale Regelwerk. Das heißt, es wird vorausgesetzt,<br />

dass jemand legitimiert ist, das zu sagen, was er sagt.<br />

• Wahrheit einer Aussage; Sie bezieht sich auf den Unterschied zwischen Tatsache und Phantasie bzw.<br />

zwischen Realität und Ideologie.<br />

Werden diese Normen verletzt, dann führt das im Planungsprozess u. a. zu Unglaube, Misstrauen<br />

und Angst (FORESTER, 1989: 144).<br />

Durch eine systematische Verletzung der Normen kann entweder auf persönlicher oder auf<br />

struktureller Ebene (planerisch-organisatorisch u. politisch-ökonomisch) Macht ausgeübt werden<br />

(vgl. FORESTER, 1985: 213). In der Tabelle 6.5 sind die vier Grundtypen der Machtausübung darge-<br />

stellt.<br />

Tab. 6.5: Machtausübung durch Verletzung universalpragmatischer Normen<br />

(Quelle: MÄRKER, 1999)<br />

Universalpragmatische Norm Ausübung <strong>von</strong> Macht durch … Beispiel<br />

Verständlichkeit<br />

Aufrichtigkeit<br />

Richtigkeit<br />

Wahrheit<br />

Mobilisierung einer ungleich zugänglichen<br />

Verständlichkeit (problem framing)<br />

Manipulation <strong>von</strong> Vertrauen und Abhängigkeit<br />

(false assurance)<br />

Inanspruchnahme <strong>von</strong> Mythen, Vorrangpositionen,<br />

Tradition, Ideologie usw., um Handlungen<br />

zu legitimieren und Zustimmung zu<br />

erlangen (illegitimacy)<br />

Kontrolle über technische und faktische<br />

Information (misrepresentation)<br />

Verdecken <strong>von</strong> wichtigen Fragen bzw.<br />

Problemen durch Fachjargon oder durch<br />

Informationsüberflutung<br />

Hinzuziehung <strong>von</strong> angesehenen Personen, um<br />

Vertrauen zu gewinnen (unabhängig vom<br />

eigentlichen Thema)<br />

Delegieren eines (politischen) Problems an<br />

Experten, da es angeblich nur durch diese (als<br />

technisches Problem) gelöst werden kann<br />

Bevor Entscheidungen gefällt werden<br />

(sollen): Kosten, Nutzen, Risiken einer<br />

Maßnahme werden falsch dargestellt.<br />

Gegenüber diesen Formen der Machtausübung müssen im Sinne einer Demokratisierung der Pla-<br />

nung Formen planerischen Handels gefunden werden, mit denen den kommunikativen Verzerrungen<br />

entgegengewirkt werden kann.


Risikomanagement<br />

Dabei dienen folgende Fragen als Basisorientierung einer demokratischen Planungspraxis<br />

(FORESTER 1985, zit. in LANZ, 1996: 28):<br />

• Ist die planerische Kommunikation verständlich, so dass <strong>von</strong> allen Planungsbetroffenen zum einen die<br />

Vorgänge einer entsprechenden planerischen Handlung verstanden und zum anderen richtig in den ent-<br />

sprechenden Kontext eingeordnet werden können?<br />

• Ist die planerische Kommunikation aufrichtig und erfolgt sie in guter Absicht, oder werden ZuhörerInnen<br />

manipuliert, getäuscht und in falsche Richtungen gelenkt?<br />

• Ist die planerische Kommunikation - bezogen sowohl auf die Rolle der jeweiligen PlanerInnen als auch<br />

auf die Rolle anderer interessierter oder beteiligter AkteurInnen - richtig im Sinne <strong>von</strong> legitim, oder zie-<br />

hen PlanerInnen und andere AkteurInnen unfaire Vorteile aus ihrer jeweiligen professionellen (Macht-)<br />

Position?<br />

• Ist die planerische Kommunikation wahr, werden dem planerischen Handeln richtige Informationen zu<br />

Grunde gelegt, oder werden falsche oder nicht vollständige Informationen herangezogen?<br />

Sind anhand dieser Fragen die Verzerrungen identifiziert, so kann diesen nach FORESTER mit un-<br />

terschiedlichen Maßnahmen begegnet werden. Diese sind in Tabelle 6.6 dargestellt.<br />

Tab. 6.6: Maßnahmen gegen die Kommunikationsverzerrung in der Planung<br />

(Quelle: FORESTER, 1985, zit. in LANZ, 1996: 32)<br />

Ebenen Face to Face - Ebene Planerisch-organisatorische Ebene Politisch-ökonomische Ebene<br />

Verständlichkeit<br />

Aufrichtigkeit<br />

Richtigkeit<br />

Offenlegung der Bedeutung <strong>von</strong> Planungsinhalten<br />

und Kontexten<br />

Überprüfung der Absichten der Planungsbeteiligten<br />

Festlegung und Klärung <strong>von</strong> Rollen<br />

und Kontexten<br />

Wahrheit Überprüfung <strong>von</strong> Informationen<br />

Minimierung <strong>von</strong> Fachjargon, Gründung<br />

Öffentlicher Überprüfungskommitees<br />

Organisation <strong>von</strong> AnwältInnen, Netzwerkbildung,<br />

Erweiterung der<br />

Kontaktstrukturen<br />

Partizipatorische Entscheidungsfindung,<br />

Überprüfung Betroffener<br />

Nutzung <strong>von</strong> unabhängigen Drittgutachten<br />

Entmystifizierung<br />

Sichtbarmachung nicht geäußerter<br />

Interessen<br />

Demokratisierung des Staates,<br />

Politisierung der Planung<br />

Institutionalisierung demokratischer<br />

Debatten und politischer Kritik<br />

Als einzelne kommunikative Strategien, die auf diese Prinzipien aufbauen, nennt FORESTER vor<br />

allem folgende (vgl. ebd., 1985: 219):<br />

• Kultivierung <strong>von</strong> kommunikativen Community-Netzwerken, um Information zu erhalten und zu verbrei-<br />

ten;<br />

• sorgfältiges Zuhören, um Interessen und Belange der im Planungsprozess Beteiligten und daraus sich<br />

ergebende politische Hindernisse, Konflikte und Möglichkeiten abschätzen zu können;<br />

• Feststellen <strong>von</strong> bzw. Zugehen auf schlecht organisierte Interessen in der Regel schwächerer<br />

gesellschaftlicher Gruppen im Hinblick auf eine Umverteilung der Einflussmöglichkeiten;<br />

• Qualifizierung <strong>von</strong> Bürgern sowie <strong>von</strong> Community- und Nachbarschaftsorganisationen im Hinblick auf<br />

Planungsprozesse und Spielregeln; Vermittlung <strong>von</strong> Informationen über Veranstaltungen, Planungsin-<br />

halte etc. an Bürger und organisierte Gruppen zur Ermöglichung qualifizierter Partizipation;<br />

• Entwicklung <strong>von</strong> kommunikativem Handwerkszeug für Gruppenarbeit und Konfliktsituationen;<br />

• Anregung unabhängiger Gutachten und Berichte zur Überprüfung laufender oder abgeschlossener Pla-<br />

nungsprojekte.<br />

203


204<br />

6.2.1.3 Planung als argumentativer Prozess<br />

Risikomanagement<br />

Nach RITTEL (1972) und RITTEL und WEBBER (1973) erfordern Planungsprobleme aufgrund ihrer<br />

bösartigen Eigenschaften (vgl. MÄRKER, 1999: 23ff) eine spezielle methodische Behandlung. Die<br />

Autoren entwickelten den sog. Systemansatz der 2. Generation, welcher auf einem Modell beruht,<br />

das Planung als einen argumentativen Prozess versteht (Abb. 6.4).<br />

Erzeugung hoher Varietät<br />

<strong>von</strong> Ideen, Fragen,<br />

Positionen und Argumenten<br />

Reduzierung der Varietät<br />

durch Argumentation<br />

Iterativ-argumentativer<br />

Planungsprozess<br />

Erzeugung hoher Varietät<br />

<strong>von</strong> Ideen, Fragen,<br />

Positionen und Argumenten<br />

Reduzierung der Varietät<br />

durch Argumentation<br />

Abb. 6.4: Iterativ-argumentativer Planungsprozess<br />

(Quelle: MÄRKER, 1999: 28)<br />

Der Ansatz ist durch folgende Kriterien gekennzeichnet (MÄRKER, 1999: 26f):<br />

• Möglichst viele und möglichst viele unterschiedliche Personen müssen gleichberechtigt an einer Planung<br />

beteiligt werden. Wissen und Nicht-Wissen bezüglich der Planungsprobleme ist gleichmäßig über alle<br />

Beteiligten verteilt (Symmetrie der Ignoranz).<br />

• Die besten Experten sind diejenigen, die <strong>von</strong> einer Planung bzw. angestrebten Lösung betroffen sind, da<br />

sie als Betroffene im Hinblick auf mögliche Auswirkungen das beste Expertenwissen haben.<br />

• Umgekehrt folgt daraus, dass Betroffene nicht verplant werden wollen. Daher sind diese nicht nur zu<br />

befragen, sondern aktiv in den Planungsprozess einzubinden.<br />

• Im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Verfahren sind jene der Planung nicht objektiv, da hierbei<br />

entscheidend ist, wer den Planungsprozess durchführt. Denn Planungsprobleme werden nicht auf der<br />

Grundlage <strong>von</strong> wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf der Basis <strong>von</strong> Entscheidungen gelöst, wel-<br />

che wiederum Ausdruck persönlicher moralischer und ethischer Einstellungen sind. Um jeden Pla-<br />

nungsschritt nachvollziehbar und überprüfbar zu gestalten, müssen Methoden eingesetzt werden, die<br />

einen transparenten Planungsprozess und damit eine Offenlegung persönlicher Prämissen ermöglichen.<br />

• Da Planung auf Entscheidungen und Urteilen basiert und daher nicht objektiv bzw. wissenschaftlich ist,<br />

kann es letztendlich auch keine Experten im klassischen Sinne geben, die ihre Entscheidungen durch<br />

mehr oder besseres Wissen legitimeren.<br />

Planungsproblem?<br />

Diskussion über Fragen<br />

durch Positionen und<br />

Argumente<br />

Deliberative<br />

Entscheidung<br />

Planungsproblem!<br />

Diskussion über Fragen<br />

durch Positionen und<br />

Argumente<br />

Deliberative<br />

Entscheidung<br />

Ergebnis<br />

Umsetzung<br />

Lösung(sschritt)


Risikomanagement<br />

Da es keine objektive Urteilsbewertung geben kann, müssen Methoden eingesetzt werden, die den<br />

Austausch <strong>von</strong> Informationen über die Grundlagen eines Urteils ermöglichen.<br />

• Daraus folgt, dass Planer keine Experten sind, die fertige Lösungen anbieten, sondern höchstens Exper-<br />

ten für den Prozess zur Behandlung der Planungsprobleme.<br />

• Dieser Prozess muss als ein argumentativer Prozess verstanden werden. Argumentativ bedeutet, dass<br />

dieser so zu organisieren ist, dass wiederholt Fragen aufgeworfen werden, zu denen alle Beteiligten Po-<br />

sitionen formulieren, die durch unterstützende oder ablehnende Argumente solange diskutiert werden,<br />

bis jeweils eine Entscheidung gefällt werden kann. Hierdurch sollen nicht nur die Grundlage <strong>von</strong> Ent-<br />

scheidungen offen gelegt (Objektifizierung), sondern auch eine Beratschlagung (Deliberierung) <strong>von</strong> Urtei-<br />

len und Entscheidungen ermöglicht werden. Am Ende dieses iterativen Prozesses stehen jeweils delibe-<br />

rative Urteile und Entscheidungen, sprich Urteile und Entscheidungen, die argumentativ untermauert<br />

wurden.<br />

Für das Management <strong>von</strong> Naturrisiken stellt sich die Frage, welche Kriterien für einen partzipativen<br />

und kooperativen Planungsprozess (z.B. zur Entwicklung <strong>von</strong> Zielen, Strategien und Maß-<br />

nahmen zum Schutz vor Gefahren) aus den erläuterten Theorien abzuleiten sind.<br />

Eine Synthese der verschiedenen Konzepte ergibt folgende Forderungen für eine innovative<br />

kommunikativ orientierte Partizipations- und Kooperationspraxis:<br />

1. In die Planung sind frühzeitig und aktiv möglichst viele und möglichst viele unterschiedliche Akteure<br />

aus den Bereichen Staat, Markt und Gesellschaft einzubinden. Hierbei sind insbesondere schwache und<br />

nicht organisierte Gruppen sowie direkt <strong>von</strong> dem Problem und der Planung betroffene Personen zu<br />

beteiligen.<br />

2. Trotz der Deregulierung bleibt die Möglichkeit staatlicher Intervention.<br />

3. Zur Führung des Verfahrens und Initiierung und Stabilisierung der Kommunikationsprozesse können<br />

unabhängige Moderatoren eingesetzt werden.<br />

4. Im Verfahren sind alle Akteure gleich. Es gibt keine Definitionsmacht und demnach auch keine Exper-<br />

ten.<br />

5. Auf der Basis möglichst vieler Informationsquellen muss die Kommunikation in offenen Prozessen und<br />

zwischen allen Akteuren gleichzeitig ablaufen. Hierzu sollten Kommunikations- bzw. Kooperations-<br />

netzwerke kultiviert und eine allseits verständliche Sprache verwendet werden.<br />

6. Der Planungsprozess muss offen, transparent und fair sowie argumentativ und iterativ gestaltet werden.<br />

Das heißt, dass Lösungen und Wege zu Lösungen nicht <strong>von</strong> Beginn an festgelegt, alle Verfahrensschritte<br />

für alle Beteiligten deutlich und verständlich gemacht, persönliche Prämissen und Interessen offengelegt<br />

und eine Vielzahl <strong>von</strong> Problem- und Lösungsvarianten gleichberechtigt entwickelt und diskutiert wer-<br />

den.<br />

7. Hauptziele des Verfahrens sind die Artikulation einer gemeinsamen Problemsicht, die Beurteilung aller<br />

Interessen, die Initiierung <strong>von</strong> Lernprozessen sowie eine partizipatorische, deliberative Entscheidungs-<br />

findung in einem intermediären Bereich.<br />

Die Verfahrenskriterien sind die Pfeiler eines innovativen und progressiven Management- und<br />

Planungsverständnisses. Doch führt der damit verbundene Wandel in der Planung per se auch zu<br />

Problemen.<br />

205


206<br />

Risikomanagement<br />

So hat sich in vielen Verfahrensabläufen gezeigt, dass mit der Beteiligung einer großen Anzahl<br />

<strong>von</strong> Akteuren die Grenzen der Machbarkeit erreicht bzw. überschritten werden, denn die Pro-<br />

zesse werden umso träger, je mehr Personen beteiligt werden. Außerdem wird die ohnehin schon<br />

problematische Konsensbildung hierdurch zusätzlich erschwert.<br />

In der Praxis werden demnach je nach Problemstellung, Bedeutung und Tragweite der Entschei-<br />

dungen sowie der zur Verfügung stehenden Ressourcen unterschiedliche Varianten <strong>von</strong> Pla-<br />

nungsverfahren eingesetzt. Je mehr Kriterien eines demokratischen Planungsprozesses hierbei<br />

berücksichtigt werden, desto eher können identifizierte Probleme und Konflikte so bearbeitet<br />

(nicht zwangsläufig gelöst) werden, dass Entscheidungen und Lösungsvorschläge <strong>von</strong> einer breiten<br />

Öffentlichkeit getragen werden.<br />

Den universellen Königsweg in der Planung und im Problemmanagement wird es aber auch in Zu-<br />

kunft nicht geben. Vielmehr müssen für spezifische Situationen flexible Verfahren zum Einsatz<br />

kommen, die an die jeweiligen Rahmenbedingungen und Anforderungen angepasst werden können.<br />

Hierfür steht mittlerweile ein umfangreicher Werkzeugkasten mit zahlreichen Beteiligungsver-<br />

fahren zur Verfügung.<br />

6.2.1.4 Partizipation<br />

Nach den planungstheoretischen Ansätzen und der Ableitung grundsätzlicher Verfahrenskriterien,<br />

soll die Partizipation im klassischen Sinne einer Bürgerbeteiligung erläutert werden. Ziel ist<br />

es hierbei den gesetzlichen Rahmen, die Vorteile und Probleme sowie die bestehenden Verfahren<br />

zu skizzieren. Dieses geschieht vor dem Hintergrund, dass Partizipation gegenwärtig nur in Aus-<br />

nahmefällen auf der Basis der in Kap. 6.2.1.3 definierten Prinzipien ermöglicht wird.<br />

Die Begriffe der Bürgerbeteiligung und Partizipation werden in der Literatur, in Bezug auf Pla-<br />

nungsvorhaben synonym verwendet. In juristischer Hinsicht existiert keine allgemeingültige<br />

Definition. Vielmehr ist sie <strong>von</strong> der jeweiligen Rechtsnorm abhängig, in die sie integriert ist<br />

(HABEKOST, 1999).<br />

JOUßEN unterscheidet drei Arten der Partizipation, die aus verschiedenen Positionen resultieren<br />

(ebd. 1993, zit. in RUHRMANN und KOHRING, 1996: 50):<br />

• „Die restriktive Position lässt Partizipation nur nachträglich zu. Entscheidungen sind schon vorher auf-<br />

grund <strong>von</strong> Expertenwissen gefällt worden und werden nachträglich sanktioniert.<br />

• Die demokratietheoretische Position überlässt die Entscheidungen ausschließlich den Bürgern, die <strong>von</strong><br />

einer Entscheidung potenziell betroffen sind (Betroffenenkompetenz). Defizite ergeben sich aus der man-<br />

gelnden Berücksichtigung <strong>von</strong> externem (Experten-)Wissen.<br />

• Die funktionalistische Position betrachtet Partizipation nicht als normativ zwingend. Partizipation wird<br />

nur dann als notwendig erachtet, wenn man glaubt, dass sie eine effektive und effiziente Entscheidung<br />

fördert.“<br />

Zudem wird in der Literatur vielfach zwischen einem weiten und einem engen Partizipationsbeg-<br />

riff unterschieden. Während der weite Partizipationsbegriff die Teilhabe an allen umfassenden


Risikomanagement<br />

Prozessen meint, bezeichnet die engere Begriffsfassung die Teilhabe der Bürger an konkreten Pla-<br />

nungs- und Entscheidungsprozessen (RUHRMANN und KOHRING, 1996).<br />

Während der Partizipationsbegriff spätestens seit der Montan-Mitbestimmung (1952) in der Unternehmensführung<br />

zum Gegenstand der Diskussion wurde, etablierte sich diese in politischen<br />

Entscheidungen erst mit der Studentenbewegung Mitte der 60er Jahre. FÜRST et al. (2001) sehen<br />

als Ursachen für die Entwicklung der politischen Partizipationsdiskussion:<br />

• Die mangelnde Sensibilität politischer Interessensvertretung;<br />

• Partizipation ist im planerischen Selbstverständnis eine Störung des technischen Prozesses;<br />

• Bedürfnisse werden politisch thematisiert, für die der verfassungsmäßige Institutionenrahmen unzurei-<br />

chende Resonanz besitzt;<br />

• Bürger sollen an der Planung beteiligt werden, um die Entscheidungen später selbst zu tragen.<br />

Die Vorteile der Partizipation sind offensichtlich: die Bevölkerung greift gestaltend in die Ent-<br />

wicklung ihres Umfeldes ein und der Politikverdrossenheit wird durch das Erfahren demokrati-<br />

scher Verhaltensweisen und die aktive Integration in das Sozialsystem entgegengewirkt. Dieses<br />

begünstigt einen Wiederaufbau des Vertrauensverhältnisses zwischen Gesellschaft und Staat und<br />

bewegt die Beteiligten möglicherweise zu einem dauerhaften gesellschaftspolitischen Engage-<br />

ment. Außerdem kann sich die Partizipation positiv auf die Planungsqualität auswirken, da diese<br />

sich dem kritischen Auge der Öffentlichkeit stellen muss und auf der Basis lokalspezifischen Wis-<br />

sens und Erfahrungen Fehler identifiziert werden können. Eine korrekte und faire Beteiligung<br />

ermöglicht zudem eine Konsensbildung und die Identifikation der Beteiligten mit den Planungs-<br />

ergebnissen. Die Verantwortung wird so auf eine breite Basis verteilt, was Schuldzuschreibungen<br />

bei negativen Auswirkungen der Planungen verhindert. Ein wichtiger Aspekt der Partizipation ist<br />

auch der Wissensgewinn aller Akteure. So können sowohl die Planer und Politiker als auch die<br />

Bevölkerung wichtige Erkenntnisse über lokale Zusammenhänge erschließen und sich über ihre<br />

gesellschaftliche Verantwortung bewusst werden (vgl. FÜRST et al., 2001; HABEKOST, 1999).<br />

Neben den zahlreichen Vorteilen partizipativer Planungen sind hiermit auch Schwierigkeiten und<br />

Probleme verbunden. Da einige dieser Hindernisse schon erläutert wurden (vgl. Kap. 5.1.3.1),<br />

werden diese im Folgenden zusammenfassend dargestellt (vgl. HABEKOST, 1999; MÜLLER, 2002):<br />

• fehlende bzw. negative Erfahrungen der Bürger führen zu resignativer Selbstbegrenzung und Apathie;<br />

• unflexible Planer und Verwaltungsangehörige blockieren eine korrekte Beteiligung z.B. aus Mangel an<br />

Interesse sowie Angst vor Mehraufwand und Komplikationen;<br />

• organisatorische und fachliche Überforderung sowie Konfliktangst seitens der Verwaltung hemmen die<br />

Partizipation;<br />

• fehlende Kommunikationskompetenz und Parteilichkeit seitens der Planung und Verwaltung führt dann<br />

zu Kommunikations- und Interaktionsschwierigkeiten, wenn diese den Prozess lenken sollen;<br />

• zwischenmenschliche Animositäten behindern die Kommunikation;<br />

• insbesondere in der Anfangsphase muss über einen Vertrauensbeweis z.B. mit der Preisgabe kritischer<br />

Informationen ein Vertrauensverhältnis zwischen den Akteuren hergestellt werden; werden Informatio-<br />

nen offengelegt, ist das für den Einzelnen mit Risiken verbunden, werden diese zurückgehalten, kann<br />

dieses die Kooperation belasten (Vertrauensdilemma).<br />

207


208<br />

Risikomanagement<br />

• wird wiederholt auf den gleichen Personenkreis zurückgegriffen, besteht durch Institutionalisierung<br />

und Etablierung die Gefahr, sich neuen Problemen nicht kreativ öffnen zu können;<br />

• Dominanz einzelner Personen bzw. Gruppen polarisiert und verhindert die Integration besonders<br />

schwacher Interessensvertretungen;<br />

• definierte Zuständigkeiten können dazu führen, dass entlang der Zuständigkeitsgrenzen Barrieren zwi-<br />

schen den Akteuren aufgebaut werden; das kann zur Bildung eines aktiven zentralen Personenkreises<br />

und einer passiven Peripherie führen (Besitzdilemma);<br />

• spezifische Bedürfnisse <strong>von</strong> Betroffenen werden oftmals nicht erkannt bzw. nicht richtig interpretiert;<br />

• unklare Zuständigkeiten führen zu Irritationen im Planungsprozess;<br />

• ein großer Zeitraum zwischen den Erörterungen und der Entscheidung wirkt demotivierend;<br />

• der wachsenden Motivation der Beteiligten mit zunehmendem Konkretisierungsgrad steht oftmals eine<br />

im Laufe der Zeit schwindende Möglichkeit der Einflussnahme entgegen (Zeitdilemma);<br />

• Beteiligungsverfahren sind gelegentlich auch Alibiveranstaltungen, um Entscheidungen auf die Bevölke-<br />

rung abzuwälzen und institutionelle Verantwortlichkeiten aufzugeben.<br />

Gegenwärtig sind in geltendem deutschen Recht verschiedene Instrumente mit partizipativem<br />

Charakter vorgesehen (FÜRST et al., 2001):<br />

• im Baurecht und im Fachplanungsrecht sind Verfahrensschritte verankert worden, die öffentliche<br />

Planauslage, Anhörung und Erörterung vorsehen;<br />

• in einigen Landesverfassungen gibt es das Bürgerbegehren/Volksbegehren und/oder den Bürgerent-<br />

scheid/Volksentscheid; 6<br />

• durch die Gemeindereform wurde eine größere Zahl <strong>von</strong> Entscheidungsebenen eingeführt (Bezirks-<br />

parlamente, Bezirksvertreter, Ortsbeiräte u. ä.);<br />

• in den Parlamenten werden Fragestunden für Bürgerinnen und Bürger eingeführt, jeder kann seine<br />

Abgeordneten kontaktieren;<br />

• man kann Eingaben machen, Zeitungs-(Leser-)Briefe schreiben, kann jederzeit über fast alles <strong>von</strong> der<br />

Verwaltung Auskunft verlangen.<br />

Der rechtliche Rahmen für die zukünftige Entwicklung der Partizipation wurde mit Inkrafttreten<br />

der sog. Aarhus-Konvention am 30. Oktober 2001 vorgegeben. Mit diesem Übereinkommen ver-<br />

schiedener europäischer S taaten werden zukünftig die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungen<br />

und der Zugang zu Informationen und zu Gerichten in Umweltangelegenheiten geregelt.<br />

Die Aarhus-Konvention hat nicht nur Folgen für Verfahren der Umweltverwaltung, sondern für<br />

alle Verfahren, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können, so auch auf das Management<br />

<strong>von</strong> Naturrisiken. Insbesondere bei der Aufstellung <strong>von</strong> Plänen und Programmen sind durch das<br />

Übereinkommen Veränderungen im deutschen Recht zu erwarten (vgl. FÜRST et al. 2001;<br />

UNECE, 2003).<br />

Um kontraproduktive Pattstellungen in der Planung zu vermeiden oder zu überwinden, wurden<br />

in den letzten 20 Jahren zahlreiche partizipative Verfahren entwickelt. Sie alle sind auf das Ziel<br />

gerichtet, im Kreis der Betroffenen oder ihrer Vertreter gemeinsame Lösungen und Sichtweisen zu<br />

finden. Partizipative Verfahren dienen als Instrumente, um unter den stakeholdern, also den betrof-<br />

fenen Interessensgruppen, den Interessensausgleich zu fördern und zu ermöglichen.<br />

6 In der schleswig -holsteinischen Landesverfassung sind Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheide verfassungs-<br />

rechtlich festgelegt (LAND SCHLESWIG-HOLSTEIN, 1990: 391).


Risikomanagement<br />

Je nach Aufgabenstellung und Zielsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligung stehen verschiedene<br />

Partizipations-Instrumente zur Verfügung (Abb. 6.5).<br />

Erkunden <strong>von</strong> Interessen<br />

und Meinungen<br />

Haushaltsbefragung<br />

Interview<br />

Aktivierende Befragung<br />

Teledemokratie<br />

Wurfsendung<br />

und Aushang<br />

Ausstellung<br />

Presse und Lokalfunk<br />

Medien<br />

Partizipationsformen<br />

und -verfahren<br />

Informieren,<br />

Meinungen bilden<br />

Bürgerversammlung<br />

Einwohnerfragestunde<br />

Vortrags- und<br />

Diskussionsveranstaltung<br />

Exkursion<br />

Ortsbegehung<br />

Abb. 6.5: Partizipationsformen und -verfahren<br />

(Quelle: nach FÜRST et al., 2001)<br />

Veranstaltungen<br />

Volksbegehren und<br />

Volksentscheid<br />

Verbandsbeteiligung<br />

Formal definierte<br />

Beteiligungsinstrumente<br />

Öffentliche Auslegung<br />

Anhörung und<br />

Erörterung<br />

Petition und<br />

Bürgerantrag<br />

Bürgerbeauftragte<br />

Beirat und Ausschuss<br />

Beteiligen<br />

Runder Tisch<br />

Anwaltsplanung<br />

Kooperieren<br />

Projektbegleitender<br />

Arbeitskreis<br />

Kooperativer Workshop<br />

Intermediäre Organisation<br />

Lokale Partnerschaft<br />

Geht es z.B. um die Suche nach einvernehmlichen Lösungen <strong>von</strong> Konflikten, so kann sich die Me-<br />

diation als Instrument bewähren. Sollen Planungs- und Entwicklungsaufgaben auf lokaler und<br />

regionaler Ebene ohne offenen Konflikt bewältigt werden, so ist die Planungszelle die Methode der<br />

Wahl (vgl. ÖGUT, 2002). Alle bestehenden Instrumente hier näher zu erläutern, würde den Rahmen<br />

der Arbeit übersteigen.<br />

So werden im Folgenden in tabellarischer Form ausgesuchte kooperative und informelle Beteili-<br />

gungsverfahren dargestellt (Tab. 6.7). Hierbei handelt es sich um solche Verfahren, die in der Vergangenheit<br />

vielfach eingesetzt wurden, und die sich insbesondere auch zur Konfliktbehandlung<br />

im Planungsprozess als geeignete Mittel erwiesen. Für die nicht berücksichtigten Instrumente sei<br />

Forum<br />

hier auf die Fachliteratur verwiesen (z.B. BISCHOFF et al., 1995; SELLE, 1994, 1996).<br />

209<br />

Informelle<br />

Beteiligungsinstrumente<br />

Bürgernahe Beratung<br />

Aktion Ortsidee<br />

Zukunftswerkstatt<br />

Planungszelle,<br />

Bürgergutachten<br />

Arbeitsgruppe<br />

Zielgruppenbeteiligung


210<br />

Risikomanagement<br />

Tab. 6.7: Charakteristika <strong>von</strong> Partizipationsverfahren<br />

(Quelle: ÖGUT, 2002)<br />

Verfahren Charakteristika Einsatzgebiet Teilnehmer/Akteure Dauer/Aufwand Ablauf<br />

Mediation<br />

Konsensus-<br />

Konferenz<br />

Planungszelle<br />

(Citizen Jury)<br />

Zukunftswerkstatt<br />

Kooperativer<br />

Diskurs<br />

Runder Tisch<br />

Anwaltsplanung<br />

Internet-<br />

Partizipation<br />

Workshop<br />

Bürgerforum<br />

Lösung eines Konflikts unter<br />

Beteiligung aller Konfliktparteien<br />

mit Hilfe eines allparteilichen<br />

Vermittlers;<br />

Ziel: Win-Win-Lösung;<br />

geringe Breitenwirkung;<br />

zur Einbindung <strong>von</strong> Laienurteilen<br />

in politische Entscheidungsprozesse;<br />

Teilnehmer befragen<br />

Experten während einer<br />

öffentlichen Anhörung;<br />

Vermittlung <strong>von</strong> Sachkompetenz<br />

an die Laien;<br />

betroffene Bürger erarbeiten,<br />

unterstützt <strong>von</strong> Fachleuten, ein<br />

Bürgergutachten zu Planungsaufgaben,<br />

beurteilen im Sinne<br />

des Gemeinwohls, vertreten<br />

keine Interessen;<br />

kreative, phantasievolle, z. T.<br />

unorthodoxe Entwicklung <strong>von</strong><br />

Zukunftsszenarien mit betroffenen<br />

Bürgern; motivierende und<br />

aktivierende Wirkung;<br />

Hybrid-Modell, Kombination aus<br />

Mediation, Gruppen-<br />

Delphi und Planungszelle;<br />

gleichberechtigt besetzte<br />

Verhandlungsrunde aller<br />

betroffenen Interessensvertreter<br />

zur Erarbeitung konsensorientierter<br />

Lösungen;<br />

zur Stärkung der Interessen<br />

artikulationsschwacher,<br />

sozial benachteiligter oder<br />

nichtorganisierter Bevöl kerungsgruppen<br />

in Vertretung<br />

durch einen Anwalt;<br />

verschiedene Typen<br />

(z.B. Virtuelles Infobüro,<br />

Internet-Forum); stark in<br />

Entwicklung; ermöglicht<br />

Kommunikation unabhängig<br />

<strong>von</strong> Zeit und Ort; dokumentierte,<br />

schriftliche Diskussion;<br />

informell und<br />

anlassbezogen; keine<br />

klaren Strukturmerkmale;<br />

öffentliche Information und<br />

Diskussion <strong>von</strong> Planungs- und<br />

Entscheidungsaufgaben;<br />

lokal, regional, national und<br />

international anwendbar; vom<br />

Politikdialog bis zur Umwelt-<br />

oder Wirtschaftsmediation;<br />

v. a. bei bereits bestehenden<br />

Konflikten;<br />

zur Diskussion offener,<br />

noch nicht konfliktbelasteter<br />

Sachfragen und bei latenten<br />

Konflikten, z.B. Regulierung<br />

der Gentechnik, des<br />

Straßenverkehrs, der<br />

Integrierten Landwirtschaft;<br />

Planungs- und<br />

Entwicklungsaufgaben auf<br />

lokaler und regionaler Ebene<br />

ohne offenen Konflikt;<br />

Entwicklung sozialer Konzepte;<br />

Stadtentwicklungsplanung;<br />

politische Bildung; Betriebsentwicklung;<br />

regionale und höhere<br />

Planungsebenen;<br />

Bei latenten und offenen<br />

Konflikten;<br />

bei konkreten Planungsaufgaben<br />

in Stadt-, Regional-<br />

und Landesplanung; auch für<br />

politische und Gesellschaftliche<br />

Fragestellungen; bei<br />

latenten Konflikten;<br />

auf lokaler und regionaler<br />

Ebene; oft bei Übersetzungs-<br />

und Vermittlungsaufgaben<br />

zwischen Alltagswelt und der<br />

Sichtweise <strong>von</strong> Fachleuten;<br />

Unterstützung <strong>von</strong> realen<br />

Partizipationsverfahren;<br />

zur breiten Information der<br />

Öffentlichkeit;<br />

intensive fachliche<br />

Bearbeitung einer<br />

Planungsaufgabe;<br />

auf kommunaler Ebene zur<br />

Behandlung eines speziellen<br />

Themas oder dauerhafte<br />

Einrichtung zur Diskussion<br />

unterschiedlicher Bürgeranliegen;<br />

25-30 Teilnehmer aus organisierten<br />

Interessensgruppen; bei<br />

vielfältigen Interessen Gliederung<br />

in einen Innen- und einen<br />

Außenkreis mit einzelnen<br />

Themenkleingruppen;<br />

Auswahl <strong>von</strong> 10-30 Bürgern<br />

durch Zeitungsanzeige; möglichst<br />

repräsentativer Querschnitt<br />

der Bevölkerung;<br />

25-250 zufällig ausgewählte,<br />

nichtorganisierte aber betroffene<br />

Personen; heterogene Zusammensetzung;<br />

Vergütung der Teilnahme auf<br />

Basis eines Arbeitsvertrags;<br />

betroffene Bürger, die zur<br />

Beteiligung an Planungsprozessen<br />

motiviert werden sollen;<br />

Kleingruppen (ca. 15 Pers.);<br />

relativ homogene Zusammensetzung;<br />

möglichst Personen,<br />

die nicht schon vorher aktiv<br />

waren;<br />

Vertreter der Interessensgruppen<br />

(Aufstellung des Kriterienkatalogs);<br />

Expertenteam<br />

(Analyse der Auswirkungen <strong>von</strong><br />

Handlungsoptionen); zufällig<br />

ausgewählte Bürger (Bewertung<br />

der Handlungsoptionen);<br />

betroffene Interessensvertreter,<br />

Experten, Projektbeteiligte;<br />

Heterogene Zusammensetzung;<br />

max. 20 Personen;<br />

artikulationsschwache,<br />

nichtorganisierte<br />

Bevölkerungsgruppen<br />

und ihr Anwalt (Planer,<br />

Juristen, ...);<br />

Beschränkung der Teilnehmer<br />

auf Personen mit Internetzugang;<br />

breites Spektrum an Akteuren<br />

(Politik, Verwaltung, Fachleute,<br />

Grundstückseigentümer,<br />

Investoren, Betroffene,...);<br />

variable Teilnehmerzahl<br />

alle Interessierten, v. a. auch<br />

nichtorganisierte Bürger,<br />

Verwaltung, politische<br />

Entscheidungsträger, Planer<br />

oder andere externe Experten;<br />

<strong>von</strong> einigen Tagen bis<br />

mehrere Jahren;<br />

Treffen der Teilnehmer<br />

an 2 Wochenenden zu<br />

Vorbereitenden Sitzungen;<br />

Konsensus-<br />

Konferenz findet an 3<br />

aufeinander folgenden<br />

Tagen statt;<br />

<strong>von</strong> 3-4 Tagen bis zu<br />

mehreren Wochen;<br />

meist als Blockveranstaltung<br />

durchgeführt;<br />

3-7 Tage als<br />

Blockveranstaltung;<br />

Durchführung<br />

aufwendig und<br />

Langwierig;<br />

sehr variabel;<br />

meist kontinuierlich;<br />

z. T. auch wenige<br />

Stunden pro Woche;<br />

Initiierungsphase,<br />

Vorbereitungsphase;<br />

Durchführungsphase;<br />

Vertrags- und<br />

Umsetzungsphase;<br />

Auswahl der Teilnehmer;<br />

Information der Teilnehmer mit<br />

Fachunterlagen; öffentliche<br />

Befragung der Experten; Verfassung<br />

der Empfehlungen durch die<br />

Teilnehmer; Rückkopplung mit den<br />

Experten; Bekanntgabe des<br />

Ergebnisses;<br />

3 Phasen:<br />

1. Vorbereitungsphase;<br />

2. Durchführungsphase;<br />

3. Nacharbeit;<br />

3 Phasen:<br />

1. Kritikphase;<br />

2. Phantasiephase;<br />

3. Verwirklichungsphase;<br />

3 Phasen:<br />

1. Werterhebung (mediative<br />

Erstellung eines Kriterienkatalogs);<br />

2. Faktenermittlung (Experten<br />

analysieren Auswirkungen <strong>von</strong><br />

Handlungsoptionen - Gruppen-<br />

Delphi);<br />

3. Abwägung (Bürger bewerten<br />

Handlungsoptionen - Planungszelle);<br />

kein standardisierter<br />

Verfahrensablauf;<br />

kein standardisierter Ablauf;<br />

variabel; kein standardisierter Ablauf;<br />

variabel; kein standardisierter Ablauf;<br />

Einzelveranstaltung;<br />

Veranstaltungsreihe<br />

oder dauerhafte<br />

Einrichtung;<br />

Informationsphase, danach<br />

Diskussionsphase;<br />

Zur Qualitätssicherung partizipativer Verfahren sollte zukünftig nach Verfahrensabschluss oder<br />

auch prozessbegleitend das Verfahren <strong>von</strong> den Beteiligten bewertet werden.


