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E_1936_Zeitung_Nr.043

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Den ausländischen Autotouristen ist<br />

durch die schweizerischen Bundesbehörden<br />

Heil wiederfahren. Obwohl von offizieller<br />

Seite anfangs dieses Jahres festgestellt<br />

worden war, dass die 1935 erfolgte<br />

Einführung des «blauen Benzins», d. h.<br />

des verbilligten Brennstoffes für einreisende<br />

ausländische Autotouristen (herabgesetzter<br />

Verkaufspreis 36 Rappen) für<br />

den Staatsfiskus «erfreulicherweise» (!)<br />

keinen grossen Umfang angenommen<br />

habe, zumal sich die Aufwendungen der<br />

Bundeskasse (« zum Glück », entgegen den<br />

vorher angestellten Kalkulationen, die mit<br />

einer Ausgabe von 5—600 000 Fr. rechneten)<br />

nur auf etwas über 164 000 Fr. beliefen,<br />

hat man nun doch diesen Preis nochmals,<br />

und zwar auf 30 Rappen, reduziert.<br />

Damit erreicht der totale Nachlass rund<br />

30%, d. h. ungefähr gleich viel wie die<br />

Taxherabsetzung der SBB. für ausländische<br />

Gäste.<br />

Mit diesem Schritt glaubt man wohl,<br />

ein Propagandamittel gefunden zu haben,<br />

womit man dem 1935 stark zurückgegangenen<br />

internationalen Automobilreiseverkehr<br />

der Schweiz wieder auf die Beine<br />

zu helfen vermöchte. Man will wohl<br />

damit vornehmlich die Auslandspresse<br />

und die -Clubs bearbeiten und durch diese<br />

Dumpingaktion die ausländischen Autogäste,<br />

welche letztes Jahr zu Tausenden<br />

nach andern Touristikgebieten (Oesterreich,<br />

Italien) abwanderten, der Schweiz<br />

zurückzuerobern versuchen. Ob dies gelingt,<br />

d. h. wie das Ausland darauf reagiert,<br />

wird die Zukunft weisen. Die bisherigen<br />

Erfahrungen haben gezeigt, dass<br />

solche Dumpingaktionen des einen Landes<br />

stets Abwehrmassnahmen der andern<br />

rufen. Und die Mahnungen sind zweifellos<br />

berechtigt, dass solche<br />

Ausverkaufspreise und -Tarife<br />

von Völkerbundsseite aus grundsätzlich<br />

unterbunden und beseitigt werden sollten,<br />

denn sonst leidet schliesslich die gesamte<br />

europäische Verkehrswirtschaft darunter.<br />

Man wird sich daher wohl heute schon<br />

darauf gefasst machen müssen, dass das<br />

schweizerische Vorgehen rasch Nachahmung<br />

findet, wodurch der Nutzeffekt<br />

der ganzen Aktion wieder zunichte gemacht<br />

wird.<br />

Fraglich ist auch, wie die Auslandszeitungen<br />

und -Clubs darauf reagieren. Letztes<br />

Jahr wurde die Preisreduktion nur<br />

ganz vereinzelt in der ausländischen<br />

Fachpresse veröffentlicht; man machte in<br />

Obstruktion, daher auch das unbefriedigende<br />

1935er Ergebnis dieser Aktion.<br />

Dabei haften aber dem neuen Vorgehen<br />

der Bundesbehörden an sich organische<br />

Fehler an. Die Preisreduktion kommt<br />

Ende Mai für die diesjährige Fahrsaison<br />

bereits zu spät. Solche Aktionen müssen,<br />

damit die Propaganda den gewünschten<br />

tomobilistische Fachpresse heute gezwungen<br />

sieht, gegen diesen erheuten Beutezug, den<br />

selbst der vorauszusehende Ruin der gesamten<br />

Automobilwirtschaft nicht aufzuhalten<br />

