antriebstechnik 1-2/2018
antriebstechnik 1-2/2018
antriebstechnik 1-2/2018
- TAGS
- antriebstechnik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
FVA AKTUELL I INTERVIEW<br />
„Den Ursachen<br />
auf der Spur“<br />
FVA verleiht Mehmet-Ozan Özel<br />
den Hans-Winter-Preis<br />
Im Rahmen der FVA-Infotagung Ende November 2017<br />
in Würzburg wurde Dipl.-Ing. Mehmet-Ozan Özel<br />
vom Institut für Werkstoffanwendungen im<br />
Maschinenbau (IWM) an der RWTH Aachen<br />
der Hans-Winter-Preis der Forschungsvereinigung<br />
Antriebstechnik e.V. verliehen.<br />
Chefredakteur Dirk Schaar wollte<br />
wissen, welchen Stellenwert die Auszeichnung<br />
für den Preisträger hat.<br />
Herr Özel, was bedeutet für Sie die<br />
Verleihung des Hans-Winter-Preises?<br />
Für mich persönlich ist es eine große Ehre,<br />
diesen überaus renommierten Preis entgegennehmen<br />
zu dürfen. Jedoch sehe ich<br />
diesen als eine Auszeichnung aller am<br />
prämierten Vorhaben beteiligten Personen<br />
an. Bereits mit dem Start unserer<br />
Forschungsaktivitäten war uns klar, dass<br />
das Forschungsvorhaben international<br />
kontrovers diskutiert wird. Ich freue mich<br />
sehr, dass wir mit unseren Ergebnissen, die<br />
wir innerhalb der FVA gemeinsam mit den<br />
Experten aus der Industrie erarbeitet<br />
haben, den wissenschaftlichen Erkenntnisstand<br />
erweitern konnten. Da ist die<br />
posi tive Rückmeldung seitens des FVA-<br />
Netzwerkes mit dem Hans-Winter-Preis<br />
sehr erfreulich.<br />
Was genau haben Sie erforscht?<br />
Bei White Etching Areas (WEA) und White<br />
Etching Cracks (WEC) werden Frühausfälle<br />
von Wälzlagerungen in unterschiedlichen<br />
Anwendungen betrachtet. Das Schadensbild<br />
zeichnet sich makroskopisch durch<br />
volumenhafte Ausbrüche oder durch Axialrisse<br />
auf den Laufbahnen der Lagerkomponenten<br />
aus. Bei genauer Betrachtung des<br />
Gefüges lassen sich Rissnetzwerke und<br />
gefügeveränderte Zonen in den geschädigten<br />
Bereichen erkennen. Trotz der hohen<br />
Anzahl derzeitiger internationaler Forschungsaktivitäten<br />
sind die Ursachen zu<br />
dieser Schädigung nicht geklärt und es<br />
finden sich unterschiedliche Schadens<br />
hypothesen. Es wird jedoch davon ausgegangen,<br />
dass Zusatzbeanspruchungen<br />
notwendig sind, um den Schaden zu erzeugen.<br />
Wir konnten das grundlegende<br />
Verständnis zur Schadensbildung erweitern<br />
und mittels experimenteller Untersuchungen<br />
sowohl an Modellprüfständen als auch<br />
an Lagerprüfständen Einflussfaktoren<br />
ermitteln, die einen frühzeitigen Ausfall<br />
des Werkstoffs hervorrufen. Unsere<br />
Ar beiten zeigen, dass neben einer mechanischen<br />
Beanspruchung unter Mischreibungsbedingungen,<br />
eine elektrische<br />
Beanspruchung sowie eine künstliche<br />
Wasserstoffbeladung des Werkstoffs die<br />
Schädigung hervorruft.<br />
Wie tragen Ihre Ergebnisse dazu bei, die<br />
Antriebstechnik in der Praxis effizienter<br />
zu machen?<br />
Die Art dieser Schädigung tritt deutlich vor<br />
der berechneten Ermüdungslebensdauer<br />
auf und lässt sich nahezu in sämtlichen<br />
Lagerbauarten und -größen beobachten.<br />
Insbesondere bei Windkraftanlagen verursacht<br />
ein Lagerausfall hohe Wartungskosten<br />
aufgrund des exponierten Standorts. Der<br />
Trend zu leistungsstärkeren Anlagen von<br />
mehreren Megawatt erfordert zudem<br />
größere und somit kostenintensivere Wälzlager.<br />
Derzeit können wir auf Basis unserer<br />
Versuchsergebnisse Abhilfemaßnahmen<br />
nennen, um die Gefahr der frühzeitigen<br />
Ausfälle infolge von WEA/WEC zu reduzieren.<br />
Hierdurch kann die Effizienz der Lagerungen,<br />
insbesondere unter kritischen Betriebsbedingungen,<br />
erhöht werden.<br />
Gibt es schon Anwendungen, in denen<br />
Ihre Ergebnisse zum Tragen kommen?<br />
Bei den Untersuchungen konnten wir bei<br />
der Bewertung der Kombination aus mechanischer<br />
Beanspruchung und der Einflussfaktoren<br />
Schwellenwerte ermitteln, unter<br />
denen es zu einer WEA/WEC-Schädigung<br />
kommt. Insbesondere die ermittelten<br />
Schwellenwerte für den Gehalt an diffusiblem<br />
Wasserstoff bzw. elektrischer Stromdichte,<br />
ab denen mit dem WEA/WEC-Phänomen<br />
zu rechnen ist, können bei der Auslegung<br />
von Wälzlagerungen die Möglichkeit<br />
einer verbesserten Abschätzung der Schadensentwicklung<br />
unter kritischen Betriebsbedingungen<br />
bieten. Ich gehe davon aus,<br />
dass diese Ergebnisse bei unterschiedlichen<br />
Anwendungen berücksichtigt werden.<br />
Wo sehen Sie weiteren Forschungsbedarf?<br />
Das Thema der WEA/WEC-Bildung ist noch<br />
nicht abgeschlossen, denn das grundlegende<br />
Ziel unserer Forschungsaktivitäten besteht<br />
darin, den Schadensmechanismus zur<br />
Entstehung umfassend zu begreifen, um<br />
die frühzeitigen Ausfälle der Wälzlager zu<br />
vermeiden. Bislang können wir den WEA/<br />
WEC-Schaden reproduzierbar erzeugen<br />
und haben auch Schwellenwerte für Belastungskombinationen<br />
ermittelt. Ich denke,<br />
dass die neuen Forschungsarbeiten hinsichtlich<br />
der Identifizierung von Vorstufen<br />
der WEA/WEC-Bildung, die wir in Zusammenarbeit<br />
mit der FVA fortführen sehr<br />
vielversprechend sind, um das Phänomen<br />
grundlegend zu verstehen. z<br />
6 <strong>antriebstechnik</strong> 1-2/<strong>2018</strong>