Risikomanagement<br />

Auf der Basis der in Kap. 6.2.1.3 formulierten Anforderungen an Kooperations- und Partizipati-<br />

onsverfahren können diese anhand folgender Qualitätskriterien diskutiert und evaluiert werden<br />

(VATTER, 1998):<br />

1. Fairness<br />

2. Transparenz<br />

3. Lernchancen<br />

4. Frühe und iterative Beteiligung<br />

5. Direkte, verständliche Informationen und offene Konfliktaustragung<br />

6. Gemeinsame Festlegung der Entscheid- und Verfahrensregeln<br />

7. Erwartungssicherheit<br />

8. Motivation der Beteiligten<br />

9. Sachkompetenz der Beteiligten<br />

10. Ausgleich zwischen den verschiedenen sozialen Schichten<br />

11. Ausgleich zwischen konfliktfähigen und nicht-konfliktfähigen Interessen<br />

12. Ausgleich zwischen kurzfristigen und langfristigen Interessen<br />

13. Umwandlung <strong>von</strong> Nullsummen-Konflikten in Positivsummen-Konflikte<br />

14. Institutionelle Integration<br />

Auch für das Management <strong>von</strong> Naturgefahren eignen sich je nach Zielsetzung verschiedene In-<br />

strumente der Partizipation. So können z.B. die Interessen und Meinungen der Bevölkerung im<br />

Küstenraum hinsichtlich der Gefährdung <strong>von</strong> Sturmfluten und der Strategien und Maßnahmen<br />

durch Haushaltsbefragungen ermittelt werden. Zudem ließe sich die Sensibilität und das Wissen<br />

um die drohenden Gefahren und den Umgang mit diesen über die Medien (z.B. Presse) und Veranstaltungen<br />

(z.B. Küstenexkursion) verbessern (vgl. Kap. 5.2). Geht es z.B. um die generelle Frage,<br />

wie zukünftig ein identifiziertes Risiko behandelt wird und sollen hierbei möglichst viele Perso-<br />

nen angesprochen werden, so wäre ein Bürgerforum ein geeignetes Mittel. Soll hingegen zu konkreten<br />

Planungsaufgaben, wie z.B. der Sicherung und dem Aufbau <strong>von</strong> Schutzmaßnahmen, die<br />

Bevölkerung beteiligt werden, so können diese im Rahmen einer Planungszelle ein Bürgergut-<br />

achten erstellen. Geht es um eine längerfristige Bindung der Beteiligten, so sind Beiräte und Aus-<br />

schüsse geeignete Instrumente.<br />

Den Möglichkeiten der Anwendung partizipativer Instrumente im Management <strong>von</strong> Naturrisiken<br />

sind hier kaum Grenzen gesetzt. Vielmehr ist der Einsatz und die Qualität der Verfahren im We-<br />

sentlichen abhängig <strong>von</strong> den zur Verfügung stehenden Mitteln sowie dem Willen staatlicher und<br />

planerischer Institutionen, mit der Bevölkerung vor Ort zu kooperieren und diese am Entscheidungs-<br />

und Planungsprozess teilhaben zu lassen. 7<br />

Im Folgenden werden am Beispiel eines integrierten Managementansatzes im Küstenraum ver-<br />

schiedene kooperative und partizipative Ansätze im Umgang mit Naturrisiken aufgezeigt.<br />

7 Die vielfältigen Probleme der Partizipation mag folgendes Zitat verdeutlichen: „Mit wahrlich überraschenden Änderungen der<br />

Hochwasserschutz-Planungen in letzter Sekunde hat die Verwaltung mit einem Federstrich die gute Zusammenarbeit <strong>von</strong> fast vier<br />

Jahren zunichte gemacht. (…) Was für ein Betrug: erst die betroffene Bevölkerung an der Vorplanung durch scheinbar offene und<br />

ehrliche Information teilhaben lassen, dann aber hinter verschlossenen Türen in wesentlichen Punkten (möglicherweise auf<br />

Drängen der Bezirksregierung) den Konsens aufkündigen.“ (KAHLIX, 1998)<br />

211


212<br />

Risikomanagement<br />

6.2.1.5 Kooperation und Partizipation im Küstenschutzmanagement<br />

In den Niederlanden, die weltweit eine Vorbildfunktion für ein erfolgreiches und innovatives<br />

Management <strong>von</strong> Überflutungsrisiken im Küstenraum haben, wurden drei Gremien für das<br />

integrierte Management im Wattenmeer eingerichtet. Die interdepartementale Waddenzeecommissie<br />

ermöglicht die interministerielle Planungsabstimmung, während mit dem Coordinatiecollege Wad-<br />

dengebied die Beteiligung der Provinzen und Gemeinden und mit der Waddenadviesraad die Parti-<br />

zipation der Öffentlichkeit gewährleistet wird. Der letztgenannte Beirat setzt sich aus jeweils sechs<br />

Vertretern der Bereiche Natur und Umwelt, Freizeit und Erholung sowie der Wirtschaft und sec hs<br />

unabhängigen Fachexperten zusammen. Zum einen ist die Aufgabe des Beirates, die Interessen<br />

der Öffentlichkeit gegenüber den Behörden zu artikulieren, zum anderen hat dieser eine bera-<br />

tende Funktion für die beiden anderen Gremien und die Öffentlichkeit (HOFSTEDE und PROBST,<br />

1999).<br />

Auch in Schleswig-Holstein werden gegenwärtig verschiedene Formen und Verfahren der Parti-<br />

zipation genutzt. Nach dem schleswig-holsteinischen Landeswassergesetz ist bei größeren Vorhaben<br />

im Küstenschutz die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens obligatorisch.<br />

Die wichtigsten Aspekte sind hierbei nach HOFSTEDE und PROBST (1999: 110):<br />

• Beteiligung der Behörden, deren Aufgabenbereiche durch das Vorhaben berührt werden;<br />

• Beteiligung rechtsfähiger Natur- und Umweltverbände bei Eingriffen in Natur und Landschaft;<br />

• Beteiligung aller in ihren Belangen Berührten durch Auslegung der Pläne in den betroffenen amtsfreien<br />

Gemeinden und Ämtern;<br />

• Umweltverträglichkeitsprüfung;<br />

• Erörterungstermin zur Diskussion der erhobenen Einwände und behördlichen Stellungnahmen;<br />

• Entscheidung der Planfeststellungsbehörde unter Abwägung aller Belange;<br />

• Möglichkeit der Klage aller Beteiligten gegen den Beschluss.<br />

Darüber hinaus werden in der schleswig-holsteinischen Küstenschutzplanung weitere Partizipa-<br />

tionsinstrumente eingesetzt. So hat das MLR als oberste Küstenschutzverwaltung den Beirat<br />

Integriertes Küstenschutzmanagement (BIK) gegründet. Dieser soll als Beratungsgremium die priva-<br />

ten und öffentlich-rechtlichen Betroffenen am Planungsprozess des Küstenschutzes beteiligen und<br />

wichtige Themen des Küstenschutzes und konkurrierender Belange diskutieren. Dieses sind z.B.<br />

die Integration verschiedener Interessen und Ansprüche im Planungsprozess, die Optimierung des<br />

öffentlichen Meinungsbildes sowie die Gewährleistung der Finanzierung <strong>von</strong> Maßnahmen. Der BIK<br />

hat zudem die Möglichkeit, zur fachlichen Beratung und Klärung <strong>von</strong> Einzelfragen Fachbeiräte zu<br />

installieren. 8 Der 26-köpfige Beirat, dessen Mitglieder <strong>von</strong> den beteiligten Institutionen 9 bestimmt<br />

werden, tagt zweimal im Jahr unter Vorsitz der/des für den Küstenschutz zuständigen<br />

Ministerin/Ministers.<br />

8 Gegenwärtig bestehen der Fachbeirat Vorlandmanagement, der Fachbeirat Zweite Deichlinie und der Fachbeirat Deichverteidigung an<br />

der Ostseeküste im Sturmflutfall (MLR, 2001: 44; vgl. HOFSTEDE und PROBST, 1999: 110).<br />

9 Landkreistag S-H (2), Gemeindetag S-H (3), Städteverband S-H (2), Landesverband der Wasser- und Bodenverbände (3),<br />

Marschverband (3), Landschaftszweckverband Sylt (1), Landesnaturschutzverband S-H (3), Natur- und Umweltschutzverwaltung<br />

S-H (2), Küstenschutzverwaltung S -H (7).


Risikomanagement<br />

Nach Ansicht der Beteiligten konnte hiermit ein Instrument für eine größere Transparenz der<br />

Küstenschutzverwaltung und einen verbesserten Informationsfluss in zwei Richtungen geschaf-<br />

fen werden (HOFSTEDE und PROBST, 1999).<br />

Zudem gibt es in der Küstenschutzplanung Überlegungen, weitere Beiräte auf regionaler Ebene<br />

zu initiieren. Nach Ansicht des Verfassers könnte z.B. die Installation ein Beirates Katastrophen-<br />

schutz dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit der für den Küsten- und Katastrophenschutz<br />

zuständigen Behörden und der potenziell betroffenen Bevölkerung verbessert und die Defizite in<br />

der Katastrophenvorsorge aufgezeigt und bearbeitet werden. In diesem Rahmen könnten Zuständigkeiten<br />

geklärt sowie die Koordination der Maßnahmen und eine angemessene Reaktionen der<br />

Bevölkerung im Ereignisfall diskutiert werden. Dass solche präventiven Abstimmungen sinnvoll<br />

und notwendig sind, haben die eklatanten Defizite des deutschen Katastrophenschutzes während<br />

der Überschwemmungsereignisse an der Elbe im Sommer 2002 verdeutlicht.<br />

Ein weiteres partizipatives Instrument ist die Arbeitsgruppe Vorlandmanagement, die zur Aufgabe<br />

hat, die möglichen Interessenskonflikte zwischen Küstenschutz- und Naturschutz im Manage-<br />

ment des Deichvorlandes auszuräumen. Vertreter der Küstenschutz- und Umweltverwaltung<br />

sowie des Marschverbandes als Vertreter für die betroffene Öffentlichkeit konnten 1995 ein Kon-<br />

zept vorstellen, aus dem eine gemeinsame Leitlinie für das zukünftige Vorlandmanagement ab-<br />

geleitet und in den Generalplan Küstenschutz als Entwicklungsziel übertragen wurde<br />

(vgl. HOFSTEDE, 2001; MELFF, 1995; MLR, 2001).<br />

Wie bereits erläutert, birgt die Institutionalisierung der Partizipation der Bevölkerung durch die<br />

Bildung <strong>von</strong> Gremien und Beiräten aber auch die Gefahr, dass sich bei Diskussionen im Kreise<br />

eines festen Personalstammes bestimmte Meinungen und Ansichten sowie die als notwendig er-<br />

achteten Themen verfestigen und somit neue Probleme nicht erkannt bzw. nicht kreativ bearbeitet<br />

werden. Bei der Arbeit in Ausschüssen und Beiräten sollte daher auch auf eine angemessene<br />

Fluktuation der personellen Besetzung geachtet werden. Zudem ist insbesondere in kleinen Gre-<br />

mien dafür Sorge zu tragen, dass es aufgrund <strong>von</strong> Dominanzen nicht zu einseitigen Problemper-<br />

spektiven und Entscheidungen kommt.<br />

Nach dem 2001 veröffentlichten Generalplan Küstenschutz - Integriertes Küstenschutzmanagement in<br />

Schleswig-Holstein ist ein wesentlicher Aspekt der Beteiligung der Öffentlichkeit „…deren umfas-<br />

sende Information über die Planungen im Küstenschutz. Das Informieren dient auch dazu, die<br />

Bevölkerung über die Bedeutung des Küstenschutzes - als eine wesentliche Voraussetzung für<br />

eine nachhaltige Nutzung der Küstenniederungen - aufzuklären. Weiterhin soll die Information<br />

das Risikobewusstsein der Bewohner der Küstenniederungen stärken.“ (MLR, 2001: 44)<br />

Wie bereits in Kap. 5.1.3 gezeigt wurden, birgt die Aufklärungsarbeit an der Bevölkerung aber immer<br />

auch die Gefahr, dass Informationen zielgerichtet vermittelt werden, um z.B. Handlungsstrategien<br />

oder Maßnahmen zu legitimieren. Daher ist hier ein verantwortungsvoller Umgang mit Informa-<br />

tionsprogrammen dringend erforderlich. Die hierarchischen Kommunikationsstrukturen führen<br />

zudem dazu, dass den Informationen nicht immer Vertrauen entgegengebracht wird.<br />

213


214<br />

Risikomanagement<br />

Daher sind erfahrungsorientierte und partizipative Methoden den rezeptiven Methoden der Auf-<br />

klärung vorzuziehen (vgl. GTZ, 1996).<br />

Neben den institutionalisierten und rezeptiven Beteiligungsinstrumenten sind in der schleswigholsteinischen<br />

Küstenschutzplanung aber auch partizipative Methoden mit direkter Beteiligung<br />

der Bevölkerung vorgesehen und teils auch schon umgesetzt worden.<br />

So könnten nach HOFSTEDE und PROBST mit dem Instrument der Planungszelle (vgl. Kap. 6.2.1.4)<br />

für einige Küstenniederungen zukünftig sog. Bürgergutachten Küstenschutz erstellt werden<br />

(ebd., 1999: 112f).<br />

Von Januar bis Juli 2000 wurde zudem für die Küstenniederung der Ostseegemeinden Timmen-<br />

dorfer Strand und Scharbeutz in einer Pilotstudie eine sog. Sensitivitätsanalyse durchgeführt. Ziel<br />

war es hierbei mit Hilfe des Sensitivitätsmodells nach Prof. Vester® (vgl. VESTER, 1994, 2002) qualita-<br />

tive Aussagen über die möglichen Folgen verschiedener Küstenschutzmaßnahmen für das System<br />

Küstenniederung zu treffen. Die Sensitivitätsanalyse ist hierbei eine stark integrative Methode, da<br />

sie in der Systemmodellierung alle Lebensbereiche sowie deren Wechselwirkungen berücksichtigt<br />

und allen Betroffenen vor Ort die Teilnahme am Diskussions- und Arbeitsprozess ermöglicht<br />

(vgl. KAUL und REINS, 2000).<br />

Unter Beteiligung <strong>von</strong> ca. 60 Personen wurden für das betrachtete System im Dialog die wich-<br />

tigsten Variablen und deren Einflüsse identifiziert, um dann die Vernetzung der Variablen in<br />

einem Gesamtsystem in sog. Regelkreisen darzustellen. Auf der Basis des Systems konnten anschließend<br />

verschiedene Teilszenarien mit unterschiedlichen Küstenschutzmaßnahmen simuliert<br />

und die Auswirkungen auf das System in Tendenzen aufgezeigt werden.<br />

Das primäre Ergebnis des Verfahrens ist, dass die Arbeitsgruppe keine konkreten Küstenschutzmaßnahmen<br />

sondern vielmehr ein Mix aus Hochwasser- und Erosionsschutzmaßnahmen emp-<br />

fohlen hat. Zudem forderten die Beteiligten eine weitere Einbindung ihrer Gruppe als fachlich<br />

eingearbeitete Interessensvertretung bei den weiteren Schritten in Richtung konkreter Küstenschutz-<br />

maßnahmen. Die Empfehlungen sollten nach Aussagen der Beteiligten als Grundlage für weitere<br />

Untersuchungen und Entscheidungen gesehen werden (KAUL und REINS, 2000: 49).<br />

Das Verfahren hat gezeigt, dass die Bevölkerung großes Interesse an einer aktiven Mitbestim -<br />

mung im Planungsprozess des Küstenschutzes hat. Das war zu erwarten, da hierdurch negative<br />

Effekte insbesondere für den wichtigen Wirtschaftsfaktor Tourismus befürchtet werden. Da der<br />

Verfahrensablauf geprägt war <strong>von</strong> konstruktiver Kooperation aller Beteiligten und darüber hinaus<br />

die Empfehlungen der Arbeitsgruppe in die weitere Planung übernommen wurden, ist das<br />

betrachtete Verfahren abschließend als erfolgreiches Pilotprojekt einer aktiven Partizipation zu<br />

werten. Es wäre wünschenswert, zukünftig solche Verfahren als Standard bei der konkreten<br />

Maßnahmenplanung zu etablieren.


Risikomanagement<br />

6.2.2 Organisation des Risikomanagements<br />

Die Risikomanagement-Organisation schafft den aufbauorganisatorischen Rahmen, d.h. die ent-<br />

sprechenden Strukturen für ein wirkungsvolles Risikomanagement. Sie ermöglicht und unterstützt<br />

risikoadäquate Reaktionen der Entscheidungsträger im täglichen Managementprozess. Das<br />

Management muss möglichst so organisiert sein, dass es seine Funktion unter unterschiedlichsten<br />

Bedingungen erfüllen kann. Entscheidend sind hierbei die Organisationsform sowie die Bereit-<br />

stellung geeigneter Handlungsgrundlagen.<br />

Das politisch-operationelle Risikomanagement ist durch eine hoheitliche Struktur geprägt. Doch<br />

auch wenn letztlich die exekutiven Handlungen, wie z.B. die Finanzierung und die Umsetzung<br />

<strong>von</strong> Maßnahmen, staatlichen Einrichtungen obliegt, so ist auch in der Organisation die Öffent-<br />

lichkeit als unterstützendes Instrument in der Problemanalyse, der Identifizierung <strong>von</strong> Restriktionen<br />

sowie der Festlegung <strong>von</strong> Zielen, Strategien und Maßnahmen zu berücksichtigen.<br />

Grundsätzlich kann die Organisation dezentral oder zentral strukturiert sein (Abb. 6.6).<br />

Behörde 1<br />

Abb. 6.6: Organisationsformen beim Risikomanagement<br />

(Quelle: nach HOLLENSTEIN, 1997: 158)<br />

Bei einem dezentralen Risikomanagement wird die Organisation nach den Gefahrenprozessen<br />

sektoriell gegliedert. Die Kontakte zwischen den beteiligten Behörden sind informell und behör-<br />

denintern geregelt oder gesetzlich vorgeschrieben (z.B. Bewilligungs- und Mitspracheverfahren).<br />

Hingegen wird in der zentralen Organisationsform eine Stabsstelle eingerichtet, die sich aus-<br />

schließlich mit den Fragen des Risikomanagements befasst. Diese übernimmt alle Aufgaben der<br />

Koordination behördlicher Aktivitäten und hat gegenüber der Regierung eine beratende Funk-<br />

tion. Sie ist nicht an Verfahrensvorschriften gebunden, hat aber auch keine Weisungsbefugnisse<br />

(HOLLENSTEIN, 1997: 158f).<br />

Behörde 2<br />

Risikomanagement-Organisation<br />

dezentral<br />

Regierung<br />

Behörde 3<br />

Behörde 4<br />

Behörde 5<br />

Partizipation Behörde 1<br />

Behörde 2<br />

zentral<br />

Regierung<br />

Stabstelle<br />

Partizipation<br />

Behörde 3<br />

Behörde 4<br />

Behörde 5<br />

215


216<br />

Risikomanagement<br />

Die Abbildung 6.6 zeigt einen großen Vorteil der zentralen Organisationsform: mit der Einrich-<br />

tung einer zentralen Stabstelle reduzieren sich die notwendigen Koordinationsstränge zwischen<br />

den beteiligten Behörden auf ein Minimum.<br />

Die Charakteristika der dezentralen und zentralen Organisationsform sind in der Tabelle 6.8<br />

gegenübergestellt.<br />

Tab. 6.8: Charakteristika dezentraler und zentraler Organisationsformen im Risikomanagement<br />

(Quelle: nach HOLLENSTEIN, 1997)<br />

Aufgaben<br />

Vorteile<br />

Nachteile<br />

Dezentrales Risikomanagement Zentrales Risikomanagement<br />

…der beteiligten Behörden unter Partizipation der Öffentlichkeit:<br />

• Synthese, Publikation und Diskussion der Resultate der<br />

spezifischen Risikoanalyse;<br />

• Ermittlung der gesellschaftlichen Risikobewertung und Entwicklung,<br />

Festsetzung und Umsetzung operationeller Sicherheitsziele;<br />

• Definition <strong>von</strong> Problemstellung, Restriktionen und Zielsystem;<br />

• Festlegung <strong>von</strong> Prioritäten;<br />

• Entwicklung, Evaluation und Umsetzung <strong>von</strong> Strategien und<br />

Maßnahmen;<br />

• Management bleibt in einem bekannten Format, so bleibt es<br />

für die Beteiligten überschaubar;<br />

• Organisation entspricht der administrativen Struktur (z.B.<br />

Abteilungen);<br />

• Fachstellen sind frei bei der Gestaltung der einzelnen Arbeitsschritte;<br />

• Bestehende Allokationsschemata können berücksichtigt<br />

werden (separate Budgetierung für jedes Amt);<br />

• Durchführung jedes Arbeitsschrittes durch jede Amtsstelle;<br />

• Personal ist oftmals mit den anspruchsvollen Aufgaben<br />

überfordert (z.B. Risikokommunikation);<br />

• Konsistenz der Aktivitäten ist nur durch Vorschriften und<br />

Kontrollen sicher zu stellen;<br />

• Innovativität des Verfahrens wird reduziert, Signalwirkung<br />

neuer Praktiken können nicht genutzt werden;<br />

• Mitteloptimierung ist sektoriell aber i. d. R. nicht sektorenübergreifend<br />

möglich;<br />

• Differenzen im Vorgehen und inhaltlichen Fragen erhöhen<br />

den Koordinations- und Nachbearbeitungsaufwand und wirken<br />

beim Zielpublikum verwirrend und können zum Vertrauensverlust<br />

führen;<br />

…der Stabstelle und der Behörden unter Partizipation der Öffentlichkeit:<br />

• Beschaffung der Resultate der Analysen unterschiedlicher Risiken,<br />

Aggregation über alle Risiken, Publikation und Diskussion;<br />

• Ermittlung der gesellschaftlichen Risikobewertung und Entwicklung,<br />

Festsetzung und Umsetzung operationeller Sicherheitsziele für die<br />

einzelnen Fachdisziplinen;<br />

• Definition <strong>von</strong> Problemstellung, Restriktionen und Zielsystem;<br />

• Festlegung <strong>von</strong> Prioritäten, Definition <strong>von</strong> Aufgaben getrennt nach<br />

Fachdisziplinen;<br />

• Ausarbeitung <strong>von</strong> Lösungsvorschlägen durch die Fachstellen;<br />

• Prüfung der Teilkonzepte (Wirksamkeit, Kompatibilität), Entscheidungsvorschlag<br />

und Koordinationsplanung für die Realisierung durch<br />

die Stabstelle;<br />

• Ausführungsplanung durch die Fachstellen;<br />

• Reduzierung des Koordinationsaufwandes und effizienter Einsatz der<br />

Ressourcen (keine Doppel- bzw. Mehrarbeit);<br />

• Konzentration der Stabstelle auf die Managementarbeit;<br />

• Fachliche Kompetenz für einzelne Aufgaben (z.B. Kommunikation)<br />

kann gezielt aufgebaut werden (Schulung, Einsatz <strong>von</strong> erfahrenem<br />

Personal);<br />

• Stabstelle arbeitet unabhängig <strong>von</strong> fach- und verfahrensspezifischen<br />

Vorschriften;<br />

• Vorgehen und Inhalte sind einheitlich;<br />

• Risikomanagement ist innovativ und flexibel;<br />

• Aufwendige Arbeiten, wie z.B. die Formulierung <strong>von</strong> Sicherheitszielen<br />

können für alle verschiedenen Risiken gleichzeitig und gemeinsam<br />

realisiert werden;<br />

• Trotz der Reduzierung des Koordinationsaufwandes wird eine<br />

Abstimmung an mehreren Stellen des Verfahrens erforderlich, hierdurch<br />

wird die Freiheit der Fachgremien eingeschränkt;<br />

• Die Umstellung auf neue Verfahrensabläufe verwirrt die beteiligten<br />

Personen und birgt die Gefahr <strong>von</strong> Fehlern;<br />

• Die Stabstelle kann auf Akzeptanzprobleme seitens der etablierten<br />

Behörden stoßen;<br />

• Bewährte und bekannte Strukturen und Verbindungen werden<br />

möglicherweise <strong>von</strong>einander getrennt, so dass Synergieeffekte nicht<br />

genutzt erden können;<br />

• Bestehende Strukturen werden nicht berücksichtigt<br />

(z.B. Ämterzugehörigkeit, Finanzierung);<br />

• Die Nutzung bestehenden Wissens über Prozesse und Objekte ist<br />

nicht gewährleistet und wird nicht optimal ausgenutzt;<br />

• Erfolg des Managements hängt <strong>von</strong> der Mitarbeit der Fachstellen ab;<br />

• Die Einrichtung einer Stabstelle verursacht Personalaufwand.<br />

Traditionell ist das Management <strong>von</strong> Gefahren und Risiken dezentral organisiert. Hierbei sind<br />

verschiedene Organe für unterschiedliche Gefahren und Prozesse sowie für deren Kontrolle und<br />

Handhabung zuständig.<br />

Welche Organisationsform für das Management <strong>von</strong> Naturrisiken am besten geeignet ist, kann<br />

nicht eindeutig geklärt werden. HOLLENSTEIN beschreibt für die Entwicklung der Sicherheitswis-<br />

senschaft eine Tendenz zur Installierung zentraler Verfahren und schließt aus seinen Betrachtun-<br />

gen, dass die zentrale Organisationsform den Aufbau <strong>von</strong> Fachkompetenz erleichtern und die<br />

Koordination verbessern könnte (ebd., 1997: 160).


