E_1929_Zeitung_Nr.080
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nicht? Ich lernte diese Art der Fesselung von.<br />
einem Matrosen. Im Gefängnis. Er meinte, es<br />
könne mir einmal von Nutzen sein. »<br />
Machtlos sass der gewaltige Mann. Er erwiderte<br />
nichts, und mit ruhiger Stimme fuhr der<br />
Fremde fort: « Nun, du erwartetest miph wohl nicht,<br />
wie? Glaubtest, vor mir sicher zu sein? Meintest,<br />
ich sässe noch im Kottor, nicht wahr ? Und du<br />
würdest nie mehr von mir hören ? »<br />
Er schritt zu dorn anderen hin und riss dessen<br />
Hemd auf, soweit das Seil es zuliess. Eine lange<br />
Narbe sass auf der haarigen Brust.<br />
« So nah am Herzen und doch so weit. Nun<br />
— nun bin ich klüger. Mir blieb das Jahr im Kotter,<br />
darüber- nachzudenken. Hatte schon lange Sehnsucht,<br />
dich wiederzusehen. Dies aber war die erste<br />
Gelegenheit zur Flucht. Schiessen ist schliesslich<br />
doch recht kindisch. Diesmal habe ich ein nettes,<br />
sauberes Verfahren mit dir vor, Jem. ><br />
< Diesmal wirst du dafür hängen,» knurrte der<br />
andere.<br />
« Dafür hängen ? Deinetwegen hängen ? 0 nein,<br />
Jem! Bestimmt nicht! Nicht deinetwegen! Lohnte<br />
der Mühe nicht, Jem! Diesmal aber hatte ich mehr<br />
Glück. Ist es nicht seltsam, dass du ganz allein<br />
warst? Nicht seltsam, dass dein Blockhaus so weit<br />
ab vom "Wege liegt? Viel Zeit wird vergehen, ehe<br />
deine Männer aus der Stadt zurückkommen. Du<br />
schwitzest, nicht wahr, Jem ? »<br />
Der gewaltige Mann wollte die Arme heben. Doch<br />
als er sich reckte, zog die Schlinge sich fester um<br />
seinen Hals. So sass er denn still und beobachtete.<br />
« Reizend, mich wiederzusehen, Jem, nicht wahr?<br />
Du vergisst einen Freund doch nicht? Selbst wenn<br />
du ihm sein Weib gestohlen hast. Sitzest du nicht<br />
bequem in dem alten Lehnstuhl? Nun, in diesem<br />
Jammertal geht nicht immer alles nach Wunsch.<br />
Wie lang ist es her, seit es hier zum letztenmal<br />
regnete? Dem trockenen Boden nach würde ich auf<br />
sechs Monate schliessen. »<br />
Er trat an die Holzwand und klopfte daran.<br />
• Das gibt Zunder. Du müsstest vor Feuer auf der<br />
Hut sein. Bist du versichert, Jem? Nein? Das<br />
tut mir aber leid. Das solltest du aber unter allen<br />
Umständen. Gibt es hier noch einen Ausgang?<br />
Nein? Nur diese eine Tür? Gut, gut! Da fällt<br />
mir eben ein: Hast du nicht irgendwelche alte Zei-<br />
glaube ich, nur eine Nervenangelegenheit.»<br />
Nun war die Kanne leer. Schwer war die Luft<br />
tungen? Ich mag so gern leichte Lektüre. Auch im Raum vom Geruch des Petroleums. Der Fremde<br />
meine. Frau. Sie las immer von Rittern und dergleichen.<br />
Muss dich rein irrtümlich für einen gestumpf.<br />
Ihn nahm er und stellte ihn nieder, so<br />
sah um sich. Sein Blick fiel auf einen Kerzenhalten<br />
haben, nicht wahr, Jem? Und du entführtest dass der Docht ein oder zwei Zoll über dem Papier<br />
stand.<br />
sie, sobald du mit deinen durchschossenen Rippen<br />
aus dem Spital entlassen wurdest. Armes, schwaches « Nun ist alles in Ordnung. Dir bleibt genügend<br />
Zeit, über das Schicksal nachzudenken, das<br />
Weib. Nun, sie wird nicht Not leiden, solange<br />
noch Männer in Australien leben. »<br />
