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Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

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<strong>Die</strong> <strong>vorgezogenen</strong> <strong>Parlamentswahlen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e <strong>2007</strong> 11<br />

post-sowjetischen Mentalität gefangen bleibt. Hier droht jedoch die allzu große Euphorie <strong>in</strong> allzu große Enttäuschung<br />

umzuschlagen.<br />

Revolutionen mögen über Nacht gemacht werden, Demokratien werden aber nicht an e<strong>in</strong>em Tag geschaffen.<br />

Der Politikwissenschaftler Henry Hale hat so argumentiert, dass es gerade <strong>der</strong> resultierende Machtkampf<br />

ist, <strong>der</strong> <strong>der</strong> orangen als e<strong>in</strong>ziger unter allen bunten Revolutionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> GUS Chancen auf e<strong>in</strong>en nachhaltigen<br />

Demokratisierungseff ekt gäbe. Aus se<strong>in</strong>er Sicht waren die bunten Revolutionen Folge e<strong>in</strong>er Schwäche des<br />

jeweiligen Präsidenten, die von e<strong>in</strong>er Gegenelite mit Unterstützung von Massenprotesten genutzt wurden, um<br />

e<strong>in</strong>en Machtwechsel herbeizuführen. Ohne Verfassungsän<strong>der</strong>ung gab es aber damit wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en allmächtigen<br />

Präsidenten, <strong>der</strong> – vielleicht durchaus mit den besten Absichten – <strong>der</strong> Versuchung <strong>der</strong> Macht erlag und<br />

immer mehr Kompetenzen an sich riss.<br />

In e<strong>in</strong>er breiteren historischen Perspektive betont auch <strong>der</strong> Bremer Sozialwissenschaftler <strong>Die</strong>ter Senghaas<br />

die Bedeutung politischer Konfl iktkonstellationen für die Entwicklung von Demokratie. Er schreibt: »<strong>Die</strong><br />

wirklich <strong>in</strong>teressanten konstitutionellen Innovationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> westlichen Verfassungsgeschichte resultierten aus<br />

e<strong>in</strong>er machtpolitischen Patt-Situation. Betrachten wir, wie<strong>der</strong>um beispielhaft, die Geschichte <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit,<br />

<strong>der</strong> rule of law, und greifen wir e<strong>in</strong> frühes Beispiel heraus, die Magna Charta von 1215.«<br />

»Sie enthält die weitreichenden, langfristig bedeutsamen Artikel, die dem Schutz des Individuums (zunächst<br />

<strong>der</strong> Barone!) vor <strong>der</strong> Willkür des Staates und e<strong>in</strong>em rechtmäßigen Gerichtsverfahren, dem due process of law,<br />

dienen. Das alles – e<strong>in</strong>e politische Vere<strong>in</strong>barung – kam wi<strong>der</strong> Willen zustande, ke<strong>in</strong>eswegs aus freien Stücken.<br />

<strong>Die</strong>se frühe Konstellation ist nun repräsentativ für Prozesse, aus denen im Laufe <strong>der</strong> Zeit, d.h. von Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

bzw. Jahrzehnten, und <strong>in</strong> Ermangelung von machtpolitischen Alternativen nach und nach »Versöhnung«<br />

mit <strong>der</strong> Folge von leidlich akzeptierter, <strong>in</strong>stitutionell-rechtlich abgesicherter Toleranz resultierte. Denn nachhaltige<br />

Toleranz dokumentiert sich schließlich <strong>in</strong> akzeptierten Verfassungen und ihren Pr<strong>in</strong>zipien, die dann –<br />

wo nachhaltig geworden – während mehrerer Generationen e<strong>in</strong>sozialisiert und als Selbstverständlichkeit begriffen<br />

werden und schließlich sich entsprechend emotional verankern.«<br />

In dieser Perspektive werden Demokratien nicht von Demokraten geschaff en, son<strong>der</strong>n von Konfl iktpartnern,<br />

die gezwungen s<strong>in</strong>d, die Macht zu teilen und die dafür e<strong>in</strong>deutige Regeln und Kontrollmechanismen<br />

entwickeln, um e<strong>in</strong>e Pattsituation zu überw<strong>in</strong>den. <strong>Die</strong>s ist e<strong>in</strong> langer Prozess, dessen Erfolg nicht garantiert<br />

ist. Noch ist die Ukra<strong>in</strong>e aber auf dem richtigen Weg.<br />

Über den Autoren:<br />

Dr. Heiko Ple<strong>in</strong>es ist wissenschaftlicher Mitarbeiter <strong>der</strong> Forschungsstelle Osteuropa an <strong>der</strong> Universität<br />

Bremen.<br />

Lesetipps:<br />

• Henry E. Hale: Democracy or autocracy on the march? Th e colored revolutions as normal dynamics of<br />

patronal presidentialism, <strong>in</strong>: Communist and Post-Communist Studies 39 (2006), S. 305–329.<br />

•<br />

<strong>Die</strong>ter Senghaas: Zivilisierung wi<strong>der</strong> Willen. Der Kampf <strong>der</strong> Kulturen mit sich selbst, Frankfurt a.M.<br />

1998.

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