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E_1935_Zeitung_Nr.101

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äumig und weist glatte Linien sowie einen<br />

grossen Kofferraum auf. Glauben Sie, diese<br />

Wagen hätten den Beifall des englischen Kritikers<br />

gefunden? Nein, derzeit sagt man noch,<br />

die Form und Ausführung sei « unenglisch ».<br />

Wie die Verkaufserfolge sein werden, kann<br />

man noch nicht beurteilen. Vielleicht setzt sich<br />

bei dem so praktisch veranlagten Engländer<br />

das Praktische trotz aller Traditionsgefühle<br />

doch rascher durch, als man dies jetzt noch<br />

annimmt<br />

Es bedarf keiner näheren Ausführung, dass<br />

!n vielen Fällen sich die gewünschte Einstellung<br />

des Publikums durch eine geeignete Reklame<br />

erzielen lässt. Wenn aber etwas « seiner<br />

Zeit» vorauseilt, dann kann es objektiv<br />

roch so gut sein, es wird immer an dem Unverstand<br />

der Zeitgenossen zugrunde gehen.<br />

Das ist vielleicht für den, der sich ganz als<br />

passiver Teil des Publikums fühlt, ein hartes<br />

Wort. Jeder Verständige hingegen wird trachten,<br />

an der Gestaltung seiner Zeit mitzuwirken<br />

und zu diesem Zwecke jeder Sache wirklich<br />

auf den Grund zu gehen.<br />

Konstrukteur und Verkaufschef.<br />

Der Vertreter des Publikums innerhalb des<br />

einzelnen Werkes ist der Verkaufsleiter. Er<br />

muss ein feines Gefühl für alle Wünsche und<br />

Regungen der Kaufsinteressenten besitzen.<br />

Viele Wagen verdanken ihre Art mehr dem<br />

Verkaufsleiter als dem Konstrukteur. Denn<br />

was nützt es, noch so gute Automobile zu<br />

bauen, wenn sie nicht verkauft werden können?<br />

Wer hinter die Kulissen zu sehen vermag,<br />

weiss, dass die Ansichten des Konstrukteurs<br />

und des Verkaufsdirektors sehr selten<br />

ganz übereinstimmen; oftmals gehen sie sogar<br />

sehr, sehr weit auseinander. Der Direktionsrat<br />

gibt dann meist dem Verkaufsdirektor recht.<br />

Das Publikum entscheidet.<br />

Das Publikum hat es demnach weitestgehend<br />

in der Hand, die Konstruktionsrichtung<br />

seiner Zeit zu bestimmen. Zwar ist es<br />

nicht Sache des Publikums, zu konstruieren<br />

und zu erfinden; wenn die Konstrukteure<br />

Unfruchtbar und ideenlos sind — dies tritt<br />

merkwürdigerweise epochenweise auf —,<br />

dann kann das Publikum diesem Zustand<br />

nicht ein Ende bereiten. Hingegen haben es<br />

die Käufer in der Hand, einer Neukonstruktion<br />

zum Durchbruch zu verhelfen, wie es<br />

auch der genialsten Konstruktion das Grab<br />

schaufeln kann.<br />

Daraus entsteht eine allgemein viel zu wenig<br />

beachtete Mitverantwortung jedes einzelnen<br />

Automobilisten. Es ist daher auch von<br />

höherem Gesichtspunkte zu fordern, dass sich<br />

der einzelne jene Grundkenntnisse verschafft,<br />

die es ihm ermöglichen, eine richtige Stellungnahme<br />

zu den zahlreichen Fragen des jeweiligen<br />

neuzeitlichen Autobaues zu beziehen.<br />

(Fortsetzung folgt.)<br />

Immer noch rückläufiger<br />

Autotourismus.<br />

Die ununterbrochene Aufwärtsbewegung<br />

des internationalen Autotourismus in der<br />

Schweiz bis Ende 1934 hat massgebend zur<br />

Ueberzeugung beigetragen, unser Land übe<br />

auch ohne Ausbau des Alpenstrassennetzes<br />

