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MEDIAkompakt 23: Exit

Die Zeitung aus dem Studiengang Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart

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2/2018 GESELLSCHAFT<br />

31<br />

Youth Revolt<br />

Die sechziger Jahre in London. Die Gesellschaft ist an Konformitäten gewöhnt, an perfekten<br />

Glam-Rock von David Bowie und den Beatles. Die Hippie-Bewegung ist auf ihrem Zenit. Stellen<br />

wir uns vor, man ist ein Teenager aus einer Familie der unteren Mittelschicht, will unbedingt<br />

dazugehören, doch das Establishment verweigert einem all das. Diese Frustration war der<br />

zündende Funke des Punks.<br />

VON HANNAH DÜSER<br />

Der Grundstein<br />

in Form der ersten<br />

Bands wurde<br />

in New York gelegt<br />

(The Sonics,<br />

Patti Smith Group), erst in<br />

London wurde Punk zu der<br />

Bewegung, die wir heute<br />

kennen. Der englische Begriff<br />

Punk bedeutet wörtlich<br />

„faulendes Holz“ und bezeichnete<br />

bei Shakespeare Prostituierte<br />

und Homosexuelle. Es<br />

sollte das Unnütze ausdrücken,<br />

das die Jugendlichen in sich<br />

sahen. In der Musikszene erlangte<br />

der Begriff an Bedeutung,<br />

als der Gitarrist der Patti Smith<br />

Group den amerikanischen<br />

Garagen-Rock der 1960er damit<br />

beschrieb.<br />

In der britischen Musikszene<br />

taucht der Begriff dank der<br />

Journalistin Caroline Coon auf,<br />

die die jungen englischen Rockbands<br />

wie die Sex Pistols, The Clash<br />

und The Damned so bezeichnete. Bands,<br />

deren Musik vielen Teenagern aus der Seele<br />

sprach. Denn diese hegten einen Groll gegen<br />

Institutionen aller Art und das Klassensystem in<br />

England. Pop und Rock waren gesellschaftlich<br />

akzeptiert, es gab kaum Alternativen, mit denen<br />

sich Jugendliche identifizieren konnten. Die<br />

Antwort darauf: Von der Szene für die Szene.<br />

Eigenkreation lautete die Devise. Aller<br />

Konformismus wurde verachtet, Dilettantismus<br />

wurde gefeiert. Qualität war nicht mehr gefragt,<br />

sogar unerwünscht.<br />

Unvollkommene, beinahe dreckige Ausführung<br />

war die Essenz der Punk-Bewegung.<br />

Rebellion hieß, sich abzugrenzen, deshalb wurde<br />

das eigene Leiden und der Zustand der Welt zum<br />

zentralen Inhalt des Gegenstatements. Kritik am<br />

System musste nicht mehr konstruktiv sein, der<br />

Ausschluss aus der Gesellschaft war Grund genug<br />

sich zu äußern. Hässlichkeit war die Antwort auf<br />

den elitären Lebensstil, inklusive exzessivem<br />

Drogen- und Alkoholkonsum. Auf den Konzerten<br />

wurde nicht friedlich mitgeklatscht, sondern<br />

wütend Pogo getanzt, das Publikum verwandelte<br />

sich in einen eingeschworenen Mob, der seinen<br />

Cover des Albums „Never Mind the Bollocks, Here‘s the Sex Pistols“ (1977)<br />

Frust gemeinsam loswerden wollte.<br />

Punk-Bands, das Sprachrohr der Szene,<br />

mussten sich bald einem Interessenkonflikt<br />

stellen. Die Anti-Alles-Einstellung ließ sich<br />

schlecht mit dem kommerziellen Interesse<br />

vereinen, Musik zu verkaufen und Gewinn zu<br />

machen. Der Erfolg machte es vor allem den Sex<br />

Pistols unter ihrem Manager Malcolm McLaren<br />

schwer. Dass sie zu Idolen wurden, war so gar<br />

nicht mit dem Nonkonformismus des Punk zu<br />

kombinieren. Ihre Songs „Anarchy In The UK“<br />

und „God Save The Queen“ rückten Punk in den<br />

Blick der Öffentlichkeit. Neue Punk-Bands<br />

wurden gegründet (The Clash, Stiff Little Fingers).<br />

In der zweiten Hälfte der 1970er entwickelten sich<br />

erste Subgenres des Punks: Anarcho Punk (Cross,<br />

Conflict), Streetpunk (Sham96, Blitz) und<br />

Horrorpunk (Misfits).<br />

Die Siebziger Jahre<br />

Während in den 70er Jahren New Wave noch<br />

ein Synonym für Punk Rock war, wurden daraus<br />

später unterschiedliche Musikstile. Es war die<br />

weniger radikale Alternative für Mitglieder der<br />

Szene, die nicht nur brachiale Drei-<br />

Akkorde-Songs hören wollten, die den<br />

Weltschmerz beklagten. Punk Rock<br />

wurde in Groß- britannien (Joy Division,<br />

The Cure), in Amerika (Blondie, Suicide)<br />

und hierzulande als „Neue Deutsche<br />

Welle“ bekannt (Fehlfarben, Einstürzende<br />

Neubauten). New Wave machte<br />

Punk, zum Missfallen der Szene,<br />

salonfähig. In den 90er Jahren begann<br />

das einende Fundament gemeinsamen<br />

Frusts Risse zu zeigen und<br />

letztendlich fast zu zerbrechen. Der<br />

Stil der Punk-Szene wurde zur<br />

Jugendmode, die politischen<br />

Forderungen und krassen Statements<br />

wurden weniger, Bands wie<br />

The Offspring wanderten vom<br />

Untergrund in den Mainstream.<br />

Aktive oder Ex-Punks fühlten sich<br />

der Szene nicht mehr zugehörig<br />

und suchten deshalb Zugehörigkeit<br />

bei anderen Gruppen, wie<br />

den Autonomen oder der Antifa.<br />

Punk verkam zu einer Art<br />

Dachmarke neuer Stile, denen die alte<br />

Radikalität abhan- dengekommen war. Beispiele<br />

dafür sind Grunge (Nirvana, Pearl Jam), aber auch<br />

Stile aus der Surfer- und Skater-Szene (Green Day,<br />

The Offspring). Heutzutage bezeichnet man<br />

Musik ab Ende der 90er Jahere etwas umstritten als<br />

Pop-Punk, darunter fallen neben blink182 auch<br />

Green Day und Paramore.<br />

Zeitloses Konzept der Unangepasstheit<br />

Dieses Phänomen der Vermischung ist auch<br />

heute immer noch aktuell in der Punk-Szene. Sie<br />

gehören zum Straßenbild der europäischen<br />

Großstädte und die Straßenpunks sind den<br />

Wurzeln der Szene noch am nächsten. Doch das<br />

jugendliche Unverstandensein und der Wunsch<br />

sich abzugrenzen, finden sich mittlerweile bei so<br />

vielen Subkulturen, dass eine Zusammenführung<br />

der verschiedenen Lager beinahe unvermeidbar<br />

ist. Den Kern des Punks findet man in jeder dieser<br />

Subkulturen: das sagen zu dürfen, was<br />

man sagen will.<br />

„Punk Rock should mean freedom, liking and<br />

accepting anything that you like. Playing<br />

whatever you want. As sloppy as you want. As<br />

long as it‘s good and it has passion.”<br />

– Kurt Cobain

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