dir bevorsteht. Und mir wiederum genügend Zeit,<br />
Still sass der mächtige Mann mit dem Seil um noch fortzumachen. Ich werde deinetwegen nicht<br />
den Hals. Seine Muskeln spannten und strafften<br />
sich. Sein Antlitz war fahl, die Hände aber purpurn.<br />
Denn das Seil hatte den Blutkreislauf unterbunden.<br />
« Nun, Jem, wo sind <strong>Zeitung</strong>en? Du scheinst<br />
dir nicht vor Augen zu halten, dasss ich schon<br />
seit einem Jahr keine <strong>Zeitung</strong> sah. Was ist dies ? ><br />
Unter dem Tisch zog er eine Kiste hervor. Sie<br />
enthielt viele Nummern der c Brisbane Press ».<br />
«Recht so, Jem. Nicht auffahren. Das geht<br />
ausgezeichnet. Was steht hier? Blutige Tragödie.<br />
:.. Plötzlicher Tod. .. Täter unauffindbar ... ><br />
Er teilte die Blätter, zerknüllte sie leicht und<br />
schichtete einen Haufen auf den Boden. Begann<br />
vor dem Stuhl und baute zu beiden Seiten längs<br />
der Wand einen Berg aus Papier.<br />
«Wie Schneefelder auf blauen Bergen,» murmelte<br />
er zerstreut. «Fürchte nichts, Jem. Der<br />
Schnee wird schmelzen, wenn der Sommer kommt.<br />
Wo ist deine Petrollampe ? ><br />
Der riesenhafte Mann mussto Zeit gewinnen,<br />
wenn auch jede Minute jahrhundertelange Qual<br />
barg.<br />
« Im Schuppen draussen, > sagte er.<br />
Den Kopf zur Schulter geneigt, beobachtete ihn<br />
der andere. Belustigt blitzten seine Augen.<br />
« Nein, Jem, » sagte er, « so geht das nicht. Du<br />
lehnst es ab, dich angeregt mit mir zu unterhalten,<br />
und plötzlich sagst du doch, wo die Lampe ist, wenn<br />
ich danach frage. Nein, Jem! 0 nein ! ><br />
Er schritt hinüber und schlug den gewaltigen<br />
Mann mit der flachen Hand ins Gesicht. Da Jem<br />
wankte, zog die Schlinge sich enger. Schnitt nun<br />
ins Fleisch.<br />
« Nun, wo ist sie, Jem ? ><br />
Keine Antwort. Da schlug der Fremde ihn wieder<br />
ins Gesicht.<br />
< Dort unter der Pritsche. »<br />
« Schlechter Ort für feuergefährliche Dinge, Jem.<br />
Doch du warst immer ein Narr. »<br />
Er nahm die Kanne, entkorkte sie und bespreagte<br />
das Papier freigebig mit Petroleum.<br />
«Das wird wie ein Wikingerbegräbnis,» sagte<br />
er. « Weisst du, was das ist, Jem ? Nein? Du<br />
warst eben immer ein ungebildeter Mensch, nicht<br />
wahr, Jem? Starb ein Wiking, so wurde er auf<br />
seinem Schiff verbrannt. Wurde brennen! ins<br />
Meer hinausgetrieben. So arg wird es nicht sein,<br />
bis du erst tot bist, gewiss nicht.»<br />
< Um Christi willen, mach' ein Ende! >, stöhnte<br />
der Mann im Sessel. «Warum tötest du mich<br />
nicht, damit alles vorbei ist ? ><br />
Er rang um Zeit; je mehr er den Fremden glauben<br />
machte, dass er leide, um so länger würde jener<br />
die Qual hinauszögern.<br />
Und jeden Augenblick musste Judy eintreffen.<br />
« Nun, nun, Jem! Ich hatte eine bessere Meinung<br />
von dir. Kannst du nicht, was dir widerfährt,<br />
hinnehmen wie ein Christ? Das alles ist,<br />
hängen. Nein, ich werde fortgehen, weit, weit fort,<br />
werde untertauchen und meinen Namen ändern.<br />
Natürlich ist auch ein wenig Gefahr dabei. Doch<br />
die ist leider in solchen Fällen nicht zu vermeiden.<br />
Zweifellos aber wirst du zugeben müssen, dass ich<br />
