E_1949_Zeitung_Nr.026
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Nr. 26 — m. BLATT AUTOMOBIL<br />
REVUE BERN,<br />
8. Juni <strong>1949</strong><br />
Unlängst hat die an dieser Stelle wiederholt<br />
besprochene «Special Roads Bill <strong>1949</strong>», jene Vorlage,<br />
die der Regierung grundsätzlich die Befugnis<br />
zum Bau von Nur-Autostrassen erteilt,<br />
Gesetzeskraft erlangt. Welchen aussergewöhnlichen<br />
Weg die britische Regierung mit dieser<br />
«Bill» beschreitet, davon zeugt die Tatsache, dass<br />
das neue Gesetz eine Abkehr von der Regel bedeutet,<br />
wonach «The King's Highways», wie die<br />
öffentlichen Strassen genannt werden, für jeden<br />
Bürger offen stehen sollen, ganz gleich, welcher<br />
Mittel der Fortbewegung er sich bedient;<br />
Die Anregung, eine Strasse einer einzigen Benützergruppe<br />
zu reservieren, fiel begreiflicherweise<br />
auf besonders steinigen Boden zu einer<br />
Zeit, da das Automobil noch stark in der Minderheit<br />
war, wie z. B. im Jahre 1905, wo im Parlament<br />
bereits ein Vorschlag für den Bau einer<br />
eigentlichen Autostrasse von London nach<br />
Brighton eingereicht wurde. In der Zwischenkriegszeit<br />
freilich, da auf dem Kontinent vorerst<br />
die «autostrade», dann die Autobahnen erstanden,<br />
hat die Opposition gegenüber solchen Projekten<br />
wesentlich nachgelassen. So begegnete<br />
auch die «Special Roads Bill» während der Zeit<br />
ihrer Behandlung im Parlament keinerlei ernstlichem<br />
Widerstand.<br />
Wenn die Vorlage die Unterstützung der Regierung<br />
gefunden hat, so ist dies hauptsächlich<br />
den Anstrengungen der British Road Federation<br />
zu verdanken. Sie war es, die nach Kriegsende<br />
ein von der Country Surveyors Society (Vertreter<br />
der Grafschaftsbehörden) ausgearbeitetes Projekt<br />
fördern half, das auf die Umfahrung verschiedener<br />
Industriezentren und grosser Städte<br />
abzielte. Dabei liess man sich von der Absicht<br />
leiten,<br />
die bestehenden Hauptstrassen vom Schwerverkehr<br />
zu entlasten und damit den Verkehr der<br />
übrigen Motorfahrzeuge flüssiger zu cestalten.<br />
Auf diese Weise hoffte man nicht nur, den<br />
Transport der Exportgüter zu den Schiffsdocks<br />
und die Ueberführung leicht verderblicher Lebensmittel<br />
von den Häfen ins Landesinnere zu<br />
beschleunigen, sondern gleichzeitig auch den<br />
Durchgangsverkehr, der in den Landstädten und<br />
-dörfern die Strassen verstopft und eine nicht<br />
zu unterschätzende Gefahr für die Kinder darstellt,<br />
auf ein tragbares Mass zu reduzieren.<br />
Vorerst vertrat die Regierung allerdings die<br />
Meinung, dieses Ziel lasse sich auch durch einen<br />
umfassenden Ausbau der bestehenden Durchgangsstrassen<br />
erreichen. Sie liess sich jedoch<br />
eines Besseren belehren, als eine vom Verband<br />
der Strassenbau-Ingenieure eingesetzte Kommission,<br />
die eingehende Erhebungen anstellte, in<br />
einem Bericht zum Schlüsse kam, der Bau von<br />
Nur-Autostrassen sei durchaus gerechtfertigt<br />
und sollte raschenstens an die Hand genommen<br />
