Ausgabe 11/2012 13. Jahrgang - hrr-strafrecht.de
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Aufsätze und Anmerkungen Rübenstahl – Bilanzorientierte Bestimmung <strong>de</strong>s Vermögensscha<strong>de</strong>ns bei <strong>de</strong>r Kreditvergabe<br />
unmittelbar aus <strong>de</strong>r Verfügung (Vertragsschluss). 36 Deren<br />
Wert bemisst sich auch nach früherer Rspr. nach <strong>de</strong>r<br />
(Gesamt-)Bonität <strong>de</strong>s Darlehensnehmers. 37 Schon im<br />
Ansatz ist daher die alleinige Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />
(Min<strong>de</strong>r-)Werts <strong>de</strong>r Sicherheit durch das Landgericht<br />
verfehlt. Wenn die Rückzahlungsmöglichkeit bereits zum<br />
Zeitpunkt <strong>de</strong>s Abschlusses <strong>de</strong>s Kreditvertrags von <strong>de</strong>r<br />
vollen Werthaltigkeit <strong>de</strong>r Grundpfandrechte (in Höhe <strong>de</strong>s<br />
eingetragenen Nominalwerts) abhängig ist, falls zu diesem<br />
Zeitpunkt sonst keinerlei Sicherheiten, Rückgriffsmöglichkeiten<br />
und gesicherte Einnahme- und Erwerbsaussichten<br />
<strong>de</strong>s Darlehensnehmers bestehen, hätte das<br />
Landgericht zumin<strong>de</strong>st dies tragfähig darlegen und feststellen<br />
müssen, was nur ganz ausnahmsweise, bei Evi<strong>de</strong>nzfällen<br />
– etwa bei Mittel- und Erwerbslosen – ohne<br />
sachverständige Hilfe möglich sein wird 38 und je<strong>de</strong>nfalls<br />
<strong>de</strong>r Revisionsentscheidung nicht ein<strong>de</strong>utig zu entnehmen<br />
ist. Auch vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung<br />
<strong>de</strong>s BGH zwangsläufig.<br />
3. Kritikpunkte und offene Fragen<br />
Während <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s BGH somit im Ergebnis<br />
zuzustimmen ist, wecken einige – wohl nicht tragen<strong>de</strong> –<br />
Elemente <strong>de</strong>r Begründung hingegen rechtsdogmatische<br />
Zweifel, auch soweit diese teilweise unverän<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n<br />
Ausführungen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n BVerfG-Entscheidungen zu<br />
§§ 263, 266 StGB entnommen wur<strong>de</strong>n.<br />
a) Unklarheit hinsichtlich <strong>de</strong>r anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Bilanzierungsgrundsätze<br />
Zunächst ist erneut darauf hinzuweisen, dass <strong>de</strong>r BGH<br />
im Anschluss an das BVerfG zwar die Maßgeblichkeit<br />
bilanzrechtlicher und bilanzpraktischer Grundsätze bei<br />
<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsbestimmung einfor<strong>de</strong>rt und konkret auf<br />
Normen <strong>de</strong>s HGB zur For<strong>de</strong>rungsbilanzierung und die<br />
Grundsätze <strong>de</strong>s Bankwesens zur Wertberichtung von<br />
Darlehensfor<strong>de</strong>rungen abstellt, aber je<strong>de</strong>nfalls nicht<br />
ausdrücklich Vorgaben dazu macht, welche Bilanzierungsgrundsätze<br />
und -metho<strong>de</strong>n für welche Sachverhaltskonstellationen<br />
bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Vermögensscha<strong>de</strong>ns<br />
maßgeblich sein sollen. 39 Es hat je<strong>de</strong>nfalls hier<br />
<strong>de</strong>n Anschein, als seien aus Sicht <strong>de</strong>s BGH die normativen<br />
Vorgaben <strong>de</strong>s HGB-Bilanzrechts einschlägig, <strong>de</strong>nn<br />
auf an<strong>de</strong>re geht er nicht ein. Insbeson<strong>de</strong>re zieht <strong>de</strong>r BGH<br />
nicht erkennbar in Betracht, dass auch US-amerikanische<br />
o<strong>de</strong>r internationale Rechnungslegungsvorschriften (US-<br />
GAAP, IFRS) <strong>de</strong>n §§ 253, 320f HGB vergleichbare, aber<br />
nicht unbedingt <strong>de</strong>ckungsgleiche Regeln enthalten dürften.<br />
Es mag nun durchaus plausibel erscheinen, bei<br />
einem innerstaatlichen Sachverhalt, an <strong>de</strong>m allseits nur<br />
<strong>de</strong>utsche Rechtssubjekte beteiligt sind, das HGB heranzuziehen.<br />
Jedoch stellt sich die Frage, wie bei Sachverhalten<br />
mit internationalem Bezug zu verfahren wäre, etwa<br />
36 BGHSt 31, <strong>11</strong>5, <strong>11</strong>7; 52, 323, 327 f.; BGH NStZ 1999, 353,<br />
354; 2008, 96, 98 = HRRS 2007 Nr. 1089; 2009, 150 =<br />
HRRS 2010 Nr. 481; Fischer (Fn. 23), § 263 Rn. <strong>11</strong>1, <strong>11</strong>9<br />
m.w.N.<br />
37 Fischer (Fn. 23), § 263 Rn. 133.<br />
38 BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656, 231; Hefen<strong>de</strong>hl<br />
wistra <strong>2012</strong>, 325, 327; Schlösser NStZ <strong>2012</strong>, 473, 477 f.<br />
39 Kritisch Hefen<strong>de</strong>hl wistra <strong>2012</strong>, 325, 329; Becker JR <strong>2012</strong>, 82,<br />
84; Rübenstahl NJW 2009, 2392, 2393.<br />
HRRS November <strong>2012</strong> (<strong>11</strong>/<strong>2012</strong>)<br />