scheint, energisch Front zu machen. Und auch<br />

als Inhaber von Bürgerbriefen zweiter Klasse<br />

getrauen sich die Benzinkonsumenten, vorerst<br />

einmal die Abklärung der Verantwortlichkeit<br />

für diese Misswirtschaft bei der Eidgenössischen<br />

Alkoholverwaltung zu verlangen, fordern<br />

sie, dass der eidgenössische Alkoholdirektor<br />

den Mut aufbringe oder nötigenfalls<br />

dazu gezwungen werde, seine öffentlich abgegebenen<br />

Versprechen in die Tat umzusetzen,<br />

denn er selbst hat den kantonalen Finanzdirektoren<br />

zugerufen : « Es gilt, ein System,<br />

das durch die technische Entwicklung der<br />

Schnapsbrennerei und die Fiskalpreise der<br />

Alkoholverwaltung grossgezagen wurde, zu<br />

ändern und zu bessern.»<br />

Das 30-Rappen-Benzin • •<br />

ȧber nicht für nns!<br />

^Erfolg haben soll, spätestens anfangs des<br />

Jahres einsetzen. Viele Autotouristen haben<br />

Ende Mai ihre Ferienpläne längst<br />

festgelegt und ändern sie nicht mehr. Ein<br />

grosser Fehler ist es, dass man mit dem<br />

Erfordernis des mindestens dreitägigen<br />

Aufenthaltes in der Schweiz den sehr<br />

interessanten Weekendverkehr zum vornherein<br />

von dieser Vergünstigung ausgeschlossen<br />

hat. Wenig vorteilhaft ist auch<br />

die Beibehaltung der<br />

Begrenzung des Höchstquantums auf 300 I,<br />

wodurch besonders die Besitzer grosser<br />

Wagen, die ja gerade die meisten Gäste<br />

in die Schweiz bringen, ausgeschaltet werden.<br />

Den Bahnen hat man dadurch wiederum<br />

eine Extrawurst gebraten, dass<br />

man den Miet- und Gesellschaftswagen die<br />

Preisvergünstigung vorenthielt. Italien<br />

hatte anfänglich den gleichen Fehler begangen,<br />

hat ihn aber dann rasch eingesehen,<br />

so dass nun dort heute auch Cars<br />

alpins das verbilligte Benzin beziehen<br />

können. Der Gesellschaftswagenverkehr<br />

ist gerade für die Hotellerie derart wichtig,<br />

dass man diese sicherlich nicht zu<br />

unterschätzende Klientele nicht durch<br />

solche untauglichen Massnahmen andern,<br />

einsichtsvolleren Touristikländern zuweisen<br />

sollte. Diese Einschränkungen, die<br />

man bei uns der Abgabe verbilligten Ausländerbenzins<br />

hat angedeihen lassen, sind<br />

ein weiteres Beispiel dafür, wie die zuständigen<br />

Behörden ohne jegliche Konsultierung<br />

der automobilistischen Fachleute<br />

immer halbe Lösungen anbahnen<br />

und so deren Effekt zu einem gewichtigen<br />

Teil illusorisch machen. ',/. v , ; .<br />

Ein neuer Affront gegenüber dem Schweizer<br />

Automobilisten.<br />

Bei den Schweizer Automobilisten wird<br />

diese neue Reduktion des Ausländer-Benzins<br />

sehr gemischte Gefühle auslösen.<br />

Denn schliesslich sind ja sie die Leidtragenden,<br />

die den vollen Zoll zu zahlen<br />

haben. Wenn man berücksichtigt, dass<br />

weit mehr als die Hälfte der Hotelgäste<br />

sich aus Schweizern zusammensetzt, so hat<br />

man durch die Zollerhöhung gerade diesem<br />

Teil des Reiseverkehrs enorm geschadet,<br />

denn man wird.nun aus «Trotz»<br />

um so mehr seine Ferien'ins Ausland verlegen,<br />

das in Bälde mit ebenso billigem<br />

« blauem » Benzin aufwarten dürfte, •<br />

