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PROF ESSOR HEINZ L IESEN<br />

Können Sie Beispiele nennen?<br />

Liesen: Was jedem Besucher sofort auffällt,<br />

ist die Deutsche Bank. Das kann doch nicht<br />

wahr sein, solch ein Klotz mitten im Herzen<br />

der Stadt. An der Stelle war ursprünglich ein<br />

traumhaft schönes Gebäude, das abgerissen<br />

wurde. Es gibt viele negative Beispiele. Das<br />

schadet uns auch bei der Bewerbung, Weltkulturerbe<br />

zu werden.<br />

Welche Hoffnungen verbinden Sie mit einer Ernennung<br />

Baden-Badens als Weltkulturerbe?<br />

Liesen: Ich setze große Hoffnungen darauf,<br />

dass dann solche Bausünden nicht mehr begangen<br />

werden. Was mich auch sehr stört, ist<br />

der massive Sanierungsstau, den wir haben.<br />

Die Fieserbrücke und andere Brücken dürften<br />

eigentlich schon gar nicht mehr von Lastwagen<br />

befahren werden. Das wurde alles verschlafen.<br />

Sie sehen ja auch das Drama am Leopoldsplatz<br />

oder auch am Augustaplatz und der Lichtentaler<br />

Straße. Wenn wir nicht aufpassen, gerät<br />

Baden-Baden in eine kritische Phase. Wir haben<br />

heute schon extrem hohe Leerstände in<br />

den Geschäften. Damit fehlt den Gästen eine<br />

wichtige Attraktion. Was ich auch kritisiere:<br />

Baden-Baden ist keine Bäderstadt mehr. Es<br />

gibt nicht mal mehr 50 Patienten jährlich, die<br />

zu einer Bäderkur kommen, es gibt kaum noch<br />

Bäderärzte und es gibt kein Konzept dafür.<br />

Ich finde es schlecht, dass das jahrtausendealte<br />

Thermalwasser im Original gar nicht mehr zu<br />

bekommen und zu trinken ist. Die Bäderkultur<br />

geht verloren.<br />

Liegt das auch an Privatisierungen?<br />

Liesen: Sicherlich auch. Die Privatisierung<br />

führt dazu, dass die Betreiber Geld verdienen<br />

wollen und nicht mehr die Frage im Vordergrund<br />

steht, was für diese Stadt wichtig ist.<br />

Und noch ein Problem: das Neue Schloss. Das<br />

ist doch Namensgeber und einer der Ursprünge<br />

hier in Baden-Baden. Ein Jammer, was da<br />

passiert.<br />

PROFESSOR<br />

HEINZ LIESEN<br />

war jahrzehntelang<br />

einer der bekanntesten<br />

Sportmediziner<br />

im deutschen Raum.<br />

Mehr als 20 Jahre<br />

war er an der Sporthochschule<br />

in Köln.<br />

18 Jahre betreute<br />

er die Feldhockey-<br />

Nationalmannschaft.<br />

Franz Beckenbauer<br />

hat ihn vom Hockey<br />

zum Fußball geholt.<br />

Liesen war als<br />

Sportmediziner auch<br />

in anderen Sportarten<br />

wie Radfahren oder<br />

Ringen, ja sogar in<br />

der Nordischen Kombination<br />

engagiert.<br />

Liesen: „Ich habe<br />

viel Wissenschaft<br />

gemacht, habe das<br />

aber auch angewandt.<br />

Das war meine<br />

Philosophie, das war<br />

mein Weg.“<br />

Wie ist der Lösungsansatz?<br />

Liesen: Das kann nicht von Baden-Baden<br />

allein gelöst werden. Dieses Schloss und diese<br />

Stadt haben einen sehr starken Bezug zu Frankreich.<br />

Hier ist die deutsch-französische Freundschaft<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg besiegelt<br />

worden. Es gibt nirgendwo in Deutschland einen<br />

Ort, der so eng mit Frankreich verbunden<br />

ist. Ich meine, wir brauchen ein Zentrum für<br />

deutsch-französische Freundschaft. Das könnte<br />

das Neue Schloss in Baden-Baden sein. Es gibt<br />

für diese Idee Unterstützung der EU und der<br />

Bundesregierung. Dafür sind auch europäische<br />

Fördergelder vorhanden. Das Neue Schloss<br />

wäre eine Begegnungsstätte, ein Kulturzentrum,<br />

da lässt sich sehr viel daraus machen. Das<br />

muss dann auch für die Bürger geöffnet und<br />

belebt werden. Auch der Florentinerberg und<br />

der Marktplatz – da muss in den nächsten Jahren<br />

unbedingt etwas passieren.<br />

Und was läuft gut in Baden-Baden?<br />

Liesen: Was unheimlich gut läuft, ist das Engagement<br />

privater Leute im kulturellen Bereich.<br />

Das Festspielhaus in dieser Form, privat<br />

getragen und auf eigene Initiative, ist weltweit<br />

einmalig. Die Berliner Philharmoniker kommen<br />

von Salzburg nach Baden-Baden. Das ist<br />

doch ein Wert, der immens ist. Das, in Verbindung<br />

mit dem Museum Frieder Burda, dem<br />

Museum und Schachzentrum von Wolfgang<br />

Grenke, sucht Seinesgleichen. Wer weiß schon<br />

wirklich, dass die Baden-Badener Mannschaft<br />

quasi Bayern München im Schach ist. Es gibt<br />

in Deutschland nichts Vergleichbares.<br />

Wenn Sie schon Bayern München ansprechen, was<br />

können Sie denn aus Ihrer Zeit mit Franz Beckenbauer<br />

und der Betreuung der Fußball-Nationalmannschaft<br />

erzählen?<br />

Liesen: Meine Erfahrungen hatte ich als<br />

Hochschullehrer an der Sporthochschule Köln<br />

in verschiedenen Sportarten gesammelt. Dann<br />

kam Franz Beckenbauer und hat mich für die<br />

Fußball-Nationalmannschaft engagiert. Ich<br />

wollte das ursprünglich nicht. Ich hatte vorher<br />

schon Bundesligatrainer ausgebildet in einem<br />

neuen Fach: in Sportmedizinischer Trainingslehre.<br />

Das war genau das, was Beckenbauer für<br />

seine Mannschaft wollte. Ich habe viele neue<br />

Methoden eingeführt und wir waren erfolgreich<br />

damit. Damals ging es ja zur WM nach<br />

Mexiko. Da waren Trinken, also ausreichend<br />

Flüssigkeit für den Körper, Aufwärmprogramme<br />

und Regeneration von großer Bedeutung.<br />

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