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FINDORFF GLEICH NEBENAN Nr. 4

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▼ STEFAN BROCKMANN IM INTERVIEW<br />

»Findorff ist ein Stadtteil, der wenig Sorgen bereitet.«<br />

Manche Mitglieder in Werbegemeinschaften haben zu große<br />

Erwartungen, was die Werbegemeinschaft für einen vergleichbar<br />

überschaubaren Jahresbeitrag für sie leisten soll. Wie wichtig<br />

sind das Engagement und die Beteiligung aller Mitglieder ?<br />

Es beginnt erstmal mit dem Respekt für die ehrenamtlich tätigen<br />

Menschen, die viel Zeit und Freizeit investieren, um etwas<br />

für sich und die Gemeinschaft zu erreichen. Je höher die Quote<br />

des Engagements aller ist – am besten 100 Prozent – umso stärker<br />

ist auch ein Vorstand, der dann viel mehr durchsetzen kann.<br />

Umso größer sind dann zugleich die Geldmittel, die zur Verfügung<br />

stehen. Letztendlich lebt auch eine Werbegemeinschaft<br />

selbstverständlich vom Mitmachen: Wenn jeder die Einsicht<br />

teilt, das gemeinsam mehr bringt als allein, dann beantwortet<br />

sich Ihre Frage von selbst.<br />

Unternehmer kommt von »unternehmen« und nicht von<br />

«unterlassen«. Sonst hieße der Unternehmer ja Unterlasser.<br />

Etwas unternehmen heißt ja auch, sich veränderten Marktbedingungen<br />

immer wieder neu anzupassen. Ist es eigentlich für<br />

alle EinzelhändlerInnen richtig und wichtig, sich neben dem<br />

stationären Verkauf auch einen Onlineshop aufzubauen? Nehmen<br />

wir die Lebensmittelbranche: Ist der Vertrieb online zum<br />

Beispiel für die Produkte eines Feinkosthändlers sinnvoll ?<br />

Diese Frage kann man pauschal nicht beantworten. Es gibt<br />

HändlerInnen, die das für sich positiv beantwortet haben, gute<br />

Shops betreiben und erfolgreich sind. Auf der anderen Seite<br />

muss man sagen: Ein Onlineshop mit der notwendigen Logistik<br />

ist eine Investition in die Zukunft – und man muss, wenn man<br />

investiert, für sich die eigenen Vorteile sehen. Ich würde für<br />

Stadtteilgemeinschaften empfehlen, dass die übergeordnete<br />

Vermarktung über die Werbegemeinschaft erfolgt und dass<br />

sich jeder Einzelne auch mit einer guten eigenen Seite in einem<br />

ansprechenden Portal der Werbegemeinschaft präsentiert. Ob<br />

die eigene, individuelle Internetseite ein Onlineshop sein muss,<br />

wage ich zu bezweifeln. Aber eine Bestellung per E-Mail sollte<br />

heute jedes Geschäft annehmen können. »Amazon« wagt sich<br />

gerade an Lebensmittel, aber »Amazon« wird hier nicht der<br />

Innovationsmotor sein, weil die KundInnen überfordert sein<br />

werden. Wenn man allerdings bestimmte Nischen mit Produkten<br />

besetzt, die nicht jeder hat, ist »grenzenloser« Onlinehandel<br />

sinnvoll und nahezu zwingend notwendig.<br />

Zu »Shoppen im Internet« sagte mir eine Findorffer Geschäftsfrau,<br />

sie sei überzeugt, dass Bewegungen auch immer Gegenbewegungen<br />

in Gang setzen. Sie geht davon aus, dass all die<br />

Frauen, die ständig die vielen Pakete hin und her schicken,<br />

irgendwann die Nase voll davon haben und sich sagen: Jetzt<br />

gehe ich los, finde genau das, was ich haben will, freue mich<br />