Ob damit dem schweizerischen Gastgewerbe<br />

geholfen ist, dem man gerade mit<br />

dieser neuerlichen Verbilligung unter die<br />

Arme greifen wollte?<br />

Was das Ausland sagt ? Es schwelst!<br />

Und schliesslich noch der moralische<br />

Effekt! Glaubt man wirklich, mit solchen<br />

Aktionen bei den Behörden anderer Staaten<br />

mit touristischem Einschlag besondere<br />

AUTOMOB T L-RE\ r UE DIENSTAG, 26. MAI <strong>1936</strong> — rT* 43<br />

Gegenliebe für die «Schweiz als Reiseland<br />

» zu erwecken? Man täusche sich<br />

nicht; die Reaktion bleibt bestimmt nicht<br />

aus! Vor uns liegt die neueste Nummer<br />

einer der wichtigsten europäischen Automobilzeitungen,<br />

des englischen «Autocar»,<br />

der sieht einer wöchentlichen Riesenauflage<br />

rühmen darf. In dieser Ausgabe vom<br />

22. Mai wird die schweizerische Preissenkung<br />

für das Ausländerbenzin mit keinem<br />

Wort erwähnt, dagegen in einem längeren<br />

Leitartikel, betitelt «Going Foreign» der<br />

Förderung des internationalen Automobilreiseverkehrs<br />

energisch das Wort geredet.<br />

Es finden sich darin auch alle nötigen<br />

Angaben über Zolldokumente etc., ferner<br />

alle wichtigen Hinweise, und zwar in<br />

empfehlendem Sinne für folgende Länder:<br />

France, Germany, Holland, Belgium,<br />

Spain, Austria and Scandinavia, wozu<br />

beigefügt' wird, dass es sich hiebei um<br />

die Länder handle, die den britischen<br />

Es ist nichts Neues mehr, dass die Bundesbahnen<br />

Monat für Monat über einen Rückgang<br />

im Personen- und Güterverkehr zu klagen<br />

haben. Im April sank der Personenverkehr<br />

um rund 500 000 Reisende, und der Güterverkehr<br />

fiel von 1035 162 t im gleichen Zeitabschnitt'des<br />

Vorjahres auf 869 878 t. Gleichzeitig<br />

verminderten sich die Einnahmen aus<br />

dem Güterverkehr von 13382 000 Fr. auf<br />

11047 000 Fr. .<br />

Diese Tatsachen entsprechen der Verschärfung<br />

der Krise und hauptsächlich auch den<br />

Verhältnissen im internationalen Verkehr.<br />

Durch die Abnahme des Verkehrs mit Italien<br />

ist den SBB. im April allein beim Güterverkehr<br />

ein Einnahmenausfall von über 500 000<br />

Franken erwachsen.<br />

Neu ist aber, dass die Bundesbahnen seit<br />

einiger Zeit in jedem Monatsbericht der Automobilkonkurrenz<br />

ein besonderes Sprüchlein<br />

widmen. Diesmal lautet der Vers: «Ferner<br />

war im letzten Monat eine auffallende Verschärfung<br />

der Lastwagenkonkurrenz festzustellen,<br />

idie zweifellos zu dem starken Verkehrs-<br />

und Einnahmenrückgang des Monats<br />

April wesentlich beitrug.»<br />

Wer's glauben tut! • -<br />

Es würde uns sehr interessieren, auf welchen<br />

konkreten Tatsachen diese Feststellung<br />

beruht! Nachdem vor kurzem die Aspa in<br />

einer ausführlichen Eingabe an den Bundesrat<br />

die< Verhältnisse im Lastwagenverkehr als<br />

unhaltbar bezeichnet und darauf hingewiesen<br />

hat, wieviel Transportunternehmen heute vor<br />

dem Ruin stehen, wie jeder Tag in diesen<br />

Kreisen neue Konkurse bringe, berührt es<br />

einigermassen merkwürdig, heute zu vernehmen,<br />

dass die Lastwagenkonkurrenz sich<br />

«auffallend verschärft» habe." Es ist doch<br />

