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Magazin Personalwirtschaft 01/2018

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BLICK VON AUSSEN<br />

Kennzahlen wie giftige Pilze<br />

Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass HR-Kennzahlen hilfreich sein können.<br />

Aber Personaler dürfen sich nicht hinter den Zahlen verstecken.<br />

VON PETER KREUZ<br />

u „Miss es oder vergiss es!“, sagt der Meister zum<br />

Lehrling. „Was du nicht messen kannst, kannst<br />

du nicht lenken“, sagt Management-Guru Peter<br />

Drucker. „Was man messen kann, das existiert“,<br />

sagt Max Planck.<br />

Also wird in Unternehmen gemessen, was messbar<br />

ist – und was nicht messbar ist, wird messbar<br />

gemacht. Wie giftige Pilze überwuchern die Kennzahlen<br />

jeden Winkel des Unternehmens und<br />

erzeugen die Illusion der Kontrolle. Im Personalwesen<br />

beispielsweise werden Kennzahlen erdacht<br />

wie die Know-how-Träger-Quote, die Quote der<br />

Mitarbeiterentwicklungsvereinbarungen, die<br />

Anzahl der eingereichten Verbesserungsvorschläge<br />

je Mitarbeiter, die Entsendungs- und<br />

Rückkehrquote oder die Fluktuationsrate.<br />

Man kann all das bis zur letzten Kommastelle rechnen, in mannigfaltigen<br />

Korrelationen, Medianen oder Standardabweichungen<br />

abbilden und tagesaktuell aufbereiten. Nur: Was sagt es dann<br />

aus? Ein Beispiel: Was bedeutet der Faktor „Fluktuationsquote“?<br />

Dass die Mitarbeiter zufrieden sind? Unzufrieden sind? Dass<br />

sie keine Alternativen haben? Dass die Klugen gehen und die<br />

Schwachköpfe bleiben? Oder umgekehrt? Dass die Mitarbeiter<br />

nicht mobil sind? Dass dem Unternehmen frisches Blut fehlt?<br />

Was soll man jetzt mit den Messdaten, Quoten, Kennzahlen<br />

anfangen? Sind sie Entscheidungsgrundlage? Sind sie entscheidungsrelevant?<br />

Welche Antworten haben Sie damit bekommen?<br />

Und welche eben nicht? Und: Welche Frage haben Sie damit gar<br />

nicht erst gestellt?<br />

Die Praxis des Messens geht von der Objektivität von Zahlen aus.<br />

Doch das ist Unfug. Denn Zahlen sprechen nicht zu uns – wir müssen<br />

sie interpretieren. Es sind also vielmehr wir, die zu den Zahlen<br />

sprechen. Freud soll gesagt haben: „Wer nach dem Sinn fragt,<br />

ist krank.“ Aus der Sicht eines zahlenfixierten Personalwesens ist<br />

das genauso. Denn letztlich besteht der „Sinn“ des ganzen Messens<br />

darin, täglich Zahlenberge zu produzieren. So wird das Messen<br />

zum Selbstzweck, der enorme Ressourcen verschlingt und<br />

alle nicht messbaren Aspekte in den Hintergrund drängt.<br />

Foto: Sebastian Weindel<br />

„Initiative durch<br />

Kennzahlen?<br />

Leidenschaft durch<br />

finanzielle Zielgrößen?<br />

Ein Witz!“<br />

Gefährlich ist auch die Überzeugung, man könne<br />

Menschen mit Zahlen motivieren. Da wird<br />

dann als Ziel eine prozentuale Quote aufgerufen,<br />

woran wiederum Belohnungs- und Anreizsysteme<br />

gekoppelt werden, damit die zu erreichenden<br />

Zahlen in Fleisch und Blut übergehen<br />

und jede Minute des Arbeitslebens darauf ausgerichtet<br />

ist. Das bedeutet nichts anderes, als Menschen<br />

zu konditionieren, nur noch die Dinge zu<br />

tun, die messbar und planbar sind und belohnt<br />

werden können. Wer wird dann noch kreativ<br />

und innovativ sein? Originell und experimentierfreudig?<br />

Agil und risikobereit?<br />

Hinzu kommt, dass die Dinge, die in der Zukunft<br />

– die heute schon begonnen hat – zum entscheidenden<br />

Wettbewerbsvorteil werden, nur schwer<br />

oder gar nicht messbar sind! Wie wollen Sie beispielsweise<br />

messen, wie kreativ und originell die von einem Mitarbeiter<br />

gewählte Problemlösung ist? Durch ein innerbetriebliches<br />

Komitee? Durch eine Casting-Jury? Durch einen standardisierten<br />

Fragebogen? Durch eine datenbasierte Analyse via Stochastiksoftware?<br />

Die Tagesleistung in Form von Stückzahlen des<br />

Akkordarbeiters ist leicht messbar; Kreativität, Engagement und<br />

Leidenschaft sind es nicht. Letztere sind aber genau die Dinge, die<br />

dazu beitragen, dass Ihr Unternehmen auch in Zukunft noch im<br />

Markt mitspielen kann.<br />

Die besten Talente stellen sich auf der Suche nach einem Job, der<br />

sie begeistert, völlig andere Fragen: Gibt es in diesem Unternehmen<br />

überhaupt Ziele außerhalb des Erreichens der Zahlen? Will<br />

ich in einem solchen Unternehmen arbeiten? Und: Habe ich dort<br />

die Chance, mit meiner Arbeit einen Unterschied zu machen?<br />

Beginnen Sie also nicht damit, Dinge zu messen, die es gar nicht<br />

wert sind, gemessen zu werden. Fragen Sie sich lieber, welche Dinge<br />

es überhaupt wert sind, getan zu werden.<br />

p<br />

DR. PETER KREUZ unterstützt Führungskräfte dabei, in einem Umfeld von Digitalisierung,<br />

Disruption und Komplexität erfolgreich zu navigieren. Er hält weltweit Vorträge, ist<br />

Sparringspartner für CEOs und unterstützt Start-ups.<br />

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