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E_1935_Zeitung_Nr.068

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Bern, Freitag, 23. Augast <strong>1935</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue " No. 68<br />

3)ex ta&tQieaetfkauch am Sltum<br />

Zu diesem ausserordentlich wichtigen und<br />

vielseitigen Thema sind uns zwei verschiedene<br />

Aeusserungen zugegangen, die wir<br />

beide unseren Lesern unterbreiten wollen,<br />

da darin einerseits der Wissenschaftler,<br />

anderseits der praktische Arzt zum Worte<br />

kommt.<br />

Herr Prof. Dr. Walter Frey, Bern,<br />

Direktor der medizinischen Universitätsklinik,<br />

den wir um einen Beitrag gebeten haben,<br />

schreibt dazu :<br />

Muskuläre Energie verbraucht der Rennfahrer<br />

wohl, bei Bedienung der Bremsen,<br />

äem Festhalten des Steuers, dem ganzen<br />

Kampf des Körpers um die Aufrechterhaltung<br />

der Gleichgewichtslage; belastet wird<br />

aber doch in ganz besonderer Weise das<br />

Nervensystem.<br />

Auge und Ohr, mitunter auch das Geruchsorgan,<br />

werden mitgenommen ; weniger die<br />

äusseren Teile dieser Sinnesapparate, als die<br />

zugehörigen Gehirnabschnibte. Eine Brille<br />

schützt nicht nur vor Bindehautreizungen,<br />

sie bewahrt auch die zentralen Apparate des<br />

Gehirns vor zu starker Belastung und Ermüdung.<br />

Abgesehen von diesen einfachem nervösen<br />

Vorgängen sind dann die sogenannten höheren<br />

nervösen Leistungen beim Fahren sehr<br />

beansprucht:<br />

In erster Linie<br />

die Aufmerksamkeit.<br />

Bewusst und unbewusst wird die Empfindlichkeit<br />

für optische, akustische, aber auch<br />

taktile Reize gesteigert. Die Sinnesorgane<br />

werden in höchster Bereitschaft gehalten<br />

auf alle Eventualitäten eingestellt, unter auffälliger<br />

gleichzeitiger Unterdrückung anderer<br />

Erregungen. Wie immer bei Höchstleistungen<br />

so arbeitet der Körper auch hier<br />

mit nur einigen wenigen Organen, unter<br />

Steigerung der Blutzufuhr und optimalem<br />

Ausgleich zwischen diesen die Leistung ermöglichenden<br />

Körperabschnitten, während<br />

andere Organgebiete ruhiggestellt erscheinen.<br />

Die gesamten Kräfte werden gewissermassen<br />

konzentriert und dem zu erreichenden<br />

Zweck untergeordnet. Der Wille zu einer<br />

Höchstleistung befähigt den Körper zu<br />

einer äusserst komplizierten, differenzierten<br />

Handlung, deren einzelne Glieder vom Bewusstsein<br />

unabhängig auf das feinste abgestimmt<br />

doch das Bild einer wunderbaren<br />

Zuasmmenarbeit ergeben. Ein unbeugsamer,<br />

starker Wille ist für das Zustandekommen<br />

einer derartigen Reaktionsweise Voraussetzung,<br />

eine maximale nervöse Anspannung,<br />

wie sie allerdings in ihrer Einseitigkeit wie<br />

durch die lange Dauer des Vorganges besonders<br />

leicht zur Erschöpfung führen kann. Die<br />

gesamten Energievorräte des Körpers werden<br />

wohl optimal zweckmässig verteilt, es<br />

wird eine Auslese getroffen zwischen wichtigen<br />

und unwesentlichen Organleistungen, gerade<br />

diese Isolierung und Sonderbeanspruchung<br />

einzelner nervöser Gebiete führt aber<br />

leicht zur Ermüdung.<br />

Neben dem sofortigen Sehen neu auftauchender<br />

Objekte, dem Hören von Defekten<br />

an der Maschine, von aussen kommenden<br />

Schalleindrücken und dem Fühlen von Aenderungen<br />

der Steuerleistung selbst ist dann<br />

das Reaktionsvermögen<br />

des Körpers, die Geschwindigkeit zu sofortiger<br />

Abwehr, von ausschlaggebender Bedeutung.<br />

Automatisch, reflexartig kommt die<br />

Gegenhandlung zustande. Ein gutes Training,<br />

