14.12.2012 Aufrufe

Ausgabe 11/2012 13. Jahrgang - hrr-strafrecht.de

Ausgabe 11/2012 13. Jahrgang - hrr-strafrecht.de

Ausgabe 11/2012 13. Jahrgang - hrr-strafrecht.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Aufsätze und Anmerkungen Rübenstahl – Bilanzorientierte Bestimmung <strong>de</strong>s Vermögensscha<strong>de</strong>ns bei <strong>de</strong>r Kreditvergabe<br />

unmittelbar aus <strong>de</strong>r Verfügung (Vertragsschluss). 36 Deren<br />

Wert bemisst sich auch nach früherer Rspr. nach <strong>de</strong>r<br />

(Gesamt-)Bonität <strong>de</strong>s Darlehensnehmers. 37 Schon im<br />

Ansatz ist daher die alleinige Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

(Min<strong>de</strong>r-)Werts <strong>de</strong>r Sicherheit durch das Landgericht<br />

verfehlt. Wenn die Rückzahlungsmöglichkeit bereits zum<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>s Abschlusses <strong>de</strong>s Kreditvertrags von <strong>de</strong>r<br />

vollen Werthaltigkeit <strong>de</strong>r Grundpfandrechte (in Höhe <strong>de</strong>s<br />

eingetragenen Nominalwerts) abhängig ist, falls zu diesem<br />

Zeitpunkt sonst keinerlei Sicherheiten, Rückgriffsmöglichkeiten<br />

und gesicherte Einnahme- und Erwerbsaussichten<br />

<strong>de</strong>s Darlehensnehmers bestehen, hätte das<br />

Landgericht zumin<strong>de</strong>st dies tragfähig darlegen und feststellen<br />

müssen, was nur ganz ausnahmsweise, bei Evi<strong>de</strong>nzfällen<br />

– etwa bei Mittel- und Erwerbslosen – ohne<br />

sachverständige Hilfe möglich sein wird 38 und je<strong>de</strong>nfalls<br />

<strong>de</strong>r Revisionsentscheidung nicht ein<strong>de</strong>utig zu entnehmen<br />

ist. Auch vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung<br />

<strong>de</strong>s BGH zwangsläufig.<br />

3. Kritikpunkte und offene Fragen<br />

Während <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s BGH somit im Ergebnis<br />

zuzustimmen ist, wecken einige – wohl nicht tragen<strong>de</strong> –<br />

Elemente <strong>de</strong>r Begründung hingegen rechtsdogmatische<br />

Zweifel, auch soweit diese teilweise unverän<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n<br />

Ausführungen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n BVerfG-Entscheidungen zu<br />

§§ 263, 266 StGB entnommen wur<strong>de</strong>n.<br />

a) Unklarheit hinsichtlich <strong>de</strong>r anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Bilanzierungsgrundsätze<br />

Zunächst ist erneut darauf hinzuweisen, dass <strong>de</strong>r BGH<br />

im Anschluss an das BVerfG zwar die Maßgeblichkeit<br />

bilanzrechtlicher und bilanzpraktischer Grundsätze bei<br />

<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsbestimmung einfor<strong>de</strong>rt und konkret auf<br />

Normen <strong>de</strong>s HGB zur For<strong>de</strong>rungsbilanzierung und die<br />

Grundsätze <strong>de</strong>s Bankwesens zur Wertberichtung von<br />

Darlehensfor<strong>de</strong>rungen abstellt, aber je<strong>de</strong>nfalls nicht<br />

ausdrücklich Vorgaben dazu macht, welche Bilanzierungsgrundsätze<br />

und -metho<strong>de</strong>n für welche Sachverhaltskonstellationen<br />

bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Vermögensscha<strong>de</strong>ns<br />

maßgeblich sein sollen. 39 Es hat je<strong>de</strong>nfalls hier<br />

<strong>de</strong>n Anschein, als seien aus Sicht <strong>de</strong>s BGH die normativen<br />