klar, dass unter der Verkehrsschrumpfung,<br />

die nach Ansicht aller Sachverständigen der<br />

Wirtschaftskrise zuzuschreiben ist, nicht nur<br />

die Bahnen, sondern auch das Automobil leiden.<br />

Dass die Tiraden der SBB über die auffällige<br />

Zunahme der Autokonkurrenz aus der<br />

Luft gegriffen sind und jeglicher Unterlage<br />

entbehren, geht übrigens noch aus einer<br />

andern Tatsache hervor. Gerade weil er<br />

über den Umfang und die Struktur des<br />

Güterverkehrs auf der Strasse keine zuverlässigen<br />

Anhaltspunkte besitzt, hat der Bundesrat<br />

ja kürzlich die Durchführung einer<br />

amtlichen, offiziellen Erhebung darüber beschlossen.<br />

Diese Statistik soll einen Beitrag<br />

zur Abklärung der Frage liefern, in welchem<br />

Automobilisten bei einer Reise durch den<br />

Kontinent interessieren. Von Italien natürlich<br />

keine Silbe, ebensowenig aber<br />

auch von der Schweiz. Der Name «Switzerland»<br />

wird vollständig, aber auch vollständig<br />

totgeschwiegen. Und dies in der<br />

grossen, einige Hundert Seiten zählenden<br />

Spezial-«Whitsun Number». Mache sich<br />

dazu jeder seinen Vers selbst!<br />

Die neue Preisreduktion der Schweiz<br />

für Ausländerbenzin ist ein zweischneidiges<br />

Schwert. Sie wäre zu schön, wenn<br />

das Ausland und die Schweizer Automobilisten<br />

nicht zu Gegenaktionen griffen.<br />

Es lässt sich jedoch eher denken, dass der<br />

Bundesrat anfangs 1937 genötigt ist, aufs<br />

neue feststellen zu müssen, dass der Erfolg<br />

der erneuten Preissenkung nicht der<br />

gewünschte war, wozu ja auch, wie oben<br />

betont, die dem System anhaftenden Fehler<br />

in erheblichem Masse beitragen dürften.<br />

V<br />

99Die braune Ziesel kenn ich am Geläut"<br />

Die SBB stellen « auffallende Verschärfung der Lastwagenkonkurrenz » fest!<br />

Mass der Motorwagenverkehr die Strasse<br />

benützt, welchen Grad die Intensität dieses<br />

Verkehrs erreicht, sie soll die Beförderungslänge<br />

der Transporte und die Art der dabei<br />

beförderten Güter feststellen helfen. Sie soll...<br />

ja, aber heute ist es noch gar nicht so weit,<br />

denn unseres Wissens befindet sich die Erhebung<br />

erst im Stadium der Vorbereitung.<br />

Positive Ergebnisse liegen noch nicht vor<br />

und können es auch gar nicht Aber die SBB<br />

können aus durchsichtigen Gründen nicht<br />

warten, bis diese Zählung, welche der<br />

Bundesrat selbst angeordnet hat, durchgeführt<br />

ist. Man kann nie wissen, ob dabei<br />

etwas herauskommt, das ihren Zwecken<br />

und Zielen ungelegen kommt. Also zieht man<br />

fröhlich und unbeschwert gegen das Auto<br />

vom Leder, solange es noch Zeit ist und man<br />

nicht damit rechnen muss, dass einem die<br />

Resultate der Statistik entgegengehalten<br />

werden.<br />

Mit Schimpfiaden ist nichts gewonnen !<br />

Sollte etwa die neue Taktik des Pressedienstes<br />

der Bundesbahnen dem begreiflichen<br />

Wunsche entsprechen, den Boden für eine<br />

parlamentarische Behandlung der Reorganisation<br />

der Bundesbahnen vorzubereiten? Bei<br />

den allerdings sehr bedeutenden Verlusten an<br />

Sympathie, welche die Bundesbahnen nicht<br />