Risikomanagement<br />

Ein wesentlicher Vorteil des zentral organisierten Verfahrens, ist die Berücksichtigung einer gro-<br />

ßen Zahl verschiedener Gefahren und Risiken. Diese Möglichkeit kommt einem vielfach geforderten<br />

Multi-Hazard-Ansatz entgegen. So ist es möglich, aus den verschiedenen Einzelrisiken ein<br />

globales Risiko zu konstruieren, was eine integrative und umfassende Analyse, Bewertung und<br />

Management ermöglicht.<br />

Zudem erfordert die zunehmende Verknappung der öffentlichen Mittel eine effiziente Arbeits-<br />

weise der Behörden. Mit der Reduzierung des Koordinationsaufwandes könnte hierzu ein Beitrag<br />

geleistet werden. Demgegenüber stehen die erforderlichen Personalmittel für die Stabstelle.<br />

Betrachtet man den wichtigen Aspekt der Partizipation, so wird deutlich, dass die Bevölkerungsbeteiligung<br />

wesentlich effektiver in einem zentralen Risikomanagement eingesetzt werden kann.<br />

So wäre es z.B. möglich, die Öffentlichkeit im Küstenraum nicht nur zu konkreten Fragen des<br />

Küstenschutzes zu beteiligen, sondern in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeiten des<br />

Katastrophenmanagements zu erläutern und zu diskutieren. So ließen sich die hohen Kosten der<br />

Partizipationsverfahren reduzieren und die Kapazitäten konzentrieren.<br />

Für ein zentrales Risikomanagement spricht außerdem, dass die Stabstelle auch das reaktive Risi-<br />

komanagement im Ereignisfall organisieren könnte, denn Krisenstäbe sind temporäre Stabstellen.<br />

So könnte im Katastrophenfall auf bewährte und bekannte Strukturen und Verbindungen<br />

zurückgegriffen werden, was eine optimale Zusammenarbeit und Integration aller Beteiligten ge-<br />

währleisten würde. Zudem sind so kontraproduktive und den Prozess verzögernde Auseinander-<br />

setzungen über Zuständigkeiten und Kompetenzen zu vermeiden.<br />

Ein wichtiges Instrument zur Organisation und zum Ablauf des Risikomanagements ist der<br />

Sicherheitsplan (vgl. Anhang A).<br />

6.2.3 Restriktionen beim Risikomanagement<br />

Das Management <strong>von</strong> Naturrisiken unterliegt verschiedenen Restriktionen. Diese sind bei der Or-<br />

ganisation des Managements zu berücksichtigen. Hierdurch wird der Handlungsspielraum im<br />

Planungsprozess eingeschränkt.<br />

Wie in Kap. 6.2.2 erläutert wurde, sind am Risikomanagement i. d. R. zahlreiche Institutionen und<br />

Behörden beteiligt, deren Aktivitäten durch unterschiedliche rechtliche und administrative Rah-<br />

menbedingungen bestimmt werden. Die wesentlichen Managementrestriktionen sind<br />

(vgl. HOLLENSTEIN, 1997):<br />

• Rechtlicher Rahmen: Für die Maßnahmenplanung- und -umsetzung ist eine rechtliche Absiche-<br />

rung notwendig. Diese ist nicht immer gegeben; Zudem bestimmt die Ge-<br />

setzgebung u. a. Genehmigungs- und Mitwirkungsverfahren (z.B. UVP);<br />

• Zuständigkeiten: Diese sind i. d. R. auf mehrere Behörden verteilt, so dass zwischen diesen<br />

konsensuelle Lösungen gefunden werden müssen. Zudem erfordert dies ei-<br />

nen hohen Koordinations- und Kommunikationsaufwand, was den Prozess<br />

des Managements verzögert;<br />

217


218<br />

Risikomanagement<br />

• Territorialprinzip: Naturereignisse mit hoher Ubiquität wirken oft über Grenzen und Zustän-<br />

digkeiten hinaus, was eine überregionale, teils internationale Abstimmung<br />

erforderlich macht;<br />

• Akzeptanz: Das Risikomanagement tangiert individuelle, politische und ökonomische<br />

Interessen zwischen denen ein Ausgleich gefunden werden muss. Die Ak-<br />

zeptanz <strong>von</strong> Maßnahmen ist u. a. abhängig <strong>von</strong> dem Verhältnis zwischen<br />

Nutzen- und Risikoreduktion, individuellen und kollektiven Präferenzen,<br />

dem Risikobewusstsein und dem Konsensfindungsprozess (vgl. Kap. 5.2).<br />

Für das Management des Sturmflutrisikos im schleswig-holsteinischen Küstenraum sollen die<br />

Restriktionen am Beispiel des Küstenschutzes als primäres Managementelement erläutert werden.<br />

Rechtliche Rahmenbedingungen im schleswig-holsteinischen Küstenschutz<br />

Der rechtliche Rahmen des schleswig-holsteinischen Küstenschutzes ist sowohl durch die nationale<br />

Gesetzgebung als auch durch internationale Vereinbarungen vorgegeben. Hierdurch wird<br />

der Handlungsspielraum im Küstenschutzmanagement erheblich eingeschränkt. Die Planung<br />

wird gegenwärtig <strong>von</strong> einer großen Zahl an Gesetzen geregelt oder beeinflusst (Tab. 6.9;<br />

vgl. MLR, 2001: 17f). Hierbei sind die den Küstenschutz originär betreffenden Rechtsvorschriften<br />

im Landeswassergesetz (LWG) zusammengefasst.<br />

Der Küstenschutz obliegt demjenigen, der dadurch einen Vorteil erzielt (Vorteilsprinzip). Eine Ein-<br />

schränkung dieses Prinzips wurde in der Vergangenheit vorgenommen durch die Übernahme der<br />

Instandhaltung und Wiederherstellung der Landesschutzdeiche und anderer den Küstenschutz<br />

betreffender Strukturen durch das Land Schleswig-Holstein in den Jahren 1971 und 1991<br />

(MLR, 2001: 17).<br />

Tab. 6.9: Küstenschutz und Gesetzgebung in Schleswig-Holstein<br />

(Quelle: MLR, 2001: 16)<br />

Gesetz Fundort<br />

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. 05. 1949, zuletzt geändert am 16. 07. 1998<br />

Wassergesetz des Landes Schleswig-Holstein (LWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. 06. 2000<br />

Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) in der Neufassung vom 12. 11. 1996, zuletzt geändert durch<br />

Gesetz vom 16. 06. 1998<br />

Gesetz zum Schutz der Natur - Landesnaturschutzgesetz - (LNatSchG) vom 16.6.1993, zuletzt angepasst durch<br />

Verordnung vom 16. 06. 1998<br />

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege - Bundesnaturschutzgesetz - (BNatSchG) in der Neufassung vom<br />

21. 09. 1998<br />

BGBl., S. 1<br />

BGBl I S., 1822<br />

GVOBl. Schl.-H., S. 81<br />

GVOBl. Schl.-H., S. 490<br />

BGBl. Teil I, S. 1695<br />

BGBl. Teil I, S. 823<br />

GVOBl. Schl.-H., S. 215<br />

GVOBl. Schl.-H., S. 210<br />

BGBl. Teil I, S. 2984<br />

Gesetz zum Schutz des schleswig-holsteinischen Wattenmeeres-Nationalparkgesetz - vom 17. 12. 1999 GVOBl. Schl.-H., S. 518<br />

Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein- Landesverwaltungsgesetz - (LVwG) in der Fassung<br />

vom 02. 06. 1992, zuletzt geändert durch Gesetz vom 01. 12. 1999<br />

Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK-Gesetz -<br />

GAKG) in der Fassung vom 21. 07. 1988, zuletzt geändert durch Gesetz vom 08. 08. 1997<br />

Gesetz über die Landesplanung (Landesplanungsgesetz) in der Fassung vom 10. 02. 1996, zuletzt geändert durch<br />

Verordnung vom 24. 10. 1996<br />

Gesetz über Grundsätze zur Entwicklung des Landes (Landesentwicklungsgrundsätze) in der Fassung vom<br />

31. 10. 1995<br />

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 12. 02. 1990, zuletzt geändert durch Gesetz vom<br />

27. 08. 2002<br />

GVOBl. Schl.-H., S. 243<br />

GVOBl. Schl.-H., S. 468<br />

BGBl. Teil I, S. 1055<br />

BGBl. Teil I, S. 2027<br />

GVOBl. Schl.-H., S. 232<br />

GVOBl. Schl.-H., S. 652<br />

GVOBl. Schl.-H., S. 364<br />

BGBl.. Teil I, S. 205<br />

BGBl. Teil I, S. 2081


Risikomanagement<br />

Die Planungspraxis stützt sich zudem auf den Generalplan Küstenschutz. Dieser hat aber den recht-<br />

lichen Status eines Sonderplanes und ist damit für Planungsträger wie Gemeinden nicht verbind-<br />

lich.<br />

Neben der nationalen Gesetzgebung müssen folgende durch Bundesgesetz ratifizierte inter-nationale<br />

Vereinbarungen als Rahmengesetz im Küstenschutz beachtet werden (vgl. MLR, 2000a: 36ff;<br />

MLR, 2001: 18f; ROAD AND HYDRAULIC ENGINEERING DIVISION, 2001):<br />

• Ramsar Konvention über Feuchtgebiete <strong>von</strong> internationaler Bedeutung insbesondere als Lebensraum für<br />

Vögel;<br />

• Berner Konvention über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer<br />

gefährdeten Lebensräume;<br />

• Rio Konvention Biologische Vielfalt über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt<br />

in sektoralen Plänen;<br />

Zudem binden folgende multilaterale Absichtserklärungen der Bundesregierung das Verwal-<br />

tungshandeln (MLR, 2001: 19):<br />

• Erklärung <strong>von</strong> Stade, in der Richtlinien zum Schutz des Wattenmeeres enthalten sind;<br />

• Helsinki Konvention über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes;<br />

• Man and the Biosphere (Unesco-Programm) - Der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ist Bio-<br />

sphärenreservat.<br />

Zuständigkeiten im schleswig-holsteinischen Küstenschutz<br />

Mit Wirkung vom 01. März 2003 hat das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein die<br />

Aufgaben des Küstenschutzes übernommen 10 . Als oberste Küstenschutzbehörde ist das Ministe-<br />

rium damit zuständig für alle grundsätzlichen Aufgaben des Küstenschutzes gemäß § 106 LWG.<br />

In den Aufgabenbereich fallen die Planfeststellungen und Plangenehmigungen für das Errichten,<br />

Beseitigen, Verstärken oder wesentliche Umgestalten <strong>von</strong> Landesschutzdeichen und Überlaufdei-<br />

chen in der ersten Deichlinie im Einflussbereich der Nord- und Ostsee, die sich in der Trägerschaft<br />

des Landes befinden. Es ist außerdem zuständig für die Bestimmung der Sollabmessungen<br />

(Bestick) für Landesschutzdeiche und sämtliche Überlaufdeiche sowie für die Widmung, Um-<br />

oder Entwidmung <strong>von</strong> Deichen (vgl. MLR, 2001: 20).<br />

Die Ämter für ländliche Räume (ÄLR), die nun als untere Landesbehörden dem Innenministe-<br />

rium unterstellt sind, bleiben untere Küstenschutzbehörden und somit weiterhin für die Landes-<br />

schutz- und Überlaufdeiche sowohl Träger der Maßnahmen als auch Anhörungsbehörden für das<br />

Planfeststellungsverfahren. Zudem sind sie für die Instandhaltung der im Eigentum des Landes<br />

befindlichen Anlagen des Küstenschutzes sowie für die Aufsicht, die Planfeststellung bzw.<br />

Genehmigung und Kontrolle der übrigen Küstenschutzanlagen zuständig.<br />

Die Finanzierung der Küstenschutzmaßnahmen erfolgt im Wesentlichen über die Gemeinschaftsaufgabe<br />

Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, in der Bund und Länder staatliche<br />

Baumaßnahmen anteilig in Höhe <strong>von</strong> 70 bzw. 30 % fördern.<br />

10 Vor dem 01. März 2003 war das MLR Schleswig -Holstein für den Küstenschutz zuständig.<br />

219


220<br />

Risikomanagement<br />

Insbesondere in zahlreichen ungeschützten Küstenniederungen an der Ostseeküste obliegt aber<br />

heute noch den Gemeinden die Verantwortung und Finanzierung des Küstenschutzes. Maßnah-<br />

men z.B. einzelner Gemeinden oder Wasser- und Bodenverbände können jedoch bei Übernahme<br />

eines Eigenanteils durch Bund und Land gefördert werden (HOFSTEDE und PROBST, 1999).<br />

Das Innenministerium als oberste sowie die Landräte der Kreise bzw. Bürgermeister der kreis-<br />

freien Städte als untere Katastrophenschutzbehörde sind sachlich zuständig für die Katastrophen-<br />

schutzaufgaben. Hierbei werden diese im Überflutungsfall <strong>von</strong> den ÄLR unterstützt. Diese sind<br />

als unterste Küstenschutzbehörden nicht nur ausführende Organe für das präventive Management,<br />

sondern als technische Fachbehörden auch für die Ausführung der notwendigen Maßnah-<br />

men zum Schutz der Niederungen gegen Hochwasser und Sturmfluten zuständig. Hierzu gehört<br />

auch die Unterhaltung eines hydrologischen Dienstes, der die Wasserstandsentwicklungen an den<br />

Küsten beobachtet und Meldungen des BSH entgegennimmt (vgl. MLR, 2001: 21f).<br />

Mit der Zusammenlegung der Aufgaben des Küsten- und des Katastrophenschutzes in einem<br />

Ministerium ist die Möglichkeit geschaffen worden, zukünftig die Aspekte des präventiven und<br />

reaktiven Risikomanagements näher zusammenzubringen. Gegenwärtig zeigt sich dieses in einer<br />

deutlichen Verkürzung der Kommunikationswege. Eine Übersicht der Organisation der Landes-<br />

behörden ist in Anhang B der Arbeit dargestellt.<br />

Territorialprinzip im schleswig-holsteinischen Küstenschutz<br />

Territoriale Restriktionen können dann den Küstenschutz tangieren, wenn die geplanten Maß-<br />

nahmen Auswirkungen haben, die über die schleswig-holsteinische Landesgrenze bzw. die Bun-<br />

desgrenze hinausgehen. Dann sind Abstimmungen mit den angrenzenden Bundesländern (Ham-<br />

burg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern) und u. U. auch mit Dänemark erforderlich.<br />

Akzeptanz und Konflikte im schleswig-holsteinischen Küstenschutz<br />

Wie in den Kapiteln 5.3 und 6.2.1 gezeigt wurde, ist die Akzeptanz sowohl des Risikos als auch<br />

der Maßnahmen zu dessen Reduzierung <strong>von</strong> zahlreichen Faktoren abhängig. Maßgebend sind<br />

hierbei insbesondere das Risikobewusstsein sowie die verschiedenen Nutzungsinteressen im<br />

Küstenraum. Die klassischen Konflikte bestehen hierbei zwischen dem Küstenschutz, der Bevöl-<br />

kerung, dem Naturschutz und unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen. Die wesentlichen<br />

Positionen der einzelnen Gruppen können - stark generalisiert - wie folgt skizziert werden.<br />

Die Wohnbevölkerung sieht den Küsteraum primär als attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum, in<br />

dem sich die Menschen, geschützt <strong>von</strong> äußeren Einflüssen, möglichst frei entfalten möchten.<br />

Küstenschutz wird dann akzeptiert, wenn der Bevölkerung das Risiko <strong>von</strong> Sturmfluten bewusst<br />

ist. So zeigt sich, entsprechend der unterschiedlichen Sensibilität, an der <strong>von</strong> Sturmfluten weniger<br />

stark frequentierten Ostseeküste eine wesentlich geringere Akzeptanz der Maßnahmen als an der<br />

Nordseeküste. 11<br />

11 Die Forderung der Bevölkerung nach einem kompromisslosen Küstenschutz an der Nordseeküste mag folgender Kommentar des<br />

Amtes Föhr-Land und Wyk auf Föhr zum Synthesebericht der Ökosystemforschung Wattenmeer verdeutlichen: „Sämtliche<br />

Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der vorhandenen und zukünftig notwendigen Küstenschutzanlagen müssen<br />

absoluten Vorrang vor Naturschutzbelangen haben. Hier hat der Naturschutz, wenn es notwendig wird, zurückzustehen. Deiche<br />

und Küstenschutzanlagen (…) sind Voraussetzungen, um den vorhandenen Lebensraum der Inselbevölkerung abzusichern und<br />

zu erhalten. Ihr Stellenwert ist deutlich vor dem Naturschutz anzusiedeln.“ (Amt Föhr-Land und Wyk, 1998: 45)


Risikomanagement<br />

Das Anliegen des Naturschutzes ist es, den ökologisch wertvollen Küstenraum vor Eingriffen und<br />

Veränderungen zu bewahren. Küstenschutzmaßnahmen bedeuten aber oftmals erhebliche Stö-<br />

rungen im natürlichen System der Küste, so dass hier konkurrierende Interessen aufeinander<br />

stoßen (vgl. HOFSTEDE, 2001).<br />

Unterschiedliche ökonomische Segmente, wie z.B. die für den schleswig-holsteinischen Küstenraum<br />

wichtige Tourismusbranche oder die Landwirtschaft, fordern möglichst geringe Beschränkungen<br />

ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten. Da Küstenschutzmaßnahmen das Küstenbild vielfach stark<br />

verändern, befürchten z.B. Tourismusvertreter, dass die sinkende Attraktivität zu einem Rück-<br />

gang der Urlauberzahlen führen könnte (vgl. KAUL und REINS, 2000).<br />

Die Küstenschutzverwaltung versucht andererseits ihren Schutzauftrag zu erfüllen und muss hier-<br />

bei die zahlreichen Belange im Küsteraum berücksichtigen und im Planungsprozess ausgleichen.<br />

6.2.4 Zielfindung im Risikomanagement<br />

Die Zielformulierung ist ein unverzichtbarer Bestandteil jedes Managementprozesses, da es ohne<br />

klar definierte und transparent gestaltete Ziele zu Dissensen bei der Planung und Umsetzung <strong>von</strong><br />

Maßnahmen kommen kann. Zudem bewirken einzelne Maßnahmen ohne die Integration in ein<br />

Gesamtkonzept nur Teillösungen eines Problems.<br />

In der Planung steht die Sachebene der Wertebene gegenüber (Tab. 6.10). Während die Sachebene<br />

alle Seinsaussagen umfasst (z.B. Beschreibungen empirischer Gegebenheiten, statistischer Zusam -<br />

menhänge, Hypothesen und Prognosen), steht die Wertebene in Beziehung zum menschlichen<br />

Handeln (z.B. normative Sätze als Sollensanforderungen, Empfehlungen, Vorschriften, Interessen,<br />

wertende Stellungnahmen, Werturteile).<br />

Ziele gehören zur Wertebene und beschreiben den Problemgegenstand, wie er zukünftig sein<br />

sollte (vgl. SCHOLLES und PUTSCHKY, 2001).<br />

Tab. 6.10: Beispiele der Sach- und Wertebene<br />

Sachebene Wertebene<br />

Im Niederungsgebiet X leben 2300 Einwohner. Im Niederungsgebiet X sollen 2300 Einwohner durch<br />

Küstenschutzmaßnahmen vor möglichen Überschwemmungen<br />

geschützt werden.<br />

Der Landesschutzdeich im Niederungsgebiet X hat eine<br />

Höhe <strong>von</strong> 7,30 m ü. NN.<br />

6.2.4.1 Zielsystem und Zielsetzungsprozess<br />

Die Höhe des Landesschutzdeiches <strong>von</strong> 7,30 m ü. NN ist<br />

für den Überflutungsschutz des Niederungsgebietes X<br />

nicht ausreichend. Der Deich muss auf 8,30 m ü. NN<br />

erhöht werden.<br />

Mit dem Management <strong>von</strong> Risiken wird i. d. R. eine Vielzahl <strong>von</strong> Zielen verfolgt. Deren Anordnung<br />

in einem hierarchischen System wird als Zielsystem bezeichnet. Es orientiert sich an dem<br />

Grad der Operationalisierung bzw. Konkretisierung der einzelnen Ziele.<br />

221


222<br />

Risikomanagement<br />

Man kann zwischen eindimensionalen und mehrdimensionalen Zielsystemen unterscheiden.<br />

Während eindimensionale Zielsysteme ein primäres Ziel verfolgen, werden in der Praxis vielfach<br />

wesentlich komplexere mehrdimensionale Systeme mit zahlreichen primären Zielen entwickelt<br />

und verfolgt. Die Einzelziele können sich dann zueinander substituierbar, komplementär, konkurrierend<br />

oder indifferent verhalten. Somit bedarf es im Einzelfall eines Abwägungsprozesses<br />

(SCHOLLES und PUTSCHKY, 2001).<br />

Unter Berücksichtigung der identifizierten Restriktionen des Risikomanagement lässt sich das<br />

Zielsystem mit den verschiedenen Zielebenen wie folgt definieren 12 (vgl. HOLLENSTEIN, 1997;<br />

MLR, 2001; SCHOLLES und PUTSCHKY, 2001):<br />

Leitziel oder Leitbild<br />

Das Leitziel oder Leitbild definiert den maximal zu erreichenden Zielzustand des jeweiligen Risikos<br />

bzw. eines spezifischen Planungs- oder Problemgegenstandes. Es kann auch als Wunsch- oder<br />

Idealbild aufgefasst werden, in dem gesellschaftliche Wertvorstellungen zum Ausdruck gebracht<br />

werden. Auf jeder thematischen oder räumlichen Ebene können eigene, auf den jeweiligen Pla-<br />

nungsmaßstab abgestimmte Leitbilder entwickelt werden. So hat z.B. der Naturschutz ein anderes<br />

Leitbild als der Küstenschutz.<br />

Wesentliche Kennzeichen eines Leitzieles sind (vgl. SCHOLLES und PUTSCHKY, 2001):<br />

• Allgemeinheit im Sinne <strong>von</strong> Abstraktheit: Definitionen beschränken sich meistens auf eine relativ allge-<br />

meine, qualitative, häufig bildhafte und visionäre Beschreibung des anzustrebenden Zustandes;<br />

• Orientierungsrahmen zur Ableitung konkreter Ziele: Leitziele bieten keine vorgefertigten Lösungen;<br />

• Realisierbarkeit: Leitziele sind keine Utopie sondern grundsätzlich realisierbar;<br />

• Politische Zielaussage: ein Leitziel beruht auf einem gesellschaftlichen oder fachlichen Wertesystem;<br />

• Gruppenkonsens: es gibt i. d. R. nicht ein Leitziel für die zukünftige Entwicklung, sondern mehrere, fachli-<br />

che, unter Umständen miteinander konkurrierende Leitziele, die jeweils ohne Berücksichtigung beste-<br />

hender externer Restriktionen entwickelt werden.<br />

Leitziele sind keine statischen Ziele, sondern mit der Zeit wandelbar. Für ihre Entwicklung ist<br />

eine ganzheitliche Betrachtungsweise zu bevorzugen, indem Veränderungen nicht nur in einem<br />

Bereich angestrebt werden. Zudem sollten die <strong>von</strong> dem Management und der Planung betroffe-<br />

nen an der Erarbeitung eines Leitbildes beteiligt werden, damit nicht an den primären Bedürfnissen<br />

vorbeigeplant wird.<br />

Die notwendige Legitimation eines Leitzieles erfolgt durch politischen Beschluss, so dass dieses<br />

dann als Grundlage für die Planung dienen kann (vgl. SCHOLLES und PUTSCHKY, 2001).<br />

Strategische Entwicklungsziele<br />

Leitziele gelten zwar grundsätzlich als realisierbar, doch ist der hiermit angestrebte Idealzustand<br />

in der Praxis selten zu erreichen. Im Zielsystem stehen unter dem Leitziel die strategischen Entwicklungsziele,<br />

die möglichst eine Annäherung an das Leitbild darstellen.<br />

12 Die Termini im Zielsystem werden in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Zudem sind die Zielebenen nicht immer eindeutig<br />

festzulegen und der Umfang und die Bedeutung der Ziele kann je nach Problemstellung und dem räumlichen Maßstab (z.B.<br />

regional vs. lokal) stark variieren.


Risikomanagement<br />

Unter Berücksichtigung der bestehenden Restriktionen bilden diese die Leitlinien für den Pla-<br />

nungsprozess im Risikomanagement. Nach Abwägung mit anderen Zielvorstellungen im<br />

Planungsraum und unter Berücksichtigung <strong>von</strong> sozioökonomischen und physikalischen Randbe-<br />

dingungen müssen sie als realisierbare Kompromisse angesehen werden. Die strategischen Entwicklungsziele<br />

sind die primären Ziele im Planungsprozess und damit die obersten Prämissen in<br />

Begründungsketten. Sie sind oftmals noch sehr abstrakt gehalten und haben vielfach qualitativ<br />

beschreibenden Charakter. In der Regel beschreiben sie die Präferenzordnung und Handlungs-<br />

grundsätze (z.B. Effizienz und Effektivität), die dem Management zu Grunde liegen. Hieraus las-<br />

sen sich Rückschlüsse auf die Strategien schließen (vgl. HOLLENSTEIN, 1997).<br />

Strategische Entwicklungsziele sind z.B.:<br />

• der Schutz <strong>von</strong> Menschen hat oberste Priorität;<br />

• alle Maßnahmen müssen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung durchgeführt werden;<br />

• alle Maßnahmen sollen in kürzest möglicher Zeit realisiert werden;<br />

• die Umsetzung ist auf die Minimierung der negativen ökologischen Auswirkungen auszurichten.<br />

Operationelle Handlungsziele<br />

Ohne eine Umsetzung in Maßnahmen bleiben Zielsysteme ohne Wirkung. Daher werden zur<br />

Konkretisierung der Entwicklungsziele operationelle Handlungsziele formuliert. Sie umfassen die<br />

zeitlichen, räumlichen und thematischen Aspekte der Planung, die erforderlich sind, um die in<br />

den strategischen Entwicklungszielen definierten Zustände und Vorgaben zu erreichen. Ihr Inhalt<br />

kann sich auf mehrere strategische Ziele auswirken. Sie haben im Gegensatz zu den strategischen<br />

Zielen weniger thematischen sondern eher objektspezifischen Charakter und legen i. d. R. quan-<br />

titative Zielwerte fest. Somit kann die Zielerreichung kontrolliert werden.<br />

Operationelle Handlungsziele sind z.B.:<br />

• die Evakuierungsdauer im Niederungsgebiet X ist auf maximal 4 Stunden zu reduzieren;<br />

• die nutzbare Vorwarnzeit im Niederungsgebiet X ist auf 5 Stunden zu erhöhen;<br />

• die statistische Häufigkeit <strong>von</strong> Überflutungen im Niederungsgebiet W ist bis zum Jahre X mit einem<br />

Ressourcenaufwand <strong>von</strong> maximal Y auf einen Wert <strong>von</strong> Z zu senken;<br />

• der Landesschutzdeich im Niederungsgebiet X ist nach einem Bemessungswasserstand <strong>von</strong> W bei einer<br />

Ist-Höhe <strong>von</strong> X mit Kosten <strong>von</strong> Y auf eine Soll- Höhe <strong>von</strong> Z zu verstärken.<br />

Mögliche Zielkonflikte und die allgemeine Verknappung der Mittel verhindern die Umsetzung<br />

aller möglichen Maßnahmen zur Risikoreduzierung. So müssen in einem Abwägungs- bzw. Zielfindungsprozess<br />

die prioritären Handlungsziele festgelegt werden. Hierbei ist die einfachste Me-<br />

thode, die ordinale Rangierung der Ziele, die aber u. U. zu sehr einseitigen Lösungen führt. Dar-<br />

über hinaus bestehen verschiedene Verfahren, die eine Gesamtoptimierung auf der Basis <strong>von</strong><br />

Vergleichsmaßstäben anstreben.<br />

Ein geeignetes Instrument zur Gewichtung der Ziele ist der Analytic Hierachy Process (AHP)<br />

(SAATY, 1985, 1989; vgl. HOLLENSTEIN, 1997; SCHOLLES und PUTSCHKY, 2001).<br />

223


224<br />

Risikomanagement<br />

6.2.4.2 Zielsystem in der schleswig-holsteinischen Küstenschutzplanung<br />

Im Folgenden soll am Beispiel des Integrierten Küstenschutzmanagements in Schleswig-Holstein ein<br />

Zielsystem zum Umgang mit dem Sturmflutrisiko aufgezeigt werden. Wie schon erläutert wurde,<br />

ist der Küstenschutz lediglich ein - wenn auch primärer - Aspekt des Risikomanagements im<br />

Küstenraum. Somit wird nur ein fachspezifisches Zielsystem betrachtet, welches mit anderen<br />

Zielsetzungen im Küstenraum vielfach konkurriert.<br />

Das Zielsystem des Küstenschutzes ist unter Federführung des MLR entwickelt und anschließend<br />

mit Vertretern der Küstenbewohner und Fachleuten mehrfach diskutiert und modifiziert worden.<br />

Das dargestellte Zielsystem ist das Endergebnis, welches sich in dieser Form im Generalplan<br />

Küstenschutz wieder findet (HOFTSTEDE und PROBST, 1999).<br />

Die schleswig-holsteinische Küstenschutzverwaltung beschreibt die Veranlassung der Entwick-<br />

lung ihres Zielsystems wie folgt (PROBST, 2002):<br />

„Die Umsetzung <strong>von</strong> zielgerichteten Gestaltungsvorgängen zum Schutz der Küsten in Konkurrenz zu<br />

anderen Zielen (Umwelt, Tourismus, Landwirtschaft u. a.) erfordert es, dass der angestrebte Zustand<br />

definiert und begründet wird. Die Neufassung des Generalplans Küstenschutz ist Anlass, ein Zielsys-<br />

tem für die Konzeption und Planung <strong>von</strong> Küstenschutzmaßnahmen bestehend aus Leitbild, Entwick-<br />

lungszielen, Handlungszielen und Maßnahmen zu definieren. Nur so kann die Position des<br />

Küstenschutzes im Reigen der übrigen Leitbilder festgelegt und behauptet werden.“ (Abb. 6.7)<br />

Abb. 6.7: Zielsystem im schleswig-holsteinischen Küstenschutzmanagement<br />

(Quelle: MLR, 2001: 6)<br />

Leitbild Küstenschutz<br />

Geschützt vor lebensbedrohenden Überflutungen durch Sturmfluten und vor den zerstörenden Einwirkungen<br />

des Meeres leben, arbeiten, wirtschaften und erholen sich die Menschen heute und künftig in den Küs-<br />

tengebieten.


Risikomanagement<br />

Das skizzierte Leitbild (Leitziel) bejaht ausdrücklich die anthropogene Nutzung des Küstenrau-<br />

mes und damit das Recht, sich gegen die Angriffe des Meeres zu schützen. Das zeitlich nicht fest-<br />

gelegte Leitbild definiert den maximal zu erreichenden Zielzustand des Küstenschutzes ohne<br />

Berücksichtigung <strong>von</strong> Restriktionen z.B. durch andere Leitbilder oder Ziele. Das Leitbild ist veränderbar,<br />

was sich z.B. dadurch zeigt, dass seit etwa vier Jahrzehnten die Gewinnung <strong>von</strong> land-<br />

wirtschaftlichen Nutzflächen nicht mehr zum Leitbild des Küstenschutzes zählt (PROBST, 2002).<br />

Entwicklungsziele<br />

Bei der Aufstellung der strategischen Entwicklungsziele für den Küstenschutz sind u. a. Leitbilder<br />

und Ziele des Naturschutzes, der Landwirtschaft, der gewerblichen Wirtschaft, des Tourismus<br />

sowie Kosten-Nutzen-Überlegungen und die verfügbaren Ressourcen berücksichtigt worden. Die<br />

im Folgenden dargestellten Entwicklungsziele sind realisierbare Kompromisse, die als langfristige<br />

Grundlage für den Generalplan Küstenschutz gelten (vgl. PROBST, 2002).<br />

Die zehn Gebote des Küstenschutzes<br />

1. Der Schutz <strong>von</strong> Menschen und ihren Wohnungen durch Deiche und Sicherungswerke hat oberste<br />

Priorität.<br />

2. Dem Schutz <strong>von</strong> Landflächen und Sachwerten durch Deiche und Sicherungswerke wird als<br />

wichtige Grundlage für die Vitalisierung der ländlichen Räume eine sehr hohe Bedeutung<br />

beigemessen.<br />

3. Rückverlegungen oder Aufgabe <strong>von</strong> Deichen sind nur in Ausnahmefällen möglich<br />

4. Unbedeichte Küsten werden gesichert, soweit Siedlungen oder wichtige Infrastrukturanlagen vom<br />

Küstenabbruch bedroht sind.<br />

5. Inseln und Halligen werden in ihrem Bestand erhalten.<br />

6. Die deichnahen Vorländer werden nach den Vorgaben des Küstenschutzes unterhalten. Weitere<br />

Vorländer werden im gemeinsamen Interesse <strong>von</strong> Küsten- und Naturschutz erhalten und vor<br />

Schardeichen neu geschaffen.<br />

7. Die Erhaltung der langfristigen Stabilität des Wattenmeeres wird angestrebt.<br />

8. Im Sinne einer Zukunftsvorsorge werden hydromorphologische Entwicklungen sowie<br />

Klimaänderungen und ihre möglichen Folgen sorgfältig beobachtet und bewertet. Durch frühzeitige<br />

Planungen <strong>von</strong> Szenarien wird ein schnelles Reagieren ermöglicht.<br />

9. Natur und Landschaft sollen bei der Ausführung <strong>von</strong> Küstenschutzmaßnahmen soweit wie möglich<br />

geschont werden. Die Entwicklung und Umsetzung anderer berechtigter Anforderungen an den<br />

Küstenraum soll ermöglicht werden.<br />

10. Alle Küstenschutzmaßnahmen werden im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung durchgeführt.<br />

Abb. 6.8: Entwicklungsziele im schleswig-holsteinischen Küstenschutz<br />

(Quelle: MLR, 2001: 6f)<br />

Handlungsziele und Maßnahmen<br />

Die für einen mittelfristigen Zeitraum formulierten Handlungsziele sind die operative Konkreti-<br />

sierung der Entwicklungsziele. Damit sie überprüfbar sind, müssen sie die drei Dimensionen des<br />

Zielbegriffs, nämlich Zielinhalt, zeitlicher Bezug und angestrebtes Ausmaß enthalten. Im Generalplan<br />

Küstenschutz ist dieses durch die Auflistung der Maßnahmen (Zielinhalt), die Grundlagen und<br />

Festlegung für die Bemessung (Ausmaß der Zielerfüllung) und die Beschreibung der Ausfüh-<br />

rungsfristen und Prioritäten (zeitlicher Bezug) berücksichtigt worden.<br />

Ist die erforderliche Konkretisierung im Generalplan Küstenschutz nicht möglich, so werden diese<br />

als Unterziele in Fachplänen und Bauentwürfen dargestellt.<br />

Die Maßnahmen des Küstenschutzes sind kurzfristige handlungsorientierte Zielwerte und somit<br />

messbar. Die Zielerfüllung ist an ihnen zu ermitteln (PROBST, 2002).<br />

225


226<br />

Zielmanagement<br />

Risikomanagement<br />

Die Kontrolle der Zielerfüllung wird mit dem Zielmanagement gewährleistet. Hierbei ergeben<br />

sich verschiedene Regelkreise mit unterschiedlichen Zeitschienen.<br />

PROBST beschreibt das Verfahren wie folgt: „Die Entwicklungsziele gelten langfristig. Auf ihrer<br />

Grundlage wird der Generalplan Küstenschutz aufgestellt und fortgeschrieben (mittelfristige<br />

Handlungsziele) und durch Ausführung der Maßnahmen nach vorher vereinbarten Jahresplänen<br />

als kurzfristige Zielwerte umgesetzt. Die Umsetzung ist mit einer Kontrolle der Zielerfüllung der<br />

Jahrespläne verbunden. Parallel dazu werden die Küstenschutzplanungsräume beobachtet<br />

(Monitoring) und untersucht (Forschung). Dabei werden Ist-Zustand und Prognosen ermittelt.<br />

Durch Vergleich des Ist-Zustands mit den Handlungszielen des Generalplans wird die Erfüllung<br />

des Plans im Sinne eines Controllings mittelfristig gesteuert. Durch Vergleich mit den Prognosen<br />

werden mittelfristig die Handlungsziele des Generalplans überprüft und bei Erfordernis ange-<br />

passt. Daraus ergibt sich das Sicherheitsgefühl vor den Meeresangriffen bei der Bevölkerung.<br />

Wandlungen dieses Sicherheitsgefühls können langfristig zu einer Änderung der Entwicklungs-<br />

ziele führen.“ (ebd., 2002: 12)<br />

Abb. 6.9: Zielsystem und Zielmanagement im schleswig-holsteinischen Küstenschutz<br />

