Living_Life_02_2018_140_dpi
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INTERV IEW<br />
Wie werden wir künftig wohnen?<br />
Martin Ernst: Vorhersagen sind immer<br />
sehr schwierig. Überlegen müssen<br />
wir uns alle, ob wir den Natur- und<br />
Flächenverbrauch in diesem Tempo<br />
fortführen, wie wir dies momentan<br />
tun. Zu erhalten ist meiner Ansicht<br />
nach ein historischer Stadtkern. Was<br />
spricht allerdings dagegen, in genau<br />
definierten Quartieren, in die Höhe<br />
zu bauen? Wichtig ist, in allen Bereichen<br />
die Erholung der Menschen in<br />
Natur- und Flussauen zu sichern. Das<br />
geht nicht mehr, wenn wir die gesamte<br />
Grünfläche dem Beton opfern.<br />
Theresa-Luisa Ernst: Wahrscheinlich<br />
in einem komplett automatisierten<br />
Haushalt.<br />
Wird Besitz überhaupt noch diese Bedeutung<br />
haben? Es gibt eine Sharing-Tendenz,<br />
etwa etwa beim Auto. Wird das beim Haus<br />
auch einmal kommen?<br />
Martin Ernst: Es liegt in den Urgenen<br />
der Menschen, dass sie sich ihr<br />
eigenes Nest bauen. Kein Vogel ist<br />
bereit, sein Nest mit anderen zu teilen.<br />
Genauso ist dieses Grunddenken<br />
in jedem Menschen vorhanden. Er<br />
will sein eigenes Nest bauen und seine<br />
eigene Familie gründen. Ich glaube<br />
beim Wohnen nicht an den Sharing-<br />
Gedanken.<br />
Theresa-Luisa Ernst: Das sehe<br />
ich etwas anders. Die Autorin Rachel<br />
Botsman hat sich in ihrem Buch<br />
„What‘s mine is yours“ intensiv damit<br />
befasst. Das Thema ist ja schon seit ein<br />
paar Jahren in aller Munde und wird<br />
sich auch im Bereich Wohnen oder<br />
Häuser weiterentwickeln. Airbnb ist<br />
ja bereits ein erfolgreiches Unternehmensmodell.<br />
Besonders in Großstädten,<br />
wo es viele Pendler beziehungsweise<br />
Berufstätige gibt, und auch mit<br />
der Zunahme an Singlehaushalten<br />
wird das Thema sicherlich signifikanter<br />
werden. Nicht jeder möchte dann<br />
viel Geld in die Miete stecken oder<br />
gar über Eigentum nachdenken, wenn<br />
man nur eine geringe Zeit in den „eigenen“<br />
vier Wänden verbringt. Die<br />
Relevanz des Wohneigentums rutscht<br />
somit einfach in eine spätere Lebensphase,<br />
wenn entschieden wurde, wo<br />
man sich final niederlässt.<br />
Wie verändern sich Arbeitswelten?<br />
Martin Ernst: Ein Büro ohne Klimatisierung<br />
ist für die Zukunft nicht mehr<br />
denkbar. Jeder Investor von Büroimmobilien<br />
muss dies in seiner Planung<br />
berücksichtigen. Die Mobilität, also<br />
das kostenlose Parken für die Mitarbeiter,<br />
halte ich auch für sehr wichtig und<br />
dann muss die Umgebung im Büro<br />
selbst attraktiv sein und den Menschen<br />
mit allen Sinnen ansprechen.<br />
MAN MUSS SICH DARAUF<br />
E INSTELLEN, DASS ES<br />
WENIGER GROS S E B Ü R O S<br />
GEBEN UND ES MEHR<br />
AUF G EMEINSCHAF T LICHE<br />
„ W O R K S P A C E S “<br />
HINAUSLAUF E N WIRD<br />
Theresa-Luisa Ernst<br />
Theresa-Luisa Ernst: Arbeitswelten<br />
müssen sich den neuen Generationen<br />
anpassen. Work-<strong>Life</strong>-Balance ist nun<br />
auch schon seit Jahren in aller Munde<br />
und viele Unternehmen haben sich<br />
durch flexible Arbeitsmodelle, wie der<br />
Möglichkeit, sich von zuhause oder<br />
unterwegs in die Server einzuloggen,<br />
umgestellt. Dies geht natürlich nicht in<br />
allen Branchen. Der Generation Y, zu<br />
der ich auch gehöre, ist es auch wichtig,<br />
dass die Arbeit Spaß macht. Das<br />
kann nur passieren, wenn dadurch das<br />
Privatleben nicht zurückstehen muss.<br />
Ich denke, dass wir aber durch unsere<br />
Technologieaffinität, Multi-Tasking-<br />
Fähigkeit und frühe Selbstständigkeit<br />
auch effizienter geworden sind. Das<br />
heißt, man muss sich darauf einstellen,<br />
dass es weniger große Büros geben<br />
wird und es mehr auf gemeinschaftliche<br />
„Workspaces“ hinauslaufen wird.<br />
Viele Themen werden jetzt und auch<br />
in Zukunft sicherlich ausschließlich<br />
mit Videotelefonie und keiner persönlichen<br />
Anwesenheit geregelt werden.<br />
Spart Zeit und Geld.<br />
Sie haben ein altes Gebäude komplett zum<br />
modernen Büro umgebaut, wie war hier Ihr<br />
Ansatz?<br />
Martin Ernst: Ein Grundsatz von<br />
mir ist: Ich mache etwas entweder<br />
richtig oder gar nicht. Nachdem unser<br />
ursprünglicher Plan, das Objekt<br />
abzureißen, daran scheiterte, dass die<br />
Stadtverwaltung meinte, dass dieses<br />
Objekt stadtbildprägend für den Augustaplatz<br />
ist, mussten wir diesbezüglich<br />
vollkommen umdenken. Ich bin<br />
heute sehr glücklich, dass ich das Designbüro<br />
Ippolito Fleitz kennenlernen<br />
durfte und wir den Umbau gemeinsam<br />
realisieren konnten. Qualität kostet<br />
immer Geld, hat allerdings auch<br />
den längsten Bestand.<br />
Wie sind Sie auf die internationalen Architekten<br />
Ippolito Fleitz gekommen?<br />
Martin Ernst: Ich habe von Ippolito<br />
Fleitz gelesen und diese wurden<br />
mir auch empfohlen. Ich rief Herrn<br />
Fleitz einfach an und fragte ihn, ob<br />
er sich vorstellen könnte, in der „Weltstadt“<br />
Baden-Baden tätig zu werden.<br />
Er sagte sofort: „Warum nicht, ich<br />
bin gebürtig aus Baden-Baden Steinbach.<br />
Mein Vater wohnt heute noch<br />
dort.“ Das Büro baut in der ganzen<br />
Welt und wurde kürzlich in die Hall<br />
of Fame des internationalen Designs<br />
aufgenommen. Die erfolgreichen Architekten<br />
sind absolut natürlich, sympathisch<br />
und bescheiden geblieben.<br />
Was ist diesen Architekten in Ihrem neuen<br />
Büro gelungen?<br />
Martin Ernst: Aus unserer Sicht ein<br />
absoluter Wurf. Man sieht sofort die<br />
Handschrift eines einzigartigen Innenarchitekten<br />
und wir können das<br />
ganze Werk nur als absolut gelungen<br />
bezeichnen.<br />
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