nach wie vor eine unwiderstehliche Anziehungskraft<br />

auf die ausländischen Besucher<br />

aus. Diese Auffassung mochte solange ihre<br />

Berechtigung haben, als die Schweiz für<br />

viele Automobilisten noch Neuland darstellte.<br />

Dabei übten auch die weltbekannten Namen,<br />

wie Gotthard, Simpion, Grosser St.<br />

Bernhard oder Julier, einen nicht zu unterschätzenden<br />

Anreiz aus. Die Stellung unseres<br />

Landes im internationalen Fremdenverkehrskonkurrenzkampf<br />

der Strasse mochte auch<br />

solange noch obenaufschwingen, als unsere<br />

Nachbarstaaten, durch die Kriegslasten allr<br />

zusehr benachteiligt, nicht in der Lage waren,<br />

ihr eigenes Alpenstrassennetz den neuzeitlichen<br />

Erfordernissen anzupassen. Nachdem<br />

aber sowohl Italien als auch Frankreich,<br />

Deutschland und nicht zuletzt das arme<br />

Oesterreich die Bedeutung des internationalen<br />

Autotourismus als Kardinalproblem für<br />

ihren Fremdenverkehr erkannten, wurde Versäumtes<br />

mit Riesenschritten einzuholen versucht.<br />

Von der richtigen Ueberlegung ausgehend,<br />

dass als Anziehungsfaktoren in erster<br />

Linie die landschaftlich bevorzugten Gebirgsgegenden<br />

in Betracht kämen, legte man vor<br />

allem das Hauptgewicht auf den Ausbau des<br />

Alpenstrassennetzes sowie auf den Neubau<br />

wichtiger internationaler Durchgangsstrassen<br />

im Bereiche der Alpenregion. Die ausländischen<br />

Automobilisten wurden durch das<br />

initiative Vorgehen unserer Nachbarstaaten<br />

immer mehr in die Lage versetzt, den rückständigen<br />

Zustand der schweizerischen Alpenstrassen<br />

mit dem fortschrittlichen Ausbau<br />

des ausländischen Gebirgsstrassennetzes<br />

zu vergleichen, was sich deutlich in der<br />

ungünstigen Verkehrsbilanz des Jahres <strong>1935</strong><br />

für die Schweiz wiederspiegelt. Es sind durchaus<br />

nicht nur krisenbedingte Faktoren, wie<br />

man im Bundeshaus anzunehmen geneigt<br />

scheint, die den Autotourismus im laufenden<br />

Jahr immer mehr abbröckeln Hessen, beweist<br />

doch die mehr als 40prozentige Zunahme<br />

des Besuches ausländischer Automobilisten<br />

in Oesterreich, wie gross die im Automobilismus<br />

noch ruhenden und für unsere<br />

notleidende Hotellerie äusserst wichtigen-Reserven<br />

sind, sofern man diese mit richtig angewendeten<br />

Mitteln zu wecken versteht.<br />

Im Monat November <strong>1935</strong> sind im gesamten<br />

8397 ausländische Automobilisten zu kürzerem<br />

oder längerem Aufenthalt in unser<br />

Land gekommen, gegenüber 8852 in der vorjährigen<br />

Parallelperiode, wie dies aus nachstehender<br />

Zusammenstellung hervorgeht:<br />

Nov. Nov. Nov. Nov.<br />

1932 1933 1934 <strong>1935</strong><br />

Prov. Eintrittskarten 4972 5579 5922 5194<br />

Freipass 607 653 806 1406<br />

Triptyk und Grenzpassierschein<br />

2010 2062 2124 1785<br />

Kontrollschein — — — 12<br />

7589 8294 8852 8397<br />

Durch die November-Minderfrequenz von<br />

455 Wagen steigt der diesjährige Gesamtausfan<br />

auf 18,891 Automobile an. Zweifellos<br />

wird auch der Monat Dezember im Sinne der<br />

bisherigen Entwicklung verlaufen, so dass<br />

für das Jahr <strong>1935</strong> mit einem indirekten Exportverlust<br />