Vorgaben <strong>de</strong>s HGB-Bilanzrechts einschlägig, <strong>de</strong>nn<br />

auf an<strong>de</strong>re geht er nicht ein. Insbeson<strong>de</strong>re zieht <strong>de</strong>r BGH<br />

nicht erkennbar in Betracht, dass auch US-amerikanische<br />

o<strong>de</strong>r internationale Rechnungslegungsvorschriften (US-<br />

GAAP, IFRS) <strong>de</strong>n §§ 253, 320f HGB vergleichbare, aber<br />

nicht unbedingt <strong>de</strong>ckungsgleiche Regeln enthalten dürften.<br />

Es mag nun durchaus plausibel erscheinen, bei<br />

einem innerstaatlichen Sachverhalt, an <strong>de</strong>m allseits nur<br />

<strong>de</strong>utsche Rechtssubjekte beteiligt sind, das HGB heranzuziehen.<br />

Jedoch stellt sich die Frage, wie bei Sachverhalten<br />

mit internationalem Bezug zu verfahren wäre, etwa<br />

36 BGHSt 31, <strong>11</strong>5, <strong>11</strong>7; 52, 323, 327 f.; BGH NStZ 1999, 353,<br />

354; 2008, 96, 98 = HRRS 2007 Nr. 1089; 2009, 150 =<br />

HRRS 2010 Nr. 481; Fischer (Fn. 23), § 263 Rn. <strong>11</strong>1, <strong>11</strong>9<br />

m.w.N.<br />

37 Fischer (Fn. 23), § 263 Rn. 133.<br />

38 BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656, 231; Hefen<strong>de</strong>hl<br />

wistra <strong>2012</strong>, 325, 327; Schlösser NStZ <strong>2012</strong>, 473, 477 f.<br />

39 Kritisch Hefen<strong>de</strong>hl wistra <strong>2012</strong>, 325, 329; Becker JR <strong>2012</strong>, 82,<br />

84; Rübenstahl NJW 2009, 2392, 2393.<br />

HRRS November <strong>2012</strong> (<strong>11</strong>/<strong>2012</strong>)<br />

wenn die geschädigte Bank eine ausländische wäre, die<br />

nach US-GAAP o<strong>de</strong>r IFRS bilanziert. Auch bei <strong>de</strong>utschen<br />

Konzernen ist überdies die Erstellung je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>s Konzernabschlusses<br />

nach IFRS o<strong>de</strong>r US-GAAP durchaus<br />

verbreitet. Der Hinweis, dass allein Normen <strong>de</strong>s HGB<br />

gelten<strong>de</strong>s Recht sind, dürfte zu kurz greifen, da diese im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r §§ 263, 266 StGB lediglich als Vehikel zur<br />

Ermittlung eines wirtschaftlichen Scha<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>s Betrugsopfers<br />

herangezogen wer<strong>de</strong>n. Wäre dieses zu einer Wertberichtung<br />

einer (Darlehens-)For<strong>de</strong>rung gera<strong>de</strong> wegen<br />

und unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong>de</strong>r Anwendung eines ausländischen<br />

Bilanzierungsstandards gezwungen o<strong>de</strong>r bliebe<br />

ihm diese umgekehrt gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb verwehrt, erscheint<br />

zweifelhaft, ob <strong>de</strong>nnoch <strong>de</strong>utsche Gerichte allein<br />

auf die Maßstäbe <strong>de</strong>s HGB abzustellen hätten. Wären<br />

also aus Sicht <strong>de</strong>s BGH bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Vermögensscha<strong>de</strong>ns<br />

solcher Geschädigter im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

§§ 263, 266 StGB durch <strong>de</strong>utsche Gerichte die Regeln <strong>de</strong>s<br />