ohne eigene Schuld zu verzeichnen haben —<br />

wird doch die längst fällige Reorganisation<br />

seit Jahren immer und immer wieder hinausgeschoben<br />

— wäre dieses Vorgehen zwar<br />

verständlich. Soeben hat der Bundesrat beschlossen,<br />

den Betrag von 176 Mill. Fr. als<br />

Passivsaldo der Bundesbahn auf neue Rechnung<br />

vorzutragen. Das ist eine Belastung unseres<br />

Staatskredites, die zum Aufsehen mahnt.<br />

Man kann sie aber nicht dadurch aus der Welt<br />

schaffen, dass man bei jedem neuen schlechten<br />

Monatsergebnis der Bundesbahnen erneut<br />

auf die böse Konkurrenz schimpft, sondern<br />

nur dadurch, dass man endlich an eine durchgehende<br />

Reorganisation des Betriebes und der<br />

Verwaltung der Bundesbahnen schreitet. Dass<br />

damit eine Regelung der Verkehrsteilung<br />

Hand in Hand gehen muss, haben auch die<br />

Vertreter der Automobilwirtschaft schon<br />

längst anerkannt. Sie sind bereit, dafür die<br />

Hand zu bieten. Ablehnen müssen sie. jedoch<br />

eine,Stimmungsmache von seiten der Bundesbahnen,<br />

welche ins Blaue hinaus Behauptungen<br />

aufstellen mit dem einzigen Zweck, das<br />

Volk über die wahren Gründe des finanziellen<br />

Misserfolges der Bundesbahnen hinwegzutäuschen,<br />

-ner.<br />

auf diese Weise langsam nach Westen und<br />

legten einen immer grösseren Abstand zwi-<br />

,schen sich und die übrigen Boote in der<br />

Linie. Auf unsern Booten wurden neben den<br />

Segeln auch die Riemen gebraucht. Selbst<br />

die Jäger pullten, und so überholten sie bald<br />

— ich kann es wohl so nennen — den Feind.<br />

Der Rauch der .Macedonia' war zu einem<br />

trüben Fleck an! nordöstlichen Horizont eingeschrumpft.<br />

Vom Dampfer selbst war nichts<br />

zu sehen. Wir hatten uns bis jetzt, teilweise<br />

mit im Winde schlagenden Segeln, treiben<br />

lassen; zweimal hatten wir, mit kurzem<br />

Zwischenraum, beigelegt. Jetzt aber wurde<br />

es anders. Die Segel wurden getrimmt, und<br />

bald hatte Wolf Larsen die .Ghost' in volle<br />

Fahrt gebracht. Wir liefen an unsern Booten<br />

vorbei und hielten auf das erste Luvboot der<br />

andern Linie.<br />

« Runter mit dem Aussenklüver, Herr van<br />

Weyden», befahl Wolf Larsen. «Und halten<br />

Sie sich bereit, den Klüver herüberzuholen<br />

!»<br />

Ich lief nach vorn und hatte den Aussenklüver<br />

eben eingeholt, als wir einige hundert<br />

Fuss in Lee an dem Boot vorbeischössen. Die<br />

drei Insassen betrachteten uns misstrauisch.<br />

Sie wussten, dass sie uns die Jagd verdorben<br />

hatten, und sie kannten Wolf Larsen<br />

jedenfalls dem Namen nach. Ich bemerkte,<br />

wie der Jäger, ein mächtiger Skandinavier,<br />

der im Bug sass, das Gewehr schussbereit<br />

über den Knien hielt — es hätte eigentlich<br />

an der Nagelbank hängen müssen. Als wir<br />

sie gerade hinter unserm Achtersteven hatten,<br />

winkte Wolf Larsen ihnen mit der Hand<br />

zu und rief:<br />

« Kommt zu einem Schwätzchen an Bord.»<br />

.Schwätzchen' bedeutet unter Robbenjägern<br />

soviel wie .Besuch', .Unterhaltung'. Es<br />

bezeichnet die Schwatzlust der Seeleute und<br />

ist in eine angenehme Unterbrechung des<br />

einförmigen Lebens auf diesen Schiffen.<br />