von rund 5 Mill. Franken gerechnet<br />

werden muss. Aeusserlich fällt diese<br />

AUTOMOBIL-REVUE DIENSTAG, 17. DEZEMBER <strong>1935</strong> — N° 101<br />

Summe, im Vergleich zu anderen Fehlbeträgen,<br />

beispielsweise bei den Bundesbahnen,<br />

im Aussenhandel oder auch bei der Alkoholverwaltung,<br />

kaum ins Gewicht. Sie ist aber<br />

für die Stellung der Schweiz als eines bis anhin<br />

wichtigsten Fremdenverkehrsgebietes<br />

sehr symptomatisch, ganz besonders in Berücksichtigung<br />

der im internationalen Auto-<br />

82 45 17<br />

165 76 29<br />

Eine neue Erdölleitung.<br />

In Sowjetrussland ist der Bau der 847 km<br />

langen Erdölleitung von Orsk im Südural<br />

nach dem bekannten Petroleumhafen Astrachan<br />

am Kaspischen Meer beendet worden.<br />

Bei uns aber herrscht grösstenteils die Ansicht<br />

vor, Eiger, Mönch und Jungfrau, Vier-<br />

Farbige Strassen für Nachtverkehr.<br />

In Sheffield werden gegenwärtig Versuche<br />

waldstätter- und Genfersee, Rigi und Schynige<br />

Platte oder Bernina, Interlaken, St. Mo-<br />

mit farbigen Strassendecken angestellt. Es<br />

soll festgestellt werden, ob gewisse Farben<br />

ritz oder Montreux üben nach wie vor auf<br />

die Sicht bei Nacht verbessern.<br />

das gesamte Ausland ihre unentrinnbare Anziehungskraft<br />

aus. Ueber dieser, in falscher<br />

Bisher wurden die besten Farben für den<br />

Nachtverkehr mit rosa Felssplitter sowie mit<br />

Sicherheit sich wiegenden Ansicht, unterstützt<br />

$on festlichen, gross aufgezogenen Motorenbau mit Musik.<br />

gewissen hellen Kieselarten erzielt.<br />

Verkehrskongressen, vergisst man, den Anschluss<br />

an die übrige Welt herzustellen. Mit hat in einigen ihrer Werkstätten den Versuch<br />

Die Standard Motor Company in Coventry<br />

wenigen Ausnahmen liegen heute unsere AIpenstrassen<br />

unter tiefem Schnee begraben. durch Musikbegleitung zu heben. Zunächst<br />

gemacht, die Arbeitslust der Belegschaft<br />

Ueber den finanziellen Schwierigkeiten und wird morgens und nachmittags je eine Stunde<br />

der Bundesbahnmisere liegt auch der von lang ein Programm von Grammophonplatten<br />

über 140,000 Schweizerbürgerri geforderte gespielt.<br />

Ausbau des Alpenstrassennetzes, mit Staub Die Neuerung hat sich so gut bewährt, dass<br />

bedeckt, ebenfalls tief in irgendeiner Departementsschublade<br />

verborgen.<br />

Lärm der Maschinen nicht die Musik über-<br />

die Gesellschaft in allen Räumen, wo der<br />

Rückständigkeit im Ausbau der Alpenstrassen,<br />

ein auf vielen Posten noch übersetztes Auch während der Mittagspause wird retönt,<br />

Lautsprecher anbringen wird.<br />

Preisniveau und die trügerische Hoffnung, gelmässig Musik gespielt, und die Arbeiterschaft<br />

benutzt die Gelegenheit meist zu im-<br />

der Motor des internationalen Fremdenstromes<br />

werde von selbst wieder einmal zu laufen<br />

beginnen, sind die Faktoren, die uns auf<br />

provisierten Tänzen.<br />

die abgleitende Bahn brachten und keineswegs<br />

die von höchster Stelle aus suggerier-<br />

In einem englischen Autotransportunter'<br />

Automatische Bremsnachstellung.<br />

ten Kriseneinflüsse.<br />

nehmen ist eine neue Vorrichtung eingeführt<br />

Vergleichen wir die Entwicklung des worden, durch die das Nachstellen von Bremsen<br />

