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Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

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28 Heiko Ple<strong>in</strong>es (Hg.)<br />

Schwierige <strong>in</strong>tervenierende Akteure<br />

Erschwert werden die E<strong>in</strong>igungsprozesse zusätzlich durch <strong>in</strong>tervenierende Akteure. Obwohl Julia Timoschenko<br />

sich im Konfl ikt seit Wochen mit e<strong>in</strong>er Nebenrolle abfi nden muss, zeigte sich ihre Fraktion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsgruppe<br />

bemüht, hoch zu eskalieren. Fortwährend drohte BJUT mit e<strong>in</strong>em Abbruch <strong>der</strong> Verhandlungen und rief den<br />

Präsidenten zur autoritären Durchsetzung se<strong>in</strong>er Positionen auf. Ähnlich verhält sich auch <strong>der</strong> zuletzt deutlich<br />

im Aufw<strong>in</strong>d befi ndliche Juri Luzenko, <strong>der</strong> mit populistischer Agitation die Krise <strong>der</strong> Eliten und die durch die<br />

Sozialisten h<strong>in</strong>terlassene Leerstelle für sich auszunutzen sucht. Absolut destruktiv verhält sich die Kommunistische<br />

Partei um Petro Simonenko, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen Situation Neuwahlen für 2009 vorschlug und kürzlich<br />

se<strong>in</strong>e Unterschrift unter dem »Pakt <strong>der</strong> Nationalen E<strong>in</strong>heit« annullierte. Mit Gesprächspartnern wie diesen s<strong>in</strong>d<br />

die Verhandlungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsgruppe ke<strong>in</strong> leichtes Unterfangen.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> momentanen Schlüsselfi guren ist Par laments sprecher Olexan<strong>der</strong> Moros. E<strong>in</strong>ige Beobachter behaupten<br />

sogar, die drastische Eskalation des Konfl ikts sei e<strong>in</strong> verwegener »Moros-Plot«, mit <strong>der</strong> dieser Ambitionen<br />

auf das Präsidentenamt geltend machen wolle. In jedem Fall hat Moros <strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen Situation e<strong>in</strong> Interesse<br />

daran, die Krise endlos auszudehnen – und auch viele Möglichkeiten dazu. Zuletzt kündigte er an, selbst<br />

das »kle<strong>in</strong>e Paket« <strong>der</strong> E<strong>in</strong>igungen <strong>der</strong> Arbeitsgruppe noch e<strong>in</strong>mal aufschnüren zu wollen. Es seien geson<strong>der</strong>te<br />

Lesungen und Abstimmungen für jede e<strong>in</strong>zelne Gesetzesän<strong>der</strong>ung nötig. Unterstützung erhält Moros von zahlreichen<br />

Abgeordneten, nicht nur aus se<strong>in</strong>er sozialistischen Partei. <strong>Die</strong>se Abgeordneten wollen längstmöglich<br />

ihre weitreichende Immunität bewahren und die Zeit bis zu den Neuwahlen <strong>in</strong>tensiv zum eigenen materiellen<br />

Vorteil nutzen. Insbeson<strong>der</strong>e die zahlreichen Fraktionswechsler, die damit rechnen müssen, künftig auf ke<strong>in</strong>er<br />

Liste mehr aufgestellt zu werden, haben e<strong>in</strong> großes Interesse an e<strong>in</strong>er Verschleppung des E<strong>in</strong>igungsprozesses.<br />

Juschtschenko und Janukowitsch müssen bei e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>igung auch ihren jeweiligen Bündnispartner <strong>in</strong> den<br />

Griff bekommen. Selbst wenn die Hauptkontrahenten sich e<strong>in</strong>igen, besteht die Gefahr, dass Nebenakteure den<br />

Versuch unternehmen, Kompromisse zu torpedieren. Früher o<strong>der</strong> später wird man vor allem Moros Angebote<br />

bis h<strong>in</strong> zur Aufnahme <strong>der</strong> Sozialisten auf <strong>der</strong> Wahlliste <strong>der</strong> Partei <strong>der</strong> Regionen unterbreiten müssen, um den<br />

