Ausgabe 11/2012 13. Jahrgang - hrr-strafrecht.de
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Rechtsprechung Hervorzuheben<strong>de</strong> Entscheidungen <strong>de</strong>s BGH: IV. Strafverfahrensrecht mit GVG<br />
5. In einem Fall in <strong>de</strong>m Aussage gegen Aussage steht und<br />
die Entscheidung allein davon abhängt, welchen Angaben<br />
das Gericht folgt, müssen die Urteilsgrün<strong>de</strong> erkennen<br />
lassen, dass <strong>de</strong>r Tatrichter alle Umstän<strong>de</strong> erkannt und in<br />
seine Überlegungen einbezogen hat, die die Entscheidung<br />
zu Gunsten o<strong>de</strong>r zu Ungunsten <strong>de</strong>s Angeklagten<br />
beeinflussen können.<br />
1020. BGH 2 StR 122/12 – Beschluss vom 6.<br />
September <strong>2012</strong> (BGH)<br />
Unzulässige und unbegrün<strong>de</strong>te Befangenheitsanträge<br />
im Besetzungsstreit um <strong>de</strong>n Vorsitz <strong>de</strong>s 2. Strafsenates<br />
(gesetzlicher Richter: Rüge <strong>de</strong>r nicht vorschriftsgemäßen<br />
Besetzung <strong>de</strong>s Senates; Beurteilungsgrundlage).<br />
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; § 24 Abs. 2 StPO; § 26a Nr.<br />
2 StPO; § 27 StPO<br />
1. Der zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch<br />
berufene Spruchkörper darf bei seiner Entscheidung nur<br />
diejenigen Grün<strong>de</strong> berücksichtigen, die in <strong>de</strong>m Antrag<br />
innerhalb <strong>de</strong>s von § 25 StPO vorgegebenen zeitlichen<br />
Rahmens geltend gemacht wor<strong>de</strong>n sind. Soweit in <strong>de</strong>n im<br />
vorliegen<strong>de</strong>n Verfahren erholten dienstlichen Erklärungen<br />
<strong>de</strong>r abgelehnten Richter, <strong>de</strong>r statt<strong>de</strong>ssen von Richter<br />
am Bun<strong>de</strong>sgerichtshof Prof. Dr. Fischer vorgelegten Erklärung<br />
sowie <strong>de</strong>m Vermerk (nebst Anlage) von Richter<br />
am Bun<strong>de</strong>sgerichtshof Dr. Eschelbach neue o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
Umstän<strong>de</strong> vorgebracht wur<strong>de</strong>n, als sie <strong>de</strong>r Antragsteller<br />
geltend gemacht hat, müssen sie daher unberücksichtigt<br />
bleiben.<br />
2. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert, dass <strong>de</strong>r Rechtsuchen<strong>de</strong><br />
im Einzelfall vor einem Richter steht, <strong>de</strong>r unabhängig<br />
und unparteilich ist und <strong>de</strong>r die Gewähr für<br />
Neutralität und Distanz gegenüber <strong>de</strong>n Verfahrensbeteiligten<br />
bietet. Der Gesetzgeber hat <strong>de</strong>shalb in materieller<br />
Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank<br />
im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die <strong>de</strong>m zur<br />
Entscheidung anstehen<strong>de</strong>n Streitfall nicht mit <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen<br />
professionellen Distanz eines Unbeteiligten<br />
und Neutralen gegenüberstehen (BVerfG, Beschluss vom<br />
6. Mai 2010 – 1 BvR 96/10, NZS 20<strong>11</strong>, 92 mwN). Befangenheit<br />
ist mithin ebenso wie die Unparteilichkeit auf<br />
<strong>de</strong>n konkret zu entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Fall bezogen; sie bezieht<br />
sich auf die innere Haltung <strong>de</strong>s Richters zum Verfahrensgang<br />
und zum Ausgang <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Verfahrens.<br />
3. Etwaige Besetzungsfehler können als solche nicht <strong>de</strong>n<br />
Vorwurf <strong>de</strong>r Befangenheit begrün<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn allenfalls<br />
mit einer Besetzungsrüge beanstan<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
4. Zur Begründung <strong>de</strong>r Besorgnis <strong>de</strong>r Befangenheit völlig<br />
ungeeignet sind auch Erwägungen, die allein darauf abstellen,<br />
dass <strong>de</strong>r 2. Strafsenat seine Rechtsansicht zu<br />
seiner ordnungsgemäßen Besetzung bzw. <strong>de</strong>n sich daraus<br />
ergeben<strong>de</strong>n Folgen (Aussetzung o<strong>de</strong>r Weiterführung <strong>de</strong>s<br />
Verfahrens) geän<strong>de</strong>rt hat. Neue o<strong>de</strong>r bessere Rechtserkenntnis<br />
kann für sich eine Befangenheit nicht begrün<strong>de</strong>n.<br />
5. Auch nach <strong>de</strong>n dienstlichen Erklärungen von Richter<br />
am Bun<strong>de</strong>sgerichtshof Prof. Dr. Krehl wur<strong>de</strong> mit o<strong>de</strong>r<br />