überflüssig gemacht wird. Die Bremsen<br />

Autotourismus in den ersten 11 Berichtsabschnitten<br />

dieses Jahres, so zeigen nur die stellen sich selbst ein.<br />

Monate Januar und Juni eine höhere Frequenz<br />

im Vergleich zu den vorjährigen Pa-<br />

richtet sich die Stellung der Bremsschuhe<br />

Solange das Bremsfutter aktionsfähig bleibt,<br />

rallelperioden. Alle übrigen Monate rücken nach jeder Abnutzung automatisch ein, so<br />

mit bescheideneren Zahlen auf, so dass sich, dass der Druck stets gleich bleibt. Selbst<br />

wie aus nachstehender Zusammenstellung eine Abnutzung von 0,001 Zentimeter wird<br />

hervorgeht und wie bereits erwähnt wurde, von der Vorrichtung sofort gutgemacht. \<br />

ein Ausfall von 18,891 Einheiten ergibt. Die Nachstellung geschieht überdies bei jedem<br />

Rad unabhängig von den anderen Rä-<br />

1934 <strong>1935</strong><br />

Januar 5 551 6 627 dern, so dass bei ungleichmässigem Abschleifen<br />

des Bremsfutters doch gleichmässige<br />

Februar 6 606 6142<br />

März 9 873 7 891<br />

April 17 686 16 999 Bremskraft erhalten bleibt.<br />

Mai 23 883 14 981<br />

Juni 22 010 26 969<br />

Juli 40 794 39124<br />

August 66 998 63 479 Auf den eigentlichen Grenzverkehr entfallen<br />

im Monat November 877 Wagen, auf<br />

September 38 674 34 645<br />

Oktober 16 321 12 773 den Touristenverkehr 7365 Automobile, während<br />

an Lastwagen deren 155 unsere ver-<br />

November 8 852 8 317<br />

Total 256 918 238 027 schiedenen Grenzstellen passierten. Die Entwicklung<br />

im Verlaufe dieses Jahres zeigt also<br />

Wie sich in den letzten drei Monaten der<br />

internationale Autotourismus in der Schweiz mit aller Deutlichkeit, wie stark die Schweiz<br />

für die einzelnen Länder entwickelt hat, zeigt auch auf autotouristischem Gebiet ins Hintertreffen<br />