mich als Mann von Erziehung benehme. Nicht<br />
wahr, Jem? Und ich lasse dir die Wahl: Du<br />
kannst dich erdrosseln, ehe das Papier Feuer fängt.<br />
Mir ist es gleich. »<br />
Heiss von Leidenschaft schlug des Mannes<br />
Stimme um: «Du kannst dich erdrosseln oder du<br />
kannst verbrennen. Konntest mir wohl mein Weih<br />
nehmen, doch...»<br />
Und plötzlich war er wieder so eingelernt ruhig<br />
KUHLSCHRANKE<br />
••<br />
••<br />
SERVEL<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1929</strong> — N° 80<br />
wio vorher* « Ganz wie in guten, alten Tagen,<br />
nicht wahr, Jem? Da wurde immer zur Weihnachtszeit<br />
ein ganzer Ochse gebraten. Immerhin,<br />
das wäre noch zu bedenken.»<br />
Er betrachtete den Mann im Sessel, mass dessen<br />
Entfernung von der Kerze. « Gewiss, » sagte er, « es<br />
wäre für dich unmöglich, die Kerze auszublasen,<br />
nicht wahr? Trotzdem möchte ich dich gern ein<br />
wenig knebeln. »<br />
Vom Tisch nahm er ein altes Tuch und trat<br />
zu Jem.<br />
« Oeffne den Mund, > sagte er, « das tut nicht<br />
weh. Oeffne den Mund, sonst fahro ich dir wieder<br />
in den Kopf, Bruder. »<br />
Als der andere gehorchte, schob er ihm den<br />
Knebel in den Mund. Dann neigte er sich, entzündete<br />
die Kerze, straffte sich. Ging zur Tür,<br />
verneigte sich höflich vor dem Opfer und schritt<br />
rasch hinaus. Als sich die Tür schloss, hörte Jem<br />
einen leisen Signalpfiff. Nochmals tönte er, -während<br />
draussen der Fremde stehen blieb. Hufschlag<br />
klang längs der Strecke. Steigbügel klirrten. Eine<br />
Frauenstimme, der ein Mann antwortete, durchschnitt<br />
die Stille.<br />
«Nein, kein Mensch daheim, Madame. Ich<br />
hatte geschäftlich hier zu tun, doch keine Seele<br />
ist im Hause. »<br />
Der Mann im Sessel trachtete zu schreien. Doch<br />
das grobe Tuch stak ihm hinten im Halse und das<br />
Seil lag eng um seinen Nacken. Schrie er, so regte<br />
er sich, und regte er sich, so musste er ersticken.<br />
Ersticken, während sich das Mädchen draussen des<br />
Mannes erwehren musste.<br />
Wieder Steigbügelklirren. Das Pferd stob im<br />
Galopp davon und ganz kurz noch hallten des Fremden<br />
Schritte. Dann war es still.<br />
Machtlos sass der gewaltige Mann. Schweiss<br />
troff von seinem Gesicht. Unsagbar schmerzten ihn<br />
die Glieder. Noch aber gab es eine Hoffnung: Er<br />
hatte Judy in die Richtung der Stadt traben gehört.<br />
Möglich, dass sie auf dem Rückweg hier einkehrte.<br />
Möglich auch, dass sie kam, ehe noch die<br />
Kerze bis auf das Papier niedergebrannt war. Der<br />
Stumpf hier brannte wohl noch über eine Stunde.<br />
Plötzlich öffnete sich die Tür. Doch niemand<br />
stand draussen — sie war nicht fest geschlossen gewesen.<br />
Kein Laut drang herein, nur das Summen<br />
von Insekten, die durch die brütende Hitze schwirrten.<br />
Gemächlich brannte die Kerze. Ein blauer<br />
Schein war inmitten der Flamme.<br />
Unfähig, den Schmerz seiner Glieder länger tragen<br />
zu können, versuchte er, sich ein wenig zu<br />
regen. Wieder schnürte das Seil seinen Hals. Er<br />
sass ganz still. Fiel dann in Ohnmacht.<br />
Ihm war, als müsse er ersticken. Enger noch<br />
drückte das Seil. Nur mühsam konnte er atmen.<br />
Das Wachs der Kerze war nun bis auf das Papier<br />