(Quelle: nach PROBST, 2002: 11)<br />

6.2.5 Strategien im Risikomanagement<br />

Das Management <strong>von</strong> Naturrisiken bietet eine Vielzahl an Strategien und Maßnahmen zur Risiko-<br />

reduzierung. Hierbei sind je nach betrachteter Naturgefahr und den jeweiligen natürlichen und<br />

sozioökonomischen Rahmenbedingungen spezifische Instrumente für den Umgang mit dem Ri-<br />

siko auszuwählen. Sie alle hier zu beschreiben, würde den Rahmen der Arbeit übersteigen. Daher<br />

beschränken sich die Erläuterungen im Folgenden auf eine kurze Darstellung der verschiedenen<br />

Instrumente und deren möglicher Einsatz beim Umgang mit dem Risiko <strong>von</strong> Hochwasser und<br />

Sturmfluten.<br />

Naturräumliche<br />

und<br />

finanzielle<br />

Vorgaben<br />

langfristig<br />

mittelfristig<br />

kurzfristig<br />

Gesellschaftliche Wertvorstellungen<br />

Teilweise konkurrierende Leitbilder<br />

Küstenschutz Landwirtschaft Naturschutz Tourismus weitere<br />

Begrenzungen<br />

Entwicklungsziele<br />

10 Gebote<br />

Handlungsziele<br />

Generalplan<br />

Umsetzung<br />

Maßnahmen<br />

Ist-Zustand<br />

Sicherheitsgefühl<br />

Prognose<br />

Monitoring Untersuchung


6.2.5.1 Strategien zur Risikoreduzierung<br />

Risikomanagement<br />

Strategien bilden das Konzept zur Erreichung der im Zielsystem definierten Ziele. Eine Strategie<br />

kann demnach erst dann formuliert werden, wenn die zu verwirklichenden Ziele feststehen.<br />

In Abbildung 6.10 sind die verschiedenen Strategieansätze für das Management <strong>von</strong> Naturrisiken<br />

dargestellt. Um das für den Umgang mit Risiken allgemein gültige Ziel der Risikominderung zu<br />

erreichen, können sowohl präventive als auch reaktive Strategietypen festgelegt werden.<br />

Gefahr Gefahr<br />

reduzieren<br />

reduzieren<br />

Abb. 6.10: Strategieansätze des Risikomanagements bei Naturgefahren<br />

(Quelle: nach HOLLENSTEIN, 1997)<br />

Reduzierung der gefährlichen Einwirkungen<br />

Viele natürliche Gefahrenprozesse sind bis zu einer bestimmten Intensität kontrollierbar oder las-<br />

sen sich gänzlich vermeiden. Diese Grenze wird durch ein Bemessungsereignis definiert, welches<br />

eine physikalische bzw. statistische Referenzgröße vorgibt. So orientiert sich beispielsweise die<br />

Dimensionierung der Landesschutzdeiche in der schleswig-holsteinischen Küstenschutzplanung<br />

u. a. an einem statistisch ermittelten Referenzwasserstand (vgl. MLR, 2001: 24ff). Unterhalb dieses<br />

Bezugsniveaus wird angenommen, dass alle Ereignisse mit den gegenwärtigen Maßnahmen<br />

schadlos gehalten werden können. Darüber hinaus verbleibt ein Risiko besonders extremer Ereig-<br />

nisse mit oftmals katastrophalem Charakter (HOLLENSTEIN, 1997).<br />

Diese Strategien sind im Zusammenhang mit Naturgefahren sehr weit verbreitet, da sie i. d. R. bei<br />

den Betroffenen eine relativ hohe Akzeptanz erfahren und insbesondere seitens der Ingenieurswissenschaften<br />

relativ detailliert und korrekt geplant werden können. Der große Nachteil dieser<br />

Strategien ist, dass sie die Betroffenen zu einem trügerischen Sicherheitsgefühl verleiten (Deichef-<br />

fekt) (vgl. PLAPP, 2002). Dieses führt auch dazu, dass erst durch die Maßnahmen und die ver-<br />

meintlich hohe Sicherheit gefährdete Bereiche besonders intensiv genutzt werden, und dann im<br />

Ereignisfall besonders hohe Schäden entstehen können. Ein zusätzliches Problem ergibt sich aus<br />

dem zum Teil hohen Konfliktpotenzial, da <strong>von</strong> der Bevölkerung im potenziell gefährdeten Gebiet<br />

vielfach eine nicht zu realisierende absolute Sicherheit verlangt wird (vgl. AMT FÖ HR-LAND UND<br />

WYK AUF FÖHR, 1998).<br />

Risikominderung<br />

Risikominderung<br />

Prävention Prävention Reaktion<br />

Reaktion<br />

Schadenspotenzial<br />

Schadenspotenzial<br />

reduzieren<br />

reduzieren<br />

Empfindlichkeit<br />

Empfindlichkeit<br />

reduzieren<br />

reduzieren<br />

Schäden<br />

Schäden<br />

beschränken<br />

beschränken<br />

Schäden<br />

Schäden<br />

vermeiden<br />

vermeiden<br />

Schäden<br />

Schäden<br />

beheben<br />

beheben<br />

227


228<br />

Risikomanagement<br />

Begrenzung und Reduzierung des Schadenspotenzials<br />

Die Reduzierung und Begrenzung des Schadenspotenzials setzt ein generelles Umdenken in der<br />

überörtlichen und kommunalen Raumplanung voraus. Denn vielerorts zeigt sich heute noch eine<br />

Ausdehnung der Siedlungsflächen in Risikogebieten, wie z.B. in den hochwassergefährdeten<br />

Räumen entlang zahlreicher Flussläufe. Die Voraussetzung für ein verändertes Nutzungsverhal-<br />

ten ist ein ausgeprägtes Risikobewusstsein bei den kommunalen Entscheidungsträgern und in der<br />

potenziell betroffenen Bevölkerung (vgl. ISDR, 2002: 221ff).<br />

Eine dauerhafte Begrenzung des Schadenspotenzials z.B. durch Einschränkungen zukünftiger<br />

Nutzungen in Risikogebieten kann durch rechtliche Maßnahmen (z.B. in der Bauleitplanung)<br />

ermöglicht werden. Die Akzeptanz solcher Beschränkungen ist i. d. R. über eine sorgfältig vorbe-<br />

reitete Risikokommunikation zu erreichen.<br />

Wesentlich problematischer ist hingegen die Reduktion des bestehenden Schadenspotenzials,<br />

denn diese erfordert den Verzicht auf bisherige Nutzungen. Diese Strategie lässt sich am ehesten<br />

dort umsetzen, wo aus anderen Gründen eine Nutzungsrücknahme notwendig ist (z.B. durch<br />

Extensivierung in der Landwirtschaft). Da aber oftmals die individuellen und wirtschaftlichen<br />

Interessen stärker sind als die Angst vor Schäden und Verlusten durch Naturereignisse, sind die<br />

Strategien der räumlichen Nutzungsrücknahme oder ein kompletter Rückzug aus dem gefährdeten<br />

Bereich nur sehr schwer durchzusetzen (vgl. HOFSTEDE und PROBST, 1999).<br />

Ein Beispiel für eine Nutzungsaufgabe und eine permanente Evakuierung in einem gefährdeten<br />

Gebiet ist das Vorgehen in der amerikanischen Stadt Rapid City in South Dakota. Nach einem<br />

schweren Überschwemmungsereignis durch den Rapid Creek 1972, bei dem ca. 1 200 Gebäude zer-<br />

stört und 238 Menschen getötet wurden, kaufte die Stadt alle zerstörten Gebäude auf, beseitigte<br />

diese, um die Flächen anschließend ausschließlich als Grün- und Sportanlagen zu nutzen<br />

(PLATE et al., 2001: 21).<br />

Neben der dauerhaften Reduzierung des Schadenspotenzials wird im Ereignisfall die temporäre<br />

Reduzierung durch Evakuierungsmaßnahmen als Strategie zur vorbeugenden Schadensreduzierung<br />

eingesetzt (vgl. Kap. 6.2.6.2). Die Akzeptanz der damit verbundenen Maßnahmen ist i. d. R.<br />

hoch, da die Wirkung für die Betroffenen direkt zu erkennen und nachzuvollziehen ist<br />

(HOLLENSTEIN, 1997). Für die Evakuierung ist das Warnsystem und die verfügbare Zeit entschei-<br />

dend (vgl. PLATE et al., 2001).<br />

Reduzierung der Empfindlichkeit<br />

Mit verschiedenen Strategien lässt sich die Anfälligkeit des betroffenen Raumes gegenüber Schä-<br />

den reduzieren.<br />

Eine Strategie besteht darin, im Prozessbereich nur solche Objekte zu belassen, die gegenüber den<br />

gefährlichen Wirkungen unempfindlich sind. Empfindliche Strukturen müssen entsprechend aus<br />

dem Gefahrenbereich entfernt werden. Eine andere Strategie sieht die Veränderung der Objekte<br />

vor, so dass diese unempfindlich gegenüber den Einwirkungen sind. Dieses lässt sich z.B. durch<br />

einen dauerhaften Objektschutz (z.B. wasserundurchlässige Wanne am Gebäude, erdbebensichere<br />

Bauten etc.) oder aber durch Veränderung der Eigenschaften der Objekte (z.B. Strom abstellen)<br />

erreichen (HOLLENSTEIN, 1997).


Risikomanagement<br />

Schäden beschränken, vermeiden und beheben<br />

Diese reaktiven Strategien beeinflussen die Schadenserwartung im Ereignisfall. Der Vorteil dieser<br />

Strategien ist deren Flexibilität und der gezielte Ressourceneinsatz. So können diese an die Reali-<br />

tät angepasst werden, und die Mittel werden für einen tatsächlichen Bedarf verwendet. Nachteile<br />

sind hingegen die schwierige Umsetzung (hoher Koordinationsaufwand, unklare Situation, er-<br />

schwerter Einsatz) und die hohe physische und psychische Belastung der Betroffenen.<br />

Präventive Strategien sind den reaktiven vorzuziehen. Trotzdem sind letztere eine wichtige Er-<br />

gänzung der Prävention. Daher sollte die Bereitschaft hierzu schon vor einem Ereignis gestärkt<br />

werden (vgl. PLATE et al., 2001).<br />

6.2.5.2 Strategien im schleswig-holsteinischen Küstenschutzmanagement<br />

Im schleswig-holsteinischen Küstenschutz werden im Rahmen eines dynamischen Risikomanage-<br />

ments die Strategien zur Erhöhung der Sicherheit und zur Verringerung des Schadenspotentials<br />

kombiniert (vgl. HOFSTEDE und PROBST, 1999: 111f).<br />

Dieser Ansatz lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen (Abb. 6.11):<br />

In einem fiktiven Koog sind auf einer Fläche <strong>von</strong> 4 000 ha Sachwerte in Höhe <strong>von</strong> 120 Mio. €<br />

vorhanden. Bei der Annahme einer Bruchwahrscheinlichkeit <strong>von</strong> einmal in 200 Jahren, was einem<br />

Risiko <strong>von</strong> 0,6 Mio. €/a entspricht, wird prognostiziert, dass u. a. durch den Meeresspiegelanstieg<br />

die Bemessungshöhe für den Küstenschutz in den nächsten 100 Jahren um 1,5 m ansteigt.<br />

Eine Deichverstärkung, die technisch nur um 0,5 m möglich ist, wird zunächst durchgeführt,<br />

womit das Risiko auf 0,45 Mio. €/a reduziert werden kann (Abb. 6.11-a und 6.11-c).<br />

Da das Risiko aber mit ansteigender Bemessungshöhe wieder zunimmt, erreicht dieses nach 45<br />

Jahren wieder den ursprünglichen Wert <strong>von</strong> 0,6 Mio. €/a (Abb. 6.11-d und 6.11-f). Da der<br />

vorhandene Deich nicht weiter erhöht werden kann, wird der Koog durch einen rückwärtigen<br />

Deich um 3 000 ha verkleinert und die zwischen den Deichen verbleibenden Siedlungen auf<br />

Warften gesetzt (Abb. 6.11-b). Zudem wird mit raumplanerischen Mittel verhindert, dass in die-<br />

sem 1 000 ha großen Raum zusätzliche Sachwerte geschaffen werden.<br />

Nach Ablauf des Betrachtungszeitraumes <strong>von</strong> 100 Jahren wird sich die Bruchwahrscheinlichkeit<br />

des vorderen Deiches trotz der durchgeführten Verstärkung auf etwa einmal in 100 Jahren<br />

erhöhen (Abb. 6.11-d). Da das Risiko durch die beiden Maßnahmen so stark reduziert wird (bei<br />

sonst gleich bleibenden Bedingungen, z.B. keine Inflation), ist es mit etwa 0,3 Mio. €/a noch deut-<br />

lich geringer ist als heute. Ohne Maßnahmen wäre das Risiko nach 100 Jahren auf etwa<br />

3,5 Mio. €/a angestiegen (Abb. 6.11-f).<br />

Diese dynamische Vorgehensweise erlaubt zukünftig eine flexible Reaktion auf mögliche<br />

Änderungen der hydrographischen Rahmenbedingungen. Sollte die Bemessungshöhe wesentlich<br />

geringer ansteigen als prognostiziert, so wären z.B. nach der Deichverstärkung keine weiteren<br />

Maßnahmen erforderlich.<br />

Eine Überbemessung kann so verhindert werden. Würde die Bemessungshöhe hingegen stärker<br />

ansteigen als vorhergesagt, wäre das Vorgehen ein erster Schritt zum vollständigen Rückzug aus<br />

dem vorderen Teilgebiet (HOFSTEDE und PROBST, 1999: 112).<br />

229


230<br />

A<br />

Nordsee<br />

B<br />

Nordsee<br />

Landesschutzdeich<br />

Deichverstärkung<br />

Mitteldeich<br />

Risikomanagement<br />

Abb. 6.11: Risikoreduzierung im schleswig-holsteinischen Küstenschutz<br />

(Quelle: nach HOFSTEDE und PROBST, 1999: 112f)<br />

6.2.6 Maßnahmen<br />

Mit der Umsetzung der Maßnahmen werden die verschiedenen Strategien realisiert. Die Gestal-<br />

tung der Maßnahmen ist eine fachspezifische Planungsaufgabe. Um Ressourcen optimal einzuset-<br />

zen, ist hierbei stets nach den neuesten disziplinspezifischen wissenschaftlichen und technischen<br />

Erkenntnissen zu verfahren.<br />

Grundsätzlich sind Maßnahmen mit dauernder Wirkung und solche mit einer temporären Wirk -<br />

samkeit zu differenzieren.<br />

Koog<br />

Geest<br />

Rückwärtiger Deich<br />

Siedlung<br />

Warft<br />

Koog<br />

Geest<br />

6.2.6.1 Maßnahmen mit dauerhafter Wirkung<br />

Wie schon erläutert wurde, wird die Strategie einer Begrenzung des Schadenspotenzials im<br />

Wesentlichen gestützt durch raumplanerische Maßnahmen (Kap. 6.2.5.1; vgl. SMITH, 2001: 285ff).<br />

Empfindliche oder sehr wertvolle Objekte werden nicht im Gefahrenbereich angesiedelt. Hier-<br />

durch wir die Raumnutzung eingeschränkt, weshalb die Maßnahmen in der Bevölkerung und bei<br />

Entscheidungsträgern oftmals auf geringe Akzeptanz stoßen.<br />

Bruchwahrscheinlichkeit (%)<br />

Fläche (ha)<br />

Deichhöhe (NN +m)<br />

9,0<br />

8,5<br />

8,0<br />

7,5<br />

-4 100<br />

0,1<br />

0,01<br />

0,001<br />

-4 100<br />

4500<br />

3000<br />

2500<br />

Risiko (Mio. € /a)<br />

0<br />

-4 100<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

T = 0 T = 45<br />

0<br />

-4<br />

Zeit (t in Jahren)<br />

100<br />

C<br />

D<br />

E<br />

F


Risikomanagement<br />

Den Maßnahmen zur dauerhaften Begrenzung und Reduzierung des Schadenspotenzials wird<br />

zukünftig eine besondere Bedeutung zukommen, da hierdurch die primäre Ursache der Risiken,<br />

nämlich der anhaltende Wertezuwachs in Risikogebieten, zum Ausgangspunkt der Betrachtung<br />

gemacht wird.<br />

Gegenwärtig werden Planungsinstrumente entwickelt, die es erlauben, die Risiken durch Nut-<br />

zungsbeschränkungen zu reduzieren (vgl. BWG, 2002; EGLI, 2000; GREIVING, 2000, 2001;<br />

HEIDLAND, 2002; KARL, 2002). 13<br />

Die Steuerung der Siedlungsentwicklung zur Minderung der Schadenspotenziale hat auch die<br />

Bundesregierung in ihrem 5-Punkte-Programm zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwas-<br />

serschutzes nach dem Hochwasserereignis im August 2002 berücksichtigt. So legt sie in ihrem<br />

ersten Programmpunkt, dem gemeinsamen Hochwasserschutzprogramm <strong>von</strong> Bund und Ländern, fest,<br />

dass „…eine Überprüfung der Entwicklungsbereiche für Siedlungszwecke und gewerbliche Nutzung<br />

auf ihre Hochwasserkompatibilität stattfinden muss. In Überschwemmungsgebieten dürfen<br />

in Zukunft keine neuen Wohn- und Gewerbegebiete mehr ausgewiesen werden. (…) Für bereits<br />

bebaute Flächen sind Konzepte zur Verminderung des Schadenspotenzials sowie für einen ver-<br />

besserten Schutz zu entwickeln.“ (BMVBW, 2002) 14<br />

Während raumplanerische Maßnahmen die Trennung der Wertobjekte <strong>von</strong> dem Gefahrenprozess<br />

anstreben, verändern technische Maßnahmen das Verhalten des Prozesses oder der Wertobjekte. Sie<br />

sind überwiegend bauliche Eingriffe (vgl. ISDR, 2002: 231ff).<br />

1<br />

1<br />

Räumliche Trennung <strong>von</strong><br />

Prozess und Objekt<br />

X<br />

2<br />

Eingriff in den Prozess<br />

Häufigkeit reduzieren<br />

Ablauf beeinflussen<br />

2<br />

Dauerhafte<br />

Schutzmaßnahmen<br />

Eingriff in Prozess<br />

oder Objekt<br />

Schutz am Objekt<br />

Abb. 6.12: Gliederung der Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser<br />

(Quelle: nach HOLLENSTEIN, 1997)<br />

3<br />

Eingriff in das Objekt<br />

Schutz beim Objekt<br />

13 Zu den juristischen Grundlagen und Konsequenzen des Eingriffs in die Raumplanung siehe DEICHMÖLLER (2002).<br />

14 Das Bundesumweltministerium hat im April 2003 die Eckpunkte für ein Artikelgesetz zur Verbesserung des vorbeugenden<br />

Hochwasserschutzes vorgelegt. Hiermit soll das Fünf-Punkte-Programm, das bei der Flusskonferenz im September 2002 beschlossen<br />

worden ist, vollständig umgesetzt werden. Erstmals wird dabei Hochwasser gesetzlich definiert und festgelegt, gegen welche<br />

Gefahren mit welchen Maßnahmen bei Flutkatastrophen vorgegangen werden soll. Unter anderem dürfen demnach künftig in<br />

Überschwemmungsgebieten keine neuen Wohn- und Gewerbegebiete mehr ausgewiesen werden. Während der Ackerbau in<br />

diesen Gebieten verboten wird, ist die landwirtschaftliche Nutzung durch Viehweiden hier weiterhin erlaubt (vgl. BMU, 2003).<br />

3<br />

4<br />

Elementarschadensversicherungen<br />

4<br />

231


232<br />

Risikomanagement<br />

Je nach Gefahrentyp kommen hierbei unterschiedliche Maßnahmen in Frage. So ist es bei Gefah-<br />

ren mit hoher Ubiquität (Stürme, Erdbeben) nur möglich, die Risikoelemente resistent zu gestal-<br />

ten. Gefahren, die in ihrer Wirkung räumlich beschränkt sind, können hingegen in ihrer<br />

Entstehung bzw. Häufigkeit reduziert werden, der Prozess kann schadenarm gestaltet oder die<br />

Einwirkungen durch Baumaßnahmen <strong>von</strong> den Risikoelementen ferngehalten werden.<br />

Die Abbildung 6.12 zeigt die möglichen Maßnahmen zum dauerhaften Schutz vor Naturgefahren<br />

am Beispiel des Hochwasserrisikos.<br />

Die technischen Maßnahmen zum Schutz vor Naturgefahren im Allgemeinen und Hochwässer<br />

und Sturm fluten im Besonderen sind sehr vielfältig und können hier nicht im Detail erläutert<br />

werden (vgl. z.B. BBR, 1998; BROMBACH et al., 2001; MURL, 1999). Im Anhang C der Arbeit sind<br />

ausgesuchte Informationsquellen zur Hochwasservorsorge und zum Hochwasserschutz zusam-<br />

mengestellt.<br />

Neben den raumplanerischen und technischen Maßnahmen bieten einige Versicherungen die<br />

Möglichkeit, bestimmte Naturgefahren über eine Elementarschadensversicherung abzudecken.<br />

Hierdurch werden zwar die Schäden nicht vermieden oder reduziert, doch kann dadurch die<br />

Auswirkung auf einzelne Personen verringert werden.<br />

Hierfür ist es erforderlich, dass die Versicherungswirtschaft die Produkte so gestaltet, dass hier-<br />

durch die Versicherungsnehmer, aber auch die Behörden, zur Schadensvorsorge motiviert werden<br />

(BERZ, 2002: 257).<br />

Bei der Sturmversicherung besteht in Deutschland beispielsweise eine sehr hohe Versicherungs-<br />

dichte (ca. 60 %), da fast jeder <strong>von</strong> Stürmen betroffen sein kann und die meisten Menschen sich<br />

dessen auch bewusst sind. Der räumliche und zeitliche Risikoausgleich ist hierbei in nahezu ide-<br />

aler Weise gegeben, so dass die Versicherungswirtschaft Sturmversicherungen anbieten kann.<br />

Ein anderes Bild zeigt sich bei der Versicherung des Überschwemmungsrisikos, da hier zum einen<br />

nur ein sehr kleiner Personenkreis, nämlich die Bewohner der potenziellen Überflutungsgebiete,<br />

Interesse an einer Versicherung aufbringt. Zum anderen widersprechen häufig eintretende<br />

Hochwasserereignisse dem Prinzip der Versicherungen, dass lediglich unvorhersehbare und<br />

plötzliche Ereignisse versichert werden. Außerdem besteht das Problem eines möglichen Kumul-<br />

schadens, welcher auftreten kann, wenn verschiedene Risiken wie Sturm und Überflutung (z.B. bei<br />

Sturmfluten) nicht <strong>von</strong>einander unabhängig sind und somit durch ein Schadenereignis eine Viel-<br />

zahl der versicherten Risiken betroffen sein kann. Der zeitliche und räumliche Risikoausgleich ist<br />

demnach bei Überschwemmungen nicht gegeben (KRON, 2001: 480f).<br />

Trotzdem bieten verschiedene Versicherungen in Baden-Württemberg und den neuen Bundesländern<br />

Versicherungen gegen Überschwemmungen an (z.B. Baden-Württembergische Gebäudeversi-<br />

cherung). Auch in den USA, Frankreich, Spanien und der Schweiz werden Überschwemmungen<br />

über verschiedene Systematiken versichert (vgl. KRON, 2001; POHLHAUSEN, 1999).<br />

Sturmfluten gelten in Deutschland hingegen immer noch als nicht versicherbar, denn im poten-<br />

ziell gefährdeten Küstenstreifen lebt in Deutschland nur ein sehr geringer Anteil der Bevölkerung,<br />

das vorhandene Schadenspotenzial ist hingegen sehr hoch (Problem der Antiselektion). Wegen des<br />

relativ kleinen Kreises der Betroffenen hätten die erforderlichen Versicherungsprämien eine nicht<br />

akzeptable Höhe (KRON, 2001: 480f; vgl. KAHLENBERG, 1998; LAMBY, C., 1993; MÜNCHENER<br />

RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1997; POHLHAUSEN, 1999).


Risikomanagement<br />

6.2.6.2 Maßnahmen mit temporärer Wirkung<br />

Im Gegensatz zu den Maßnahmen mit dauerhafter Wirkung, werden temporäre Maßnahmen aus-<br />

schließlich dann eingesetzt, wenn mit Schäden zu rechnen ist. Während mit den präventiven<br />

temporären Maßnahmen vor einem Ereignis die Schadenvermeidung verfolgt wird, kommen re-<br />

aktive temporäre Maßnahmen während und nach dem Ereignisfall zum Tragen.<br />

Präventive Maßnahmen<br />

Präventive Maßnahmen können nur dann effektiv eingesetzt werden, wenn rechtzeitig vor einem<br />

Ereignis gewarnt wird. Hierzu ist die Installierung eines leistungsfähigen Frühwarnsystems erfor-<br />

derlich.<br />

Die Möglichkeiten und Methoden der Frühwarnung vor den verschiedenen Naturgefahren unter-<br />

scheiden sich sehr stark. Insbesondere die Vorhersagezeit, die letztlich die für eine Reaktion<br />

verbleibende Zeit bestimmt, differiert erheblich (z.B. Hochwasser: Tage bis Stunden, Erdbeben:<br />

Sekunden).<br />

Der Prozess der Frühwarnung gliedert sich in die drei Phasen der Vorhersage, der Warnung und<br />

der Reaktion. Hierbei sind alle Komponenten effektiv zu gestalten, um ein leistungsfähiges Gesamtsystem<br />

zu gewährleisten. 15<br />

Die Vorhersage ist eine naturwissenschaftlich-technische Aufgabe und basiert auf Messungen und<br />

Analysen <strong>von</strong> geeigneten Signalen. Das Ziel der Vorhersage ist es, ein bevorstehendes Extremereignis<br />

nach Größe, Lage und zeitlichem Verlauf zu prognostizieren. Für die Warnung muss die<br />

Vorhersage in adäquater Weise umgesetzt und den Entscheidungsträgern und der gefährdeten<br />

Bevölkerung in verständlicher Form zugänglich gemacht werden (vgl. ZSCHAU, 2001: 273 ff).<br />

Die wichtigsten Voraussetzungen für eine effektive Verbreitung <strong>von</strong> Frühwarnungen sind nach<br />

LEE und DAVIS (1998; vgl. ZSCHAU, 2001: 286 ff):<br />

• Funktionierende Beziehungen zwischen den Akteuren entlang der Frühwarnkette;<br />

• Kompetentes Personal in Behörden und Agenturen;<br />

• Redundanz im Kommunikationssystem zur vielseitigen Information und zur Verhinderung <strong>von</strong> Total-<br />

ausfällen des Systems;<br />

• Verständliche Präsentation der Warnung und Überwindung der Kluft zwischen Sachverständigen und<br />

Laien zur Verhinderung irreführender Informationen;<br />

• Verifikation, dass auf Warnungen reagiert wird;<br />

• Anbindung der Warnsysteme an das politische Zentrum der Region, um klare und konsistente Botschaf-<br />

ten aussenden zu können;<br />

• Stärkung des Gefahrenbewusstseins in der Öffentlichkeit (Sensibilisierung).<br />

Die dritte Phase eines Frühwarnsystems ist die Reaktion der Rezipienten. Hierbei ist die Akzep-<br />

tanz der Warnungen <strong>von</strong> elementarer Bedeutung. 16<br />

15 In der Vergangenheit konzentrierten sich die Investitionen oftmals auf die Verbesserung der Vorhersagetechnologien, während die<br />

Methoden der Warnung und Reaktion vernachlässigt wurden (vgl. ZSCHAU et al., 2001: 275).<br />

16 Die Bedeutung der Umsetzung wird deutlich an dem Vergleich der Vulkaneruptionen des Nevado del Ruiz, Kolumbien 1985 und<br />

des Pinatubo, Philippinen 1991. Im Falle des Nevado del Ruiz wurde die Warnung der Geologen vor der bevorstehenden Eruption<br />

nicht ernst genommen, was dazu führte, dass durch ein Lahar die Stadt Amero vollständig zerstört wurde und ca. 25 000 Menschen<br />

ums Leben kamen. Bei dem Ausbruch des Pinatubo im April 1991 konnten durch eine verbesserte Warnung und Umsetzung<br />

(Kommunikation, Notfallpläne) Zehntausende <strong>von</strong> Menschen rechtzeitig evakuiert werden (ZSCHAU et al., 2001: 286).<br />

233


234<br />

Risikomanagement<br />

Führt ein Frühwarnsystem aufgrund der vorhandenen Unsicherheiten der Vorhersage wiederholt<br />

zu Fehlalarm, was u. U. erhebliche Kosten mit sich bringen kann, so besteht die Gefahr, dass ein<br />

Alarm unbeachtet bleibt (Crying-Wolf-Effekt) und das Monitoring somit wertlos wird. Zudem<br />

werden Warnungen vor sehr seltenen und wenig vertrauten Ereignissen oftmals nicht ernst genommen.<br />

Die Effektivität der Frühwarnung ist also auch abhängig <strong>von</strong> dem Gefahrenbewusstsein<br />

und dem individuellen und politisch-institutionellen Entscheidungsprozess (vgl. GRÜNEWALD,<br />

2001a; HANDMER, 2000; HOLLENSTEIN, 1997; ZSCHAU et al., 2001).<br />

Auch wenn die Wirksamkeit <strong>von</strong> Frühwarnsystemen zur Schadensminderung nicht leicht zu bewerten<br />

ist, zeigen einige Untersuchungen, dass die Kostenersparnis durch verhütete Schäden bis<br />

zu 30 mal größer ist als die Kosten für die Installation und den Betrieb der Systeme (vgl. ZSCHAU<br />

et al., 2001: 276).<br />

Für die Vorhersage <strong>von</strong> Wasserständen an der Nord- und Ostseeküste ist das BSH zuständig. Auf<br />

der Basis <strong>von</strong> numerischen Modellen, empirischen Verfahren und neuronalen Netzen werden hier<br />

die zu erwartenden Hochwasserhöhen berechnet und mehrfach täglich über Rundfunk, Telefon<br />

und Internet veröffentlicht 17 .<br />

Wenn aufgrund ungünstiger Wetterverhältnisse gefährliche Wasserstandserhöhungen drohen,<br />

dann wird der Wasserstandsvorhersagedienst des BSH zum Sturmflutwarndienst. Hierbei wird je<br />

nach Phasenlage der Gezeiten bereits 12-18 Stunden vor Eintritt des Höchstwasserstandes ge-<br />

warnt. Hierbei ist die Abweichung vom Mittleren Hochwasser (MHW) die für die Vorhersage<br />

entscheidende Größe (MÜLLER-NAVARRA, 2001).<br />

So verbreiteten beispielsweise die Rundfunkanstalten am Vormittag des 3. Dezember 1999 die<br />

offizielle Warnung des BSH vor dem Orkantief Anatol, die wie folgt lautete:<br />

„Sturmflutwarnung des BSH. Für die deutsche Nordseeküste besteht die Gefahr einer schweren<br />

Sturmflut. In der Nacht <strong>von</strong> Freitag zu Sonnabend wird das Hochwasser an der Deutschen Nordsee-<br />

küste, in Emden, Bremen und Hamburg zweieinhalb bis drei Meter über mittlerem Hochwasser ein-<br />

treten.“ (MÜLLER-NAVARRA , 2001: 39)<br />

Auf der Basis solcher Warnungen werden <strong>von</strong> den jeweiligen Entscheidungsträgern verschiedene<br />

Maßnahmen getroffen (z.B. Deichkontrollen, Schließen <strong>von</strong> Sielen und Fluttoren, Evakuierungen,<br />

Ausgabe <strong>von</strong> Verhaltensanweisungen etc.).<br />

Evakuierungen sind i. d. R. mit großem organisatorischem Aufwand und zahlreichen Problemen<br />

verbunden. So führen diese zu erheblichen persönlichen Einschränkungen und werden u. a. auch<br />

aus Angst vor Plünderungen <strong>von</strong> den Betroffenen vielfach abgelehnt. Zudem belasten Evakuierungen,<br />

die sich nachträglich als unnötig herausstellen, das Vertrauen der Bevölkerung und der<br />

Entscheidungsträger in die Vorhersage, was bei zukünftigen Ereignissen und möglichen Evakuie-<br />

rungen fatale Folgen haben kann (HOLLENSTEIN, 1997; ZSCHAU et al., 2001).<br />

So wurden beispielsweise bei dem Hochwasserereignis im Februar 1995 an Rhein und Maas im<br />

Süden der Niederlande ca. 250 000 Menschen mit einem Katastrophenschutzaufwand <strong>von</strong><br />

ca. 330 Mio. Euro evakuiert.<br />

17 Spezielle Verteiler existieren für Behörden, Katastrophenschutz und gefährdete Firmen (MÜLLER-NAVARRA, 2001: 35).


Risikomanagement<br />

Da das Ereignis nicht das befürchtete Ausmaß angenommen hat, ergab die anschließende Bewertung<br />

des Hochwasserverlaufs und der Maßnahmen, dass aufgrund <strong>von</strong> unzureichenden Daten zu<br />

früh evakuiert wurde (VAN DER MEULEN, 2000; SCHMIDTKE, 1995).<br />

Das Beispiel verdeutlicht, dass sich die Entscheidung zu einer umfassenden Evakuierung auf eine<br />

adäquate Datenbasis stützen muss. Nach dem Ereignis 1995 in den Niederlanden wurde das<br />

Computer-Modell PoldEvac entwickelt, welches bei zukünftigen Hochwässern in exemplarischen<br />

Bereichen 18 als Entscheidungsunterstützung für eine Evakuierung dienen soll<br />

(vgl. VAN DER MEULEN, 2000).<br />

Im Gegensatz zu Evakuierungen helfen Verhaltensanweisungen den Betroffenen, Personen- und<br />