und gehe damit begeistert nach Hause. Gibt es diese Gegenbewegungen<br />

zum rasanten Wachstum des Onlinehandels ?<br />

Ich glaube nicht, das es Gegenbewegungen in dieser Form tatsächlich<br />

gibt. Stattdessen gibt es fortschreitende Entwicklungen<br />

im Einkaufsverhalten. Was ich wahrnehme, ist der sogenannte<br />

»hybride Verbraucher«, der für unterschiedliche Kaufmuster<br />

steht – also sowohl online als auch offline einkauft – und sich<br />

nach Lust, Laune, Wetter und Stimmung im Einkaufszentrum<br />

bewegt und am selben Tag abends online etwas bestellt. Oder<br />

der im Internet ein bestimmtes Produkt gesehen hat und dieses<br />

dann vor Ort in seinem Stadtteil kauft. Diese Bewegung sehe<br />

ich als klassische Gegenbewegung. Ich glaube allerdings nicht,<br />

das es zu einem Gegentrend und damit zu einem Abflachen<br />

des Handels im Internet kommt. Es gibt sogar Entwicklungen,<br />

dass verstärkt klassische Onlinehändler wie »Zalando« oder<br />

»müsli.de« sich auch stationär niederlassen. Zudem machen<br />

ein Großteil des Umsatzes im Internet ursprünglich stationäre<br />

HändlerInnen aus, die sich heute zugleich auch online bewegen.<br />

Nicht nur durch den Internethandel, sondern auch durch die<br />

Konkurrenz auf der grünen Wiese wird heute viel Kaufkraft<br />

aus der Innenstadt abgezogen. Ist diese Wanderung von Kaufkraft<br />

zu Einkaufszentren im Bremer Umland in erster Linie<br />

problematisch für die City oder auch eine ernsthafte Konkurrenz<br />

für den Einzelhandel in Stadtteilzentren wie Findorff ?<br />

Die größere Herausforderung besteht für die HändlerInnen in<br />

der City. Die Innenstadt muss letztendlich KundInnen aus allen<br />

Stadteilen und den Gemeinden im Umland gewinnen. Natürlich<br />

besteht diese Herausforderung auch für Stadtteile wie Findorff,<br />

aber die haben natürlich noch deutlich größere Chancen durch<br />

ihre Kundennähe eine intensive Kundenbindung zu erzeugen<br />

– also über die Identifikation mit dem Stadtteil den »Klebstoff«<br />

zu erzeugen, damit die KundInnen eben nicht in das Bremer<br />

Umland fahren und dort einkaufen.<br />

Kann man als EinzelhändlerIn lokal vor Ort mit begrenzten<br />

finanziellen Mitteln den aktuellen Entwicklungen überhaupt<br />

etwas entgegensetzen ? Nicht jeder hat ja wie Sie eine starke<br />

und weltweit agiernde Einzelhandelskette wie »BoConcept«<br />

im Hintergrund, bei der vieles zentral geleistet wird.<br />

Klar, das steht außer Frage. Ein System wie das von »BoConcept«<br />

macht es leichter im Vergleich zum klassischen Einzelhandel.<br />

Aber es muss zwangsläufig nicht immer eine große Organisation<br />

dahinter stehen. Ich bin überzeugt: Wenn man zeitgemäß<br />

aufgestellt ist und das eigene Alleinstellungsmerkmal herausarbeitet,<br />

kann man auch heute gut am Markt bestehen. Ich muss<br />

zudem meine KundInnen verstehen und genau wissen, wie die<br />

ticken – dann hat man Erfolg. Dafür gibt es viele gute Beispiele.<br />

Inwieweit unterstützt die Handelskammer Bremen, in der sich<br />

ja auch durchaus unterschiedliche Interessen bündeln, den<br />

lokalen Handel in den einzelnen Stadtteilzentren ?<br />

Es gibt für uns zwei Ebenen: Wir verstehen uns als Dienstleister<br />

