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THEATER KULTUR JOKER 5<br />

Die Macht des Schicksals<br />

Germinal Casados Ballett zu Carl Orffs Carmina Burana im Badischen Staatstheater in Karlsruhe<br />

Foto: Badisches Staatstheater<br />

Wiedersehen macht Freude.<br />

35 Jahre nach der Uraufführung<br />

1983 kehrte Germinal Casados<br />

Ballett zu Carl Orffs „Carmina<br />

Burana“ auf die Bühne des<br />

Badischen Staatstheaters Karlsruhe<br />

zurück. Und erwies sich<br />

als umwerfend mitreißendes<br />

Spektakel, tänzerisch wie musikalisch.<br />

Giulio Ragnoli, der Lebenspartner<br />

des vor zwei Jahren<br />

verstorbenen Choreographen<br />

Casado, hätte die Rechte an<br />

dessen Choreografie zu „Carmina<br />

Burana“ niemand Besserem<br />

schenken können als Birgit Keil.<br />

Sozusagen die Nachnachfolgerin<br />

Casados als Direktorin des<br />

Karlsruher Balletts, verfügt Keil<br />

über eine hervorragende Compagnie,<br />

die sich auf Casados unverkennbaren<br />

Tanzstil einstellen<br />

konnte. Als wesentliche Zugabe<br />

kommen in der Neuauflage die<br />

Badische Staatskapelle, der<br />

Badische Staatsopernchor und<br />

Extrachor sowie der Jugendchor<br />

Cantus Juvenum dazu, was diese<br />

„Carmina Burana“ zu einem<br />

Gesamtkunstwerk macht.<br />

Das Wiedersehen zeigte, dass<br />

Casados Ideen zu Orffs Musik<br />

zeitlos sind. „O Fortuna“, die<br />

Anrufung der Schicksalsgöttin,<br />

rahmt die von Orff vertonte<br />

Sammlung mittelalterlicher Lyrik<br />

ein und inspirierte Casado zu<br />

einer ebenso einfachen wie passenden<br />

Ausstattung. Ein überdimensionales<br />

Speichenrad nimmt<br />

den Hintergrund der Bühne ein,<br />

auf der Bühnenfläche symbolisiert<br />

ein Kreis die Abhängigkeit<br />

des Lebens vom unermüdlichen<br />

Lauf des Schicksals. In leuchtendem<br />

Rot, mit verbundenen<br />

Augen, treibt die blinde Fortuna<br />

die Menschen auf der Jagd nach<br />

dem Glück voran. Bruna Andrade<br />

tanzt die Fortuna kraftvoll,<br />

mit präzisen, auf die rhythmisch<br />

prägnante Musik abgestimmten<br />

Bewegungen. Sie vermittelt eindrucksvoll<br />

die Macht des Schicksals.<br />

Stets im Kreis um sie herum<br />

tanzt das Ensemble, wie gefangen<br />

in einem Kreislauf zwischen<br />

Hoffnung und Furcht.<br />

In „Carmina Burana“ geht<br />

es oft um die Liebe in all ihren<br />

Spielarten. Ein wunderbar<br />

zartes, inniges Duett geben Moeka<br />

Katsuki und Pablo Octávio<br />

in der Beschwörung des Frühlings.<br />

An ausgelassene Tänze in<br />

den Mai lassen die Lieder unter<br />

der Überschrift „Uf dem Anger“<br />

denken. Die Solisten und<br />

Ensemblemitglieder illustrieren<br />

überzeugend das muntere Flirten<br />

und die verspielten Neckereien<br />

zwischen Männern und<br />

Frauen. Augenzwinkernd tragen<br />

die Tänzerinnen die erstaunt tuenden<br />

Tänzer – sonst liegen im<br />

Ballett die tragenden Rollen doch<br />

stets bei den Herren. Eine Prise<br />

Folklore verleiht den Ensembletänzern<br />

zu Orffs Musik einen<br />

geradezu unschuldigen Charme.<br />

Gar nicht unschuldig geht es<br />

„In Taberna“, also in der Kneipe,<br />

zu. Das verrät schon die<br />

Beleuchtung, und die kuttentragenden<br />

Mönche suchen ihre Erleuchtung<br />

in weltlichen Genüssen.<br />

Zhi Le Xu besticht durch<br />

ein grandioses, ausdrucksstark<br />

getanztes Solo. Im Zentrum<br />

der umher wirbelnden Mönche<br />

steht Andrej Shatalin, der diese<br />

Szene durch Präsenz mühelos<br />

beherrscht. Gekonnt ironisch<br />

fangen Pablo Octávio und das<br />

Ensemble den Geist des gebratenen<br />

Schwans ein, der sich bitter<br />

über sein Schicksal beklagt.<br />

In „Cour d‘amours“ wird die<br />

höfische Minne beschworen.<br />

Ätherisch elegant getanzte Pas<br />

de deux stehen neben fröhlich<br />

ungenierter Partnersuche im<br />

Spiel der Liebe. Die Solisten und<br />

das Ensemble des Karlsruher<br />

Balletts geben die ohne Pause<br />

durchlaufende, schillernde Welt<br />

der „Carmina Burana“ mit nie<br />

nachlassender Spannung.<br />

Dabei werden sie musikalisch<br />

getragen von dem bestens einstudierten<br />

Opernchor. Geschickt<br />

positioniert hinter dem Gazevorhang<br />

mit dem aufgemalten<br />

Rad, vermittelt der Chor durchgehend<br />

klangschön die Wucht<br />

von Orffs Musik, aber auch die<br />

durchhörbaren, zurückgenommenen<br />

Lieder. Die Badische<br />

Staatskapelle unterstreicht den<br />

Farbenreichtum und die dezidierte<br />

Rhythmik der Musik.<br />

Souverän geben Mitglieder des<br />

Opernensembles die anspruchsvollen<br />

Soli.<br />

Für die Frische und das sprühende<br />

Temperament, das die<br />

Neuauflage der „Carmina Burana“<br />

ausstrahlt, muss man sich<br />

auch bei einer Reihe von „Altgedienten“<br />

bedanken, vor allem<br />

bei Pierre Tavernier, der die<br />

Choreografie überwiegend aus<br />

seinem Gedächtnis abrufen und<br />

einstudieren konnte. Weitere<br />

Vorstellungen: 16. und 26.5. um<br />

20 Uhr, 9.6. und 22.7., 15 Uhr,<br />

1.7., 19 Uhr, 13.7., 20 Uhr.<br />

Nike Luber

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