Sachschäden durch ihr eigenes Verhalten vor einem Ereignisfalls zu minimieren. Hierzu sind die<br />

Anweisungen verständlich und konkret zu formulieren und möglichst früh den Betroffenen zu-<br />

gänglich zu machen. Verschiedene Organisationen bieten diesbezüglich Checklisten für das Verhalten<br />

vor, während und nach einem Ereignis an (z.B. BWG, 2002a; MÜNCHENER RÜCKVER-<br />

SICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1997).<br />

Reaktive Maßnahmen<br />

Im Gegensatz zu den präventiven Maßnahmen werden reaktive Maßnahmen bei Eintritt eines<br />

Schadensereignisses ergriffen. Mit ihrer Wirkung soll das betroffene System wieder in einen funk-<br />

tionstüchtigen Zustand überführt werden.<br />

Nach einem katastrophalen Ereignis lassen sich vier Phasen der Reaktion unterscheiden<br />

(HOLLENSTEIN, 1997: 151):<br />

• Notstandsphase: Grundlegende Erhaltung des Systems (Überlebensphase);<br />

• Restaurationsphase: Wiederherstellung noch verwendbarer Infrastruktur;<br />

• Ersatzphase: Wiederaufbau auf das Niveau vor dem Ereignis;<br />

• Entwicklungsphase: Projekte zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegenüber<br />

ähnlichen Ereignissen.<br />

In den ersten beiden Phasen dominieren die reaktiven Maßnahmen, während in der Ersatz- und<br />

in der Entwicklungsphase planerisch-technische und präventive Maßnahmen überwiegen.<br />

Die Notstandsphase ist durch die Rettung <strong>von</strong> Menschenleben und Suche nach Vermissten, die<br />

notfallmäßige Unterbringung und Versorgung der Betroffenen und die Räumung der wichtigsten<br />

Verkehrs- und Versorgungswege gekennzeichnet.<br />

Sind diese Maßnahmen durchgeführt und funktionieren die wichtigsten öffentlichen Dienste und<br />

der Transport, dann beginnt die Restaurationsphase.<br />

Die Effektivität der reaktiven Maßnahmen hängt insbesondere <strong>von</strong> der bedarfsgerechten Bereitstellung<br />

<strong>von</strong> Interventionsmitteln ab.<br />

18 Hierzu zählen auch Teilbereiche der nordrheinwestfälischen Kreise Kleve und Wesel.<br />

235


236<br />

Risikomanagement<br />

HOLLENSTEIN (1997) beschreibt folgende Grundsätze für die Disposition der vorhandenen Res-<br />

sourcen:<br />

• die Sicherheit der Interventionsmittel ist zu gewährleisten;<br />

• die Mittel sind möglichst dezentral zu organisieren;<br />

• Transportmittel sind bedarfsgerecht und nicht dauerhaft gebunden einzusetzen;<br />

• ausreichende und sichere Kommunikationsmittel sind zu gewährleisten;<br />

• Organisationseinheiten sind möglichst klein aber gleichzeitig in größere Verbände integrierbar zu gestal-<br />

ten, sie sind möglichst vollständig auszulasten;<br />

Im Anhang D der Arbeit sind exemplarisch für verschiedene Zielgruppen sowohl die präventiven<br />

als auch die reaktiven Verhaltensanweisungen für den Überschwemmungsfall dargestellt.<br />

6.2.6.3 Wirksamkeit der Maßnahmen<br />

Bei der Maßnahmenplanung ist zur optimalen Allokation die Wirksamkeit der Maßnahmen zu<br />

berücksichtigen. Hierfür stehen verschiedene Lösungskonzepte zur Verfügung (HOLLENSTEIN,<br />

1997; LAWA, 2000; vgl. BAMBERG und COENENBERG, 1996; HANF, 1986; KIRSCH, 1994; NIEKAMP,<br />

2001):<br />

• Kosten-Nutzen-Analysen: diese ermöglichen die Bestimmung der Maßnahmenkombination mit dem<br />

besten Verhältnis zwischen finanziellem Aufwand und Nutzen;<br />

• Kosten-Wirksamkeits-Analysen: diese ergeben die beste Lösung über die Evaluation der Zielerreichung;<br />

• Wohlfahrtstheoretische Ansätze: mit Hilfe dieser Verfahren werden die optimalen Lösungen aufgrund <strong>von</strong><br />

sozialen Präferenzen festgelegt.<br />

• Ökonometrische Ansätze: diese Ansätze basieren auf verschiedenen mathematischen Modellen, mit denen<br />

regelbasiert die optimale Variante bestimmt wird.<br />

HOLLENSTEIN (1997) kommt bei der Prüfung der verschiedenen Lösungskonzepte zu dem Schluss,<br />

dass sich Kosten-Wirksamkeitsanalysen zur Bestimmung der optimalen Maßnahmen im Manage-<br />

ment <strong>von</strong> Naturrisiken als am besten geeignete Instrumente darstellen.<br />

6.2.6.4 Katastrophenschutz<br />

Da insbesondere die reaktiven Maßnahmen im Ereignisfall <strong>von</strong> der Vorbereitung und den Kapa-<br />

zitäten zur Bewältigung extremer Situationen abhängen, soll an dieser Stelle der Katastrophen-<br />

schutz in Deutschland näher betrachtet werden.<br />

Das Fundament des Katastrophenschutzes besteht im Zusammenwirken einer Vielzahl <strong>von</strong> Be-<br />

hörden, Organisationen sowie spezieller Katastrophenschutzeinheiten. Eine erfolgreiche Katast-<br />

rophenabwehr setzt das wirkungsvolle Zusammenspiel aller Beteiligten voraus (JANSEN, 1994;<br />

vgl. HORENCZUK, 2002; PLATE und MERZ, 2001).


Risikomanagement<br />

Die vielfältigen und komplexen Führungsentscheidungen sind dabei in hohem Maße risikobe-<br />

haftet, weil sich die Aufgabenbewältigung nicht nur als bloße Reaktion auf ein besonderes Ereig-<br />

nis darstellt, sondern planerisch und zielorientiert vollzogen werden muss (KREIS STEINBURG,<br />

2001).<br />

Nach DOMBROWSKY und BRAUNER (1996) sind für den deutschen Katastrophenschutz u. a. fol-<br />

gende Mängel festzustellen:<br />

• Datenmangel: eine kontinuierliche und allgemein zugängliche Datengrundlage für<br />

Katastrophen und Katastrophenbewältigung fehlt in Deutschland;<br />

• Auswertungsmangel: eine systematische Erfassung und Bewertung der durch Katastrophen<br />

gefährdeten Bereiche und Aspekte gibt es nicht;<br />

• Planungsmangel: präventionsrelevante Erkenntnisse gehen nur bedingt in die Planung ein.<br />

Hieraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen (DOMBROWSKY und BRAUNER, 1996):<br />

• Die für die Einsatzabwicklung erforderlichen, aussagekräftigen Angaben sind auf der Planungs- und<br />

Einsatzebene nicht unmittelbar verfügbar;<br />

• Gefährdungs- und Schutzpotenziale sind nicht wechselseitig bezogen, in Art, Umfang und Tendenz<br />

undurchsichtig, <strong>von</strong> rationaler Durchdringung weit entfernt und einer planvollen, vorausschauenden<br />

Beeinflussung weitgehend entzogen;<br />

• Die zur Vorbeugung geeigneten Elemente sind nicht systematisch verbunden und konzeptionell nicht<br />

Bestandteil <strong>von</strong> Katastrophenschutz. Raum- und Regionalplanung, Bauleitplanung oder Verkehrspla-<br />

nung erfolgen zu selten unter Einbezug katastrophenrelevanter Gesichtspunkte;<br />

• Es besteht ein Zielmangel. Die Grundfrage, wer vor was in welchem Umfang geschützt werden soll, ist<br />

nicht beantwortet.<br />

Dass dies auch für den Fall einer katastrophenschutzrelevanten Sturmflutlage gilt, soll im Folgenden<br />

an einigen Beispielen verdeutlicht werden:<br />

Hilfsleistungen der Bundeswehr oder des Bundesgrenzschutzes sollen z.B. im Katastrophenfall<br />

nur dann in Anspruch genommen werden, wenn Menschen oder Tiere in Gefahr sind oder die<br />

Erhaltung <strong>von</strong> für die Allgemeinheit wertvollen Materials oder lebenswichtige Einrichtungen<br />

dringend geboten ist und die zur Verfügung stehenden zivilen Einheiten und Mittel nicht ausrei-<br />

chen bzw. nicht schnell genug zum Einsatz herangezogen werden können (KREIS STEINBURG,<br />

2001). In diesem Zusammenhang wird nicht näher ausgeführt, was unter für die Allgemeinheit<br />

wertvollen Materials oder lebenswichtigen Einrichtungen verstanden wird. Dementsprechend sind<br />

diese Kategorien in keinem Katastrophenabwehrplan berücksichtigt.<br />

SCHÖTTLER weist am Beispiel eines Sturmflutereignisses in Hamburg noch auf zwei weitere As-<br />

pekte des Einsatzes der Bundeswehr hin: „In Hamburg sieht perfekte Planung 6 500 Mann bei<br />

einem Großereignis für den Einsatz vor, da<strong>von</strong> 3 000 Soldaten. Was geschieht, wenn der Orkan<br />

das Wasser am Wochenende in die Hafenanlagen drückt. Dann, ja dann, sind keine Soldaten ver-<br />

fügbar. Die sind ab Freitagmittag im verdienten Heimaturlaub . (…) Ja, und welche Folgerungen<br />

werden für die Alarm- und Katastrophenschutzpläne gezogen, wenn die Bundeswehr (…) ihre<br />

Großverbände auflöst?“ (ebd., 2001: 11)<br />

237


238<br />

Risikomanagement<br />

Das THW ist unter anderem dazu ausgerüstet und ausgebildet die Bergung <strong>von</strong> Kulturgütern aus<br />

Museen, Archiven, Galerien oder historischen Bauwerken, das Binden oder Beseitigen schwim -<br />

mender oder abgesetzter Ölschichten sowie die Bergung <strong>von</strong> Tieren und Sachwerten vorzuneh-<br />

men. Eine Inventur <strong>von</strong> Museen, Archiven, Galerien oder historischen Bauwerken, <strong>von</strong> Öltanks<br />

oder <strong>von</strong> Tieren und Sachwerten in den hochwassergefährdeten Bereichen findet aber in den<br />

Katastrophenschutzplänen überwiegend nicht statt.<br />

Häufig fehlt im Katastrophenschutz der Aufgabenbereich Katastrophenvorsorge. Vielmehr sind die<br />

vorbereiteten Maßnahmen, Programm- und Verwaltungsstrukturen ausschließlich reaktiv ausgerichtet.<br />

Eine schadensmindernde oder gar verhindernde Prävention findet nur in Ansätzen statt<br />

(SCHÖTTLER, 2000).<br />

Doch zeigen sich in Schleswig-Holstein auch Bestrebungen, die Gefährdungs- und Schutzpoten-<br />

ziale besser aufeinander abzustimmen.<br />

Mit der Gefahrenanalyse Schleswig-Holstein (AHLS et al., 1996) wurde eine neue Planungsgrundlage<br />

für den Katastrophenschutz geschaffen. Auf der Basis eines beschreibenden und bewertenden<br />

Gefahrenkatasters wurde hierbei eine qualitative und quantitative Gefahrenanalyse erarbeitet, die<br />

sich an den natürlichen und technischen Risiken für mögliche Katastrophen in Schleswig-Holstein<br />

orientiert. Zielsetzung des landesweiten Gefahrenkatasters ist es, die Gefahren in ihrer geographi-<br />

schen Verteilung und ihrer räumlichen Konzentration quantitativ kartographisch zu erfassen,<br />

qualitativ zu beschreiben und in ihrer Risikoeinstufung zu bewerten. Aus der qualitativen und<br />

quantitativen Bewertung des Gefahrenkatasters wurde ein risikobezogenes Katastrophenschutzkonzept<br />

in seinen Mindestanforderungen für das Land Schleswig-Holstein abgeleitet<br />

(AHLS et al., 1996). Für die Einschätzung des Sturmflutrisikos wurde in der Gefahrenanalyse<br />

Schleswig-Holstein aber lediglich die Küstenlänge in km nach Landkreisen berücksichtigt. Die<br />

primären Parameter, die das Sturmflutrisiko bestimmen (z.B. Küstenschutzsituation, hydrogra-<br />

phische Rahmenbedingungen) sind mit der Inventarisierung nicht aufgenommen worden.<br />

Wenn auch der beschriebene Ansatz einen richtigen Weg aufzeigt, so ist doch auch in Schleswig-<br />

Holstein gegenwärtig noch ein erheblicher Handlungsbedarf zur Reduzierung der Defizite des<br />

Katastropheschutzes zu konstatieren.<br />

Insbesondere die Überschwemmungskatastrophe im August 2002 an der Elbe und ihren Nebenflüs-<br />

sen hat zudem die Schwachpunkte der grundlegenden Katastrophenschutzstrukturen in Deutschland<br />

aufgezeigt. Die Zukunft wird zeigen, ob dieses verheerende Extremereignis eine Wendung 19<br />

in der Katastrophenschutzpolitik bewirken kann (vgl. BMU, 2003; GRÜNEWALD, 2002; KNAUP und<br />

NELLES, 2002).<br />

19 Katastrophe [griech. Wendung ]


7. Fazit<br />

Fazit<br />

239<br />

“The two Chinese characters,<br />

which together form the word crisis,<br />

separately mean threat and opportunity.”<br />

ISDR, 2002<br />

Der Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Risikobetrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren am Beispiel der<br />

Sturmflutgefährdung im Schleswig-Holsteinischen Küstenraum. Hierzu wurde der Blick auf die ver-<br />

schiedenen Instrumente der Analyse, der Bewertung und des Managements des Risikos gerichtet,<br />

die Methoden erläutert, teils weiterentwickelt und exemplarisch angewendet.<br />

Um sich dem Thema zu nähern, wurden zu Beginn der Arbeit verschiedene Forschungsfragen<br />

formuliert. Diese zu beantworten war nicht immer befriedigend möglich, denn eine primäre Er-<br />

kenntnis der Arbeit ist, dass, je nach disziplinärer Beobachtungsperspektive, die Fragen, Probleme<br />

und Lösungen unterschiedlich gedeutet und beantwortet werden können.<br />

Der integrative Ansatz der Arbeit hat somit den Verfasser gezwungen, Risiko durch eine natur-<br />

wissenschaftliche und eine sozialwissenschaftliche sowie eine politisch-administrative Brille zu<br />

betrachten und letztlich subjektiv zu bewerten.<br />

Es liegt in der Natur der Sache, dass bei der Suche nach Antworten auch neue Fragen und Prob -<br />

leme entdeckt wurden. Im Folgenden werden die wichtigsten Antworten auf die zu Beginn for-<br />

mulierten Forschungsfragen, sowie offene Fragen und der daraus resultierende Forschungsbedarf<br />

erläutert.<br />

7.1 Zielerfüllung und Antworten auf die Forschungsfragen<br />

In der Einleitung wurden zwei grundlegende Forschungsfragen formuliert:<br />

• Was ist Risiko, wie wird dieses definiert und wie kann es konzeptionell erfasst werden?<br />

Es konnte gezeigt werden, dass im Gegensatz zu Gefahr, Risiko ein mentales Konstrukt ist, um Ge-<br />

fahren näher zu bestimmen und nach dem Grad der Bedrohung zu ordnen. Es hilft demnach,<br />

komplexe Wirkungsketten und Zufallsereignisse zu erfassen, die keine direkte Entsprechung in<br />

der Wirklichkeit haben.<br />

Die Risikowissenschaft wird <strong>von</strong> verschiedenen disziplinären Sichtweisen geprägt, wobei herausgestellt<br />

werden konnte, dass es einen allgemeingültigen Risikobegriff nicht gibt. Vielmehr ist die<br />

Forschung hinsichtlich der Methoden und Instrumente gegenwärtig immer noch <strong>von</strong> einem inter-<br />

disziplinären Dissens geprägt. Während in der technisch-naturwissenschaftlichen Perspektive das<br />

Risiko die Variablen der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens und der Schadenserwartung<br />

umfasst, stehen in der sozialwissenschaftlichen Orientierung die Aspekte der sozialen und


240<br />

Fazit<br />

psychischen Risikoerfahrung und Risikowahrnehmung im Vordergrund. Sozioökonomische bzw.<br />

poltisch-administrative Ansätze betrachten Risiken eher vor dem Hintergrund der Überlebenssi-<br />

cherung und der Grundbedürfnisdeckung.<br />

Fasst man die konsensuellen Aspekte des Risikos zusammen, so setzt dieses Gefahr und Unsicherheit<br />

voraus, basiert auf Entscheidungen und impliziert die Möglichkeit eines Schadens<br />

und/oder eines Nutzens.<br />

Als ein zentrales Ergebnis der Arbeit wird aufgezeigt, dass das Risiko theoretisch in einem inte-<br />

grativen und kooperativen Konzept unter Berücksichtigung aller Akteure diskutiert und behan-<br />

delt werden kann. In der Praxis werden solche integrativen Ansätze aber nur in Ausnahmefällen<br />

umgesetzt.<br />

• Was sind Naturgefahren und welche Bedeutung haben sie insbesondere für den Menschen<br />

gegenwärtig und zukünftig im Küstenraum?<br />

Die Arbeit zeigt, dass extreme Ereignisse in der Natur im natürlichen Geosystem wertfreie Phä-<br />

nomene sind, die erst durch die anthropogene Nutzung der Umweltressourcen zu Naturgefahren<br />

werden. Ausschlaggebend für die Gefahr ist die Intensität und Dauer <strong>von</strong> Ereignissen. Überschreiten<br />

diese eine spezifische Toleranzschwelle, so wirken die natürlichen Ereignisse schädi-<br />

gend auf Menschen und ihre Güter. Im Extremfall kann das im sozialen Umfeld zu Katastrophen<br />

führen, die nur schwer <strong>von</strong> den betroffenen Gesellschaften bewältigt werden können.<br />

Auswertungen <strong>von</strong> Naturkatastrophen der jüngeren Vergangenheit zeigen einen signifikanten<br />

Anstieg sowohl der Anzahl der Katastrophen als auch der Schadensbelastungen seit den 70er Jah-<br />

ren (BERZ, 2002). Dieser Trend könnte auf eine Zunahme der natürlichen Extremereignisse zu-<br />

rückzuführen sein, zudem könnte diese Entwicklung zukünftig durch einen anthropogen forcier-<br />

ten Klimawandel noch verstärkt werden (IPCC, 2001). Der dominierende Einflussfaktor ist aber<br />

die erhöhte Katastrophenanfälligkeit durch den Wandel der sozioökonomischen Sphäre mit ei-<br />

nem starken Bevölkerungswachstum, einem hohen Flächenverbrauch, einer Zunahme der Nut-<br />

zungsinteressen sowie dem zunehmenden Wohlstand und der erhöhten Verletzlichkeit moderner<br />

Gesellschaften.<br />

In Deutschland resultieren Elementarschäden zum größten Teil aus atmosphärischen Extremereignissen.<br />

Gilt Deutschland i. d. R. auch als eine Region geringerer Gefährdung, so hat die Flutka -<br />

tastrophe im August 2002 an der Elbe und ihren Nebenflüssen auch hier die Bedrohung durch sin-<br />

guläre Ereignisse verdeutlicht.<br />

Sturmfluten führen weltweit immer wieder zu verheerenden Überflutungskatastrophen. Obwohl<br />

diese natürlichen Ereignisse i. d. R. nur einen schmalen Küstenstreifen bedrohen, so konzentrieren<br />

sich hier dichte Siedlungsgebiete mit einer hohen Bevölkerungszahl und einem sehr hohen Schadenspotenzial.<br />

So gelten in Schleswig-Holstein gegenwärtig ca. 24 % der Landesfläche als über-<br />

flutungsgefährdete Küstenniederungsgebiete, in denen ca. 350 000 Einwohner (ca. 13 % der<br />

Gesamtbevölkerung) und Sachwerte <strong>von</strong> ca. 47 Mrd. Euro ständig der Bedrohung durch Sturm -<br />

fluten ausgesetzt sind.


Fazit<br />

Auch wenn deutliche Unterschiede in der Sturmflutcharakteristik festzustellen sind, so zeigen<br />

historische Ereignisse sowohl an der Nordsee- als auch an der Ostseeküste eine erhebliche Ge-<br />

fährdung des Küstenraumes. Zudem wurde gezeigt, dass die Häufigkeit <strong>von</strong> Sturmhochwässern<br />

an den norddeutschen Küsten signifikant zugenommen hat. Dieses ist gegenwärtig auf den säkularen<br />

Anstieg des mittleren Wasserstandes zurückzuführen. Eine klimabedingte Beschleunigung<br />

des Meeresspiegelanstieges scheint zukünftig sehr wahrscheinlich zu sein.<br />

Neben den grundlegenden Fragestellungen wurden zu Beginn der Arbeit disziplinspezifische<br />

Forschungsfragen definiert:<br />

• Wie kann das Risiko <strong>von</strong> Naturgefahren insbesondere das <strong>von</strong> Sturmfluten quantitativ bzw.<br />

qualitativ analysiert werden?<br />

Gefährliche Prozesse können an Risikoelementen bei gegebener Verletzlichkeit einen Schaden<br />

verursachen. Diese Wirkungen können mit einer Risikoanalyse auf der Basis <strong>von</strong> Beobachtung,<br />

Modellierung und Szenariobildung realitätsnah qualitativ und so weit wie möglich quantitativ<br />

beschrieben werden. Die Risikoanalyse ist somit das systematische, nachvollziehbare und formale<br />

Verfahren, in einem abgegrenzten System unter Berücksichtigung der Ursachen und Auswirkungen<br />

einer spezifischen Gefahrensituation einen numerischen oder qualitativen Wert des<br />

Risikogrades hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und der Folgen <strong>von</strong> Ereignissen zu ermitteln.<br />

Dabei basiert die vorliegende Arbeit auf einem Expositionsansatz, bei dem sich die Analysetätig-<br />

keit auf die Gefahrenquelle und ihre Ausprägung sowie die Exponiertheit anthropogener<br />

Strukturen konzentriert.<br />

Im Rahmen eines modularen Verfahrens konnten die verschiedenen Schritte der Risikoanalyse bei<br />

Naturgefahren aufgezeigt werden. Dieses sind die Systemabgrenzung und -beschreibung, die<br />

Analyse der Gefährdung und der Vulnerabilität sowie die abschließende Risikoabschätzung und<br />

-darstellung. Zudem konnten verschiedene Methoden und Techniken der Risikoanalyse vorge-<br />

stellt und diskutiert werden, wobei deutlich wurde, dass insbesondere die Instrumente zur<br />

Erweiterung bzw. Verbesserung der Datenbasis zukünftig stärker in die Analyseverfahren einbe-<br />

zogen werden sollten.<br />

Das skizzierte Analyseverfahren wurde anschließend am Beispiel der Gemeinde St. Peter-Ording<br />

an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins eingesetzt. Hierzu mussten für die Abschätzung des<br />

Sturmflutrisikos spezifische Methoden und Modelle entwickelt werden, die erstmals im Küstenraum<br />

angewendet wurden.<br />

Mit der Systemabgrenzung und -beschreibung wurde der Untersuchungsgegenstand definiert<br />

und erfasst. Hierbei ist das betrachtete System thematisch, kausal, konditionell und räumlich ab -<br />

gegrenzt sowie in generalisierter Form abgebildet worden.<br />

Anschließend konnten im Rahmen der Gefährdungsanalyse die Sturmfluten als maßgebendes<br />

Gefährdungsbild identifiziert und analysiert werden. Ziel war es hierbei, die Form, die Intensität<br />

und die räumliche Ausprägung, sowie die Wahrscheinlichkeit bzw. Häufigkeit der Bedrohung zu<br />

erfassen und in verschiedene Ereignisszenarien zu transformieren. Hierbei wurde festgestellt,<br />

dass insbesondere die Ereignisabschätzung aufgrund der i. d. R. unzureichenden Datenlage<br />

241


242<br />

Fazit<br />

Probleme aufwirft. So zeigen sowohl deskriptive statistische als auch induktive probabilistische<br />

Methoden Schwächen bei der Ermittlung der Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> extremen<br />

Ereignissen.<br />

Mit der Vulnerabilitätsanalyse wurden dann auf der Basis verschiedener Ereignisszenarien die<br />

möglichen Sturmflutschäden im Untersuchungsraum evaluiert. Um die Schäden zu ermitteln,<br />

wurde eine mikroskalige Methode entwickelt, mit der die gefährdeten Elemente in einem hohen<br />

Detailgrad bewertet werden können. Hierbei wird in einem ersten Schritt eine Wertermittlung zur<br />

Inventarisierung und Bewertung des vorhandenen Schadenspotenzials durchgeführt. Für den<br />

Untersuchungsraum St. Peter-Ording wurden innerhalb des potenziellen Überflutungsgebietes<br />

(ca. 4 000 ha) Gesamtwerte <strong>von</strong> ca. 2,1 Mrd. Euro ermittelt.<br />

Anschließend lässt sich mit einer Schadensschätzung die Schadenserwartung für verschiedene<br />

Ereignisszenarien unter Berücksichtigung verschiedener Schutzmaßnahmen ermitteln. Im Fo-<br />

kusgebiet wurden für ein Beispielszenario maximale Schäden <strong>von</strong> ca. 70 Mio. Euro berechnet.<br />

Die verwendeten Modelle zur Evaluation des Schadenspotenzials und der Schadenserwartung<br />

müssen zukünftig im Sinne einer Standardisierung weiterentwickelt und verifiziert werden.<br />

Mit den Erkenntnissen der Gefährdungsanalyse und der Vulnerabilitätsanalyse ließ sich dann das<br />

Risiko berechnen als Produkt aus der Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses und der<br />

Schadenserwartung. In St. Peter-Ording wurde für ein Beispielszenario ein jährliches Risiko <strong>von</strong><br />

ca. 170 000 Euro ermittelt.<br />

Abschließend wurden die Ergebnisse ausgewertet und kartographisch in Rasterkarten visualisiert.<br />

Welche Formen der Ergebnisdarstellung als Basis z.B. für raumplanerische Maßnahmen oder für<br />

die Information der Bevölkerung am besten geeignet sind, ist zukünftig noch zu klären.<br />

• Wie werden Risiken <strong>von</strong> Naturgefahren insbesondere die <strong>von</strong> Sturmfluten gesellschaftlich<br />

wahrgenommen und wie lässt sich die Akzeptanz der Risiken ermitteln?<br />

In der Risikoforschung sind im Wesentlichen drei Ansätze zu erkennen, die sich mit den Fragen<br />

der Risikobewertung bzw. der Akzeptanz <strong>von</strong> Risiken beschäftigen.<br />

Der Anspruch des formal-normativen Ansatzes ist es, auf der Basis der objektiven Variablen Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

und Schadenserwartung ein universell gültiges Maß für ein objektives Risiko<br />

zu entwickeln, um unterschiedliche Risikoarten vergleichbar zu machen und rationale Entschei-<br />

dungen auf der Basis <strong>von</strong> Schaden- und Nutzenaspekten zu ermöglichen. Das Hauptproblem des<br />

Ansatzes ist die Schwierigkeit der Quantifizierung der Schaden- und Nutzenaspekte. Zudem<br />

konnte bisher für diese kein einheitliches Risikomaß gefunden werden.<br />

Der psychologisch-kognitive Ansatz betrachtet die Diskrepanz zwischen dem objektiv berechne-<br />

ten Risiko und dem realen Entscheidungsverhalten <strong>von</strong> Individuen in Risikosituationen und sucht<br />

nach dem subjektiven Risiko. Auf der Basis <strong>von</strong> empirisch gewonnenen Daten werden verschiedene<br />

Merkmale der Risikoquellen und der Personen identifiziert, welche die Beurteilung und Entscheidung<br />

in zukünftigen Situationen determinieren. Hierbei zeigt sich eine grundsätzliche Tendenz,<br />

dass das Schadensausmaß über- und die Eintrittswahrscheinlichkeit unterbewertet werden. Insbe-<br />

sondere wegen der quasi unendlich vielen Einflussfaktoren, konnte auch dieser Ansatz kein ein-<br />

heitliches Risikomaß und keine konsensfähige Risikobewertung hervorbringen.


Fazit<br />

Der dritte Ansatz bildete sich in der soziologisch-kulturellen Risikoforschung heraus, welche die<br />

Dominanz bestimmter Meinungsbilder innerhalb einer sozialen Einheit in das Zentrum der<br />

Betrachtung stellt. Risikowahrnehmung ist nach diesem Ansatz heute insbesondere informations-<br />

vermittelt, sozial gefiltert und <strong>von</strong> kulturellen Prägungen bestimmt. Damit ist jede Risikoentscheidung<br />

kontextgebunden, womit es ein objektives Risiko nicht geben kann.<br />

Während jeder Ansatz wichtige Erkenntnisse hervorgebracht hat, sind doch auch teils erhebliche<br />

methodische und konzeptionelle Mängel zu konstatieren. So ist es bis heute nicht gelungen einen<br />

allseits anerkannten und universellen Weg zur Ermittlung der Akzeptanz <strong>von</strong> Risiken zu entwickeln.<br />

Wie gezeigt werden konnte, ist es gegenwärtig trotzdem möglich, unter Berücksichtigung<br />

verschiedener Aspekte, die Risikowahrnehmung und -bewertung mit Methoden der empirischen<br />

Sozialforschung (z.B. Befragungen) zu beschreiben.<br />

Die Arbeit konnte zeigen, dass die Risikobewertung <strong>von</strong> Naturgefahren insbesondere <strong>von</strong> situati-<br />

ven Einflussfaktoren und solchen der Erkenntnis bedingt wird. Verschiedene Wahrnehmungs-<br />

modelle erleichtern hierbei den Umgang mit Unsicherheit.<br />

Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Höhe des Risikos für die Wahrnehmung weniger bedeutend<br />

ist als die Frage, ob man sich wegen etwas Sorgen machen muss. Zudem ist festzustellen, dass<br />

Naturrisiken hinsichtlich ihrer Risikomerkmale sehr ähnlich wahrgenommen werden. Sie gelten<br />

überwiegend als nicht schrecklich und unkontrollierbar, freiwillig und lokal begrenzt.<br />

Als wesentliche Determinanten der Risikobewertung bei Naturgefahren konnten folgende identifiziert<br />

und diskutiert werden: Gefährlichkeit, Eintritts- und Schadenswahrscheinlichkeit, Kontrol-<br />

lierbarkeit und Kontrollüberzeugung, Erfahrung und Bewusstsein, Einstellungen und Werthal-<br />

tungen, Emotionen, soziodemographische Faktoren, kulturelle Faktoren und die Verursachung<br />

des Risikos.<br />

Mit einer Einwohnerbefragung in Lübeck (Ostseeküste) und St. Peter-Ording (Nordseeküste)<br />

konnte die gesellschaftliche Bewertung des Sturmflutrisikos sowie der Umgang mit der Risikosi-<br />

tuation im schleswig-holsteinischen Küstenraum skizziert werden. Hierbei sind aufgrund der dif-<br />

ferenten Rahmenbedingungen Unterschiede in der individuellen Risikobewertung an der Nord-<br />

und Ostseeküste festzustellen.<br />

Die Menschen an der Westküste Schleswig-Holsteins sind sich i. d. R. des Risikos <strong>von</strong> Sturmfluten<br />

bewusst. Sie haben sich an das Leben hinter dem Deich gewöhnt, der ihnen aufgrund eines histo-<br />

risch gewachsenen Vertrauens in den Küstenschutz die Wahrnehmung eines relativ hohen<br />

Sicherheitsstatus erlaubt. Um diesen zu erhalten, besteht seitens der Küstenbewohner die<br />

kompromisslose Forderung nach einem Ausbau der Küstenschutzmaßnahmen. Doch wegen des<br />

hohen Schutzstatus an der Westküste, ist ein Großteil der Bevölkerung nur unzureichend auf ein<br />

mögliches Überflutungsereignis vorbereitet (Deicheffekt). Insbesondere eine Verbesserung des<br />

Wissens um mögliche präventive bzw. interventive Maßnahmen könnte im Ereignisfall mögliche<br />

Schäden auch an Personen minimieren. Hierzu ist eine veränderte Informationspolitik seitens der<br />

Kommunen und Behörden notwendig. Diese wird <strong>von</strong> den Einwohnern in St. Peter-Ording auch<br />

explizit gefordert.<br />

243


244<br />

Fazit<br />

An der Ostseeküste hingegen führt die geringere Eintrittswahrscheinlichkeit extremer Ereignisse,<br />

dazu, dass leichte Überschwemmungen das mentale Bild der Ostsee als Gefahrenquelle prägen.<br />

Lediglich in wenigen, periodisch überfluteten Teilräumen besteht hinsichtlich des Sturmflutrisi-<br />

kos ein deutlich ausgeprägtes Bewusstsein. Darüber hinaus bestehen in weiten Räumen, die in der<br />

Vergangenheit nur sehr selten <strong>von</strong> Überflutungen betroffen waren, kaum Maßnahmen zum<br />

Schutz gegen den Einfluss des Meeres. Die Sorglosigkeit gegenüber möglichen Sturmflutereignis-<br />

sen kommt z.B. dadurch zum Ausdruck, dass vielerorts gegenwärtig immer noch in unmittelbarer<br />

Nähe der Ostsee Gebäude ohne jegliche Schutzmaßnahmen errichtet werden. In solchen Berei-<br />

chen ist das kommunale Risikobewusstsein kaum ausgeprägt.<br />

• Wie können Risiken <strong>von</strong> Naturgefahren insbesondere die <strong>von</strong> Sturmfluten mit dem Ziel der<br />

Minimierung optimal gehandhabt werden?<br />

Es konnte festgestellt werden, dass mit dem Risikomanagement nicht nur Sicherheitsdefizite<br />

ausgeräumt werden sollen, sondern vielmehr auch das Ziel verfolgt wird, einen gesellschaftlich<br />

tolerierten Weg im Umgang mit dem identifizierten Risiko zu finden und zu gehen. Hierzu ist ein<br />

Wandel <strong>von</strong> einer Sicherheitskultur zu einer Risikokultur notwendig. Ein wichtiger Aspekt ist<br />

hierbei die Beteiligung und Stärkung der Eigenverantwortung aller Betroffenen.<br />

Mit der Betrachtung des Risikokonzeptes des WBGU und einer Übertragung dessen auf das<br />

Risiko <strong>von</strong> Sturmfluten, wurde ein Weg aufgezeigt, Risiken integrativ zu betrachten und anhand<br />

<strong>von</strong> Risikotypen, standardisierte Empfehlungen abzuleiten. Das Konzept bietet die Möglichkeit,<br />

Risiken grob einzuordnen und die prioritären Handlungsstrategien und Maßnahmen zu identifi-<br />

zieren. Auf dieser Basis lässt sich das operationelle Management <strong>von</strong> spezifischen Naturrisiken<br />

konkretisieren.<br />

Für das Management <strong>von</strong> Naturrisiken wurde ein integratives Verfahren entwickelt, in das die<br />

Ergebnisse der Risikobewertung und der Risikoanalyse als Grundlagen für den Umgang mit den<br />

Risiken einfließen. Das zentrale Element in diesem Verfahren ist ein Kooperations-Netzwerk, in<br />

dem die verschiedenen Akteure am Planungsprozess beteiligt werden. In der Arbeit wurde herausgestellt,<br />

dass der Partizipation der Bevölkerung sowie der Kooperation aller Akteure im Ma-<br />

nagement- und Planungsprozess eine besondere Bedeutung zukommt. Daher sollten diese<br />

Aspekte im Sinne einer Demokratisierung des Managementverfahrens zukünftig stärker berück-<br />

sichtigt werden. Die Planungswissenschaft hat diesbezüglich geeignete Methoden hervorgebracht,<br />

die sich auch für das Management <strong>von</strong> Naturrisiken eignen. Mit der Sensitivitätsanalyse im<br />

schleswig-holsteinischen Küstenraum konnte ein erfolgreiches Verfahren zur Bevölkerungsbetei-<br />

ligung exemplarisch vorgestellt werden.<br />

Neben dem Kooperations-Netzwerk sind die Organisation, die Restriktionen und die Zielfindung<br />

sowie die verschiedenen Strategien und Maßnahmen weitere Elemente in einem modernen und<br />

innovativen Managementverfahren. Für deren optimale Gestaltung konnten unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Sturmflutrisikos Grundlagen diskutiert und Empfehlungen ausgesprochen<br />

werden.


