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<strong>18</strong> Stunden braucht der Zug von Wien nach Rumänien<br />
Seit ihre Mama gestorben ist, lebt der<br />
alte Mann alleine in einem rumänischen<br />
Dorf. „Er ist leider depressiv. Ich habe<br />
aber keine Zeit ihm zu helfen, ich muss<br />
Geld verdienen“, erzählt Cristiana traurig.<br />
Wie das später einmal gehen wird, wenn<br />
ihr Vater selbst Pflege braucht? „Keine<br />
Ahnung“, sagt sie.<br />
ALBTRAUM<br />
DEMENZ<br />
Auch wenn Cristiana mit ihrer Familie<br />
in der Strada Libertății („Straße der<br />
Freiheit“) lebt, hat sie keine echte Wahl.<br />
Ihre Heimatstadt weist für rumänische<br />
Verhältnisse ein gutes Busnetz und einen<br />
modernen Bahnhof auf. Im Zentrum<br />
gibt es eine kleine Fußgängerzone mit<br />
McDonald’s, Kentucky Fried Chicken und<br />
ein paar netten Restaurants. Was es aber<br />
nicht gibt, sind gut bezahlte Jobs für<br />
Menschen wie Cristiana. Vor ihrer Zeit<br />
als Pflegerin hatte die studierte Chemikerin<br />
es noch als Verkäuferin probiert.<br />
Bei einem Durchschnittseinkommen<br />
zwischen 400 und 500 Euro in Rumänien<br />
war aber bereits zu Mitte des Monats<br />
Ebbe in der Haushaltskasse. Also absolvierte<br />
Cristiana eine Pflegeausbildung<br />
und lernte Deutsch. Über eine Agentur<br />
bekam sie ihren ersten Job in Wien.<br />
Der Anfang war ein Albtraum. Ihre<br />
erste „Kundin“ war dement. In der Nacht<br />
musste Cristiana die verwirrte Frau,<br />
eine frühere Ärztin, immer wieder davon<br />
abhalten, in die alte Ordination zu gehen.<br />
„Ihre Kinder haben mir gesagt, sie<br />
haben keine Zeit, um auf ihre Mama zu<br />
schauen.“ Nach 21 „furchtbaren“ Tagen<br />
schmiss Cristiana die Nerven weg und<br />
kündigte. Ihr Plan, jeweils einen Monat in<br />
Wien zu arbeiten und dann wieder einen<br />
Monat bei ihrer Familie in Rumänien zu<br />
sein, wurde begraben: „Das habe ich<br />
nicht ausgehalten“.<br />
KANINCHEN &<br />
KRONE<br />
Mit Helene und Karl, die laut Cristiana<br />
„den ganzen Tag Kronenzeitung lesen“,<br />
hält sie es hingegen gut aus. Anders als<br />
ihre slowakische Kollegin ärgert sich die<br />
Rumänin auch nicht über ihr enges Zimmer<br />
in der Wohnung des Ehepaars. Kein<br />
Wunder: Daheim in Pitești lebt sie mit<br />
ihrer Familie auf engen 45 Quadratmeter.<br />
Der kleine Balkon des Plattenbaus wird<br />
als Speisekammer genutzt. In einer Truhe<br />
lagern kiloweise Fleisch von Kaninchen<br />
und Hasen, die ihr Mann auf dem Land<br />
selbst züchtet. Daneben werden eingelegte<br />
Paprika gehortet. Die Küche ist so<br />
klein, dass kein Geschirrspüler Platz hat.<br />
„Mein Geschirrspüler ist hier“, lacht Cristiana<br />
und hält beide Hände schüttelnd in<br />
die Höhe.<br />
35 STUNDEN SIND<br />
GENUG<br />
Wer so wie Cristiana lebt, der ist auch<br />
mit den 954 Euro netto zufrieden, die<br />
sie für ihre 14 Tage mal 24 Stunden raus<br />
bekommt: Den Betrag bekommt Cristiana<br />
12 mal im Jahr – da sie offiziell selbstständige<br />
Pflegerin ist. Die Zugtickets<br />
nach Wien und retour kosten pro Monat<br />
rund 160 Euro. Bleiben ihr unterm Strich<br />
800 Euro netto. Ein österreichischer Pfleger<br />
würde für dieses Geld nicht arbeiten.<br />
Im Gegenteil: Gerade proben Österreichs<br />
angestellte Pflegekräfte, die ebenfalls<br />
schlecht bezahlt werden, mit Warnstreiks<br />
den Aufstand. Ihre Forderung neben<br />
mehr Gehalt: „35 Stunden Arbeit pro<br />
Woche sind genug“. Von 35 Stunden pro<br />
Woche und 14 Monatsgehältern kann<br />
jemand wie Cristiana nur träumen. Mit<br />
ihrem Job und Leben ist sie im Prinzip<br />
trotzdem zufrieden. Nur, dass die Regierung<br />
in Österreich ihr die Kinderbeihilfe<br />
um 70 Euro kürzen will, das will ihr nicht<br />
in den Kopf: „Wir haben europäische<br />
Rechte. Das kann doch nicht ok sein.<br />
Warum will das der Herr Kurz?“ ●<br />
Mitarbeit und Dolmetsch: Volina Șerban<br />
Die Familie von Cristiana und Raul leben auf 45 Quadratmeter<br />
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