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20 I 21 Dr. JörG BilKe<br />
Der Zaun trennte bis 1989 die Menschen in<br />
Ost und West. 1990 entstanden zwischen<br />
Holzhausen und Bad Rodach erste<br />
Wegeverbindungen durch den ehemaligen<br />
Grenzstreifen.<br />
Unkraut zu wuchern, kleine Bäche schossen empor. Es war ein seltsames Schauspiel!<br />
Jahrzehnte später, wenn ich Rodach besuchte, wo ich seit 1959 nicht mehr lebte, machte<br />
ich es mir zur Pflicht, zum Schlagbaum bei Adelhausen zu wandern und hinüber zu starren<br />
ins verbotene <strong>Land</strong>!<br />
Und dann kam der Bau der Berliner Mauer in der Nacht zum 13. August 1961. Ich studierte<br />
damals in Mainz und lebte bei meinen Eltern in Hanau. Es war ein sonniger Sonntagmorgen,<br />
ich war am Kahler See zum Schwimmen, als ich die Nachricht hörte. Ich war<br />
bestürzt, ich hatte für den Spätsommer eine Einladung nach Leipzig zu Verwandten, und<br />
ich wollte dort die Buchmesse besuchen.<br />
Am 6. September 1961 reise ich ein, drei Tage später wurde ich auf dem Karl-Marx-<br />
Platz verhaftet. Als ich drei Jahre danach aus dem Zuchthaus Waldheim in Sachsen entlassen<br />
wurde, fuhr unser Häftlingsbus bei Wartha-Herleshausen über die thüringischhessische<br />
Grenze. Meine Sehnsucht nach Thüringen war unbeschreiblich, schließlich waren<br />
wir an Jena, Weimar, Erfurt, Gotha vorbeigefahren, an Städten, die ich gerne besucht<br />
hätte, worauf ich aber noch ein Vierteljahrhundert warten musste.<br />
Es waren sicher schier unglaubliche Geschichten, die ich in DDR-Zuchthäusern und danach<br />
in Rodach über die innerdeutsche Grenze erfuhr, wenn man den Leuten zuhörte.<br />
Hatte sich nicht im Rodacher Stadtwald ein früherer Bewohner Holzhausens erhängt,<br />
weil er sein Dorf sehen konnte am Schlagbaum, wo im Gebüsch die moosbewachsenen<br />
Grenzsteine zwischen Sachsen-Coburg und Sachsen-Meiningen lagen, er aber nicht heimkehren<br />
durfte? War nicht die gesamte Einwohnerschaft des thüringischen Dorfes Einöd,<br />
südlich von Heldburg gelegen, im Sommer 1961 nach Bayern geflohen? War nicht ein Rodacher<br />
Kommunist, der immer von den DDR-Verhältnissen geschwärmt hatte, in den „Arbeiter-<br />
und Bauernstaat“ übergesiedelt und hatte es bitter bereut?<br />
Ist nicht der DDR-Grenzsoldat Werner Weinhold am 19. Dezember 1975, nachdem er<br />
zwei Kameraden erschossen hatte, bei Rodach über die Grenze gekommen? Ist nicht ein<br />
junger Bauer aus Thüringen, der unter Aufsicht von DDR-Grenztruppen den Todesstreifen