während <strong>de</strong>r Anhörung durch das Präsidium <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs<br />
am 18. Januar <strong>2012</strong> bzw. nach <strong>de</strong>r Einsicht-<br />
HRRS November <strong>2012</strong> (<strong>11</strong>/<strong>2012</strong>)<br />
nahme <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs in ein<br />
Senatsheft kein „Druck“ ausgeübt, <strong>de</strong>r sich in irgen<strong>de</strong>iner<br />
Weise auf Entscheidungen <strong>de</strong>s 2. Strafsenats in <strong>de</strong>r Sache,<br />
also über <strong>de</strong>n Erfolg o<strong>de</strong>r Misserfolg <strong>de</strong>r Rechtsmittel<br />
<strong>de</strong>r bei diesem Senat anhängigen o<strong>de</strong>r anhängig wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Verfahren, bezog.<br />
1017. BGH 1 StR 442/12 – Beschluss vom 25.<br />
September <strong>2012</strong> (LG München I)<br />
Spezialitätsgrundsatz (Rahmenbeschluss über <strong>de</strong>n<br />
Europäischen Haftbefehl; an<strong>de</strong>re Handlung; Abweichung<br />
bei <strong>de</strong>n Tatzeiten: bloße Schreibfehler).<br />
§ <strong>11</strong> IRG; § 83h Abs. 1 IRG; Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Rahmenbeschlusses<br />
2002/584/JI <strong>de</strong>s Rates vom <strong>13.</strong> Juni<br />
2002 über <strong>de</strong>n Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren<br />
zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />
1. Ein Verstoß gegen <strong>de</strong>n Spezialitätsgrundsatz liegt auch<br />
nach Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Rahmenbeschlusses 2002/584/JI<br />
<strong>de</strong>s Rates vom <strong>13.</strong> Juni 2002 über <strong>de</strong>n Europäischen<br />
Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten nicht vor, wenn die Tatzeiten im Europäischen<br />
Haftbefehl mit <strong>de</strong>nen nach <strong>de</strong>n Urteilsfeststellungen<br />
im Anordnungsstaat übereinstimmen.<br />
2. Es bleibt offen, inwieweit ein Verstoß gegen <strong>de</strong>n Spezialitätsgrundsatz<br />
bei Auslieferung aufgrund eines Europäischen<br />
Haftbefehls, wobei es sich nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong>de</strong>r Europäischen Union um kein<br />
Verfahrens-, son<strong>de</strong>rn um ein Vollstreckungshin<strong>de</strong>rnis<br />
und ein Verbot freiheitsbeschränken<strong>de</strong>r Maßnahmen<br />
han<strong>de</strong>lt, grundsätzlich revisionsgerichtlicher Prüfung<br />
unterliegt und ob es dazu je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>r Erhebung einer<br />
Verfahrensrüge bedarf.<br />
1040. BGH 4 StR 354/12 – Beschluss vom 25.<br />
September <strong>2012</strong> (LG Dessau-Roßlau)<br />
Adhäsionsentscheidung ohne Beteiligung o<strong>de</strong>r Anhörung<br />
<strong>de</strong>s Betreuers (Interessenwahrnehmung durch<br />
<strong>de</strong>n Verteidiger).<br />
§ 404 StPO; § 137 StPO; § 149 Abs. 2 StPO; § 51 Abs.<br />
1 ZPO; § 53 ZPO; § 1902 BGB; § 1903 BGB<br />
Dass für <strong>de</strong>n Angeklagten eine Betreuung eingerichtet<br />
ist, die auch <strong>de</strong>n Aufgabenkreis „Abwehr und Geltendmachung<br />
von Ansprüchen“ umfasst, steht einer ohne<br />
Beteiligung o<strong>de</strong>r Anhörung <strong>de</strong>s Betreuers getroffenen<br />
Adhäsionsentscheidung nicht entgegen. Die Wahrnehmung<br />
<strong>de</strong>r Interessen <strong>de</strong>s Angeklagten im Strafverfahren<br />
liegt allein in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s (notwendigen) Verteidigers.<br />
Auch eine entsprechen<strong>de</strong> Anwendung von § 149<br />
Abs. 2 StPO auf <strong>de</strong>n Betreuer schei<strong>de</strong>t aus.<br />
1014. BGH 1 StR 389/12 – Beschluss vom 23.<br />
August <strong>2012</strong> (LG Ravensburg)<br />
Beurteilung <strong>de</strong>r Schuldfähigkeit und Rekonstruktionsverbot<br />
(Schizophrenie; Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bewertung<br />
durch <strong>de</strong>n Sachverständigen im Urteil).<br />
§ 20 StGB; § 72 StPO; § 261 StPO; § 344 Abs. 2 Satz 2<br />
StPO; § 244 Abs. 4 StPO<br />
1. Nach <strong>de</strong>r ständigen Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs<br />
sind behauptete Wi<strong>de</strong>rsprüche zwischen <strong>de</strong>m<br />
Inhalt <strong>de</strong>s Urteils und <strong>de</strong>n Akten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Verlauf <strong>de</strong>r<br />
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