Erfahrung und Erlebnisse schleifen die Bahnen<br />

aus, auf denen die Impulse nach der Peripherie<br />

laufen, um die Muskulatur zu zweckmässigen<br />

Gegenaktionen zu veranlassen. In<br />

gleicher Weise wie der Körper zur Erreichung<br />

des gesteckten Ziels als Einheit funktioniert<br />

und die gesamten Organe dem einen<br />

Zweck unterstellt werden, so arbeiten auch<br />

bei Abwehr einer Gefahr die einzelnen Gehirnteile<br />

unter sich und mit der Peripherie,<br />

durch Nervenstränge verbunden, als funktioneile<br />

Einheit. Der Atem wird beschleunigt,<br />

die Herztätigkeit gesteigert, der Körper verstärkt<br />

die Zufuhr von Sauerstoff, füllt die<br />

zur Muskulatur hinziehenden Blutbahnen,<br />

spannt bestimmte Muskelgruppen und erschlafft<br />

andere, alles automatisch, nur von<br />

dem einen Willensimpuls in Szene gesetzt.<br />

Man spricht bei Geistesstörungen von geordnetem<br />

und ungeordnetem Verhalten, hier sehen<br />

wir das ordnende Prinzip des Organismus<br />

in seiner höchsten Entfaltung. Man<br />

spricht auch von dem kategorialen Verhalten<br />

eines Menschen, die Fähigkeit zu gruppieren,<br />

Wesentliches von Unwesentlichem zu<br />

unterscheiden, bei der Bewertung von Ursa-<br />

Asphalt-Kocher.<br />

Auch die Strasse hat ihre «Romantik». Unserem P hotographen ist es gelungen, diese braungebrannten<br />

Gestalten -während ihrer krafterfordernden Arbeit im Bilde festzuhalten.<br />

chen gewissermassen die Hauptfigur sich gegen<br />

den Hintergrund abheben zu lassen; bei<br />

der Ueberwindung gefährlicher Situationen,<br />

wie sie sich bei einem Rennen in jedem Moment<br />

einstellen können, werden an die charakterlichen<br />

Qualitäten dieser Art die höchsten<br />

Anforderungen gestellt. Rasches Handeln<br />

muss mit richtiger Beurteilung kombiniert<br />

sein. Erkennen ohne die Fähigkeit zu<br />

zweckmässiger Handlung ist ebenso untauglich<br />

wie das Umgekehrte. In solchen Momenten<br />

kommen das eigentliche Wesen, die Güte<br />

der Gesamtstruktur des Organismus, Leib<br />

und Geist als funktionelle Einheit zu machtvoller<br />

Auswirkung.<br />

Die Zeichen<br />

der Uebermüdung<br />

äussern sich in verschiedenster Weise, nicht<br />

nur das direkt betroffene Nervensystem, auch<br />

die Muskelkraft und die Muskelleistung selbst<br />

werden in Mitleidenschaft gezogen.<br />

Es kommt zur Erschwerung der Reizperception.<br />

Man sieht nicht mehr so scharf, die<br />

Distanzen werden nicht mehr richtig geschätzt,<br />

die Bewegungen entgegenkommender<br />

Objekte unrichtig gedeutet, man hört<br />

schlechter oder falsch und hat die normale<br />

Feinfühligkeit für taktile Erregungen eingebusst.<br />

Dazu kommt die Verlangsamung der<br />

zur Ueberwindung des Hindernisses nötigen<br />

Gegenaktion. Und weiterhin eine Abwehrhandlung,<br />

deren geordneter Charakter gelitten<br />

hat. Der bei guter Verfassung von selbst<br />

bestehende zweckmässige Ausgleich zwischen<br />

Willen und Handlung einerseits, das<br />

Zusammenspielen der einzelnen Muskelgruppen,<br />

der einzelnen Glieder, das zweckmässig<br />

zugeordnete Eingreifen von Atmung und<br />

Herztätigkeit, alle diese Regulationsfnechanismen<br />

spielen weniger vollkommen. Die zuletzt<br />

eingeübten, am feinsten differentierten<br />

Handlungen versagen zuerst, Willensäusserungen<br />

und willkürliche Aktionen eher als<br />

automatisch eingefahrene Bewegungen. Einzelne<br />

Reize bekommen ein Uebergewicht über<br />

andere und werden zu stark bewertet und in<br />

unzweckmässig starker Weise beantwortet.<br />

Die fein abgestuften Bewegungen, wobei des Schalthebels und des Lenkrades. Dass<br />

