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BIBER 03_18 Ansicht

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Er gibt ihnen Kosenamen wie „Schöne“, nennt sie „süß“ und<br />

schreibt auf Facebook über seine „sehnsüchtigen Blicke“<br />

während der Proben. Vier Frauen aus dem Grazer Musical<br />

Ragtime erzählen <strong>BIBER</strong> über „sexualisierten Machtmissbrauch“<br />

von Starregisseur Philipp Kochheim. Der Chef der dänischen<br />

Nationaloper empfindet sein Verhalten nicht als falsch: „Die<br />

Geschichte meiner Profession ist die Geschichte des Flirts“.<br />

Von Alexandra Stanić, Illustrationen: Mariella Lehner<br />

Margarete * denkt sich<br />

nichts weiter dabei, als<br />

sie die erste Nachricht<br />

von Philipp Kochheim<br />

erhält. Geburtstagswünsche<br />

auf Facebook sind nichts Ungewöhnliches.<br />

Deswegen reagiert sie auch,<br />

bedankt sich. „Das war total süß (und<br />

superprofessionell) von Dir, dass du an<br />

deinem Geburtstag zur Probe gekommen<br />

bist“, so Kochheim.<br />

Er wird ihr von nun an regelmäßig<br />

schreiben. Margarete wird antworten,<br />

eine Zeit lang mitspielen. „Ich wollte höflich<br />

bleiben, er ist immerhin mein Chef“,<br />

erklärt Margarete. „Ich hatte Angst, dass<br />

es negative Auswirkungen auf mich<br />

haben könnte, wenn ich nicht auf seine<br />

Nachrichten reagiere.“<br />

Aber ihre Karriere ist Margarete sehr<br />

wichtig. Von klein auf ist es Margaretes<br />

größter Wunsch, auf der Bühne zu stehen.<br />

Für diesen Traum nimmt sie viel in<br />

Kauf: Seit sie vier Jahre alt ist, arbeitet<br />

sie hart dafür. Sie übt täglich mehrere<br />

Stunden, legt ein Studium ab und nimmt<br />

kleine, oft schlecht bezahlte Jobs in<br />

diesem Bereich an.<br />

Alles, um erfolgreich zu sein und um<br />

von ihrer Leidenschaft leben zu können.<br />

Margarete möchte Künstlerin sein, auf<br />

den ganz großen Bühnen stehen. Diesem<br />

Traum kommt sie ein Stückchen näher,<br />

als sie die Grazer Oper für ein Musical<br />

anfragt. Dieser Job könnte ein Meilenstein<br />

für sie sein, davon ist Margarete<br />

überzeugt. Immerhin ist es die Grazer<br />

Oper, das Stück „Ragtime“ spannend und<br />

der Regisseur ist preisgekrönt, vor allem<br />

deutschland- aber auch europaweit kein<br />

Unbekannter.<br />

„SEXUALISIERTER<br />

MACHTMISSBRAUCH“<br />

Philipp Kochheim ist sein Name. Der<br />

47-Jährige ist ein in Hamburg geborener<br />

Regisseur und Operndirektor. Seit 2017<br />

ist er Intendant an der dänischen Nationaloper<br />

„Den Jyske Opera“ in Aarhus.<br />

Auf der Seite der dänischen Oper ist<br />

er als „General Manager“ und „Artistic<br />

Director“ vermerkt. Kochheim hat etliche<br />

Aufführungen in Deutschland inszeniert<br />

und drei Preise für seine Regiearbeit<br />

erhalten. Vor seinem Wechsel an die<br />

„Den Jyske Oper“ war er Direktor des<br />

Staatstheaters in Braunschweig in<br />

Deutschland.<br />

Kochheim ist Gastregisseur an der<br />

Grazer Oper. Formal und rein arbeitsrechtlich<br />

gesehen ist er nicht Margaretes<br />

Vorgesetzter. Auf künstlerischer Ebene<br />

aber schon. Er bewertet die Leistung der<br />

Künstler*innen, ist verantwortlich für<br />

alles, was auf der Bühne passiert und<br />

steht in direktem Kontakt zur Theaterleitung,<br />

die ihm übergeordnet ist. „Ich kann<br />

niemanden aus einer Produktion werfen,<br />

aber wenn ich unzufrieden mit jemandem<br />

bin, kann ich das mit der Intendantin<br />

besprechen“, so Kochheim. Angestellt<br />

ist Margarete bei der Grazer Oper.<br />

Ob sie Musicaldarstellerin, Tänzerin,<br />

Choristin oder Statistin ist, soll an<br />

dieser Stelle nicht genannt werden. Auch<br />

Margaretes Name wurde zu ihrem Schutz<br />

geändert. Nur unter dieser Bedingung ist<br />

die junge Frau bereit, offen zu sprechen.<br />

biber hat ihre und drei weitere Facebook-<br />

Unterhaltungen zwischen Kochheim und<br />

jungen, ihm untergeordneten Frauen,<br />

vorliegen. Darin gibt er den Frauen<br />

Komplimente zu ihrem Körper, nennt sie<br />

„süß“ oder „besonders“, schreibt ihnen<br />

teilweise um zwei Uhr nachts.<br />

Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin<br />

Christine Bauer-Jelinek schätzt<br />

Kochheims Nachrichten eindeutig als<br />

„sexualisierten Machtmissbrauch“ ein.<br />

Bauer-Jelinek berät das Parlament bei<br />

der Implementierung einer Clearingstelle<br />

bei sexueller Belästigung und Machtmissbrauch.<br />

„Es ist immer dann ein Macht-<br />

/ RAMBAZAMBA / 39

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