US-GAAP o<strong>de</strong>r IFRS statt <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s HGB heranzuziehen<br />

wären? An welchen Maßstäben sollen sich Staatsanwaltschaften<br />

und Instanzgerichte orientieren? Wie sollen sie<br />

ggf. die heranzuziehen<strong>de</strong>n Sachverständigen instruieren,<br />

<strong>de</strong>nen je<strong>de</strong>nfalls nach einer plausiblen Auffassung in <strong>de</strong>r<br />

Literatur aus Rechtsgrün<strong>de</strong>n (§ 78 StPO) die Auswahl<br />

<strong>de</strong>r jeweils normativ einschlägigen Bilanzierungsregeln<br />

nicht selbst überlassen wer<strong>de</strong>n kann? 40 Der Rechtsanwen<strong>de</strong>r<br />

wür<strong>de</strong> sich wünschen, dass <strong>de</strong>r BGH <strong>de</strong>mnächst<br />

über die bloße Inbezugnahme und Anwendung einiger<br />

Normen <strong>de</strong>s HGB hinaus die Gelegenheit erhält und<br />

wahrnimmt, das aus seiner Sicht zutreffen<strong>de</strong> Vorgehen<br />

auch grundsätzlich und allgemein näher zu erläutern.<br />

b) Gewissheit <strong>de</strong>s Eintritts eines „realen Scha<strong>de</strong>ns“<br />

nötig?<br />

Soweit <strong>de</strong>r Senat im Anschluss an das BVerfG ausführt,<br />

dass die im Rahmen <strong>de</strong>r bilanziellen Betrachtungsweise<br />

ermittelten Verlustwahrscheinlichkeiten nicht so „diffus<br />

sein“ o<strong>de</strong>r sich „in so geringen Bereichen bewegen“ dürfen,<br />

dass <strong>de</strong>r „Eintritt eines realen Scha<strong>de</strong>ns“ letztlich ungewiss<br />

bleibt, verträgt sich die Bezugnahme auf <strong>de</strong>n realen<br />

Scha<strong>de</strong>n nicht ohne Weiteres mit <strong>de</strong>r Annahme <strong>de</strong>s BGH<br />

und <strong>de</strong>s BVerfG, eine Vermögensgefährdung als solche<br />

könne bzw. müsse scha<strong>de</strong>ns- bzw. nachteilsgleich im<br />

Sinne <strong>de</strong>r §§ 263, 266 StGB sein. In Fällen <strong>de</strong>r scha<strong>de</strong>nsgleichen<br />

Vermögensgefährdung – und stets in Konstellationen<br />

<strong>de</strong>s Eingehungsbetrugs – ist typischerweise eben<br />

ein endgültiger Verlust von Vermögenswerten nicht bzw.<br />

noch nicht (zurechenbar bzw. nachweisbar) eingetreten<br />

und daher ungewiss, an<strong>de</strong>rnfalls wäre <strong>de</strong>r Rückgriff auf<br />

diese Rechtsfiguren – zum wesentlichen späteren Zeitpunkt<br />

<strong>de</strong>r Hauptverhandlung erster Instanz – unnötig. Es<br />

kann allein darauf ankommen, dass aufgrund <strong>de</strong>r (hohen)<br />

Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>s vollständigen o<strong>de</strong>r teilweisen<br />

Verlusts von Vermögensgegenstän<strong>de</strong>n eine gegenwärtige<br />

Wertmin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vermögens angenommen wer<strong>de</strong>n<br />

muss, auch ohne dass <strong>de</strong>r Verlust von Vermögensgegenstän<strong>de</strong>n<br />

bzw. <strong>de</strong>r „Eintritt eines realen Scha<strong>de</strong>ns“ in diesem<br />

Sinne gewiss wäre.<br />

40 Becker JR <strong>2012</strong>, 82, 84; Hefen<strong>de</strong>hl wistra <strong>2012</strong>, 325, 330.<br />

505

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!