Fazit<br />

Es wurde dargelegt, dass die zentrale Organisationsform, gegenüber einer dezentralen, Vorteile<br />

aufweist. So ist es möglich, aus den verschiedenen Einzelrisiken ein globales Risiko zu konstruie-<br />

ren und zentral zu behandeln. Zudem könnte hiermit der Koordinationsaufwand reduziert, die<br />

Partizipation effizienter gestaltet und die Stabsstelle als Krisenstab im Ereignisfall genutzt werden.<br />

Das Management <strong>von</strong> Naturrisiken unterliegt verschiedenen Restriktionen. Am Beispiel des<br />

schleswig-holsteinischen Küstenschutzes konnte gezeigt werden, dass der rechtliche Rahmen, die<br />

unterschiedlichen Zuständigkeiten, territoriale Aspekte und die Akzeptanz <strong>von</strong> Maßnahmen den<br />

Handlungsspielraum im Planungsprozess erheblich einschränken.<br />

Für die Festlegung der Managementziele muss ein hierarchisches Zielsystem definiert werden.<br />

Hierbei orientiert sich der Umgang mit den Risiken an einem visionären Leitbild. Um sich diesem<br />

möglichst anzunähern, werden verschiedene strategische Entwicklungsziele entwickelt, die durch<br />

operationelle Handlungsziele konkretisiert werden. Mit der schleswig-holsteinischen Küsten-<br />

schutzplanung konnte exemplarisch ein innovatives Zielsystem beschrieben werden.<br />

Strategien bilden das Konzept zur Erreichung der im Zielsystem definierten Ziele. Um das für den<br />

Umgang mit Risiken allgemein gültige Ziel der Risikominderung zu erreichen, können sowohl<br />

präventive als auch reaktive Strategietypen festgelegt werden. Im Einzelnen ist das die Reduzie-<br />

rung der gefährlichen Einwirkungen, des Schadenspotenzials und der Empfindlichkeit und die<br />

Beschränkung, Vermeidung und Behebung <strong>von</strong> Schäden.<br />

Bei der Betrachtung der gegenwärtigen Planungspraxis in Deutschland wurde festgestellt, dass<br />

diese eher reaktiv ausgerichtet ist. Daher sollten präventive Strategien zukünftig stärker berück-<br />

sichtigt werden. Im Rahmen des dynamischen Risikomanagements der Küstenschutzplanung in<br />

Schleswig-Holstein konnten verschiedene präventive Strategien erläutert werden.<br />

Mit der Umsetzung der Maßnahmen werden die verschiedenen Strategien realisiert. Die Gestal-<br />

tung der Maßnahmen ist hierbei eine fachspezifische Planungsaufgabe, die nach den neuesten<br />

disziplinspezifischen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen erfüllt werden muss.<br />

Grundsätzlich sind Maßnahmen mit dauerhafter und solche temporärer Wirkung zu unterschei-<br />

den.<br />

Zukünftig sind auch in der konkreten Maßnahmenplanung die dauerhaften und präventiven<br />

Maßnahmen zu präferieren, da hierdurch ein langfristiges und vorsorgliches Risikomanagement<br />

ermöglicht wird. Den Instrumenten der Raumplanung wird diesbezüglich zukünftig eine wich-<br />

tige Bedeutung zukommen. So lassen sich hiermit die Schadenspotenziale in den gefährdeten<br />

Räumen begrenzen bzw. reduzieren.<br />

Die abschließende Betrachtung des Katastrophenschutzes in Deutschland hat eklatante Defizite<br />

aufgezeigt. Da die gegenwärtigen Maßnahmen, Programm- und Verwaltungsstrukturen i. d. R.<br />

reaktiv ausgerichtet sind, ist ein Umdenken in der Katastrophenschutzverwaltung in Richtung<br />

einer Katastrophenvorsorge dringend erforderlich.<br />

245


246<br />

Fazit<br />

7.2 Offene Fragen und Forschungsbedarf<br />

Mit dem integrativen Konzept der Risikobetrachtung wurde die Idealvorstellung eines koopera-<br />

tiven und partizipativen Umgangs mit Risiken erläutert. Dieses Verfahren ist im Detail noch<br />

weiterzuentwickeln, wobei die Forschungskapazitäten im Bereich der naturwissenschaftlich-<br />

technischen und insbesondere im Bereich der sozialwissenschaftlichen Risikoforschung zu<br />

intensivieren sind. Zudem ist zu klären, ob sich anhand des dargestellten theoretischen Leitfadens<br />

die Praxis des Managements und der Planung optimieren lässt.<br />

Die Erläuterungen zu einem möglichen Klimawandel haben viele Fragen aufgezeigt, die nicht<br />

neu sind und mit denen sich die Wissenschaft gegenwärtig beschäftigt. Die Frage, ob die anthro-<br />

pogenen Aktivitäten zukünftig auch eine Zunahme der Bedrohung durch Naturgefahren bewir-<br />

ken, gilt als wahrscheinlich und ist Gegenstand der aktuellen Klimaforschung. Wichtige Aspekte<br />

sind hierbei die Erweiterung der Datengrundlagen und die Verbesserung der angewendeten<br />

Klimamodelle. Hierbei wird den Aussagen zu regionalen Entwicklungstrends zukünftig eine<br />

besondere Bedeutung zukommen.<br />

So bleibt die Frage offen, welchen Einfluss der Klimawandel auf die Entwicklung der Sturmfluten<br />

im norddeutschen Küstenraum hat. Es ist möglich, dass es hierdurch zu einer Zunahme der inten-<br />

siven Sturm - und Sturmflutereignisse und zu einer Verstärkung des Seegangs kommt. Diese<br />

Aspekte sollten Bestandteil zukünftiger Forschungsaktivitäten sein.<br />

Die Darstellung des modularen Verfahrens einer Risikoanalyse hat ein breites Spektrum an Me-<br />

thoden und Techniken aufgezeigt, die sich in verschiedenen Disziplinen schon bewährt haben.<br />

Diese müssen aber zum Teil mit dem Ziel einer Standardisierung weiterentwickelt und auf die<br />

Praxistauglichkeit hin geprüft werden (z.B. Fehler- und Ereignisbäume, Bayes’sche Netze). Zu-<br />

dem ist zu untersuchen, wie der gegenwärtig noch sehr hohe Aufwand mikroskaliger (objektbezogener)<br />

Analysen reduziert werden kann. Hierbei sind die Datengrundlagen und deren allge-<br />

meine Verfügbarkeit zu verbessern (z.B. Aufbau <strong>von</strong> Metadatenbanken) und die Aktualisierung<br />

der Analyseresultate zu simplifizieren und möglicht zu automatisieren.<br />

In der Diskussion um den Vulnerabilitätsbegriff wurde zudem herausgestellt, dass der Kontextbindung<br />

für die Risikomodulation eine besondere Bedeutung zukommt. Somit sind zukünftig<br />

Methoden zu entwickeln, die eine Berücksichtigung sozialer, materieller und kultureller Ressour-<br />

cen in der Vulnerabilitätsabschätzung ermöglichen. Für die Erforschung dieser Aspekte sind ins-<br />

besondere die Geistes- und Sozialwissenschaften gefordert. Somit wird in den Anforderungen an<br />

die Risikoanalyse die zukünftige Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit deutlich.<br />

Zu klären ist auch die Frage, wie die Ergebnisse der Risikoanalyse je nach Zielsetzung optimal<br />

und allgemeinverständlich präsentiert werden können.<br />

Neben diesem grundsätzlichen Forschungsbedarf bleiben vor allem solche Fragen unbeantwortet,<br />

die Analysedetails in spezifischen Situationen betreffen (z.B. bei der Betrachtung verschiedener<br />

Naturgefahren).


Fazit<br />

So konnte am Beispiel der Analyse des Sturmflutrisikos im schleswig-holsteinischen Küsteraum<br />

folgender Forschungsbedarf identifiziert werden:<br />

• Verbesserung der Basisdaten, insbesondere der Höhen- und Flächeninformationen (z.B.<br />

Nutzung digitaler Höhenmodelle, Laseraltimetrieverfahren, Photogrammetrie etc.), der ökonomischen<br />

Daten (z.B. durch Betriebsbefragungen) und der Schadensinformationen bei Salz-<br />

wasserüberflutungen;<br />

• Entwicklung <strong>von</strong> Methoden zur statistischen Einordnung extremer Sturmflutereignisse 1 ;<br />

• Prüfung und gegebenenfalls Weiterentwicklung probabilistischer Verfahren zur Ereignisabschätzung<br />

und Berücksichtigung der Versagenswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Schutzsystemen;<br />

• Weiterentwicklung des Überflutungsmodells (digitales Verfahren);<br />

• Anwendung zusätzlicher Ereignisszenarien (Multi-Szenario-Ansatz);<br />

• Weiterentwicklung und Verifizierung des mikroskaligen Wertermittlungsmodells unter<br />

Berücksichtigung weiterer Schadenskategorien (insbesondere nicht monetärer Werte);<br />

• Weiterentwicklung und Verifizierung des Schadensmodells;<br />

• Betrachtung zusätzlicher Risiken (z.B. Sturm, Rückstau, Starkniederschlag) im Sinne eines<br />

Multi-Hazard-Ansatzes;<br />

• Ermittlung der Verwendungsmöglichkeiten der Analyseergebnisse bei der Risikobewertung<br />

und dem Risikomanagement.<br />

Die Erläuterungen zur gesellschaftlichen Risikobewertung haben gezeigt, dass die Resultate der<br />

Technikfolgenforschung auch für viele Fragen der soziologisch orientierten Naturgefahrenforschung<br />

<strong>von</strong> Interesse sind. Spezielle Untersuchungen zur Bewertung <strong>von</strong> Naturrisiken sind mit<br />

einigen Ausnahmen aber erst in der jüngsten Vergangenheit durchgeführt worden. Die Tatsache,<br />

dass die Untersuchungsresultate teils erhebliche Unterschiede aufweisen, sowie die Vielzahl<br />

möglicher Einflussfaktoren, verdeutlichen, dass die Bewertungsergebnisse je nach spezifischer<br />

Situation sehr unterschiedlich ausfallen können. Daher sind allgemeine Aussagen auf der Basis<br />

der zur Verfügung stehenden Daten nur begrenzt gültig und Untersuchungen mit Methoden der<br />

empirischen Sozialforschung (z.B. Befragungen) in den jeweiligen Gebieten unerlässlich. Somit ist<br />

ein dringender Bedarf an Grundlagenforschung zu konstatieren.<br />

Bei zukünftigen Untersuchungen zur Risikobewertung sollten im Sinne einer integrativen Risiko-<br />

betrachtung u. a. auch folgende Fragen berücksichtigt werden:<br />

• Wie reagiert die Bevölkerung auf die unterschiedlichen Darstellungen der Ergebnisse der<br />

naturwissenschaftlich-technischen Risikoanalyse? Welche Darstellungsform eignet sich für eine<br />

optimale Informationsvermittlung?<br />

• Wie ist die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber behördlichen Institutionen und welche<br />

Ambitionen bestehen hinsichtlich einer Partizipation an dem Prozess des Risikomanagements?<br />

1 Das Thema ist derzeit Untersuchungsgegenstand in dem Gemeinschaftsprojekt der FWU , des DWD und des BSH: Modellgestützte<br />

Untersuchungen zu Sturmfluten mit sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeiten - MUSE (vgl. MÜLLER-NAVARRA, 2002).<br />

247


248<br />

Fazit<br />

In zwei exemplarischen Untersuchungsgebieten konnte die gesellschaftliche Bewertung des<br />

Sturmflutrisikos im schleswig-holsteinischen Küstenraum in ihren Grundzügen erfasst und erläu-<br />

tert werden. Da sich die Bevölkerungsbefragungen auf einen relativ kleinen Personenkreis<br />

stützen, sind die Aussagen nur begrenzt gültig.<br />

Um gesicherte Informationen zu erhalten wären zusätzliche Befragungen in anderen Gebieten<br />

erforderlich 2 . So könnten u. a. folgende wichtige Fragen untersucht werden:<br />

• Lassen sich allgemeingültige Aussagen zur gesellschaftlichen Risikobewertung an der Nord-<br />

und Ostseeküste treffen?<br />

• Wie unterscheidet sich die Risikobewertung an den Küsten Schleswig-Holsteins und welche<br />

Konsequenzen hat das für das Risikomanagement?<br />

• Führt ein erhöhtes Risikobewusstsein auch zu einer erhöhten Bereitschaft, Maßnahmen zu<br />

ergreifen?<br />

• Welchen Einfluss hat die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und wie wird die behördliche<br />

Informationspolitik bewertet?<br />

Die Erläuterungen zum politisch-administrativen Risikomanagement haben Konzepte und<br />

Instrumente aufgezeigt, die sich in der Praxis anderer Disziplinen zum Teil schon bewährt haben.<br />

Somit ist vorrangig zu klären, ob und wie sich diese in das Naturrisikomanagement integrieren<br />

lassen.<br />

Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, ob und in wie weit Kooperation und Partizipation, über<br />

das gegenwärtig gesetzlich vorgesehene Maß hinaus, in der Planung zugelassen werden. Da<br />

hiermit seitens der Behörden ein Verlust an Planungsfreiheit sowie ein erheblicher Aufwand ver-<br />

bunden werden, ist dieses anzuzweifeln. Ein wichtiger Aspekt ist auch das Problem des adäqua-<br />

ten Umfangs an Kooperation und Partizipation. Die Frage, wie viel Beteiligung notwendig und<br />

sinnvoll ist, lässt sich nicht ad hoc klären. So wurde erläutert, dass Partizipation den Planungsprozess<br />

auch zum Erliegen bringen kann. Ob es ein gesundes Maß an Beteiligung geben kann, ist<br />

fraglich und sollte seitens der Planungswissenschaft geklärt werden.<br />

Unabhängig <strong>von</strong> der zukünftigen Planungsentwicklung, muss auch für die gegenwärtige Pla-<br />

nungspraxis geprüft werden, welche Partizipationsinstrumente für das Management <strong>von</strong> Naturrisiken<br />

geeignet sind. In der Arbeit konnten einige Beteiligungsformen vorgestellt werden. Ob diese<br />

für den Umgang mit Naturrisiken geeignet sind, kann in Fallbeispielen untersucht werden.<br />

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welche Organisationsstruktur letztlich die<br />

geeignete für das Naturrisikomanagement ist und wie die Partizipation in diese zu integrieren ist.<br />

Ob mit der zentralen Organisationsform, wie in der Arbeit angenommen, Vorteile gegenüber einer<br />

dezentralen Organisation verbunden sind, muss in der Praxis geklärt werden. Die Auflösung<br />

historisch gewachsener Strukturen dürfte hierbei sicherlich Schwierigkeiten bereiten.<br />

Die vorgestellten Strategien und Maßnahmen sind heute schon zum Teil in der Planungspraxis<br />

bei Naturgefahren erfolgreich eingesetzt worden.<br />

2 Im Rahmen des INTERREG IIIB - Projektes COMRISK – Common Strategies to Reduce the Risk of Storm Floods in Coastal Lowlands<br />

sollen unter Beteiligung Dänemarks, Großbritanniens, Belgiens, Deutschlands und der Niederlande bis zum Jahre 2005<br />

Instrumente für ein effektives Risikomanagement im Küsteraum entwickelt werden. Hierbei werden in einem Teilprojekt die<br />

Partizipationsverfahren sowie die gesellschaftlichen Risikobewertungen in den Küstenräumen der beteiligten Länder untersucht.


Fazit<br />

Um die Umsetzung der Maßnahmen zu optimieren, sind folgende spezielle Fragen zu klären:<br />

• Welche Instrumente eignen sich für die Evaluation der Wirksamkeit <strong>von</strong> Maßnahmen und wie<br />

können die Ressourcen optimal eingesetzt werden?<br />

• Welche raumplanerischen Instrumente eignen sich zum Management <strong>von</strong> Naturgefahren und<br />

wie sind diese in geltendes Recht umzusetzen?<br />

• Welchen Beitrag kann zukünftig die Versicherungswirtschaft für das Management <strong>von</strong><br />

Naturrisiken leisten? Kann das Sturmflutrisiko zukünftig über Elementarschadensversicherun-<br />

gen abgedeckt werden? Welches Versicherungsmodell würde sich hierfür eignen?<br />

• Welche Instrumente sind für ein effektives Katastrophenmanagement bei Naturgefahren hilf-<br />

reich, wie müssen diese strukturiert sein und wie sind sie in bestehende Katastrophenschutz-<br />

strukturen zu integrieren?<br />

• Wie werden Informations- und Frühwarnsysteme wahrgenommen und wie lassen sich diese<br />

optimieren?<br />

7.3 Schlussbemerkungen<br />

Die Risikobetrachtung <strong>von</strong> Naturgefahren im Allgemeinen und Sturmfluten im Besonderen hat<br />

gezeigt, dass der Umgang mit natürlichen Extremereignissen vielfach erhebliche Defizite auf-<br />

weist. Um diese zu reduzieren, ist primär ein Wandel <strong>von</strong> einer prozessorientierten und reaktiven<br />

Sichtweise zu einer problemorientierten und präventiven Perspektive erforderlich.<br />

Eine weitere Erkenntnis der Arbeit ist, dass gegenwärtig vielfach geeignete Methoden und<br />

Instrumente für die Analyse, die Bewertung und das Management <strong>von</strong> Naturrisiken zur Verfü-<br />

gung stehen und diese in vielen Bereichen auch schon erfolgreich eingesetzt werden. Trotzdem<br />

bleiben zahlreiche offene Fragen und Probleme, die zukünftig im Rahmen disziplinärer und<br />

interdisziplinärer Forschung geklärt werden müssen. So fehlen vielfach noch standardisierte und<br />

praxistaugliche Methoden für den Umgang mit Naturgefahren. Zudem sind Techniken zu entwi-<br />

ckeln, mit denen die Ergebnisse der Risikobetrachtung zukünftig einer breiten Öffentlichkeit all-<br />

gemeinverständlich präsentiert werden können.<br />

Die wichtigste Zukunftsaufgabe obliegt aber den Regierungsstellen und behördlichen Institutio-<br />

nen: so ist die Öffentlichkeit zukünftig verstärkt am Risikomanagement- und Planungsprozess zu<br />

beteiligen. Nur über eine Demokratisierung der Entscheidungsprozesse kann das Wissenspoten-<br />

zial der Bevölkerung in das Management integriert, die individuelle Eigenverantwortung in der<br />

Öffentlichkeit gestärkt und die Akzeptanz <strong>von</strong> Maßnahmen erlangt werden. Grundvoraussetzung<br />

hierfür ist eine adäquate Risikokommunikation und die Bereitschaft aller Akteure zur Koopera-<br />

tion und Konsensfindung. Der Risikobewertung mit Methoden der empirischen Sozialforschung<br />

wird in diesem Zusammenhang zukünftig eine besondere Bedeutung zukommen.<br />

249<br />

“Wer das Ziel kennt, kann entscheiden,<br />

wer entscheidet, findet Ruhe,<br />

wer Ruhe findet, ist sicher,<br />

wer sicher ist, kann überlegen,<br />

wer überlegt, kann verbessern.”<br />

Konfuzius


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aus Nordsee & Wattenmeer: Eine aktuelle Umweltbilanz:<br />

51-56. Hamburg.<br />

WIEDEMANN, P. M., ROHRMANN, B. und JUNGERMANN, H.<br />

(1990): Das Forschungsgebiet „Risiko-<br />

Kommunika tion“. In: Jungermann, H. et al.<br />

(Hrsg.): Risiko-Konzepte, Risiko-Konflikte, Risiko-<br />

Kommunika tion. Monographien des Forschungszentrums<br />

Jülich, 3: 1-9. Jülich.<br />

WINTERFELD, D. VON und EDWARDS, W. (1984): Patterns<br />

of conflict about risky technologies. In: Risk<br />

Analysis, 1: 277-287.<br />

WHITE, G. F. (1936): The limit of economic justification<br />

for flood protection. In: Journal of Land and Public<br />

Utility Economics, 12: 133-148.<br />

Quellenverzeichnis<br />

265<br />

WHITE, G. F. (1945): Human adjustment to Floods: A<br />

Geographical Approach to the Flood Problem in<br />

the United States. Department of Geography Research<br />

Paper, 29. Chicago.<br />

WITZKI, D. (2002): Saisonale Unterschiede des Schadenspotenzials<br />

und der Schadenserwartung<br />

durch Sturmfluten in einer fremdenverkehrsgeprägten<br />

Gemeinde. Eine GIS-gestützte Untersuchung<br />

am Beispiel der Gemeinden Scharbeutz<br />

und Timmendorfer Strand. Diplomarbeit im Fach<br />

Geographie an der CAU zu Kiel (unveröffentlicht).<br />

WSA - WASSER- UND SCHIFFAHRTSAMT LÜBECK (2003):<br />

Extreme Hochwasserstände an verschiedenen<br />

Pegeln der Ostseeküste (unveröffentlicht).<br />

YOHE, G., NEUMANN, J. und AMEDEN, H. (1995): Assessing<br />

the Economic Cost of Greenhouse-Induced<br />

Sea Level Rise: Methods and Application in Support<br />

of a National Survey. In: Journal of Environmental<br />

Economics and Management, 29: 78-97.<br />

ZAHED, L. A. (1968): Probability Measures of Fuzzy<br />

Events. In: Journal of Mathematic Analysis and<br />

Applications, 10: 421-427.<br />

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(Hrsg.): Technological Risk Assessment: 133-168,<br />

The Hague.<br />

ZEDO - Zentrum für Beratungssysteme in der Technik,<br />

Dortmund e.V. (1998): Modellbasierte Fehle rdiagnose<br />

komplexer Systeme mit Hilfe<br />

Bayes’scher Ne tze.<br />

http://www.zedo.fuedo.de/zedo/jb98/robers.htm<br />

(Abruf am 10. 03. 2003).<br />

ZMP-ZENTRALE MARKT- UND PREISBERICHTSTELLE FÜR<br />

ERZEUGNISSE DER LAND-, FORST- UND ERNÄHRUNGS-<br />

WIRTSCHAFT GMBH (2000): Schlachtgeflügelpreise<br />

1999. http://www.zmp.de (Abruf am 11. 11. 2000).<br />

ZMP-ZENTRALE MARKT- UND PREISBERICHTSTELLE FÜR<br />

ERZEUGNISSE DER LAND-, FORST- UND ERNÄHRDUNGS-<br />

WIRTSCHAFT GMBH (2001): ZMP-Marktbericht Geflügel.<br />

Marktinformationen der ZMP, 39, (37).<br />

ZMP-ZENTRALE MARKT- UND PREISBERICHTSTELLE FÜR<br />

ERZEUGNISSE DER LAND-, FORST- UND ERNÄHRDUNGS-<br />

WIRTSCHAFT GMBH (2001a): ZMP-Marktbericht Vieh<br />

und Fleisch. Marktinformationen der ZMP, 43,<br />

(38).<br />

ZSCHAU, J., MERZ, B., PLATE, E. J. und GOLDAMMER, J. G.<br />

(2001): Vorhersage und Frühwarnung. In: Plate. E.<br />

J. und Merz, B. (Hrsg.): Naturkatastrophen. Ursachen,<br />

Auswirkungen, Vorsorge: 273-350. Stuttgart.


266<br />

Abkürzungs- und Akronymverzeichnis<br />

ABKÜRZUNGS- UND AKRONYMVERZEICHNIS<br />

ALR Amt für ländliche Räume<br />

BEO Forschungszentrum Jülich GmbH, Projektträger Biologie, Energie, Umwelt<br />

Bft Beaufort (Maß für die Windstärke)<br />

BIK Beirat Integriertes Küstenschutzmanagement<br />

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

BWS Bruttowertschöpfung<br />

BSH Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie<br />

COMRISK Common Strategies to Reduce the Risk of Storm Floods in Coastal Lowlands (INTERREG<br />

IIIB-Forschungsprojekt)<br />

CPSL Trilateral Working Group on Coastal Protection and Sea Level Rise<br />

CRED Centre for Research on the Epidemiology of Disasters (Belgien)<br />

CUR Centre for civil engineering research and codes<br />

CZMS Coastal Zone Management Subgroup<br />

DG Dachgeschoss<br />

DGK 5 Deutsche Grundkarte im Maßstab 1 : 5000<br />

DKKV Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge<br />

DWD Deutscher Wetterdienst<br />

EG Erdgeschoss<br />

ETA Event Tree Analysis<br />

FMEA Failure Mode and Effekt Analysis<br />

FTA Fault Tree Analysis<br />

FTZ Forschungs- und Technologiezentrum Westküste<br />

FWU Forschungsstelle Wasserwirtschaft und Umwelt<br />

GIS Geographisches Informationssystem<br />

GTZ Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit<br />

GVOBL Gesetz und Verordnungsblatt<br />

HAZOP Hazard and Operability Study<br />

HOWAS Hochwasserschadensdatenbank des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft<br />

HW Hauptwohnsitze<br />

IGUW Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung der TU Wien<br />

IDNDR International Decade for Natural Disaster Reduction<br />

IKM Integriertes Küstenschutzmanagement<br />

IKZM Integriertes Küstenzonenmanagement<br />

IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change<br />

ISDR International Strategy for Disaster Reduction<br />

KBA Kraftfahrt-Bundesamt<br />

KFKI Kuratoriums für Forschung im Küsteningenieurswesen<br />

KIS Küstenschutz-Informationssystem<br />

Kkm Küstenkilometer<br />

KNN Künstliche Neuronale Netze


LSD Landesschutzdeich<br />

m ü. NN Meter über Normal Null<br />

Abkürzungs- und Akronymverzeichnis<br />

MERK Mikroskalige Evaluation der Risiken in überflutungsgefährdeten Küstenniederungen (KFKI-<br />

Forschungsprojekt)<br />

MHW Mittleres Hochwasser (= MThw)<br />

MLR Ministerium für ländliche Räume, Landesplanung, Landwirtschaft und Tourismus des<br />

Landes Schleswig-Holstein<br />

MThw Mittleres Tidehochwasser<br />

MURL Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

MUSE Modellgestützte Untersuchungen zu Sturmfluten mit sehr geringen<br />

Eintrittswahrscheinlichkeiten (Forschungsprojekt <strong>von</strong> FWU, DWD und BSH)<br />

MW Mittelwasserstand<br />

NFZ Nutzfahrzeuge<br />

NHRAIC Natural Hazard Research and Application Information Center (USA)<br />

NHRC Natural Hazard Research Centre (Australien)<br />

NN Normal Null<br />

NW Nebenwohnsitze<br />

OG Obergeschoss<br />

PHA Preliminary Hazard Analysis<br />

PML Probable Maximum Loss<br />

PMF Probable Maximum Flood<br />

PNP Pegelnullpunkt<br />

RFF Resources for the Future<br />

SHW Sturmhochwasser<br />

UNDRO United Nations Office of the Disaster Relief Coordinator<br />

UNECE United Nations Economic Commission for Europe<br />

USACE US Army Corps of Engineers<br />

UVP Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen<br />

VGR Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung<br />

WKA Windkraftanlage<br />

ZHA Zürich Hazard Analysis<br />

ZMP Zentrale Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und<br />

Ernährungswirtschaft<br />

267


268<br />

TABELLENVERZEICHNIS<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tab. 2.1: Betrachtungsperspektiven in der Risikoforschung ................................................................................. 27<br />

Tab. 2.2: Risikotypen und ihre Charakterisierung .................................................................................................... 34<br />

Tab. 3.1: Die Entwicklung großer Naturkatastrophen - global im Dekadenvergleich .................................. 48<br />

Tab. 3.2: Die Entwicklung <strong>von</strong> Naturkatastrophen in Deutschland im Dekadenvergleich ........................ 48<br />

Tab. 3.3: Konfidenzabschätzung möglicher Änderungen der extremen Wetter- und Klimaereignisse 55<br />

Tab. 3.4: Höchste Sturmflutwasserstände an ausgewählten Pegeln der Nordseeküste<br />

Schleswig-Holsteins .......................................................................................................................................... 59<br />

Tab. 3.5: Höchste Sturmhochwasserstände an ausgewählten Pegeln der Ostseeküste<br />

Schleswig-Holsteins .......................................................................................................................................... 60<br />

Tab. 3.6: Bedeutende Überschwemmungsereignisse und Schäden .................................................................... 64<br />

Tab. 4.1: Vor- und Nachteile deskriptiv-statistischer und probabilistischer Verfahren .......................... 75<br />

Tab. 4.2: Betrachtungs- und Planungsskalen bei Vulnerabilitätsanalysen im Küstenraum .................... 78<br />

Tab. 4.3: Schadenswirkung bei Überflutungen an ausgesuchten Wertobjekten ........................................... 80<br />

Tab. 4.4: Kategorien- und Indikatorenansatz zur Wertermittlung .................................................................... 81<br />

Tab. 4.5: Datenquellen für die Inventarisierung des Schadenspotenzials ........................................................ 82<br />

Tab. 4.6: Vulnerabilitätsstudien und ihre Charakteristika ................................................................................... 99<br />

Tab. 4.7: Höhenverteilung im potenziellen Überflutungsgebiet .......................................................................... 102<br />

Tab. 4.8: Küstenschutz in St. Peter-Ording ................................................................................................................. 107<br />

Tab. 4.9: Überflutungsszenarien in St. Peter-Ording ............................................................................................... 108<br />

Tab. 4.10: Deichbruchphasen und die Berechnung des Einströmvolumens ...................................................... 108<br />

Tab. 4.11: Informationsquellen für die Inventarisierung und Bewertung des Schadenspotenzials ......... 112<br />

Tab. 4.12: Gesamtschadenspotenzial im potenziellen Überflutungsgebiet nach Höhenschichten ........... 116<br />

Tab. 4.13: Gebietsspezifische Indizes des Schadenspotenzials .............................................................................. 118<br />

Tab. 4.14: Parametrisierung für die Schadensschätzung ........................................................................................ 119<br />

Tab. 4.15: Evakuierungsraten mobiler Wertobjekte ................................................................................................. 120<br />

Tab. 4.16: Erweiterung des Modells zur Schadensschätzung ................................................................................ 123<br />

Tab. 4.17: Schadenserwartung in den Überflutungsgebieten ............................................................................... 124<br />

Tab. 5.1: Unkorrektheiten in der Berichterstattung neuseeländischer Zeitungen über globale<br />

Klimaänderungen .............................................................................................................................................. 138<br />

Tab. 5.2: Kulturtypen ......................................................................................................................................................... 141<br />

Tab. 5.3: Determinanten der Risikokommunikation ............................................................................................... 142<br />

Tab. 5.4: Gefährlichkeitsschätzung für unterschiedliche Risikoquellen .......................................................... 152<br />

Tab. 5.5: Einschätzung der Bedrohlichkeit <strong>von</strong> Risiken im Mittelrheinischen Becken ................................ 153


Tabellenverzeichnis<br />

Tab. 5.6: Ursachen der Fehleinschätzung <strong>von</strong> Wahrscheinlichkeiten ............................................................... 154<br />

