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Interview<br />
22<br />
Rein in die Komfortzone<br />
Joachim Saukel gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Laufschuhkauf<br />
Ist Dämpfung wirklich weniger wichtig? Und Führung sogar<br />
out? Joachim Saukel gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen<br />
zum Laufschuhkauf.<br />
Früher waren Schuhe da, um Läufer bei Bedarf zu korrigieren.<br />
Vor allem die sogenannte Überpronation sollte eingeschränkt<br />
werden. Warum wird die Stütze im Schuh immer<br />
unwichtiger?<br />
Moderne Laufschuhe werden immer stärker nach modernen<br />
Erkenntnissen der Biomechanik konzipiert. Das wirkt sich<br />
häufig so positiv auf den Bewegungsablauf und damit auf die<br />
Pronationsbewegung aus, dass eine Pronationsstütze – also<br />
ein härteres Material im Bereich der Mittelsohle – häufig nicht<br />
mehr notwendig ist. Mittlerweile stellen sich sogenannte neutrale<br />
Schuhmodelle besser in der Laufanalyse dar als bisherige<br />
Stabilschuhe. Aus diesem Grund werden heute noch mehr<br />
Neutralschuhe verkauft, als das noch vor ein paar Jahren der<br />
Fall war.<br />
Mittlerweile gilt: Der Schuh soll sich dem Laufstil seines<br />
Trägers optimal anpassen. Wie funktioniert das?<br />
Es gibt unterschiedliche Laufstile – im Kern sind das der Fersen-,<br />
Vorfuß- und der Mittelfußlaufstil. Je nachdem, welchen<br />
Laufstil ich bevorzuge, setze ich den Fuß und damit den<br />
Schuh im ersten Bodenkontakt an einer anderen Stelle auf.<br />
Dementsprechend muss sich das gewählte Schuhmodell biomechanisch<br />
anpassen. Das funktioniert beispielsweise durch<br />
unterschiedlich angepasste Flexkerben an der Außensohle<br />
und durch eine entsprechende Geometrie der Zwischensohle.<br />
Manche Hersteller entkoppeln die Ferse oder segmentieren<br />
die Sohle des Schuhs. Die Kunst des Laufschuhberaters liegt<br />
nun darin, den richtigen Schuh für den entsprechenden Laufstil<br />
zu finden und nicht den Laufstil dem Schuh anzupassen.<br />
Dabei ist eine gut durchgeführte laufbandanalyse (am besten<br />
von hinten unter Einbeziehung der Hüfte) in Kombination mit<br />
einer zweiten Kamera von der Seite sehr hilfreich. Mit dieser<br />
Methode erreiche ich das beste Ergebnis. In der Bewegungsund<br />
Laufstilanalyse bevorzugen wir den „Mittelfußlaufstil“ –<br />
also einen flachen Fußaufsatz. Es hat jedoch keinen Sinn, seinen<br />
persönlichen Stil umzustellen, wenn der Läufer keinerlei<br />
verletzungsbedingte Probleme hat.<br />
Experte Joachim Saukel<br />
Inhaber von Laufsport Saukel in<br />
Kempten und Bewegungsanalytiker<br />
im hauseigenen Lauflabor.<br />
„Wir sind Teil der Lex-Laufexperten<br />
und innerhalb unseres<br />
Einkaufsverbundes Sport 2000 Teil<br />
der Lauf-Profis“, sagt Saukel. Beide<br />
Gruppen bieten beste Beratung<br />
und ein umfangreiches Sortiment.<br />
Neue Studien zeigen, dass Dämpfung keinen Einfluss auf<br />
die Verletzungshäufigkeit hat. Wozu braucht ein Laufschuh<br />
überhaupt Dämpfung?<br />
Entscheidend ist das richtige Maß an Dämpfung. Noch vor<br />
zwei bis drei Jahren haben viele Läufer auf Schuhe mit null<br />
Dämpfung gesetzt, sogenannte Barfußschuhe. Dieselben<br />
Läufer sind heute in Schuhen mit extrem dicken Sohlen und<br />
damit extremer Dämpfung unterwegs – oder orientieren sich<br />
mittlerweile wieder an einem gesunden Mittelmaß. Manche<br />
bevorzugen einen sehr weichen Schuh, wieder andere einen<br />
direkteren, härteren Schuh. Häufig entscheidet das Lauftempo<br />
über das Maß an Dämpfung – der schnellere Läufer zieht<br />
meist ein härteres Modell vor. Der Läufertyp ist das Entscheidende.<br />
Andere Studien haben übrigens ergeben, dass eine<br />
Dämpfung möglichst nah am Fuß – zum Beispiel durch eine<br />
Einlegesohle – sehr wohl einen entscheidenden Faktor auf die<br />
Verletzungshäufigkeit bei Läufern hat. Richtig ist, was dem<br />
Läufer guttut.<br />
Wenn Einlagen die Verletzungshäufigkeit reduzieren können<br />
– wie finde ich die passende Einlage?<br />
Das Interessante daran ist, dass in dieser Studie herausgefunden<br />
wurde, dass die Art der Einlegesohle (ob härter oder weicher),<br />
welche die Probanden als am komfortabelsten empfunden<br />
haben, individuell völlig unterschiedlich ausgefallen ist.<br />
Jedoch hat sich die jeweils individuell am angenehmsten empfundene<br />
Sohle am positivsten in Bezug auf die Verletzungshäufigkeit<br />
ausgewirkt. Das heißt: ausprobieren und testen.<br />
Grundsätzlich gilt: eine Einlegesohle – egal ob maßangefertigt<br />
oder eine handelsübliche – muss immer eine Komfortverbesserung<br />
darstellen.<br />
Warum ist der komfortabelste Schuh der beste für mich?<br />
Und: Für wen gilt das überhaupt?<br />
Die Studie von Professor Benno Nigg hat gezeigt, dass das<br />
subjektive Fußgefühl des Läufers ein entscheidender Faktor<br />
ist, dessen Berücksichtigung die Verletzungs- und Beschwerdehäufigkeit<br />
um bis zu 50 Prozent reduzieren kann. In der Praxis<br />
heißt das: einen Schuh, den der Läufer als nicht komfortabel<br />
empfindet, sollte er bei der Auswahl außen vor lassen.<br />
In unserer Beratung kristallisieren sich häufig am Ende zwei<br />
Modelle als die geeigneten heraus. Die richtige Entscheidung<br />
ist dann, auf dass komfortabelste Modell zu setzen. Einer der<br />
wichtigsten Leitsätze bleibt: „If there is no problem,don‘t fix<br />
it.“ Wo sich kein Problem darstellt, sollte auch nichts korrigiert<br />
werden.<br />
Laufschuhe sollen den Läufer unterstützen, sich so zu bewegen,<br />
wie es der Körper möchte. Welcher Schuh kann das<br />
überhaupt?<br />
Der „preferred movement path“, also der bevorzugte Bewegungsablauf<br />
des Gelenks, bleibt nach den Untersuchungen<br />
von Professor Nigg immer gleich. Nach dieser These darf ein<br />
guter Laufschuh nicht entgegenwirken, sondern soll dem Fuß