werden. Besagte Kommission legte ihrem Rapport<br />
Berechnungen zugrunde, aus denen hervorgeht,<br />
dass die bedeutenden Kapitalinvestitionen,<br />
die der Bau von Autobahnen erfordert, der<br />
Wirtschaft einen grossern Nutzen bringen als<br />
dies beim ursprünglichen Plan der Regierung<br />
der Fall war.<br />
In ihrem Bericht hat die Kommission folgende<br />
Betriebskostengliederung<br />
vorgenommen:<br />
1. Bewegliche Kosten: Treibstoff, Schmieröl,<br />
Reifen, Unterhalt.<br />
2. Fixe Kosten: Verkehrssteuer, Garagemiete,<br />
Fahrzeugversicherung, Kapitalzins, Abschreibung,<br />
Löhne, übrige Versicherungen und Unkosten.<br />
Diese Unterteilung erscheint dadurch gerechtfertigt,<br />
dass die eigentlichen Fahrkosten von der<br />
ENGLAND<br />
Autobahnen für England *<br />
Bericht einer Kommission der Strassenbau-Ingenieure über deren Wirtschaftlichkeit<br />
(Von unserem Londoner D. N.-Korrespondenten)<br />
Kilometerleistung abhängig sind, während mit<br />
den fixen Ausgaben in jedem Fall zu rechnen ist,<br />
unbekümmert darum, ob das Fahrzeug stark gebraucht<br />
wird oder nicht. Anders ausgedrückt:<br />
wenn eine Reduktion der festen Kosten pro Kilometer<br />
durch Geschwindigkeitssteigerung erzielt<br />
werden kann, die durch eine Erhöhung der beweglichen<br />
Kosten nicht wettgemacht wird, dann<br />
resultiert hieraus ein Gewinn. Mag der aus<br />
schnellerem Fahren herrührende Gewinn in der<br />
Regel auch sehr gering sein, so ist doch nach<br />
dem Dafürhalten der Kommission wenigstens ein<br />
Verlust so gut wie ausgeschlossen. Auch dürften<br />
sich die Fälle, wo sich schnelleres Fahren finanziell<br />
vorteilhaft auswirkt und jene, wo es<br />
keinen eindeutigen Gewinn abwirft, ungefähr<br />
die Waage halten.<br />
Um ihre Darlegungen zu erhärten, führten<br />
Mitglieder der Kommission eine<br />
Verkehrszählung<br />
durch, wobei sie sich die nötigen Unterlagen am<br />
gleichen Standort beschafften, den schon das<br />
Verkehrsministerium für diesen Zweck gewählt<br />
hatte. Es handelt sich um die vom Schwerverkehr<br />
besonders stark benützte Hauptstrasse A 5<br />
von London nach Nordwest-England mit Einschluss<br />
von Coventry, Birmingham, Manchester,<br />
Liverpool und Lancashire sowie gewisser Gebiete<br />
Schottlands, eine der meistbefahrenen<br />
Strassen in ganz Grossbritannien. Die Zählung<br />
erfolgte ungefähr 15 km nordwestlich von<br />
Dunstable (ca. 65 km von London entfernt) und<br />
erstreckte sich über eine Zeitspanne von 24<br />
leichten Lastwagen die Autobahn benutzen werden.<br />
Um den Einfluss zu ermitteln, den das Befahren<br />
von Nur-Autostrassen auf die Gestaltung<br />
der Betriebskosten ausübt, hat die Kommission<br />
den vier gebräuchlichsten Typen von Nutzfahrzeugen<br />
Rechnung getragen, die heute in England<br />
im Verkehr stehen, nämlich dem leichten benzingetriebenen<br />
3- und 5-Tonner und dem schweren<br />
10- und 13-Tonaer mit Dieselmotor. Bei der<br />
Veranschlagung der Betriebskosten ist zu berücksichtigen,<br />
dass lediglich Nur-Autostrassen<br />
mit ihren günstigen Fahrbedingungen höhere<br />