Tab. 5.7: Strategien im Umgang mit Unsicherheit .................................................................................................... 154<br />

Tab. 5.8: Interpretationsmuster <strong>von</strong> Sturmkatastrophen an der amerikanischen Atlantikküste .......... 155<br />

Tab. 5.9: Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Risiken im Mittelrheinischen Becken ….... 156<br />

Tab. 5.10: Zusammenhang zwischen Erfahrung und Gefahrenbewusstsein ……………………………... 159<br />

Tab. 5.11: Ergebnisse der Einwohnerbefragung in St. Peter-Ording ………………………………….…..... 179<br />

Tab. 5.12: Ergebnisse der Einwohnerbefragung in Lübeck ……………………..……………………………... 186<br />

Tab. 6.1: Sturmfluten als Risikotyp Zyklop - charakteristische Kriterien …………………………...….... 191<br />

Tab. 6.2: Prioritäre Strategien und Maßnahmen für den Umgang mit Sturmflutrisiken ………….….... 196<br />

Tab. 6.3: Merkmale kooperativer Planung ……………………………………………………….………….... 200<br />

Tab. 6.4: Voraussetzungen kooperativer Verfahren …………………………………….……….………….. 201<br />

Tab. 6.5: Machtausübung durch Verletzung universalpragmatischer Normen ….…………….…..….... 202<br />

Tab. 6.6: Maßnahmen gegen die Kommunikationsverzerrung in der Planung ….…………….…...…..... 203<br />

Tab. 6.7: Charakteristika <strong>von</strong> Partizipationsverfahren ….……………………………….……….…...…..... 210<br />

Tab. 6.8: Charakteristika dezentraler und zentraler Organisationsformen im Risikomanagement ….. 216<br />

Tab. 6.9: Küstenschutz und Gesetzgebung in Schleswig-Holstein ………………………….…………….... 218<br />

Tab. 6.10: Beispiele der Sach- und Wertebene ………………………………………………………………..... 221<br />

269


270<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1.1: Struktur der Arbeit ..................................................................................................................................... 19<br />

Abb. 2.1: Entscheidungsbaum zur Klassifizierung <strong>von</strong> Umweltrisiken .................................................... 32<br />

Abb. 2.2: Risikotypen im Normal-, Grenz- und Verbotsbereich .................................................................. 33<br />

Abb. 2.3: Segmente der Risikobetrachtung .......................................................................................................... 35<br />

Abb. 2.4: Integratives Risikokonzept .................................................................................................................... 38<br />

Abb. 3.1: Ressourcen und Gefahren der natürlichen und anthropogenen Sphäre ................................ 40<br />

Abb. 3.2: Akzeptierte Variabilität <strong>von</strong> Naturgefahren ................................................................................... 41<br />

Abb. 3.3: Veränderungen der anthropogenen Sensitivität gegenüber Naturgefahren ........................ 42<br />

Abb. 3.4: Störfallwerte nach dem Handbuch zur Störfallverordnung für die Schweiz ...................... 45<br />

Abb. 3.5: Die Entwicklung <strong>von</strong> Naturkatastrophen - global und in Deutschland .................................. 47<br />

Abb. 3.6: Verwundbarkeit gegenüber Naturgefahren ..................................................................................... 51<br />

Abb. 3.7: Saisonalität der Sturmfluten an Nord- und Ostsee ......................................................................... 61<br />

Abb. 3.8: Verweilzeiten hoher Wasserstände an Ost- und Nordseeküste ................................................. 62<br />

Abb. 4.1: Modulares Verfahren einer Risikoanalyse .......................................................................................... 71<br />

Abb. 4.2: Relation Ereignisintensität - Wahrscheinlichkeit in einem hydrologischen System ............ 73<br />

Abb. 4.3: Häufigkeitsverteilung der Hochwasserstände am Pegel Neustadt ............................................. 74<br />

Abb. 4.4: Optimale Bemessung im Küstenschutz ................................................................................................ 76<br />

Abb. 4.5: Betrachtungs- und Planungsskalen bei Vulnerabilitätsanalysen ............................................... 79<br />

Abb. 4.6: Klassifizierung und Beispiele <strong>von</strong> Schadenskategorien ................................................................... 81<br />

Abb. 4.7: Kategorien des Sachvermögens ................................................................................................................ 83<br />

Abb. 4.8: Idealisierter Zusammenhang zwischen Einwirkung und Schadensgrad ................................. 86<br />

Abb. 4.9: Qualitätssicherungsmatrix für die Risikoanalyse bei Naturgefahren ....................................... 89<br />

Abb. 4.10: Fehlerbaum zur Abschätzung der Deichbruchwahrscheinlichkeit ........................................... 91<br />

Abb. 4.11: Ereignisbaum zur Abschätzung <strong>von</strong> Personenschäden bei einem Sturmflutereignis ......... 93<br />

Abb. 4.12: Morphologie des Untersuchungsgebietes ............................................................................................ 103<br />

Abb. 4.13: Funktionalmodell des untersuchten Systems .................................................................................... 104<br />

Abb. 4.14: Veränderung der Ereigniswahrscheinlichkeiten durch einen Meeresspiegelanstieg ........... 105<br />

Abb. 4.15: Häufigkeitsverteilung der Hochwasserstände am Pegel Husum ................................................ 106<br />

Abb. 4.16: Küstenschutzsituation in St. Peter-Ording ........................................................................................ 107<br />

Abb. 4.17: Modifizierte Sturmflutganglinie und Füllungskurven zur Überflutungssimulation .......... 109<br />

Abb. 4.18: Überflutungssimulation in St. Peter-Ording ...................................................................................... 110<br />

Abb. 4.19: Tangibles Schadenspotenzial im potenziellen Überflutungsgebiet ........................................... 117<br />

Abb. 4.20: Höhenverteilung des Schadenspotenzials im potenziellen Überflutungsgebiet ................... 117<br />

Abb. 4.21: Räumliche Verteilung des Schadenspotenzials im potenziellen Überflutungsgebiet ......... 118


Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 4.22: Ableitung einer Wasserstands-Schadensfunktion ........................................................................... 121<br />

Abb. 4.23: Wasserstands-Schadensfunktionen ...................................................................................................... 122<br />

Abb. 4.24: Verteilung der Schadenserwartung auf die Schadenskategorien ............................................... 125<br />

Abb. 4.25: Räumliche Verteilung der betroffenen Einwohner ........................................................................... 126<br />

Abb. 4.26: Räumliche Verteilung des monetären Sturmflutrisikos ................................................................. 126<br />

Abb. 5.1: Dominierende Faktoren und Merkmale für die Risikobewertung ............................................... 132<br />

Abb. 5.2: Das Nachrichtenquadrat ............................................................................................................................ 137<br />

Abb. 5.3: Verbesserung der Risikokommunikation ............................................................................................. 140<br />

Abb. 5.4: Wirkungsgefüge soziokultureller, sozialer und individueller Risikofaktoren ........................ 143<br />

Abb. 5.5: Einflussfaktoren der Wahrnehmung ...................................................................................................... 146<br />

Abb. 5.6: Schwellenkonzept der Wahrnehmung und Handlungsentscheidung ....................................... 148<br />

Abb. 5.7: Risikomerkmale für Sturm, Hochwasser und Erdbeben ................................................................ 150<br />

Abb. 5.8: Aussagen über die Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Katastrophen im Mittelrheinischen Becken 156<br />

Abb. 5.9: Furchtassoziationen mit unterschiedlichen Risikoquellen im Mittelrheinischen Becken 162<br />

Abb. 5.10: Unterschiedliche Gefährdungsschätzungen <strong>von</strong> Männern und Frauen ................................... 162<br />

Abb. 5.11: Aussagen über die Gründe <strong>von</strong> Hochwasser im Mittelrheinischen Becken ............................ 166<br />

Abb. 5.12: Sturmflutrisiko in St. Peter-Ording - Bewusstsein, Erfahrung und Wissen ............................ 171<br />

Abb. 5.13: Bewertung des Katastrophenrisikos durch Sturmfluten in St. Peter-Ording ......................... 172<br />

Abb. 5.14: Bewertung der Maßnahmen gegen Sturmfluten in St. Peter-Ording ......................................... 172<br />

Abb. 5.15: Vorschläge zur Maßnahmenverbesserung in St. Peter-Ording ................................................... 174<br />

Abb. 5.16: Maßnahmen der Bevölkerung in St. Peter-Ording ............................................................................ 175<br />

Abb. 5.17: Aussagen zum Verhalten im Katastrophenfall in St. Peter-Ording ........................................... 176<br />

Abb. 5.18: Bewertung der behördlichen Informationen in St. Peter-Ording ............................................... 176<br />

Abb. 5.19: Aussagen zu zukünftigen Veränderungen des Sturmflutrisikos in St. Peter-Ording .......... 178<br />

Abb. 5.20: Überflutungsrisikos in Lübeck - Bewusstsein und Erfahrung ..................................................... 181<br />

Abb. 5.21: Aussagen zu Warnungen und Informationen im Ereignisfall in Lübeck .................................. 182<br />

Abb. 5.22: Aussagen zu präventiven und reaktiven Maßnahmen in Lübeck ............................................... 184<br />

Abb. 5.23: Zukünftiger Umgang mit dem Risiko in Lübeck ................................................................................ 185<br />

Abb. 6.1: Möglichkeiten der Verlagerung <strong>von</strong> Risiken ....................................................................................... 192<br />

Abb. 6.2: Elemente eines integrativen Risikomanagementverfahrens ......................................................... 197<br />

Abb. 6.3: Traditionelles und kooperatives Planungsverständnis .................................................................. 199<br />

Abb. 6.4: Iterativ-argumentativer Planungsprozess .......................................................................................... 204<br />

Abb. 6.5: Partizipationsformen und -verfahren ................................................................................................... 209<br />

Abb. 6.6: Organisationsformen beim Risikomanagement ................................................................................ 215<br />

271


272<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 6.7: Zielsystem im schleswig-holsteinischen Küstenschutzmanagement ....................................... 224<br />

Abb. 6.8: Entwicklungsziele im schleswig-holsteinischen Küstenschutz .................................................. 225<br />

Abb. 6.9: Zielsystem und Zielmanagement im schleswig-holsteinischen Küstenschutz ..................... 226<br />

Abb. 6.10: Strategieansätze des Risikomanagements bei Naturgefahren .................................................... 227<br />

Abb. 6.11: Risikoreduzierung im schleswig-holsteinischen Küstenschutz ................................................. 230<br />

Abb. 6.12: Gliederung der Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser .......................................................... 231


GLOSSAR<br />

Akzeptables Risiko<br />

Das akzeptable Risiko ist in Abgrenzung zum akzep-<br />

tierten Risiko ein normativer Begriff und beschreibt das<br />

Risiko als Ergebnis eines individuellen oder kollektiven<br />

Urteils über die Akzeptabilität nach definierten ethi-<br />

schen Kriterien. Aus der Perspektive des Kommuni-<br />

kators (Entscheiders) ist das akzeptable Risiko das<br />

Urteil über die Tolerierbarkeit und somit über die Zumutba<br />

rkeit <strong>von</strong> Risiken.<br />

Akzeptiertes Risiko<br />

Eine empirisch ermittelte Beschreibung eines individu-<br />

ell bzw. kollektiv bewerteten Risikos, d.h. das faktisch<br />

akzeptierte Risiko. Ein akzeptiertes Risiko ist hierbei<br />

das Ergebnis einer Risikoakzeptanz, während ein nicht<br />

akzeptiertes Risiko aus einer Risikoaversion resultiert.<br />

Gefahr<br />

Natürliche oder anthropogen induzie rte singuläre,<br />

sequenzielle oder kombinierte Ereignisse, Zustä nde,<br />

Prozesse oder Handlungen, die potenziell einen Scha -<br />

den oder Verlust für die Umwelt bzw. den Me nschen<br />

und seine Güter bewirken können. Hinsichtlich künfti-<br />

ger Schäden besteht hierbei Unsicherheit. Ist die Gefahrenquelle<br />

eine natürliche, so spricht man <strong>von</strong> Naturge-<br />

fahr. Die Kombination <strong>von</strong> Gefahr (Intens ität) und<br />

Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit des Auftretens der<br />

Gefahrenquelle bestimmt die Gefährdung . Das Zusam-<br />

menwirken verschiedener Ge fährdungen bezeichnet<br />

ein Gefährdungsbild. Gefahrenexposition tritt auf, wenn<br />

ein Element einer Gefahr ausgesetzt wird.<br />

Gefährdungsanalyse<br />

Das systematische, nachvollziehbare und formale Verfahren,<br />

die <strong>von</strong> Ereignissen, Zuständen, Prozessen oder<br />

Handlungen ausgehende Bedrohung in einem spezifi-<br />

schen Raum zu ermitteln, dargestellt als Kombination<br />

<strong>von</strong> Gefahr und Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit der<br />

spezifischen Gefahrensituation.<br />

Häufigkeit<br />

Bei der Betrachtung einer empirisch gewonnenen Be o-<br />

bachtungsreihe <strong>von</strong> Ereignissen, Zuständen, Prozessen<br />

oder Handlungen (z.B. Sturmflutscheitelwasserstände)<br />

ist die tatsächliche Anzahl eines bestimmten Falles als<br />

ein empirisch ermittelter Wert (z.B. Scheitelwasser-<br />

stand <strong>von</strong> 3 m ü. NN) die absolute Häufigkeit . Der Quo-<br />

tient aus der Anzahl des betrachteten Falles und der<br />

Gesamtanzahl der Beobachtungen bildet die relative<br />

Häufigkeit .<br />

Glossar<br />

273<br />

Je größer die Anzahl der Beobachtungen ist, desto we -<br />

niger weicht der Wert der relativen Häufigkeit <strong>von</strong> der<br />

statistischen Wahrscheinlichkeit ab. Die Häufigkeit eines<br />

Falles hat in der Risikobetrachtung einen empirischen<br />

Wert.<br />

Maßnahmen<br />

Einzelne oder kombinierte Werkzeuge mit einer für die<br />

Umsetzung der Risikostrategien wichtigen dauernden<br />

oder temporären Wirkung, wie z.B. schadensreduzie-<br />

rende Maßnahmen oder bereitschaftserhöhende und<br />

vorbereitende Maßnahmen.<br />

Präventionsstrategien<br />

Vorsorgestrategien, mit denen den gefährlichen Ereig-<br />

nissen, Zuständen, Prozessen oder Handlungen vor<br />

deren Eintritt begegnet wird. Beim Management <strong>von</strong><br />

Naturrisiken handelt es sich i. d. R. um die Reduzierung<br />

der Gefahr, des Schadenspotenzials und/oder der<br />

Ve rletzlichkeit der Risikoelemente.<br />

Reaktionsstrategien<br />

Nachsorgestrategien zur Schadensminimierung während<br />

und nach dem Eintritt realer Ereignisse, Zustände,<br />

Prozesse oder Handlungen. Hierzu gehören die Ve r-<br />

meidung, Beschränkung und Behebung <strong>von</strong> negativen<br />

Folgen.<br />

Resilienz<br />

Die Eigenschaft eines Systems, nach Auslenkung oder<br />

Störung zu einem stabilen Gleichgewichtszustand<br />

zurückzukehren (auch: Widerstandsfähigkeit).<br />

Restriktionen<br />

Einschränkungen, die die Möglichkeiten eines Risiko-<br />

managements begrenzen. Dieses können juristische<br />

und administrative Limiten sowie solche der Umsetz-<br />

barkeit <strong>von</strong> Maßnahmen sein.<br />

Restrisiko<br />

Das Restrisiko ist das nach Maßnahmen zur Risikore-<br />

duktion und positiver Akzeptanzentscheidung (Risiko-<br />

bereitschaft) verbleibende Risiko. Von der Verwendung<br />

des Begriffes wird abgeraten, da unklar ist, ob es sich<br />

um einen empirischen (das faktisch akzeptierte Risiko)<br />

oder normativen Begriff (nach ethischen Kriterien ak-<br />

zeptables Risiko) handelt. Daher wird die Verwendung<br />

der Begriffe akzeptiertes bzw. akzeptables Risiko empfoh-<br />

len.


274<br />

Risiko<br />

Risiko ist die qualitative oder quantitative Charakteri-<br />

sierung eines möglichen Schadens oder Verlustes als<br />

Konsequenz aus natürlichen oder anthropogen indu-<br />

zierten Interaktionen zwischen Ereignissen, Zuständen,<br />

Prozessen oder Handlungen und potenziell vulne-<br />

rablen Risikoelementen. Hinsichtlich künftiger Schäden<br />

besteht hierbei Unsicherheit. Die Existenz eines Risikos<br />

setzt die nutzenorientierte Entscheidung voraus, sich<br />

einer potenziell schädigenden Situation auszusetzen<br />

und steht somit im Kontext zum soziokulturellen Sys-<br />

tem des Risikoperzipienten. Die technisch-naturwissen-<br />

schaftliche und versicherungswissenschaftliche Defini-<br />

tion sieht das Risiko als Kombination aus Verletzlich-<br />

keit (Vulnerabilität) der Risikoelemente in einem spezi-<br />

fischen Raum und der Gefährdung durch die Gefahrenelemente<br />

(Intensität und Auftretenswahrscheinlich-<br />

keit) als Basis für Entscheidungen bei Unsicherheit. Das<br />

Risiko beschreibt dann eine Schadenswahrscheinlich-<br />

keit.<br />

Risikoabschätzung<br />

Als Teilprozess der Risikoanalyse das Verfa hren, um<br />

mögliche Auswirkungen <strong>von</strong> Ereignissen, Zuständen,<br />

Prozessen oder Handlungen (Vulnerabilität) mit deren<br />

Wahrscheinlichkeit/Häufigkeit (Gefährdung ) quantitativ<br />

zu verknüpfen. Das Resultat der Risikoabschätzung ist<br />

das spezifische Risiko.<br />

Risikoakzeptabilität<br />

Aus der Perspektive des Kommunikators (Entscheiders)<br />

das Urteil über die Tolerie rbarkeit und somit über<br />

die Zumutbarkeit <strong>von</strong> Risiken aufgrund definierter<br />

Kriterien. Die Akzeptabilität beschreibt das akzeptable<br />

Risiko als normativen Begriff (im Gegensatz zum akzep-<br />

tierten Risiko als empirischer Begriff).<br />

Risikoakzeptanz<br />

Risikoakzeptanz ist aus der Perspektive der Betroffe -<br />

nen die individuelle oder kollektive Bereitschaft, das<br />

faktisch erkannte Risiko <strong>von</strong> Ereignissen, Zuständen,<br />

Prozessen oder Handlungen zu tolerieren. So bestimmen<br />

z.B. die Abwägung möglicher Schäden und Nut-<br />

zen sowie emotionale Determinanten, ob die Risikoeva-<br />

luation zu einem positiven Akzeptanz- bzw. negativen<br />

Aversionsentscheid führt. Das Ergebnis der Risikoak-<br />

zeptanz ist das faktisch akzeptierte Risiko als empirischer<br />

Sachve rhalt.<br />

Risikoanalyse<br />

Das systematische, nachvollziehbare und formale Ver-<br />

fahren, in einem abgegrenzten System unter Berücksichtigung<br />

der Ursachen und Auswirkungen einer<br />

Glossar<br />

spezifischen Gefahrensituation einen numerischen oder<br />

qualitativen Wert des Risikogrades hinsichtlich der<br />

Wahrscheinlichke it und der Folgen <strong>von</strong> Ereignissen,<br />

Zuständen, Prozessen oder Handlungen zu ermitteln.<br />

Risikobetrachtung<br />

Die Darstellung und Diskussion der Möglichkeiten und<br />

Erfahrungen sowie die Erläuterung methodischer<br />

Grundlagen zur Analyse, Bewertung und zum Mana -<br />

gement <strong>von</strong> Risken. Vielfach wird hierfür auch der<br />

Begriff des (integrierten) Risikomanagements verwen-<br />

det. Da das Management aber gleichzeitig Teilsegment<br />

in einem integrativen Gesamtkonzept ist, erscheint der<br />

neutrale Begriff der Risikobetrachtung besser geeignet.<br />

Risikobewertung<br />

Eine individuelle und/oder kolle ktive Beurteilung eines<br />

Risikos unter Informationsaufnahme und dem Einfluss<br />

<strong>von</strong> persönlichen, sozialen und kulturellen Faktoren.<br />

Der Entscheidungsprozess gliedert sich in eine Wahr-<br />

nehmungsphase (Perzeption), in der Risiken identifiziert,<br />

analysiert und formuliert werden und eine Eva-<br />

luationsphase, in der Alternativen entworfen und be -<br />

wertet sowie Handlungen entschieden werden. Das<br />

Resultat der Risikobewertung ist ein numerischer oder<br />

qualitativer Risik ograd des (nicht) akzeptierten Risikos.<br />

Risikoeinschätzung<br />

Oberbegriff für das Verfahren der Abschä tzung des<br />

spezifischen Risikos im Rahmen der Risikoanalyse und/<br />

oder der Evaluation des akzeptierten/akzeptablen Risikos<br />

im Prozess der Risikobewertung .<br />

Risikoelemente<br />

Vulnerable Objekte, die durch Ereignisse, Zustände,<br />

Prozesse oder Handlungen in einem gefährdeten Sys -<br />

tem e ine Schädigung erleiden können.<br />

Risikoevaluation<br />

Der abwägende Bewertungsprozess eines perzipierten<br />

Risikos. Alternativen zur perzipierten Situation und<br />

ihre Konsequenzen werden entwickelt und evaluiert<br />

sowie Handlungsentscheidungen getroffen. Einfluss-<br />

faktoren sind die Aufnahme - und Verarbeitungskapa-<br />

zität des Perzipienten sowie persönliche, situative, sozi-<br />

ale und kulturelle Rahmenbedingungen<br />

Risikograd<br />

Ausmaß eines Risikos, evaluierbar über die Risikoana-<br />

lyse und/oder die Risikobewertung .


Risikokommunikation<br />

Alle direkten und indirekten Kommunikationspro-<br />

zesse, die der Vermittlung und dem Austausch <strong>von</strong><br />

Informationen und Meinungen zwischen Individuen,<br />

Kollektiven und Institutionen über die Beschaffenheit<br />

und Bewertung <strong>von</strong> sowie den Umgang mit Risiken für<br />

Mensch und Umwelt dienen.<br />

Risikomanagement<br />

Der systematische Einsatz <strong>von</strong> Methoden zur Gesta ltung,<br />

Entwicklung und Steuerung <strong>von</strong> Systemen zur<br />

Risikovermeidung, -reduktion und -verteilung unter<br />

Beteiligung der potenziell betroffenen Akteure. Es<br />

umfasst somit die Artikulation <strong>von</strong> Zielvorstellungen<br />

und die Konstruktion <strong>von</strong> Strategien, die zu einer Ent-<br />

scheidung über den Handlungsbedarf, zu Maßnahmen<br />

und zu deren Implementierung und Monitoring füh-<br />

ren. In der Naturgefahrenforschung wird vielfach der<br />

Be griff Katastrophenmanagement synonym mit dem Ter-<br />

minus des Risikomanagements verwendet.<br />

Risikomanagement Strategien<br />

Die beabsichtigte und in die Zukunft weisende metho-<br />

dologische Planung, um die Visionen und Ziele des<br />

Risikomanagements zu erreichen. Strategien sind hier-<br />

bei ein Muster e ines über eine Zeit hinweg beständigen<br />

Verhaltens , auf dessen Basis Maßnahmen zur Zieler-<br />

füllung erarbeitet werden können. In der Regel werden<br />

beim Management <strong>von</strong> Naturrisiken präventive und<br />

reaktive Strategien unterschieden.<br />

Risikoperzeption<br />

Der sinnliche oder rationale, individuelle oder kollek-<br />

tive Wahrnehmungsprozess eines Risikos und dessen<br />

Identifizierung, Analysierung und Formulierung. Ein-<br />

flussfaktoren sind die Aufnahme - und Verarbeitungs -<br />

kapazität des Perzipienten sowie situative, soziale und<br />

kulturelle Rahmenbedingungen. Das perzipierte Risiko<br />

ist die Basis für eine Risikoevaluation, wobei die Pro-<br />

zesse der Perzeption und Evaluation keine scharfe<br />

Trennung aufwe isen.<br />

Risikoreduzierung<br />

Basisstrategie im Risikomanagement zum Abbau <strong>von</strong><br />

Sicherheitsdefiziten.<br />

Schaden<br />

In Abgrenzung zur prognostizierten Schadenserwartung<br />

(Vulnerabilität) die ta tsächliche negative Konsequenz<br />

der Schädigung der Risikoelemente bei Eintritt der spezi-<br />

fischen Gefahrens ituation in einem spezifischen Raum.<br />

Um einen Schaden als solchen erkennen zu können,<br />

bedarf es immer eines bewerte nden Subjekts.<br />

Glossar<br />

275<br />

Der Schadensbegriff ist daher anthropozentrisch ange -<br />

legt. Der Grad des Verlustes lässt sich als absoluter<br />

Wert z.B. monetär oder als relativer Wert auf einer<br />

Skala <strong>von</strong> 0 (kein Schaden) bis 1 (Totalschaden) aus-<br />

drücken.<br />

Schadensanalyse<br />

Das systematische, nachvollzie hbare und formale Ver-<br />

fahren, um die <strong>von</strong> Ereignissen, Zuständen, Prozessen<br />

oder Handlungen tatsächlich resultierende Schädigung<br />

an den Risikoelementen in einem spezifischen Raum zu<br />

ermitteln. Schadensanalysen liefern empirische Infor-<br />

mationen für die prognostische Vulnerabilitätsanalyse.<br />

Schadenspotenzial<br />

Der quantitative oder qualitative Wert der Gesamtheit<br />

aller vulnerablen Risikoelemente in einem gefährdeten<br />

Raum, die durch ein spezifisches Ereignis einen Scha-<br />

den erleiden können.<br />

Schadenspotenzialermittlung<br />

Als Teilprozess der Vulnerabilitätsanalyse das systemati-<br />

sche, nachvollziehbare und formale Verfahren, das<br />

Schadenspotenzial der Risikoelemente, die <strong>von</strong> spezifi-<br />

schen Ereignissen, Zuständen, Prozessen oder Hand-<br />

lungen in einem spezifischen Raum potenziell bedroht<br />

sind, quantitativ und/oder qualitativ zu ermitteln.<br />

Schadensschätzung<br />

Als Teilprozess der Vulnerabilitätsanalyse das syste -<br />

matische, nachvollziehbare und formale Verfahren, auf<br />

der Basis des Schadenspotenzials und unter Berücksich-<br />

tigung der Rahmenbedingungen <strong>von</strong> spezifischen<br />

Ereignissen, Zuständen, Prozessen oder Handlungen<br />

die Schadenserwartung an den Risikoelementen in einem<br />

spezifischen Raum quantitativ und/oder qualitativ zu<br />

ermitteln.<br />

Spezifisches Risiko<br />

Die mittels der Risikoana lyse errechnete Wahrschein-<br />

lichkeit eines Schadens durch ein spezifisches Ereignis<br />

in einem spezifischen Raum, dargestellt als Produkt<br />

aus Gefährdung und Vulnerabilität.<br />

Vulnerabilität<br />

Die zu erwartende Schädigung an den Risikoelementen<br />

in einem spezifischen Raum als mögliche Konsequenz<br />

bei Eintritt der spezifischen Gefa hrensituation unter<br />

Berücksichtigung der Widerstandsfähigkeit des Sys -<br />

tems. Der Grad der Schadenserwartung lässt sich als<br />

absoluter Wert z.B. monetär oder als relativer Wert auf<br />

einer Skala <strong>von</strong> 0 (kein Schaden) bis 1 (Totalschaden)<br />

ausdrücken.


276<br />

Vulnerabilitätsanalyse<br />

Das systematische, nachvollziehbare und formale Ver-<br />

fahren, die <strong>von</strong> spezifischen Ereignissen, Zuständen,<br />

Prozessen oder Handlungen bedrohten Werte und zu<br />

erwartenden Schädigungen der Risikoelemente in einem<br />

spezifischen Raum abzuschätzen.<br />

Wahrscheinlichkeit<br />

Bei der Betrachtung einer Beobachtungsreihe <strong>von</strong> Er-<br />

eignissen, Zuständen, Prozessen oder Handlungen<br />

(z.B. Sturmflutscheitelwasserstände) der probabilistisch<br />

ermittelte Wert des Quotienten aus der möglichen<br />

Anzahl des betrachteten Falles und der möglichen<br />

Gesamtanzahl der Fälle (statistische Wahrscheinlich-<br />

keit). Subjektiv gesehen ist die Wahrscheinlichkeit der<br />

Grad der Erwartung oder des Vertrauens in eine Aussage,<br />

dass ein mögliches Ereignis eintritt. Die Wahr-<br />

scheinlichkeit eines Fa lles hat in der Risikobetrachtung<br />

einen prognostischen Wert.<br />

Wert<br />

Die Bedeutung, die einem Risikoelement u. a. für die<br />

Bedürfnisbefriedigung beigemessen wird, kann als<br />

Maß für die quantitative und/oder qualitative Erfas-<br />

sung <strong>von</strong> Schadenspotenzialen (positives Wertemaß) und<br />

Schäden (im Sinne eines Wertverlustes) verwendet<br />

werden.<br />

Widerstandsfähigkeit<br />

Die Möglichkeit eines Systems, Individuums oder einer<br />

Gesellschaft mit den negativen Folgen <strong>von</strong> Ereignissen,<br />

Zuständen, Prozessen oder Handlungen fertig zu we r-<br />

den und diese zu kompensieren. Die Widerstandsfä-<br />

higkeit hängt unmittelbar mit dem Maß des Bewälti-<br />

gungspotenzials <strong>von</strong> extremen Situationen zusammen,<br />

d.h. der Art und Weise, wie die Betroffenen der Situation<br />

begegnen und welches Potenzial an Selbstorgani-<br />

sation und Anpassungsfähigkeit sowie Wiederaufbau<br />

und Lernfähigkeit vorhanden ist und genutzt wird.<br />

Zielsystem<br />

Ergebnis der Diskussion, Abstimmung und Artikulation<br />

der gewünschten Ziele in einem Zielsetzungspro-<br />

zess unter Beachtung bestehender Restriktionen. Hie r-<br />

bei sind verschiedene hierarchisch angeordnete Zie l-<br />

ebenen zu definieren (Leitziele, strategische und ope -<br />

rationelle Ziele).<br />

Glossar


ANHANG<br />

Anhang<br />

Anhang A: Inhalt eines Sicherheitsplanes<br />

(Quelle: HOLLENSTEIN, 1997: 161ff)<br />

Die im Folgenden dargestellte Struktur eines Sicherheitsplanes orientiert sich an der Katastro-<br />

phenplanung, betrifft aber auch das präventive Risikomanagement.<br />

Sie entspricht den Anforderungen einer regionalen Planung.<br />

(1) Absichtserklärung<br />

Hiermit bekunden die verantwortlichen Stellen, dass sie das Dokument vorbehaltlos unterstützen. Eine solche Erklärung<br />

trägt viel zur Akzeptanz eines Sicherheitsplanes bei.<br />

(2) Gesetzliche Grundlagen, Inkraftsetzungsbedingungen<br />

Teilweise sind die Maßnahmen nicht durch normales Recht abgedeckt. Wenn sich der Plan auf Ausnahmeklauseln<br />

stützt, sind diese Grundlagen zu erwähnen, um Unklarheiten bei der Umsetzung zu vermeiden. Für jene Teile des<br />

Plans, welche nur im Katastrophenfall gültig sind, müssen die Bedingungen definiert sein, unter denen sie wirksam<br />

werden (z.B. bei Ausrufung des Notstandes).<br />

(3) Zielsetzung des Sicherheitsplanes<br />

Oberziele, strategische Ziele und Prioritäten für den Normal- und den Ereignisfall sind im Plan darzustellen.<br />

(4) Stellung des Planes in der Behördenorganisation<br />

Naturkatastrophen erfordern vertikale und horizontale Kommunikation. Im Plan sind die dafür maßgebenden Informationskanäle<br />

und Abläufe zu definieren. Damit können auch persönliche Kontakte geschaffen werden, was<br />

unkomplizierte und schnelle Lösungen ermöglicht und das Vertrauen zwischen Instanzen verbessert.<br />

(5) Beteiligte Institutionen<br />

Damit kann dargestellt werden, in welchem organisatorischen rahmen das Risikomanagement umgesetzt wird.<br />

Die Kenntnis dieser Struktur ist nützlich, um im Katastrophenfall effizient zu reagieren.<br />

(6) Gefährdungsbilder und Katastrophenszenarien<br />

Im Gegensatz zur Risikoanalyse ist die Wahrscheinlichkeit hier irrelevant, da die Szenarien der Planung vorbe -<br />

haltener und der Ausscheidung <strong>von</strong> Raumeinheiten für Maßnahmen dienen. Damit können Probleme (z.B. Personalengpässe)<br />

und mögliche Vorkehrungen erkannt und reaktive Strategien geprüft werden.<br />

(7) Risikomanagementstrategien<br />

Die Darstellung der Stra tegien ist wichtig, um Diskrepanzen zwischen kurzfristiger Reaktion im Katastrophenfall<br />

und langfristiger Zielsetzung rasch zu erkennen (wenn z.B. Notunterkünfte in Gefahrenbereichen errichtet werden).<br />

(8) Maßnahmen im Normalzustand<br />

Auch diese Informationen dienen der Koordination mit der Katastrophenplanung. Sofortmaßnahmen im Ereignisfall<br />

können damit eventuell in ein Langzeitkonzept integriert werden.<br />

Folgende Punkte (9 bis 23) betreffen den Katastrophenfall.<br />

Zusammen mit dem organisatorischen Teil (1 bis 6) bilden sie die Notstandsplanung.<br />