niedergebrannt. Noch aber war die Flamme hell<br />
und leuchtete, ohne zu flackern.<br />
In weiter Ferne hörte er ein Pferd auf der<br />
Strecke. Es machte halt. Judy hielt bei der Schmiede.<br />
Nun ritt sie wohl nach rechts, auf das Blockhaus<br />
zu. Leiser Signalpfiff. Dann ein zweiter. Nun<br />
trabte das Pferd. Sie ritt nach links. Er hörte<br />
sie vorbeireiten. Leise klang der Hufschlag durch<br />
die Stille. Und verstummte.<br />
Luftzug drang durch die offene Tür. Die Kerze<br />
flackerte, brannte jedoch ruhig wie zuvor. Ein<br />
zweiter leichter Stoss. Da griff die Flamme auf<br />
das Papier über. (Neue Freie Presse.)<br />
Im Auto durch<br />
Ein gefährlicher Cocktail.<br />
Einem Gast des «Hotsy-Totsy»-Nachtklubs,<br />
der in New York in der Nähe des<br />
Broadway gelegen ist, schmeckte sein Cocktail<br />
nicht. Eine Auseinandersetzung mit dem<br />
Mixer folgte, die in eine Pistolenschlacht<br />
ausartete. Frauen und Männer, die sich im<br />
Lokal befanden, retteten sich schreiend auf<br />
die Strasse. Als die Polizei am Tatort erschien,<br />
fand sie nur noch zwei Tote in ihrem<br />
Blute und Kugelspuren an der Wand.<br />
Die sportliche Mode.<br />
Der Stadtrat von Rio de Janeiro hat bemerkt,<br />
dass viele Sportleute, vornehmlich<br />
Fussballer, ohne viel Federlesens im Sporttenu<br />
in ihr Auto stiegen und so von zu Haus©<br />
nach dem Sportplatz fuhren. Die Herren von<br />
der Regierung fanden daran offenbar wenig<br />
Geschmack, denn jedenfalls veröffentlichten<br />
sie ein Dekret, wonach jeder Autofahrer wenigstens<br />
einen Kragen und eine Krawatte zu<br />
tragen habe.<br />
Wie es scheint, war es also da unten bald<br />
Gewohnheit geworden, hemdärmelig spazieren<br />
zu gehen, was entschieden beweist, dass<br />
die Sportleute einen weit grösseren Sinn für<br />
das Praktische haben als die Herren vom<br />
Gesetz.<br />
Das umstrittene Pferd.<br />
Die soeben bekanntgewordenen Pläne für<br />
das Reiterstandbild, das die englische Nation<br />
dem Andenken des Marschalls Haig errichten<br />
will, haben in London einen Sturm<br />
des Protestes hervorgerufen. Militärs,.<br />
Pferdefreunde und Künstler der verschiedenen<br />
Schulen erklärten einmütig, das Modell<br />
sei unmöglich. Nie habe es ein solches Pferd<br />
gegeben wie jenes, auf das der Marschall<br />
gesetzt werden soll, ausser etwa in den<br />
Phantasien Epsteins, und nie hätte Lord Haig<br />
ein solches Pferd geritten, wenn es Gott<br />
geschaffen hätte. Dieser Stimmung leiht<br />
Lord Robert Baden-Powell, der seit dem<br />
grossen Pfadfinderfest im Mittelpunkt der<br />
allgemeinen Aufmerksamkeit steht, öffentlich<br />
Ausdruck, indem er erklärt: «Ich hofie, ehe<br />
das Standbild zur Ausstellung gelangt, wird<br />
man Personen konsultieren, die wissen, was<br />
ein Perd ist und die Haig gekannt haben.*<br />
Ein bekannter Bildhauer äussert sich: «Die<br />
Figur passt gerade für den Sockel einer alten<br />
Salonuhr.» Und Major Toms von der Remontensektion<br />
des Kriegsministeriums fügt<br />
hinzu: «Nie würde ein Einkäufer der Armee<br />
ein solches Pferd anschauen — und das hat<br />
man für Lord Haig ausgesucht!»<br />
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