Durchschnittstempi zulassen, während sich auf<br />
den bestehenden Hauptverkehrsstrassen die mittlere<br />
Geschwindigkeit über lange Distanzen aus<br />
Elementen zusammensetzt, die vom brüsken<br />
Stopp infolge irgendeines unvermutet auftauchenden<br />
Hindernisses bis zum zulässigen Höchsttempo<br />
variieren, das je nach Nutzlast von Fall<br />
zu Fall ändert, unter keinen Umständen aber<br />
30 m/h = 48 km/h übersteigt. Auf zahlreichen<br />
Strassen bleibt die Geschwindigkeit für schwere<br />
Lastwagen auf 20 m/h = 32 km/h und weniger<br />
begrenzt.<br />
Während auf den heutigen Strassen mit ihrem<br />
regen Verkehr dauernd beschleunigt und gebremst<br />
werden muss und ausserdem schlechte<br />
Sicht und Verkehrsstauungen bei der Fahrweise<br />
immerwährend in Rechnung zu stellen sind, fallen<br />
diese unliebsamen Begleiterscheinungen<br />
auf der Autobahn, wo praktisch jede Geschwindigkeit<br />
zur Durchschnittsgeschwindigkeit wird,<br />
so gut wie vollkommen weg. Auf dem Kontinent<br />
durchgeführte Versuche haben gezeigt, dass<br />
selbst bei hohen Stundenmitteln der Treibstoffverbrauch<br />
auf Autobahnen im Vergleich zu den<br />
Mehrzweckstrassen fühlbar sinkt, wogegen anderseits<br />
die Möglichkeit besteht, die Geschwindigkeit<br />
bei gleichbleibendem Benzinkonsum zu<br />
erhöhen. Der Minderverbrauch beläuft sich auf<br />
durchschnittlich 40 %, doch gehören Einsparungen<br />
von 70 % und mehr keineswegs zu den Seltenheiten,<br />
Diese Feststellungen gelten auch in bezug auf<br />
die Reifen. Der Wegfall von Bremsen und Be-<br />
Die Hauptstrassen nach der Küste genügen heute für das Verkehrsvolumen an Sonntagen «n keiner Weise mehr. Kreuzungen<br />
•ad Ortsdurchfahrten verursachen ständig Stockungen mit der Folge, dass sich endlose Kolonnen bilden.<br />
Stunden. Es wurde die Vorbeifahrt folgender<br />
Motorfahrzeuge registriert:<br />
Schwere Lastwagen 2288<br />
Leichte Lastwagen 1458<br />
Personenwagen 1102<br />
Autobusse 98<br />
Andere Fahrzeuge (vorab Motorräder) 62<br />
Total<br />
5008<br />
(In diesem Zusammenhang sei daran erinnert,<br />
dass die Benzinrationierung auf die Verkehrsdichte<br />
nicht ohne Rückwirkung bleibt.)<br />
Schlüssige Angaben über den<br />
Verkehr, der die Nur-Autostrassen allenfalls<br />
benützen wird,<br />
lassen sich natürlich nur bei genauer Kenntnis<br />
von Herkunft und Bestimmungsort der Fahrzeuge<br />
machen. Immerhin vermittelt das Resultat<br />
dieser Zählung einigermassen brauchbare Anhaltspunkte,<br />
da von der Hauptstrasse A5 nur<br />
wenige Verkehrsadern von Bedeutung abzweigen.<br />
Jedenfalls ist mit Sicherheit anzunehmen,<br />
dass rund 90 % der schweren und ca. 60 % der<br />
schleunigen sowie der übermässigen Beanspruchung<br />
der Pneus in den (bei der Autobahn fehlenden)<br />
Kurven haben eine wesentlich geringere<br />
Abnutzung zur Folge. Auf Grund von Expertenberichten,<br />
die von der Dunlop Rubber Company<br />
bestätigt wurden, sowie von Versuchen lässt sich<br />
bei Durchschnittsgeschwindigkeiten bis rund 100<br />
km/h eine Einsparung von ungefähr 30 % erwarten.<br />