Kontraktionen und Erschlaffungen von Muskelgruppen<br />

in zweckmässiger Weise kombi-<br />

schon daraus hervor, dass ausgesprochen<br />

dies keine grosse Anstrengung bedeutet, geht<br />

niert erscheinen, machen gröberen Handlungen<br />

Platz. Räumlich und auch zeitlich er-<br />

den gestellten Anforderungen vollkommen zu<br />

schwache Damen und sogar gewisse Krüppel<br />

scheint der Reizerfolg verbreitert. Einmal gereizte<br />

Teile verharren lang im Zustand der an Muskelkraft wäre höchstens noch zu er-<br />

genügen vermögen. Ausser diesem Verbrauch<br />

Erregung, die Anpassungsfähigkeit an neu wähnen, dass ein längeres Sitzen zu einem<br />

ankommende Reize leidet, das Individuum ist «Einschlafen der Füsse», zu Anzeichen eines<br />

rasch wechselnden Situationen gegenüber Muskelkrampfes oder zu einer gewissen Müdigkeit<br />

in der Kreuzgegend führen kann.<br />

Diese Erscheinungen sind aber von keiner<br />

Bedeutung, um so mehr als sie sich mit<br />

Leichtigkeit wieder vertreiben lassen. Ein<br />

paar Schritte Gehen oder einige wenige<br />

gymnastische Uebungen reichen meistens aus,<br />

um diese Unannehmlichkeiten sofort zum<br />

Verschwinden zu bringen. Dass der Fahrer<br />

selbstredend bequem und zweckmässig sitzen<br />

muss, die Sitzstellung seiner Grosse angepasst<br />

sein muss und ein Kissen im Rücken<br />

das Lenken oft sehr erleichtert, sei nur nebenbei<br />

erwähnt.<br />

Nicht gar so einfach liegen die Verhältnisse<br />

für den Führer eines<br />

Lastwagens oder schweren Autocars.,<br />

In diesen «Giganten der Landstrasse»<br />

ist es um den Komfort und die Abfederung<br />

oftmals schlechter bestellt; die Bedienung<br />

der Hebel verlangt eine gewisse<br />

Dosis Muskelkraft und das Lenkrad überträgt<br />

oft Rückschläge, die in den Unebenheiten<br />

der Strassen ihren Ursprung haben<br />

und welche die Arm- und Handmuskeln oft<br />

sehr rasch ermüden. Das Fahren solcher<br />

Fahrzeuge verlangt zahlreichere und längere<br />

Zwischenhalte, als dies beim Personenwagen<br />

der Fall ist.<br />

Viel stärker als die eigentliche körperliche<br />

Beanspruchung fällt der Verbrauch an geistiger<br />

Spannkraft in die Waagschale. Jeder<br />

Augenblick verlangt vom Fahrer eine konzentrierte<br />

Aufmerksamkeit, die sich durch<br />

keinen unvorhergesehenen Umstand ablenken*<br />

lässt. Jede geringste Ablenkung, sei sie auch<br />

noch so kurz, kann tragische Folgen nach<br />

sich ziehen. Das Geheimnis der Fahrsicherheit<br />

liegt in erster Linie darin, dass der Fahrer<br />

imstande ist, seine Gedanken und Reflexe<br />

vollständig auf die Verkehrsverhältnisse einzustellen,<br />

denen er auf seiner Fahrt begegnet.<br />

— Dass eine solche Konzentration die<br />

geistige Spannkraft stark beansprucht und zu<br />

Ermüdungserscheinungen Anlass gibt, lässt<br />

sich nicht bestreiten. Selbst eine langjährige<br />

Routine, welche eine gewisse automatische<br />

Betätigung der Denkreflexe mit sich bringt,<br />

kann den Anforderungen des modernen Verkehrslebens<br />

nicht genügen. Wenn auch diese<br />

Erfahrung die Arbeit des Fahrers ganz bedeutend<br />

zu erleichtern vermag, so kann doch<br />

jeden Augenblick irgend ein unvorhergesehener<br />

Zwischenfall eintreten, der sich allein<br />

durch kaltblütiges Ueberlegen bewältigen<br />

lässt. Blosse Routine reicht in einem solchen<br />

Fall nicht mehr aus.<br />

nicht mehr gewachsen. Schliesslich geht, wie<br />

ich oben schon bemerkte, die Muskelkraft<br />

selbst der Spannungszustand der Muskulatur<br />

unter dessen Führung jede Bewegung<br />