Die ,Ghost' drehte sich in den Wind, und<br />

da ich gerade meine Arbeit vorn beendet<br />

hatte, lief ich nach achtern, um bei der<br />

Großschoot zu helfen.<br />

« Sie sind wohl so freundlich, an Deck zu<br />

bleiben, Fräulein Brewster», sagte Wolf<br />

Larsen, indem er nach vorn schritt, um seine<br />

Gäste zu begrüssen. «Und Sie auch, Herr<br />

van Weyden.»<br />

Das Boot hatte seine Segel eingeholt und<br />

legte sich neben uns. Der Jäger, goldbärtig<br />

wie ein alter Seekönig, kletterte über die<br />

Reling an Deck. Aber trotz seines riesigen<br />

Wuchses konnte er offenbar seine Furcht<br />

kaum verbergen. Zweifel und Misstrauen<br />

zeigten sich deutlich auf seinen Zügen. Es<br />

war trotz seines behaarten Schildes ein offenes<br />

Gesicht, dem man sofort die Erleichterung<br />

ansah, als er Wolf Larsen und mich<br />

sah und sich klar wurde, dass er es mit<br />

zweien zu tun hatte. Unterdessen waren<br />

auch seine beiden Leute an Bord gekommen,<br />

und nun hatte er kaum Grund, sich zu fürchten.<br />

Er überragte Wolf Larsen wie ein Go-<br />

'iath. Er musste wenigstens sechs Fuss und<br />

neun Zoll messen und wog — wie ich später<br />

erfuhr — zweihundertundvierzig Pfund. Und<br />

es war kein Fett an ihm. Alles nur Knochen<br />

und Muskeln!<br />

Sein Argwohn erwachte indessen wieder,<br />

als Wolf Larsen ihn einlud, mit in die Kajüte<br />

zu kommen. Aber ein Blick auf seinen Wirt<br />

beruhigte ihn wieder. War der auch gewiss<br />

ein starker Mann, so erschien er doch neben<br />

diesem Riesen wie ein Zwerg. So schwanden<br />

denn seine Bedenken, und die beiden<br />

stiegen miteinander in die Kajüte hinab.<br />

Seine beiden Leute waren unterdessen nach'<br />

Seemannsbrauch in die Back gegangen, um<br />

dort einen Besuch abzustatten.<br />

Plötzlich ertönte ein entsetzliches Gebrüll<br />

aus der Kajüte, gefolgt von dem Getöse eines<br />

wütenden Kampfes. Der Leopard und der<br />

Löwe kämpften miteinander. Wolf Larsen<br />

war der Leopard.<br />

« Da sehen Sie, wie heilig die Gastfreundschaft<br />

hier gehalten wird >, sagte ich bitter<br />

zu Maud Brewster.<br />

Sie nickte, um zu zeigen, dass sie hörte,<br />

und ich las in ihrem Gesicht, dass sie bei<br />

dem Geräusch des heftigen Kampfes ebenso<br />

litt, wie ich es bei derartigen Gelegenheiten<br />

in den ersten Wochen meines Aufenthaltes<br />

auf der ,Ghost* getan hatte.<br />

« Wäre es nicht besser, wenn Sie nach<br />

vorn gingen — etwa zur Zwischendeckskappe<br />

— bis es vorbei ist ? > schlug ich ihr<br />

vor.<br />

Sie schüttelte den Kopf und sah mich mit<br />

einem mitleiderregenden Blick an. Sie fürchtete<br />

sich nicht, war aber entsetzt über diese<br />

menschliche Bestialität.<br />

« Sie werden begreifen», nahm ich die Gelegenheit<br />

wahr, « dass ich nur geringen Anteil<br />

an den Vorgängen an Bord nehme. — Es<br />

ist nicht schön für mich », fügte ich hinzu.<br />

< Ich verstehe Sie », sagte sie mit schwacher<br />

Stimme, die klang, als käme sie aus<br />

weiter Ferne, und ihre Augen zeigten mir,<br />

dass sie mich verstand.<br />

(Fortsetzunz folst.)

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