Nach Berücksichtigung aller Faktoren und<br />
Ausarbeitung verschiedener statistischer Unterlagen<br />
ermittelte die Kommission für die vier<br />
erwähnten Lastwagengruppen folgende Reduktion<br />
der Betriebskosten:<br />
Lastwagengruppe<br />
3-Tonner<br />
5-Tonner<br />
10-Tonner<br />
Einsparung<br />
pro Meile<br />
in sh. u. d.<br />
Einsparung<br />
in %<br />
1.06 17,4<br />
1.11 15,3<br />
3.9<br />
32,4<br />
13-Tonner 4.25<br />
31,6<br />
Im Durchschnitt macht die Betriebskostensenkung<br />
bei den zwei Gruppen der leichten, bzw.<br />
schweren Lastwagen 1,085, bzw. 4,115 d. aus.<br />
Wie weit reichen 3 Gallonen<br />
(13,5 Liter) Benzin<br />
Mf iso Usteitfn mi in künftij»<br />
Cmfahrung: 50 km/h.<br />
Höchstgeschw.<br />
Autcstrassen ?<br />
Ortschaft<br />
50 km h.<br />
Höchsteesciiwindiekeit<br />
Enge Brücke<br />
Scharfe Kur<br />
Schmale Brücke<br />
Diese Zahlen nahm die Kommission als Basis<br />
für die Errechnung des Gewinns, wie er aus den<br />
verminderten Transportkosten pro Autobahn-<br />
Meile im Jahr resultiert Unter Zugrundelegung<br />
der Fünftagewoche und eines Jahres zu 51 Wochen<br />
beträgt dieser Gewinn:<br />
Leichte Lastwagen: 875 Fahrzeuge<br />
pro Tag X 5 Tage X 51 Wochen<br />
X 1,085 d. =•• £ 1,009<br />
Schwere Lastwagen: 2059 Fahrzeuge<br />
pro Tag X 5 Tage X 51 Wochen<br />
X 4,115 d. = £ 9,002<br />
Total 2~~£ lO.oTl<br />
Diese Summe stellt<br />
den der Wirtschaft Grossbritanniens erwachsenden<br />
Gewinn<br />
aus dem motorisierten Güterverkehr zwischen<br />
London und Coventry und den übrigen erwähnten<br />
Zentren dar. Dazu gesellen sich noch die<br />
Einsparungen aus dem privaten Automobilverkehr,<br />
deren Umfang sehr schwer zu veranschlagen<br />
ist.<br />
Immerhin hält die Kommission in ihrem Bericht<br />
abschliessend fest, dass das den Berechnungen<br />
zugrundegelegte Autobahn - Teilstück<br />
nach vorsichtigen Schätzungen nur etwa 50 %<br />
des Verkehrsvolumens der Hauptstrasse A 5 aufweisen<br />
dürfte. Dementsprechend würden sich<br />
die Einsparungen auf £ 5,005 oder, wenn man<br />
in Betracht zieht, dass diese Nur-Autostrasse<br />
ausserdem noch den Verkehr von zwei weitern<br />
stark befahrenen Hauptstrassen aufzunehmen<br />
hätte, auf £ 15 000.— belaufen. Von diesem Betrag<br />
käme die Differenz zwischen den Unterhaltskosten<br />
für die Autobahn und den um ein weniges<br />
verminderten Auslagen für den Unterhalt<br />
der bestehenden Strasse in Abzug, so dass<br />
schlussendlich mit einem Reingewinn von<br />
£ 14 500.— pro Meile zu rechnen wäre. Da die<br />
Ausgaben für den Bau einer Autobahn mit<br />
£ 150 000.— pro Meile angegeben werden, entspräche<br />
dieser Gewinn einer «Dividende» von<br />
9,7%.<br />
Das von der Kommission der Strassenbau-<br />
DM projektierte neu« Scvem-Brücke, di« in dos Netz der Autostrassen eingeschlossen würde. (Zeichnung fwr die British<br />
Koad Föderation.)<br />
Grosse Derehgangsstrassen mit starkem Schwerverkehr müssen sich in Städten und Ortschaften durch solche EngoäsM<br />
winden. Die geplanten Autostrassen würden den Verkehr von derartigen Gefahrenpunkten fernhallen.