steht, zurück.<br />

Dies sind einige Bemerkungen ärztlicher<br />

Art zu dem mir von der Redaktion dieses<br />

Blattes gestellten Thema. Eigentlich sollte<br />

man alles, worüber gesprochen wurde, selbst<br />

erlebt haben, erst dann könnte ein solcher<br />

Aufsatz den Anspruch erheben, in jeder Hinsich<br />

richtig zu sein. Die Leser mögen mich<br />

also ruhig korrigieren und belehren. Die<br />

Darstellung würde an Wert gewonnen haben,<br />

wenn ich gleich hätte mitteilen können, in<br />

welcher Weise z.B. unsere berühmten Rennfahrer<br />

zu ihrer hohen Qualifizierung gekommen<br />

sind. Es fehlt in dem Artikel gewissermassen<br />

das Kapitel über die Therapie, über<br />

die Behandlung aufgetretener Mängel, es<br />

fehlen die Vorschläge für eine zweckmässige<br />

Lebensführung, ein dem Zweck angepasstes<br />

geistiges und körperliches Training vor der<br />

Leistung. Auf diese Fragen vermag ich z. Zt.<br />

leider keine Antwort zu geben. Vielleicht<br />

kann ich später einmal darauf zurückkommen,<br />

wenn die den Teilnehmern dieses Rennens<br />

zugeschickten Fragebögen von ihnen,<br />

wie erwartet, in freundlicher Weise beantwortet<br />

sind.<br />

Herr Dr. Rene Quillermin, Genf,<br />

weiss als prakt. Arzt folgendes zum nämlidhen<br />

Thema zu sagen:<br />

Wer je seinen Wagen über grössere Etappen<br />

geführt hat, weiss, dass nach einer gewissen<br />

Zeit Ermüdungserscheinungen auftreten,<br />

deren Entstehen ganz einfach auf einen<br />

entsprechenden Energieverbrauch zurückzuführen<br />

sind, und zwar wirkt sich dieser in<br />

zwei verschiedenen Richtungen aus: Einerseits<br />

durch Beanspruchung der Muskelkraft,<br />

anderseits durch Schwächung der geistigen<br />

Spannung.<br />

Zwar ist beim Fahren die Beanspruchung<br />

unserer Muskulatur eine geringe; sie beschränkt<br />

sich auf das Bedienen der Pedale,<br />

Ein paar Beispiele<br />

mögen das Gesagte illustrieren:<br />

Ein gewissenhafter Fahrer kommt mit seiner<br />

Familie in massigem Tempo von einem<br />

Ausflug zurück; um den Hut auf die hintere<br />

Sitzbank zu legen, dreht er sich für einen<br />

Augenblick rückwärts; der Wagen fährt<br />

übers Strassenbord hinaus. — Einem Neuling<br />

fliegt eine Biene in die Limousine herein; es<br />

entsteht Aufregung und Ablenkung; der Wagen<br />

fährt eine Telegraphenstange entzwei. -<br />

Diese wenigen Beispiele zeigen, wie die kleinste<br />

Unaufmerksamkeit auch den vorsichtigsten<br />

und erfahrensten Lenker unter Umständen<br />

in einen Strassengraben hineinführen<br />

kann. Diesen Gefahren sind natürlich sowohl<br />

der Anfänger wie auch der unvorsichtige und<br />

gleichgültige Fahrer in noch weit stärkerem<br />

Masse ausgesetzt.<br />

Das Nachlassen der geistigen Spannkraft<br />

macht sich durch verschiedene Symptome<br />

bemerkbar: Einmal wird es schwieriger, sich<br />

zu konzentrieren; zweitens beginnen öfters<br />

die Augen zu blinzeln, drittens fangen die<br />

Arm- und Beinbewegungen an, eckiger, hastiger<br />

und sprunghafter zu werden. Alle diese<br />

Erscheinungen sind für den vorsichtigen<br />

Chauffeur Anzeichen, dass er doppelt Acht<br />

geben muss. Sie sind äusserst zuverlässige<br />

Warnungszeichen und sollten jeden Fahrer<br />

veranlassen, seinen Wagen für einige Augenblicke<br />

anzuhalten.<br />

Wie kann nun der Fahrer den Wagen so<br />

zu beherrschen lernen, dass er seiner Sache<br />

sicher ist? Die Kontrolle und Pflege der Nerven<br />

bildet in der allgemeinen Hygiene ein

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