wenn die geschädigte Bank eine ausländische wäre, die<br />
nach US-GAAP o<strong>de</strong>r IFRS bilanziert. Auch bei <strong>de</strong>utschen<br />
Konzernen ist überdies die Erstellung je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>s Konzernabschlusses<br />
nach IFRS o<strong>de</strong>r US-GAAP durchaus<br />
verbreitet. Der Hinweis, dass allein Normen <strong>de</strong>s HGB<br />
gelten<strong>de</strong>s Recht sind, dürfte zu kurz greifen, da diese im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r §§ 263, 266 StGB lediglich als Vehikel zur<br />
Ermittlung eines wirtschaftlichen Scha<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>s Betrugsopfers<br />
herangezogen wer<strong>de</strong>n. Wäre dieses zu einer Wertberichtung<br />
einer (Darlehens-)For<strong>de</strong>rung gera<strong>de</strong> wegen<br />
und unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong>de</strong>r Anwendung eines ausländischen<br />
Bilanzierungsstandards gezwungen o<strong>de</strong>r bliebe<br />
ihm diese umgekehrt gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb verwehrt, erscheint<br />
zweifelhaft, ob <strong>de</strong>nnoch <strong>de</strong>utsche Gerichte allein<br />
auf die Maßstäbe <strong>de</strong>s HGB abzustellen hätten. Wären<br />
also aus Sicht <strong>de</strong>s BGH bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Vermögensscha<strong>de</strong>ns<br />
solcher Geschädigter im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
§§ 263, 266 StGB durch <strong>de</strong>utsche Gerichte die Regeln <strong>de</strong>s<br />
US-GAAP o<strong>de</strong>r IFRS statt <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s HGB heranzuziehen<br />
wären? An welchen Maßstäben sollen sich Staatsanwaltschaften<br />
und Instanzgerichte orientieren? Wie sollen sie<br />
ggf. die heranzuziehen<strong>de</strong>n Sachverständigen instruieren,<br />
<strong>de</strong>nen je<strong>de</strong>nfalls nach einer plausiblen Auffassung in <strong>de</strong>r<br />
Literatur aus Rechtsgrün<strong>de</strong>n (§ 78 StPO) die Auswahl<br />
<strong>de</strong>r jeweils normativ einschlägigen Bilanzierungsregeln<br />
nicht selbst überlassen wer<strong>de</strong>n kann? 40 Der Rechtsanwen<strong>de</strong>r<br />
wür<strong>de</strong> sich wünschen, dass <strong>de</strong>r BGH <strong>de</strong>mnächst<br />
über die bloße Inbezugnahme und Anwendung einiger<br />
Normen <strong>de</strong>s HGB hinaus die Gelegenheit erhält und<br />
wahrnimmt, das aus seiner Sicht zutreffen<strong>de</strong> Vorgehen<br />
auch grundsätzlich und allgemein näher zu erläutern.<br />
b) Gewissheit <strong>de</strong>s Eintritts eines „realen Scha<strong>de</strong>ns“<br />
nötig?<br />
Soweit <strong>de</strong>r Senat im Anschluss an das BVerfG ausführt,<br />
dass die im Rahmen <strong>de</strong>r bilanziellen Betrachtungsweise<br />
ermittelten Verlustwahrscheinlichkeiten nicht so „diffus<br />
sein“ o<strong>de</strong>r sich „in so geringen Bereichen bewegen“ dürfen,<br />
dass <strong>de</strong>r „Eintritt eines realen Scha<strong>de</strong>ns“ letztlich ungewiss<br />
bleibt, verträgt sich die Bezugnahme auf <strong>de</strong>n realen<br />
Scha<strong>de</strong>n nicht ohne Weiteres mit <strong>de</strong>r Annahme <strong>de</strong>s BGH<br />
und <strong>de</strong>s BVerfG, eine Vermögensgefährdung als solche<br />
könne bzw. müsse scha<strong>de</strong>ns- bzw. nachteilsgleich im<br />
Sinne <strong>de</strong>r §§ 263, 266 StGB sein. In Fällen <strong>de</strong>r scha<strong>de</strong>nsgleichen<br />
Vermögensgefährdung – und stets in Konstellationen<br />
<strong>de</strong>s Eingehungsbetrugs – ist typischerweise eben<br />
ein endgültiger Verlust von Vermögenswerten nicht bzw.<br />
noch nicht (zurechenbar bzw. nachweisbar) eingetreten<br />
und daher ungewiss, an<strong>de</strong>rnfalls wäre <strong>de</strong>r Rückgriff auf<br />
diese Rechtsfiguren – zum wesentlichen späteren Zeitpunkt<br />
<strong>de</strong>r Hauptverhandlung erster Instanz – unnötig. Es<br />
kann allein darauf ankommen, dass aufgrund <strong>de</strong>r (hohen)<br />
Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>s vollständigen o<strong>de</strong>r teilweisen<br />
Verlusts von Vermögensgegenstän<strong>de</strong>n eine gegenwärtige<br />
Wertmin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vermögens angenommen wer<strong>de</strong>n<br />
muss, auch ohne dass <strong>de</strong>r Verlust von Vermögensgegenstän<strong>de</strong>n<br />
bzw. <strong>de</strong>r „Eintritt eines realen Scha<strong>de</strong>ns“ in diesem<br />
Sinne gewiss wäre.<br />
40 Becker JR <strong>2012</strong>, 82, 84; Hefen<strong>de</strong>hl wistra <strong>2012</strong>, 325, 330.<br />
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