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Er gibt ihnen Kosenamen wie „Schöne“, nennt sie „süß“ und<br />
schreibt auf Facebook über seine „sehnsüchtigen Blicke“<br />
während der Proben. Vier Frauen aus dem Grazer Musical<br />
Ragtime erzählen <strong>BIBER</strong> über „sexualisierten Machtmissbrauch“<br />
von Starregisseur Philipp Kochheim. Der Chef der dänischen<br />
Nationaloper empfindet sein Verhalten nicht als falsch: „Die<br />
Geschichte meiner Profession ist die Geschichte des Flirts“.<br />
Von Alexandra Stanić, Illustrationen: Mariella Lehner<br />
Margarete * denkt sich<br />
nichts weiter dabei, als<br />
sie die erste Nachricht<br />
von Philipp Kochheim<br />
erhält. Geburtstagswünsche<br />
auf Facebook sind nichts Ungewöhnliches.<br />
Deswegen reagiert sie auch,<br />
bedankt sich. „Das war total süß (und<br />
superprofessionell) von Dir, dass du an<br />
deinem Geburtstag zur Probe gekommen<br />
bist“, so Kochheim.<br />
Er wird ihr von nun an regelmäßig<br />
schreiben. Margarete wird antworten,<br />
eine Zeit lang mitspielen. „Ich wollte höflich<br />
bleiben, er ist immerhin mein Chef“,<br />
erklärt Margarete. „Ich hatte Angst, dass<br />
es negative Auswirkungen auf mich<br />
haben könnte, wenn ich nicht auf seine<br />
Nachrichten reagiere.“<br />
Aber ihre Karriere ist Margarete sehr<br />
wichtig. Von klein auf ist es Margaretes<br />
größter Wunsch, auf der Bühne zu stehen.<br />
Für diesen Traum nimmt sie viel in<br />
Kauf: Seit sie vier Jahre alt ist, arbeitet<br />
sie hart dafür. Sie übt täglich mehrere<br />
Stunden, legt ein Studium ab und nimmt<br />
kleine, oft schlecht bezahlte Jobs in<br />
diesem Bereich an.<br />
Alles, um erfolgreich zu sein und um<br />
von ihrer Leidenschaft leben zu können.<br />
Margarete möchte Künstlerin sein, auf<br />
den ganz großen Bühnen stehen. Diesem<br />
Traum kommt sie ein Stückchen näher,<br />
als sie die Grazer Oper für ein Musical<br />
anfragt. Dieser Job könnte ein Meilenstein<br />
für sie sein, davon ist Margarete<br />
überzeugt. Immerhin ist es die Grazer<br />
Oper, das Stück „Ragtime“ spannend und<br />
der Regisseur ist preisgekrönt, vor allem<br />
deutschland- aber auch europaweit kein<br />
Unbekannter.<br />
„SEXUALISIERTER<br />
MACHTMISSBRAUCH“<br />
Philipp Kochheim ist sein Name. Der<br />
47-Jährige ist ein in Hamburg geborener<br />
Regisseur und Operndirektor. Seit 2017<br />
ist er Intendant an der dänischen Nationaloper<br />
„Den Jyske Opera“ in Aarhus.<br />
Auf der Seite der dänischen Oper ist<br />
er als „General Manager“ und „Artistic<br />
Director“ vermerkt. Kochheim hat etliche<br />
Aufführungen in Deutschland inszeniert<br />
und drei Preise für seine Regiearbeit<br />
erhalten. Vor seinem Wechsel an die<br />
„Den Jyske Oper“ war er Direktor des<br />
Staatstheaters in Braunschweig in<br />
Deutschland.<br />
Kochheim ist Gastregisseur an der<br />
Grazer Oper. Formal und rein arbeitsrechtlich<br />
gesehen ist er nicht Margaretes<br />
Vorgesetzter. Auf künstlerischer Ebene<br />
aber schon. Er bewertet die Leistung der<br />
Künstler*innen, ist verantwortlich für<br />
alles, was auf der Bühne passiert und<br />
steht in direktem Kontakt zur Theaterleitung,<br />
die ihm übergeordnet ist. „Ich kann<br />
niemanden aus einer Produktion werfen,<br />
aber wenn ich unzufrieden mit jemandem<br />
bin, kann ich das mit der Intendantin<br />
besprechen“, so Kochheim. Angestellt<br />
ist Margarete bei der Grazer Oper.<br />
Ob sie Musicaldarstellerin, Tänzerin,<br />
Choristin oder Statistin ist, soll an<br />
dieser Stelle nicht genannt werden. Auch<br />
Margaretes Name wurde zu ihrem Schutz<br />
geändert. Nur unter dieser Bedingung ist<br />
die junge Frau bereit, offen zu sprechen.<br />
biber hat ihre und drei weitere Facebook-<br />
Unterhaltungen zwischen Kochheim und<br />
jungen, ihm untergeordneten Frauen,<br />
vorliegen. Darin gibt er den Frauen<br />
Komplimente zu ihrem Körper, nennt sie<br />
„süß“ oder „besonders“, schreibt ihnen<br />
teilweise um zwei Uhr nachts.<br />
Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin<br />
Christine Bauer-Jelinek schätzt<br />
Kochheims Nachrichten eindeutig als<br />
„sexualisierten Machtmissbrauch“ ein.<br />
Bauer-Jelinek berät das Parlament bei<br />
der Implementierung einer Clearingstelle<br />
bei sexueller Belästigung und Machtmissbrauch.<br />
„Es ist immer dann ein Macht-<br />
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