geraten ist. Uns allen muss es aber<br />

folgende Tabelle:<br />

Sept Okt. Nov. scheinbar noch viel schlechter gehen, bis wir<br />

Frankreich 19 560 6 282 4 773<br />

Deutschland 7 102 3 309 die Zeichen der Zeit verstanden haben und<br />

1948<br />

Italien 3 901 1 908 1141 endlich mit dem Ausbau der Alpenstrassen<br />

061 251 79 Ernst machen. Man vergesse nicht, dass das<br />

674 332 224 besonders für unsere Hotellerie in Betrachtj<br />

641 168 50 fallende Reisepublikum sich zusehends des<br />

547 114 55<br />

228 89 38 Automobils und nicht der Eisenbahn als Beförderungsmittel<br />

bedient. Die verbilligte<br />

tourismus<br />

denzen.<br />

innewohnenden Ausdehnungsten-<br />

244 83 15<br />

45<br />

Grossbritannien<br />

Oesterreich<br />

Niederlande<br />

Belgien<br />

Nord- und Südamerika<br />

Ungarn, Jugoslawien, Tschechoslowakei,<br />

Polen<br />

Rumänien, Bulgarien, Griechenland,<br />

Albanien<br />

Dänemark, Schweden, Norwegen<br />

Spanien, Portugal<br />

Litauen, Lettland, Estland,<br />

Finnland, U. d. S. S. R.<br />

Afrika<br />

Asien<br />

Australien<br />

26<br />

345<br />

23<br />

1<br />

Total 34 645 12 773<br />

11 1<br />

73 13<br />

16 10<br />

5 1<br />

8 397<br />

stischer<br />

Benzinabgabe war ebenfalls nicht in der<br />

Lage, die andern, unser Land benachteiligenden<br />

Faktoren auszugleichen. Auch im kommenden<br />

Jahr dürfte die rückläufige Bewegung<br />

anhalten, es sei denn, der getrübte politische<br />

Horizont helle sich gewaltig auf oder<br />

aber es gelinge uns, mit andern Mitteln den<br />

Anschluss wieder herzustellen, was aber auf<br />

autotouristischem Gebiete vorläufig als ein<br />

Ding der Unmöglichkeit erscheint, -ray-<br />

kaufen — muss sie dann allerdings behalten,<br />

denn in dieser Hinsicht verstehen die Blasrohrmänner<br />

keinen Spass! Für ebenso viele<br />

Hundezähne vermag man die ganze Sippe zu<br />

veranlassen, ihren Nachbarsstamm zu überfallen<br />

und auszulöschen. Gegen Hundezähne<br />

erlangt man alles in diesem Teile des Sertao.<br />

Wie das zusammenhängt? Bueno! Am<br />

grossen Strom und einigen seiner Zuflüsse<br />

leben Indianer, der Teufel weiss, wie die<br />

Dutzende von Stämmen alle heissen! Und wie<br />

so viele andere s'üd- und zentralamerikanischen<br />

Völkerschaften, wie ja auch afrikanische,<br />

züchten sie Hunde. Teils um sie als<br />

Leckerbissen zu verzehren, teils um die langen<br />

Eckzähne als Schmuck zu tragen.<br />

Hundezähne sind ganz hübsch, besonders<br />

von grossen Tieren! Jaguarzähne haben auch<br />

ihre prachtvollen Reize, aber die Riesenkatze<br />

ist ein gefährlicher Gegner, der noch gute<br />

fünf Minuten, nachdem ihn die kleinen Giftpfeilchen<br />

getroffen haben, imstande ist, alles,<br />

was er erreichen kann, in Fetzen zu zerreissen.<br />

Hundezähne hingegen sind gefahrlos und<br />

im Tauschhandel zu erwerben. Besonders<br />

schöne und grosse, sogar schon durchbohrt,<br />

um sie sofort zu Halsketten und Armreifen<br />

aufzureihen,gibt es im Sertao, seit Kundiger,<br />

europäischer Geschäftsgeist sie erfasste, wie<br />

wertvoll sie hier sind. Schöne, blanke Hundezähne<br />

aus Porzellan, made in Birmingham<br />

oder in Germany, werden kistenweise nach<br />

Brasilien exportiert, um im dunkelsten Urwald<br />

— dort, wo auf den Regierungskarten<br />

nur weisse Flecken sind, weil niemand die<br />

Gegend bisher topographierte — kleine, grinsende<br />

Männer und ihre Frauen zu erfreuen.<br />

Als wir diesen Stamm der Caripunhas im<br />

Urwalde trafen, hatte kein einziger von ihnen<br />

einen Hundezahn. Doch wussten sie von<br />

ihrem Wert, und auch wir wissen jetzt, unser<br />

Leben höher einzuschätzen. Denn haben<br />

wir nicht einen Freund verloren, dort am<br />

Jacinto? Und wissen wir nicht, wie sich die<br />

tödlichen Schmetterlingspfeile, die aus dämmerndem<br />