für unsere Mitglieder – die auch dafür ja ihren Beitrag zahlen.<br />

Die Kammer bietet eine Vielzahl an Kursen und Seminaren<br />

an, mit denen man sich weiterbilden kann – übrigens auch zum<br />

Thema »Digitalisierung«. Aber wir können natürlich nicht die<br />

»eierlegene Wollmilchsau« sein und allen Mitgliedern ganz<br />

individuell eine komplette Beratung und Servicepakete bieten.<br />

Allerdings hat die Handelskammer ein vitales Interesse, dass<br />

sich in Bremen gute Handelstrukturen bilden – auch aus Gründen<br />

der Stadtteilentwicklung. Findorff ist ein Stadtteil, der uns<br />

momentan wenig Sorgen bereitet. Es gibt andere Stadtteile, die<br />

uns mehr Sorgen machen, weil dort der stationäre Einzelhandel<br />

in einem derartig schnellen Tempo stirbt, dass es dort auch<br />

strukturell entscheidende Veränderungen gibt, die nicht gut sind.<br />

Gibt es Grenzen der Unterstützung; beispielsweise bezogen<br />

auf den teilweise rasanten Anstieg der Mietkosten für Einzelhandels-<br />

und Gewerbeflächen, die sich wahrscheinlich viele<br />

kleine HändlerInnen schon heute nicht mehr leisten können ?<br />

Wir beobachten, dass in 1a-plus-Lagen tendenziell die Mieten<br />

steigen, aber in Minuslagen, also den B-Lagen, die Mieten eher<br />

fallen. In einigen B-Lagen ist zu beobachten, das dort mit dem<br />

Vermieter verhandelt wird, um die Mieten zu senken. Es gibt<br />

dort auch durchaus Druck auf die VermieterInnen: Die müssen<br />

Polsterarbeiten . Fenstervorhänge . Sonnenschutz . Teppichboden . Hochwertige Stoffe<br />

sich dann entscheiden, ob sie lieber günstiger vermieten oder<br />

ihre Gewerbeimmobilie zukünftig leerstehen lassen.<br />

Zuletzt noch eine private Frage: Wo kaufen Sie persönlich<br />

dieses Jahr die Geschenke zu Weihnachten ein ?<br />

Ich könnte jetzt sagen: ausschließlich bei »BoConcept«, aber das<br />

wäre natürlich nicht die ganze Wahrheit. Ich zähle mich auch zu<br />

den hybriden Käufern, kaufe meine Geschenke also sowohl offline<br />

als auch online. Wir haben zwei erwachsene Söhne, die sich<br />

Elektronisches wünschen, das ich über beide Kanäle einkaufe.<br />

Stationär kaufe ich vorwiegend in der Bremer City, denn der bin<br />

ich natürlich nicht nur durch den eigenen Standort verpflichtet.<br />

▼ ÜBER STEFAN BROCKMANN<br />

q HANDEL UND WANDEL<br />

Stefan Brockmann hat über 20 Jahre Erfahrung im Einzelhandel.<br />

Er war sowohl Geschäftsleiter von »Karstadt« in Bremen<br />

als auch von »Dodenhof«. 2012 machte er sich sich selbstständig<br />

als Geschäftsfüher von »BoConcept« in der City. »BoConcept«<br />

ist die größte Einzelhandelskette der dänischen Möbelbranche<br />

mit 330 Stores in ganz Europa. Stefan Brockmann ist im Plenum<br />

der Handelskammer Bremen und auch Vorsitzender im Einzelhandelsausschuss.<br />

Weitere Infos unter www.boconcept.de<br />

Interview: Mathias Rätsch, Foto: Kerstin Rolfes ▲<br />

Kräme r<br />

POLSTERWERKSTATT<br />

INNENAUSSTATTUNG<br />

<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 12<br />

Graf-Moltke Str. 44 . 28211 Bremen . Telefon 0421 70 51 87 . www.kraemer-innenausstattung.de . info@kraemer-innenausstattung.de

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