Weg für die Durchsetzung e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>igung zu ebnen.<br />

Profi teure <strong>der</strong> permanenten Krise<br />

Nicht übersehen sollte man die signifi kante Eigenlogik <strong>der</strong> politischen Krise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e. Im Schatten <strong>der</strong><br />

Kiewer Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen nutzen viele <strong>der</strong> Akteure <strong>in</strong> Politik und Wirtschaft gesetzgeberische Leerstellen<br />

und die Lähmung von Legislative und Exekutive konsequent aus. Das gilt für die <strong>der</strong>zeit laufende »zweite Bereicherungswelle«<br />

auf dem Gebiet <strong>der</strong> Immobilien und Baufl ächen ebenso wie für ausufernde fe<strong>in</strong>dliche Übernahmen<br />

von Unternehmen. In den Staatsverwaltungen auf kommunaler und regionaler Ebene ist man außerdem<br />

nicht allzu unglücklich über die wirksame Ablenkung <strong>der</strong> Aufmerksamkeit von den eigenen Problemen.<br />

<strong>Die</strong> Krise bietet e<strong>in</strong> hervorragendes Alibi für eigene Untätigkeit und die Ablehnung von Entscheidungen unter<br />

Berufung darauf, dass »man erst abwarten müsse, was <strong>in</strong> Kiew passiere«.<br />

Auch das Mediensystem <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e hat sich bequem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dauerkrise mit den stark personalisierten<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen e<strong>in</strong>gerichtet. <strong>Die</strong> Kiewer Eskapaden garantieren, ähnlich wie e<strong>in</strong> großes Sportereignis,<br />

e<strong>in</strong>en anhaltend hohen Aufmerksamkeitsfaktor und damit Erlöse auf dem schnell wachsenden Werbemarkt<br />

<strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e. Käme <strong>der</strong> Konfl ikt zu e<strong>in</strong>em abrupten Ende, entstünden durchaus signifi kante Leerstellen und<br />

E<strong>in</strong>kunftsverluste.<br />

Wahrsche<strong>in</strong>liche Szenarien<br />

Der aktuelle Stand <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge macht zwei Szenarien für den weiteren Fortgang <strong>der</strong> Krise möglich. Am wahrsche<strong>in</strong>lichsten<br />

ist es, dass man sich nach weiteren rhetorischen Konfrontationen auf das »kle<strong>in</strong>e Paket« e<strong>in</strong>igen<br />

wird. Als möglicher Wahlterm<strong>in</strong> gilt dabei <strong>der</strong> 9. September <strong>2007</strong>. Auch wenn die tatsächlichen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zusammensetzung des Parlaments anschließend nur kle<strong>in</strong> wären, zeigt sich e<strong>in</strong>e Tendenz <strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong><br />

Bildung e<strong>in</strong>er großen Koalition zwischen <strong>der</strong> Partei <strong>der</strong> Regionen und Nascha Ukra<strong>in</strong>a <strong>in</strong> diesem Fall. <strong>Die</strong>se Idee<br />

wird nicht zuletzt deswegen populärer, weil nach Me<strong>in</strong>ung vieler Beobachter nur <strong>in</strong> dieser Konstellation die notwendigen<br />

Anpassungen <strong>der</strong> Verfassungsordnung und Kompetenzabgrenzungen erfolgversprechend <strong>in</strong> Angriff<br />

genommen werden könnten. Sowohl die Partei <strong>der</strong> Regionen als auch Nascha Ukra<strong>in</strong>e befürworten ausdrücklich<br />

die E<strong>in</strong>setzung e<strong>in</strong>er Verfassungskommission nach den Neuwahlen. Beide sche<strong>in</strong>en sich darüber h<strong>in</strong>aus auch<br />

darüber e<strong>in</strong>ig zu se<strong>in</strong>, Julia Timoschenko als M<strong>in</strong>isterpräsident<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e möglichst zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.

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