(9) Warndispositive<br />

Die Beschreibung (Aufbau und Funktionsweise), die auszulösenden Aktivitäten und vorbereitete Raster für<br />

Alarmmeldungen dienen der optimalen Nutzung der verfügbaren Vorbereitungszeit.<br />

(10) Vorbereitungen auf Einwirkungen<br />

Aufgrund <strong>von</strong> vorbehaltenen Entschlüssen können je nach Ereignis Ressourcen bereitgestellt werden, um Schäden<br />

zu verhindern. Dazu ist Personal zu avisieren und Ausrüstung in Betrieb zu nehmen. Allenfalls sind auch Reserven<br />

zu aktivieren. I m Plan sind das Ausmaß und die Lagerungsorte der Ressourcen zu definieren.<br />

277


278<br />

Anhang<br />

(11) Evakuationspläne und -routen für den Katastrophenfall<br />

Für die verschiedenen Szenarien sind Evakuationsrouten festzulegen, die in kontinuierlich weniger gefährdete<br />

Gebiete führen. Die Kapazität, absehbare Probleme (Engpässe, Unsicherheiten) und kritische Zonen (Schulen,<br />

Krankenhäuser etc.) sind darzustellen. Zur Evakuationsplanung gehört zudem die Organisation und Versorgung<br />

der Evakuierten im geschützten Gebiet (Registrierung, Information) und bei längerer Dauer die Organisation des<br />

Plünderungsschutzes im evakuierten Gebiet.<br />

(12) Unterbringung <strong>von</strong> Evakuierten<br />

Je nach Gefährdungsbildern liegen Unterkünfte eventuell außerhalb des Planungsgebietes. Für die verschiedenen<br />

Einrichtungen sind die Betreuung und die Kommunikation zu regeln. Spezielle Anforderungen an Unterkünfte<br />

bestehen bei der Evakuierung <strong>von</strong> Altersheimen, Krankenhäusern und Gefängnissen.<br />

(13) Katastrophen-Leitstellenorganisation<br />

Leitstellen koordinieren die Intervention. Für sie müssen je nach Schadenbild eine geeignete Infrastruktur und die<br />

notwendigen personellen und organisatorischen Ressourcen bereitgestellt werden. Leitstellen sollen außerhalb der<br />

gefährdeten Zone angesiedelt werden und wenn möglich, bestehende und entsprechend ausgerüstete Installationen<br />

nutzen (Zivilschutzeinrichtungen). Vor Ort sind Kommandoposten einzurichten, die zwar kein Gesamtüberblick<br />

haben wie die Leistelle, dafür rasch und flexibel auf detailliert erkennbare Probleme reagieren können. Sie<br />

informieren die Leitstelle und erhalten <strong>von</strong> dort Anweisungen und Ressourcen zugewiesen. Minimal bestehen sie<br />

aus zwei Personen. Eine übernimmt die technische Leitung des Einsatzes, die andere stellt die Verbindung zur<br />

Leitstelle sicher.<br />

(14) Kommunikationseinrichtungen<br />

Für alle Szenarien ist darzustellen, wie die Kommunikation zwischen Leitstelle und Kommandoposten sicherge -<br />

stellt wird, wenn die bestehende Infrastruktur gestört ist.<br />

(15) Informationsbeschaffung: Mittel und Wege<br />

Für verschiedene Szenarien sind jeweils andere Informationen relevant. Der Plan definiert, welche Informationen<br />

zu beschaffen sind und wie sie übermittelt werden (Häufigkeit, Art der Verbindung), damit ein kontinuierlicher<br />

Überblick über die Schadenlage gewährleistet ist und unnütze Angaben ausgefilte rt werden.<br />

(16) Informationsverbreitung: Organisation und Verantwortlichkeiten<br />

Die Regelung der Information nach außen hilft, beim Zielpublikum Verwirrungen durch widersprüchliche und<br />

unkoordinierte Angaben zu verhindern.<br />

(17) Such- und Rettungsorganisation<br />

Neben der Einbindung der normalen Dienste in die Katastrophenorganisation sind auch Personen und Institutionen<br />

für Sonderaufgaben (Hundeführer, Taucher, Bergsteiger etc.) im Plan aufzuführen, um eine schnelle Mobilisierung<br />

sicherzustellen.<br />

(18) Medizinische Versorgung<br />

Der Plan zeigt die Organisation der medizinischen Erstversorgung (Behandlungsstellen, Transporte) und regelt<br />

die Vorkehrungen für extreme Katastrophen (z.B. Umgang mit toten Menschen und Tieren).<br />

(19) Schutz gegen anhaltende und sekundäre Gefährdungen<br />

Notstandsmaßnahmen führen zu neuen, im Voraus nicht absehbaren Gefährdungen (exponiertes Personal, veränderte<br />

Einsatzbedingungen). Zur Klärung der Schadenlage und möglicher Folgegefährdungen sind entsprechende<br />

Mittel vorzusehen (z.B. Aufbietung <strong>von</strong> Statikern für die Untersuchung einsturzgefährdeter Gebäude).<br />

(20) Wiederherstellung der Infrastrukturdienste<br />

Prioritäten für die Wiederinstandsetzung dienen dazu, freie Mittel (z.B. Baumaschinen) sofort gezielt einzusetzen.<br />

Besonders wichtig sind Einrichtungen, die zum Schutz gegen weitere Schäden (z.B. Zufuhr <strong>von</strong> Material für die<br />

Sicherung <strong>von</strong> Bauwerken, Dämmen u. ä.).<br />

(21) Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung<br />

Mit Plünderungen ist bei Katastrophen erst nach einigen Tagen zu rechnen. Bereits vorher müssen Maßnahmen<br />

ge gen Schaulustige (z.B. Absperrungen, Berechtigungsnachweise, Kontrollpunkte) wirksam werden.<br />

(22) Weiterführendes Monitoring<br />

Vor allem die Überwachung immaterieller Aspekte (z.B. psychologische Verfassung der Betroffenen) ist zu regeln,<br />

da sonst Mängel in diesem Bereich lange unbemerkt bleiben, was zu erheblichen Folgeschäden führen kann.


Anhang<br />

(23) Vereinbarungen mit externen Körperschaften und Institutionen<br />

Im Plan ist darzustellen, auf welche externen Ressourcen zugegriffen werden kann, wenn die eigenen Interventionsmittel<br />

nicht ausreichen und wie die Hilfeleitungen organisatorisch geregelt sind (z.B. Art, Ausmaß, Verrechnung).<br />

(24) Anpassung und Revision des Planes<br />

Dieser Punkt regelt die Verantwortlichkeit und die Bedingungen (Häufigkeit, Umfang) für die Aktualisierung des<br />

Planwerkes. Er stellt sicher, dass die Planung jederzeit einsatzbereit ist.<br />

(25) Verteiler<br />

Der Verteiler definiert, welche Stellen mit welchen Teilen des Sicherheitsplanes bedient werden, damit die Empfänger<br />

alle für sie minimal nötigen Informationen erhalten (z.B. Datenschutz, Handhabung).<br />

Anhang I: Notfalldaten<br />

Er enthält die Namen, Adressen, Telefon-, Faxnummern aller relevanten Personen und Institutionen. Er soll unabhängig<br />

vom Rest des Planes verteil- und benutzbar sein.<br />

Anhang II: Ergebnisse des Plantests<br />

Aufgabenstellung, Ergebnisse und Evaluation <strong>von</strong> Plantests werden außerhalb des Plans abgelegt. Die Schlussfolgerungen<br />

müssen dagegen direkt als Anpassungen in den Plan eingebracht werden.<br />

279


280<br />

Anhang<br />

Anhang B: Organisation der Landesbehörden in Schleswig-Holstein<br />

(Quelle: LANDESREGIERUNG SCHLESWIG-HOLSTEIN, 2003)<br />

Die Markierungen zeigen exemplarisch die Behörden, die das Risikomanagement im Küsteraum<br />

tangieren. Darüber hinaus können bei speziellen Fragestellungen zusätzliche Institutionen den<br />

Managementprozess berühren (z.B. bei juristischen Belangen).


Anhang<br />

Anhang C: Ausgesuchte Quellen zur Hochwasservorsorge und zum Hochwasserschutz<br />

(Quelle: nach GEWÄSSERDIREKTION DONAU/BODENSEE, 2003)<br />

Literatur zur Hochwasservorsorge und zum Hochwasserschutz<br />

Quelle Abkürzung Internet Titel Datum<br />

Basellandschaftliche Gebäudeversicherung BGV,CH www.bgv.bl.ch Info und Tipps für Elementarschadensverhütung -<br />

Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft - www.bayern.de/lfw/hnd/ratschlag.htm Ratschläge zur Vorsorge -<br />

Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft BayLfW www.bayern.de/lfw/ Veröffentlichungen, Übersicht<br />

Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft BayLfW www.bayern.de/lfw/ Spektrum Wasser 1 1998<br />

Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft BayLfW www.bayern.de/lfw/<br />

Bayerisches Staatsministerium für<br />

Landentwicklung und Umweltfragen<br />

Bayerisches Staatsministerium für<br />

Landentwicklung und Umweltfragen<br />

Bayerisches Staatsministerium für<br />

Landentwicklung und Umweltfragen; Institut<br />

für Wasserwesen, UNI der Bundeswehr<br />

München<br />

Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft,<br />

Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK) e.V.<br />

Bund für Umwelt und Naturschutz<br />

Deutschland e.V.<br />

Extreme Naturereignisse und Wasserwirtschaft -<br />

Niederschlag und Abfluss - Internationales<br />

Symposium<br />

Bay StMLU www.umweltministerium.bayern.de/ Hochwasserschutz bayerischer Städte 1998<br />

Bay StMLU www.umweltministerium.bayern.de/<br />

Bay StMLU www.umweltministerium.bayern.de/<br />

Hochwasserschutz in Bayern - Pressemitteilungen,<br />

Infos<br />

Extreme Naturereignisse und Wasserwirtschaft -<br />

Niederschlag und Abfluss - Internationales<br />

Symposium, Tagungsheft<br />

BWK www.bwk-bund.de Hochwasserschadenspotenziale 2001<br />

BUND www.bund.net Ökologischer Hochwasserschutz 2002<br />

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR www.bbr.bund.de Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz 1998<br />

Bundesamt für Wasser und Geologie, CH BWG, CH www.bwg.admin.ch<br />

Naturgefahren, Berücksichtigung der<br />

Hochwassergefahren bei raumwirksamen Tätigkeiten<br />

Bundesamt für Wasser und Geologie, CH BWG, CH www.bwg.admin.ch Hochwasserschutz an Fließgewässern 2001<br />

Bundesamt für Wasser und Geologie, CH BWG, CH www.bwg.admin.ch Hochwasserschutz im Fluss 2002<br />

Bundesministerium für Land- und<br />

Forstwirtschaft, (Umwelt und<br />

Wasserwirtschaft), Österreich<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und<br />

Wohnungswesen<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und<br />

Wohnungswesen<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und<br />

Wohnungswesen - Kompetenzzentrum<br />

Hochwasserschäden an Gebäuden<br />

Bürgerinitiative Hochwasser, Altgemeinde<br />

Rodenkirchen e. V.<br />

Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und<br />

Kulturbau<br />

Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge<br />

e.V.<br />

BMLF(UW),<br />

A<br />

BMVBW<br />

Stand<br />

2000<br />

www.lebensministerium.at Die Kraft des Wassers 1998<br />

www.bmvbw.de/Hochwasser-<br />

.885.12291/Hochwasserfibel.htm<br />

BMVBW www.bmvbw.de<br />

BMVBW<br />

www.kompetenzzentrumhochwasserschaedenangebaeuden.de<br />

1999<br />

-<br />

1999<br />

1997<br />

Hochwasserschutzfibel 2002<br />

Handlungsempfehlungen der Ministerkonferenz für<br />

Raumordnung zum vorbeugenden Hochwasserschutz 2000<br />

Fachinformationen, Adressen 2002<br />

- www.hochwasser.de Info, Tipps -<br />

DVWK www.dvwk.de<br />

DKKV www.dkkv.org/wir/isdr.asp<br />

DVWK-Schriften, Heft 122 - Zukunftsfähige<br />

Schutzstrategien der Wasserwirtschaft<br />

Journalisten-Handbuch zum<br />

Katastrophenmanagement<br />

Feuerwehr Lindau - www.feuerwehr-lindau.de Merkblatt Hochwasserschutz 2002<br />

Forschungs- und Technologiezentrum<br />

Westküste der Uni Kiel - AG<br />

Küstengeographie<br />

FTZ<br />

http://www.unikiel.de/Geographie/Sterr/index2.htm?pages/proj<br />

ekte.htm<br />

Mikroskalige Evaluation der Risiken in<br />

Überflutungsgefährdeten Küstenräumen<br />

Gebäudeversicherung Baden-Württemberg - www.sv-gebaeudeversicherung.de Hochwasser- und Überschwemmungsschutz 1997<br />

1998<br />

2000<br />

2003<br />

281


282<br />

Anhang<br />

Quelle Abkürzung Internet Titel Datum<br />

Gebäudeversicherungsanstalt des Kanton St.<br />

Gallen<br />

GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ www.gfz-potsdam.de<br />

Gewässerdirektion Donau/Bodensee, Bereich<br />

Ulm<br />

Hessisches Ministerium für Umwelt,<br />

Landwirtschaft und Forsten<br />

GVA, CH www.gvasg.ch Richtlinie Objektschutz gegen Naturgefahren 1999<br />

GWD DB,UL -<br />

MULF,<br />

Hessen<br />

Naturkatastrophen und ihre Bewältigung - Bericht<br />

IDNDR<br />

Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge,<br />

Hinweise<br />

www.mulf.hessen.de/umwelt/wasser_boden/ Neue Wege im Hochwasserschutz 1999<br />

Hochwassernotgemeinschaft Rhein e.V. - www.pegel.de - -<br />

Hydrogeologie GmbH, Nordhausen;<br />

Regierungspräsidium Darmstadt<br />

Integrierende Konzeption Neckar-<br />

Einzugsgebiet<br />

Integrierende Konzeption Neckar-<br />

Einzugsgebiet<br />

Internationale Kommission zum Schutz der<br />

Elbe<br />

Internationale Kommission zum Schutz des<br />

Rheins<br />

Internationale Kommission zum Schutz des<br />

Rheins<br />

Internationale Kommission zum Schutz des<br />

Rheins<br />

Internationale Kommission zum Schutz des<br />

Rheins<br />

Internationale Kommission zum Schutz des<br />

Rheins<br />

Internationale Kommission zum Schutz des<br />

Rheins<br />

Internationale Kommission zum Schutze der<br />

Mosel und der Saar<br />

Internationale Kommission zum Schutze der<br />

Mosel und der Saar<br />

Komitee für die Internationale Dekade für<br />

Katastrophenvorbeugung<br />

Kuratorium für Forschung im<br />

Küsteningenieurwesen<br />

HGN www.hgn-online.de Retentionskataster Hessen 1999<br />

IKoNE www.ikone-online.de Vorbereitung auf Hochwasserereignisse, Heft 1 1999<br />

IKoNE www.ikone-online.de Dokumentation <strong>von</strong> Hochwasserständen, Heft 3 2001<br />

IKSE www.ikse.de<br />

Strategie zum Hochwasserschutz im Einzugsgebiet<br />

der Elbe<br />

IKSR http://www.iksr.de/iksr/11age.htm Aktionsplan Hochwasser 1998<br />

IKSR http://www.iksr.de/iksr/13ge.htm Veröffentlichungen, Übersicht (Nr. 94, 98, 112, 113) -<br />

IKSR www.iksr.de<br />

Grundlagen und Strategie zum Aktionsplan<br />

Hochwasser<br />

IKSR www.iksr.de Hochwasserschutz am Rhein, Bestandsaufnahme 1997<br />

IKSR www.iksr.de Umsetzung des Aktionsplans Hochwasser bis 2000 2001<br />

IKSR www.iksr.de<br />

IKSMS www.iksms.de<br />

IKSMS www.iksms.de/hochw/inhalt.htm<br />

IDNDR www.dkkv.org<br />

Hochwasservorsorge, Maßnahmen und ihre<br />

Wirksamkeit<br />

Aktionsplan Hochwasser im Einzugsgebiet <strong>von</strong> Mosel<br />

und Saar (Faltblatt)<br />

Aktionsplan Hochwasser im Einzugsgebiet <strong>von</strong> Mosel<br />

und Saar (Broschüre)<br />

Die Herausforderung der IDNDR an die Deutsche<br />

Wirtschaft - Konzept für ein Forschungsprogramm<br />

KFKI http://kfki.baw.de/ EAK 1993 - Empfehlungen für Küstenschutzwerke 1993<br />

Länderarbeitsgemeinschaft Wasser LAWA www.lawa.de Hochwassergefahr (Faltblatt)<br />

Länderarbeitsgemeinschaft Wasser LAWA www.lawa.de<br />

Länderarbeitsgemeinschaft Wasser LAWA www.lawa.de<br />

Länderarbeitsgemeinschaft Wasser LAWA www.lawa.de<br />

Handlungsempfehlungen zur Erstellung <strong>von</strong><br />

Hochwasser-Aktionsplänen<br />

Wirksamkeit <strong>von</strong> Hochwasservorsorge- und<br />

Hochwasserschutzmaßnahmen<br />

Leitlinien für einen zukunftsweisenden<br />

Hochwasserschutz<br />

Länderarbeitsgemeinschaft Wasser LAWA www.lawa.de Jahresbericht 1998 1998<br />

Länderarbeitsgemeinschaft Wasser LAWA www.lawa.de Nationale Gewässerschutzkonzeption 1996<br />

Landesamt für Umweltschutz<br />

LfU Sa-<br />

Anhalt<br />

www.mu.sachsen-Anhalt.de/lau/abteilungen/<br />

Berichte, z.B. Heft 15/1994 Frühjahrshochwasser<br />

1994<br />

1999<br />

2002<br />

1998<br />

1995<br />

2002<br />

1999<br />

1999<br />

1991<br />

1996/20<br />

01<br />

2000<br />

2000<br />

1995<br />

-


Anhang<br />

Quelle Abkürzung Internet Titel Datum<br />

Ministerium für Raumordnung, Landwirtschaft<br />

und Umwelt, Sachsen-Anhalt<br />

Ministerium für Umwelt (Energie und Verkehr)<br />

Saarland<br />

Ministerium für Umwelt und Forsten<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Ministerium für Umwelt und Forsten<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Ministerium für Umwelt und Naturschutz,<br />

Landwirtschaft und Verbraucherschutz, NRW<br />

Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-<br />

Württemberg<br />

Ministerium für Umwelt, Raumordnung und<br />

Landwirtschaft, NRW<br />

Ministerium für Umwelt, Raumordnung und<br />

Landwirtschaft, NRW<br />

Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft<br />

Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft<br />

MRLU,<br />

Sachs-Anhalt<br />

www.mrlu.sachsen-anhalt.de/wasserwirtschaft/ Hochwasserschutz, Info -<br />

- www.umwelt.saarland.de<br />

Saarländischer Aktionsplan Hochwasserschutz -<br />

Hochwasserschutz durch Vorsorge<br />

MUF RLP www.muf.rlp.de Hochwasserhandbuch 1998<br />

MUF RLP www.hochwasser-rlp.de Hochwassermeldungen in RLP -<br />

- www.munlv.nrw.de Hochwasserschutzkonzept -<br />

UVM BW www.uvm.bwl.de<br />

Aufgaben der Gewässerdirektionen mit Bereichen bei<br />

Hochwasser<br />

MURL NRW www.murl.nrw.de Potentielle Hochwasserschäden am Rhein in NRW 2000<br />

MURL NRW www.murl.nrw.de Hochwasserschutzfibel 1999<br />

Münchener<br />

Rück<br />

Münchener<br />

Rück<br />

www.munichre.com/index_d.html Überschwemmung und Versicherung 1997<br />

www.munichre.com/index_d.html TOPICS 2000, Naturkatastrophen 2000<br />

Nationale Plattform Naturgefahren PLANAT www.planat.ch Von der Gefahrenabwehr zur Risikokultur usw. -<br />

Niederösterreichischer Zivilschutzverband NÖZSV<br />

Schweizbart'sche Verlagbuchhandlung, Erich<br />

Plate und Bruno Merz<br />

Staatsministerium für Umwelt und<br />

Landesentwicklung Sachsen<br />

Stadt Dresden, Amt für Umweltschutz -<br />

www.noezsv.at/wastun/hochwasser/hochwasser<br />

.htm<br />

- www.schweizerbart.de<br />

SMUL,<br />

Sachsen<br />

Selbstschutz-Ratgeber, Infos -<br />

Naturkatastrophen - Ursachen Auswirkungen<br />

Vorsorge<br />

www.smul.sachsen.de Leitfaden für die Hochwasserabwehr 1998<br />

www.dresden.de/rootger/aktuell/2000/6/1423.ht<br />

ml<br />

-<br />

2002<br />

Info, Tipps zu Hochwasser 2000<br />

Stadt Heidelberg, Tiefbauamt - www.heidelberg.de/stadtinf/hochwasserinfo.htm Hochwasser, Infos für Bürgerinnen und Bürger -<br />

Stein-Verlag Baden-Baden GmbH - www.stein-verlag.de Mit dem Hochwasser leben 2000<br />

Umweltbundesamt Berlin UBA<br />

www.umweltbundesamt.de/rup/hochwasserworkshop/praesentation/welcome.html<br />

Umweltbundesamt Berlin UBA www.umweltbundesamt.de<br />

United Nations; Bundesministerium für<br />

Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,<br />

Deutschland<br />

United Nations; Bundesministerium für<br />

Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,<br />

Deutschland<br />

Workshop Vorbeugender Hochwasserschutz auf<br />

kommunaler Ebene 13. Und 14. Dez. 2000 - Vorträge 2000<br />

Anforderungen des vorbeugenden<br />

Hochwasserschutzes an Raumordnung, Landes- und<br />

Regionalplanung, Stadtplanung und die<br />

Umweltfachplanungen<br />

UN, BMU, D www.bmu.de Leitlinien für nachhaltige Hochwasservorsorge 1999<br />

UN, BMU, D www.bmu.de<br />

Nachhaltige Hochwasservorsorge - Tagungsband des<br />

UN/ECE Seminars am 7./8.10.1999<br />

Vereinigung Deutscher Gewässerschutz e.V. VDG www.vdg-online.de Hochwasser - Naturereignis oder Menschenwerk? 2003<br />

Verlag Versicherungswirtschaft - www.vvw.de Überschwemmung in Deutschland, Heft 17/2001 2001<br />

Wasser und Abfall - www.blackwell.de/wabo.htm Jahrhunderthochwasser vergangener Jahre 2001<br />

Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg WWA AB www.bayern.de/wwa-ab<br />

Lebensqualität durch Hochwasserschutz - Alt-Wörth -<br />

Stadtteil mit Zukunft<br />

-<br />

1999<br />

1999<br />

2001<br />

283


284<br />

Anhang<br />

Anhang D: Checklisten für den Umgang mit Überschwemmungen<br />

(Quelle: nach BWG, 2002a; MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT, 1997)<br />

Checkliste zur Überschwemmungsvorsorge für<br />

Gewerbe- und Industriebetriebe<br />

Die nachstehende Liste führt eine Reihe <strong>von</strong> Vorbere i-<br />

tungsmaßnahmen auf, die in einer Checkliste enthalten<br />

sein sollten, nach der die Schade nverhütungs- oder -<br />

minimierungsmaßnahmen in Gewerbe und Industrie<br />

ablaufen müssen. Die jeweils erforderliche Zeit muss<br />

im frühzeitig im Rahmen einer Übung bestimmt we r-<br />

den, so dass dann im Ernstfall die entsprechenden<br />

Maßnahmen zur richtigen Zeit ergriffen werden kön-<br />

nen.<br />

• Laufende Prozesse sicher abschalten, entflammbare<br />

oder brennbare Flüssigkeiten aus offenen Tanks<br />

entfernen.<br />

• Strom am Hauptschalter abstellen, wenn Kurz-<br />

schlüsse im Gelände möglich sind.<br />

• Alle Leitungen für entflammbare und brennbare<br />

Flüssigkeiten und Gase abdrehen, um den Austritt<br />

größerer Flüssigkeits- und Gasmengen aus eventu-<br />

ell beschädigten Leitungen zu verhindern; expo-<br />

nierte Rohrleitungen abs ichern.<br />

• Sicherstellen, dass ober- und unterirdische Tanks<br />

sachgemäß gegen Auf- oder Wegschwimmen ve r-<br />

ankert sind; leere Tanks mit Wasser oder anderen<br />

Flüssigkeiten füllen; Lüftungsleitungen <strong>von</strong> Tanks<br />

bis über die erwartete maximale Wasserhöhe ve rlängern.<br />

• Tragbare Behälter mit entflammbaren oder brenn-<br />

baren Flüssigkeiten festzurren.<br />

• Wichtige Maschinen, Vorräte und Berichte an höher<br />

gelegene Orte bringen, die nach bisherigen Erfa hrungen<br />

als sicher gelten können; bei großen ma-<br />

schinen, die nicht bewegt werden können, e mpfind-<br />

liche Metalloberflächen einfetten.<br />

• Bremsen an fahrbaren Kränen und Brücken übe r-<br />

prüfen und gemäß Herstelleranweisung für Ruhezeiten<br />

feststellen.<br />

• Objekte auf der Baustelle, die <strong>von</strong> Überschwe m-<br />

mungswasser weggetragen werden können, si-<br />

chern; gelagerte Materialien – falls möglich – unter<br />

Dach bringen; empfindliche Bauausrüstung im Fre i-<br />

en mit Sandsäcken verbarrikadieren, um sie vor<br />

vorbeischwimmenden Trümmern zu schützen.<br />

• Ungestützte Bauelemente auf Baustellen abstützen.<br />

• Folgende Geräte und Materialien an einem zentra-<br />

len, sicheren Ort bereithalten:<br />

� Tragbare Pumpen und Schläuche<br />

� Notbeleuchtung<br />

� Elektrische und manuelle Werkzeuge<br />

� Schaufeln und Äxte<br />

� Gummischrubber<br />

� Sandsäcke<br />

� Abdeckungen<br />

� Bretter und Nägel<br />

• Für die auf dem Gelände bleibende Notmannschaft<br />

folgende Geräte und Materialien bereit halten:<br />

� Wechselfunkgeräte<br />

� Erste -Hilfe-Ausrüstung<br />

� Beleuchtung, Batterien<br />

� Unverderbliche Nahrungsmittel<br />

� Trinkwasser<br />

• Die gesamte Brandschutzausrüstung auf Einsatzbereitschaft<br />

überprüfen.<br />

• Sandsäcke an gefährdeten Gebäudeöffnunge n (Tü-<br />

ren, Fenster, Luken, Schächte) platzieren.<br />

• Notstromgenerator und Feuerpumpentanks füllen.<br />

• Wichtige Dokumente kopieren und an einen übe rschwemmungssicheren<br />

Ort bringen.<br />

Checkliste zur Überschwemmungsvorsorge für<br />

Privatpersonen<br />

Folgende vorbeugende Maßnahmen sollten an Gebä u-<br />

den in potenziellen Überflutungsgebieten berücksich-<br />

tigt werden:<br />

• Bei der Sanierung eines älteren oder beim Bau eines<br />

neuen Hauses sollte abgeklärt werden, ob der<br />

Standort sicher vor Hochwasser ist.<br />

• Im äußersten Fall kann Hochwasser ein Gebäude<br />

zerstören, indem die Außenmauern zum Einsturz<br />

gebracht werden oder aber hochsteigendes Grundwasser<br />

das Haus zum Aufschwimmen bringt. Eine<br />

angepasste Bauweise (Verstärkung der Außenma u-<br />

ern und Verankerungen des Gebäudes) kann das<br />

verhindern.<br />

• Häuser können auch nachträglich noch abgedichtet<br />

werden, indem z.B. undurchlässige Türen eingebaut<br />

werden.<br />

• Nur geringmächtige Erdwälle können verhindern,<br />

dass das Wasser in das Gebäude fließt.


• Bei Maßnahmen zum Umlenken des fließenden<br />

Wassers sind die umstehenden Gebäude zu berüc k-<br />

sichtigen, damit diese nicht zusätzlichen Schaden<br />

erleiden.<br />

• Anlagen in tiefliegenden Geschossen müssen speziell<br />

abgesichert werden. Überschwemmungsge-<br />

fährdete Garagen sollten nicht als Lagerräume ge-<br />

nutzt werden.<br />

• Höher gesetzte Lichtschächte machen Kellerge-<br />

schosse sicherer.<br />

• In Häusern, deren Untergeschosse überflutungsge-<br />

fährdet sind, sollte in Obergeschossen die Möglich-<br />

keit eines Notausgangs gegeben sein (z.B. Balkon).<br />

• Gegen Wassereintritt aus der Kanalisation helfen<br />

Rückstauklappen.<br />

• Zentrale elektrische Anlagen (Hauptsicherungen)<br />

sollten in hochwassersicheren Bereichen (z.B. Obe r-<br />

geschoss) installiert werden. Heizungs - und Strom-<br />

kreisläufe müssen in hochwassergefährdeten Räu-<br />

men getrennt abgeschaltet werden können.<br />

Folgende Vorsorgemaßnahmen sollten im Falle einer<br />

drohenden Überschwemmung ergriffen werden:<br />

• Gas bzw. Strom abstellen.<br />

• Elektrische Geräte ausstecken.<br />

• Gefährliche Flüssigkeiten, insbesondere brennbare,<br />

in Sicherheit bringen oder sicher verschließen.<br />

• Tragbare Behälter mit entflammbaren oder brenn-<br />

baren Flüssigkeiten festzurren.<br />

• Wichtige Vorräte, Dokumente und Wertgegenstä nde<br />

an höher gelegene Orte bringen.<br />

• Möbel und bewegliche Gegenstände in die oberen<br />

Stockwerke verlagern; Fahrzeuge auf übe r-<br />

schwemmungsfreies Gelände fahren.<br />

• Folgende wichtige Hilfsmittel an einem sicheren<br />

Ort bereitstellen:<br />

� Nahrungsmittel, Trinkwasser<br />

� Eimer, Lappen, (Gummi)Schrubber<br />

� Sandsäcke (falls verfügbar)<br />

� Bretter und Nägel<br />

� Erste -Hilfe-Kasten bzw. Medikamente<br />

� Schaufel und Werkzeug<br />

� Notbeleuchtung<br />

� Abdeckungen<br />

• Sandsäcke an gefährdeten Gebäudeöffnungen (Ke l-<br />

lerfenstern, Türen) anbringen; Gegenstände im Fre ien<br />

sichern.<br />

• Tanks im Haus oder Keller sachgemäß verankern,<br />

um ein Auf- oder Wegschwimmen zu verhindern;<br />

Lüftungsleitungen bis über die erwartete maximale<br />

Wasserhöhe verlängern.<br />

Anhang<br />

Checkliste zum Verhalten während einer Über-<br />

schwemmung<br />

285<br />

• Bei Überschwemmungsnotsituationen (batteriebe-<br />

triebenes) Radio einschalten, um die Einschätzba rkeit<br />

der Lage zu verbessern (Informationen oder<br />

Warnungen der Zivilschutzkräfte können Leben<br />

retten).<br />

• Bereiche, die plötzlich überschwemmt erden kön-<br />

nen, meiden.<br />

• Überschwemmungsgefährdete Gebiete umgehend<br />

verlassen (d.h. Senken, niedrige Stellen, erodierte<br />

Stellen usw.).<br />

• Bereits überschwemmte und schnellfließende Bere i-<br />

che meiden; nicht versuchen, fließende Gewässer<br />

zu Fuß zu durchqueren, wenn das Wasser mehr als<br />

knietief ist.<br />

• Die wassertiefe in Senken oder Unterführungen vor<br />

dem Durchfahren mit dem Auto überprüfen (u. U.<br />

erodiertes Straßenbett unter Wasser); steckenge-<br />

bliebenes Fahrzeug sofort verlassen.<br />

• Nachts erhöhte Vorsicht walten lassen, da die Ge-<br />

fahren oftmals nur schwer zu erkennen sind.<br />

Hinweise auf Gefahren und Maßnahmen nach<br />

Überschwemmungen<br />

• Gas- und Brennstoffleitunge n können Schaden<br />

erlitten haben; kein offenes Feuer oder Licht, son-<br />

dern z.B. Taschenlampen zur Untersuchung <strong>von</strong><br />

Gebä uden verwenden.<br />

• Stromleitungen und elektrische Geräte können<br />

gefährliche Kurzschlüsse und Stromstöße verursa-<br />

chen; Leitungen und angeschlossene elektrische<br />

Geräte in nassen Bereichen nicht berühren; erst<br />

trocknen und überprüfen, bevor sie wieder in Betrieb<br />

genommen werden.<br />

• Unterbrochene Versorgungsleitungen den zustä n-<br />

digen Behörden melden.<br />

• Vorsicht beim Gehen im Wasser; oft liegen am<br />

Boden verborgene Gegenstände oder zerbrochenes<br />

Glas; Treppen und Schwellen können rutschig sein.<br />

• Ärztliche Versorgung im nächstgelegenen Kran-<br />

kenhaus suchen; Nahrungsmittel, Kleider, Kom-<br />

munikationseinrichtungen und Erste -Hilfe-<br />

Ausrüstung stehen z.B. bei Hilfsorganisationen zur<br />

Verfügung.<br />

• Keine Nahrungsmittel verwenden, die in Kontakt<br />

mit Überschwemmungswasser gekommen sind.<br />

• Trinkwasser abkochen; Brunnen auspumpen, das<br />

Wasser auf Reinheit überprüfen.<br />

• Katastrophengebiete nicht besichtigen, wenn dadurch<br />

Rettungsmaßnahmen behindert werden.

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