Urwald kommen, lautlos auf ihre<br />

Opfer senken? Und sind nicht diese Indianer<br />

unberechenbar launisch wie scheue Tiere?<br />

Deshalb öffnen wir die beiden Kisten, in<br />

denen weder Orchideenzwiebeln noch eiserner,<br />

bisher selten berührter Proviant liegen<br />

und verteilen Hundezähne. Hundezähne aut<br />

Porzellan, in Birmingham fabriziert, schmükken,<br />

eng nebeneinander aufgereiht, die braunen<br />

Hälse von Männern und Frauen der Caripunhas.<br />

Sogar manches Baby hat nun einen<br />

einzigen Zahn an seinem pummeligen<br />

Fetthälschen baumeln!<br />

Ein ganzes Kistchen voll fünfhundert,<br />

schneeweisse, künstlicher Hundeeckzähne,<br />

ein richtiges Bankkapital in dieser Gegend!,<br />

haben wir verteilt. Und mit Vergnügen geben<br />

wir jedem Indianer, der noch bettelnd<br />

naht, einen weiteren Hundezahn.<br />

«Cumshaw! Backschisch!» lacht der orientweise<br />

Henderson.<br />

Und wenn wir es nicht täten und die Kiste<br />

mit den porzellanenen Schätzen abschlössen?<br />

Bueno! gestern wollten wir es tun, als ein<br />

Caripunha zu aufdringlich wurde. Da liess<br />

er einfach einen winzigen Pfeil in sein Blasrohr<br />

gleiten, trat etwas zurück und setzte es<br />

an den Mund. Uno, der Indianer, der in den<br />

Siedlungen am Stromgebiet weilte, schlug<br />

das Bambusrohr hoch, und das tödliche Geschoss,<br />

das mich in die Stirn getroffen hätte,<br />

schwirrte unschädlich über meinen Kopf.<br />

Henderson gab dem Mann rasch einen Hundezahn,<br />

und alles löste sich in Wohlgefallen<br />

auf.<br />

Es hätte aber auch anders ausgehen können!<br />

Denn sind die Caripunhas nicht unberechenbare,<br />

merkwürdige Geschöpfe, die<br />

schemenhaft durchs Sertao schleichen, klein<br />

von Gestalt, böse und tückisch an Herz und<br />

Seele?<br />

«Henderson, Sam Henderson, wir wollen<br />

morgen aufbrechen!» Der Amerikaner nickt,<br />

und wir machen uns bereit.<br />

Zwei Kisten, die in ihrem verzinkten, mit<br />

bester Watte gefüllten Innern unsere Pflanzenbeute<br />

beherbergen und noch Raum für<br />

mehr haben; eine gleichartige Kiste, die<br />

Hundezähne enthielt und nun zwei Köpfen<br />

Obdach gibt, und eine noch halbvolle. Ferner<br />

die letzte, die Tee, konservierte Milch, Chinin,<br />

Hartbrot und Verbandzeug enthält — alles<br />

das ist unser Gepäck.<br />

Die drei Indianer nicken stumm, als wir<br />

ihnen erklärten, dass wir das Dorf ihrer<br />

Stammesbrüder mit Sonnenaufgang verlassen<br />

wollen.<br />

Dichter Qualm steigt vom Feuerplatz hoch,<br />

hüllt die baumelnden Hängematten in wallende<br />

Vorhänge. Klatschend fallen braune<br />

Hände auf von Moskitos gepeinigte Körperteile.<br />

Das Sertao hallt und tobt, denn die<br />

Aluates «singen».<br />

Der Preis für Orchideen.<br />

Wieder sind wir seit Tagen im Sertao.<br />

Ah, es ist heiss, wie es in der Hölle sein<br />

muss; in den Hüften sticht es mir, die Brust<br />

röchelt, Schweiss und Wuttränen trüben meinen<br />

Blick. Und wir laufen!<br />

Traben im Gänsemarsch über morastigen<br />

Boden, brechen mit voller Körperwucht durch<br />

seufzende Büsche. Zecken eilen über meinen<br />

blossen Nacken, Grasblutegel baumeln an<br />

meinen Kniekehlen, und der Morast, von den<br />

Füssen des Vordermannes nach rückwärts<br />

geschleudert, klatscht mir stinkend ins Gesicht.<br />

Denn wir rennen! Ganz vorne ist der Indianer<br />

Dos, er stolpert mit seiner Last auf<br />

dem Rücken, tief gebückt, durch Busch und<br />

Gras, biegt um grünbewachsene Bäume. Hinter<br />

ihm läuft Henderson. Machete, Patronengurt<br />

und sein Revolver schwingen und pendeln<br />

zu den heftigen Bewegungen des grossen<br />

Yankees, dem Uno folgt. Und den Beschluss,<br />

taumelnd, wankend, springend und<br />

keuchend, mache ich.<br />

(Fortsetzung folgt.)

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