WIRTSCHAFT+MARKT 06/2017
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20 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke):<br />
„Ich lerne dauernd weitere neue<br />
Weltmarktführer kennen“<br />
Seit knapp drei Jahren ist der Linken-<br />
Politiker Bodo Ramelow (61) Ministerpräsident<br />
im Freistaat Thüringen.<br />
Entgegen mancher Unkenrufe entwickelt<br />
sich das Bundesland in der Mitte<br />
Deutschlands unter Ramelows Führung<br />
erfolgreich. Die Wirtschaft brummt, die<br />
Beschäftigung nimmt zu und die Löhne<br />
steigen. Doch aktuell steht die rot-rot-grüne<br />
Erfurter Landesregierung, die sich im<br />
Parlament nur auf die hauchdünne Mehrheit<br />
von einer Stimme stützen kann, vor<br />
ihrer heikelsten Aufgabe – sie will und<br />
muss eine Verwaltungs- und Kreisreform<br />
durchsetzen, die bei Kommunalvertretern<br />
und Bürgern heftig umstritten ist.<br />
Das Interview mit Bodo Ramelow fand<br />
auf dem Erfurter Petersberg statt. Ein Ort,<br />
von dem aus man einen großartigen Blick<br />
über die Thüringer Landeshauptstadt hat<br />
und der den Ministerpräsidenten wegen<br />
seiner wechselhaften Geschichte in den<br />
letzten Jahrhunderten besonders fasziniert.<br />
W+M: Herr Ramelow, Ihre Regierung hat<br />
gut gewirtschaftet und im Landeshaushalt<br />
einen kräftigen Überschuss erzielt. In den<br />
kommenden zwei Jahren wollen Sie einen<br />
großen Teil dieser Summe investieren. Um<br />
wie viel Geld geht es dabei?<br />
Bodo Ramelow: Wenn wir den Gesamthaushalt<br />
betrachten, geht es um eine Investitionssumme<br />
von über 1,5 Milliarden<br />
Euro. Diese Mittel fließen zu einem guten<br />
Teil direkt in den wirtschaftlichen Aufbau.<br />
Darüber hinaus stärken wir wichtige Infrastrukturbereiche,<br />
etwa die städtebauliche<br />
Entwicklung oder das Quartiersmanagement.<br />
Und natürlich nutzen wir diese<br />
Mittel für unsere Bildungsoffensive, zur<br />
Sanierung und zum Neubau von Schulen.<br />
W+M: Welche Projekte sollen konkret gefördert<br />
werden?<br />
Bodo Ramelow: Wir investieren in Forschungseinrichtungen,<br />
den Hochschulbau<br />
und natürlich in den Breitbandausbau. Jena<br />
hat heute schon die höchste Forscherdichte<br />
pro Einwohner in ganz Deutschland. Und<br />
was an Instituten dort dazukommt, löst jedes<br />
Mal Folgeinvestitionen im zweistelligen<br />
Millionenbereich aus. Ein interessantes Projekt<br />
will ich beispielhaft herausgreifen: die<br />
Sanierung der Weidaer Talsperre, die kaputt<br />
ist, die wir aber für die Stärkung des „Zeulenrodaer<br />
Meeres“, einer wichtigen Naturund<br />
Tourismusregion, reaktivieren wollen.<br />
W+M: Im Nachbarland Sachsen freut sich<br />
die Landesregierung gerade über Milliardeninvestitionen<br />
eines chinesischen Autobauers,<br />
von Bosch und vom Tabakkonzern<br />
Philip Morris. Können Sie ähnliche Erfolge<br />
vermelden?<br />
Bodo Ramelow: Wir haben einen dauerhaften<br />
Prozess, der mich sehr zufrieden<br />
stimmt, weil wir inzwischen viele leistungsfähige<br />
Firmen haben, die einen hohen<br />
Teil an Rückinvestitionen in Forschung<br />
und Entwicklung tätigen. Ein Beispiel ist<br />
die Firma Mubea Fahrwerksfedern in Weißensee.<br />
Die haben vor 25 Jahren mit einem<br />
kleinen Betrieb angefangen und sind<br />
seither stetig gewachsen. Ich war dort<br />
kürzlich zum Firmenjubiläum, habe die<br />
Festrede gehalten. Auf meinem Zettel<br />
stand ausdrücklich, ich dürfe nicht darüber<br />
reden, dass eine 100-Millionen-Investition<br />
ansteht. Der Firmenchef sagte mir: „Das<br />
Gute, das möchte ich als Erster meiner<br />
Belegschaft verkünden.“ Ich finde es völlig<br />
richtig, dass eine solche Investition in die<br />
Produktionsanlage für eine neue Generation<br />
von Leichtmetallrädern auf diese Weise<br />
bekanntgegeben wird. Es gibt weitere Firmen,<br />
die investieren werden, wo wir aber<br />
gehalten sind, nicht allzu früh und allzu laut<br />
drüber zu reden. Daher übe ich mich in Zurückhaltung,<br />
freue mich aber über jeden<br />
Standort, der prosperiert. Wir sind nicht<br />
monostrukturiert, wir haben eine breite<br />
Mischung international führender Firmen.<br />
Ministerpräsident Bodo Ramelow im Gespräch mit W+M-Chefredakteur Karsten Hintzmann (l.).<br />
W+M: Lassen Sie mich an diesem Punkt<br />
anknüpfen. Vor einem Jahr verwiesen Sie<br />
darauf, dass in Thüringen 60 Unternehmen<br />
arbeiten, die Weltmarktführer in ihren<br />
Branchen sind. Wie geht es diesen<br />
Champions heute?<br />
Foto: W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2017</strong>