Magazin Personalwirtschaft 01/2018
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SPECIAL COMPENSATION & BENEFITS<br />
„Am Ende des Tages zeichnet<br />
ein Grading-System auch eine<br />
Landkarte der Macht; eine<br />
Stellenneubewertung ist eine Art<br />
Restrukturierungsprozess, weil<br />
Vergütung die Personalkosten und<br />
-planung massiv beeinflusst.“<br />
Dr. Alexander Insam, Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />
Rechtsanwalt, Partner und CHRO, KPMG Law<br />
Geld oder Leben?<br />
Bei den klassischen Benefits präferieren die Mitarbeiter Firmenhandy (97 Prozent),<br />
Firmenwagen (93 Prozent), Homeoffice (90 Prozent) und betriebliche Altersvorsorge<br />
(90 Prozent). Mit Abstand folgen dann Zuschüsse zur Gesundheitsvorsorge (60 Prozent).<br />
Die Betriebs-Kita liegt auf dem letzten Platz mit 27 Prozent.<br />
Bei den innovativen Nebenleistungen rangieren temporäre Arbeitszeitregelungen<br />
(94 Prozent), anlassbezogene Freistellungen (83 Prozent) und kostenlose Snacks/Getränke/<br />
Abendessen (57 Prozent) auf den vorderen Plätzen. (Quelle: Kienbaum und Capital, Studie<br />
Innovative Benefits, 2<strong>01</strong>7)<br />
Arbeitgeber verstärken ihre Angebote der Nebenleistungen in Bezug auf die Flexibilisierung<br />
der Arbeitszeit, IT-Ausstattung, Work-Life-Balance und Wellness/Health. (Quelle: HKP-Group,<br />
Trendmonitor Nebenleistungen, 2<strong>01</strong>7)<br />
in der Regel nicht die unmittelbare Benachteiligung das<br />
Problem darstellen, sondern vielmehr die mittelbare<br />
Benachteiligung. Ihr dringender Rat: Vergütungsprozesse<br />
und Bewertungsverfahren müssen auf den Prüfstand.<br />
Die Banken haben bereits Erfahrungen mit einer neuen<br />
Regulation vor sieben Jahren gemacht, als sie in Reaktion<br />
auf die Finanzmarktkrise mit gesetzlichen Regeln<br />
der Institutsvergütungsverordnung konfrontiert wurden.<br />
Womit zunächst keiner rechnete: Es entstanden sinnvolle<br />
personalpolitische Impulse. Für viele Verantwortliche<br />
und Mitarbeiter war der Wegfall der diskretionären<br />
Boni und gleichzeitig die verzögerte Auszahlung<br />
von variabler Vergütung, das sogenannte Deferral,<br />
zunächst „eine Horrorvision“. Bankenberater und<br />
Arbeitsrechtler Alexander Insam von KPMG Law konnte<br />
„einen hohen Leidensdruck und große Abwehrbewegungen“<br />
beobachten. Wie sollte im Einzelfall weiterhin<br />
gerecht vergütet werden? In der Folge haben viele Institute<br />
die Regulierung allerdings als Chance begriffen,<br />
alte Strukturen aufzubrechen und „eine personalpolitisch<br />
sinnvolle Diskussion um Performance und Motivation<br />
zu führen“. Heute seien erste Vergütungssysteme<br />
entstanden, von denen das Business profitiere, „gerade<br />
weil das Thema Zielvereinbarungen aufgewertet wurde<br />
und konkrete, nachhaltige Zielvereinbarungen zu<br />
mehr unternehmerischem Denken bei Führungskräften<br />
und Mitarbeitern führen“.<br />
Spagat zwischen Zahlen und Kultur<br />
Ob interner oder externer Compensation- und Benefit-<br />
Berater – eine breite Expertise, Marktwissen und analytische<br />
Fähigkeit sind unabdingbare Voraussetzungen für<br />
sein Wirken. Doch Vergütung ist ein Aspekt, der sich<br />
nicht von der Unternehmenskultur trennen lässt. „Ein Stellenbewertungssystem<br />
ist keine rein technische Analyse“,<br />
betont Ian Karcher von Aon Hewitt. Oftmals sei es ein<br />
sehr politisches Thema, welcher Mitarbeiter welcher<br />
Klassifizierung zugeordnet wird. „Machtgefüge können<br />
sich verändern, da müssen wir sensibel vorgehen.“ Compensation<br />
& Benefits fängt für den Berater schon beim<br />
Hiring an. Was zahlt ein Arbeitgeber einem IT-Spezialisten?<br />
Wenn der Bewerber keinen Uni-Abschluss vorweisen<br />
kann, sieht der mit dem Pay-Band-System verlinkte<br />
Grade beispielweise nur ein Jahresgehalt 50 000<br />
Euro vor. Aber der Bewerber kann auf dem Arbeitsmarkt<br />
80 000 bis 100 000 Euro realisieren, wenn er über das<br />
Internet seine Skills transparent macht. Das setze Arbeitgeber<br />
unter Druck. „Hier fehlt es an Dynamik in deutschen<br />
Unternehmen, zudem der Betriebsrat eine solche<br />
Abweichung nach oben blockieren kann.“<br />
Auch wenn die Berater nicht in ein bestehendes Stellenbewertungssystem<br />
eingreifen, sondern ein Vergütungssystem<br />
neu designen beziehungsweise aufstellen, „sind<br />
sie immer gleichzeitig Kulturberater und Mediator, da<br />
Konflikte vorprogrammiert sind“, definiert Alexander<br />
Insam, KPMG Law, die Rolle. Denn: „Am Ende des Tages<br />
zeichnet ein Grading-System auch eine Landkarte der<br />
Macht.“ Mit zwei verschiedenen Schnittstellen: zum Vergütungssystem<br />
und zum Performance Management. Die<br />
Ursache: Die Bewertung einer Stelle tangiert immer den<br />
entsprechenden Stellenplan und wirft die Frage auf, wie<br />
viele Grades im Geschäftsbereich X sinnvoll und finanzierbar<br />
sind. Dies führt automatisch zum Faktor Arbeitsmenge<br />
und provoziert die Frage, wie viele Mitarbeiter für<br />
die Aufgabe Y notwendig sind, erläutert Arbeitsrechtler<br />
Isam. Daher greifen Vergütungsberater in den Status quo<br />
ein: In einem Unternehmen mit einer Stellenneubewertung<br />
erfolgt „eine Art Restrukturierungsprozess, weil<br />
Vergütung nicht nur die Personalkosten, sondern auch<br />
die Personalplanung massiv beeinflusst“.<br />
Also lieber die Finger davonlassen? Scheut HR das hochpolitische<br />
und konfliktbelastete Thema Stellenwertungssystem?<br />
Eher nicht, in den meisten Unternehmen treibt<br />
es HR voran. Grading ist zwar typischerweise immer<br />
verknüpft mit Vergütungsthemen, aber es geht um mehr.<br />
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