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Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

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16 Heiko Ple<strong>in</strong>es (Hg.)<br />

Das Gerangel um den Außenm<strong>in</strong>ister macht drei Tendenzen deutlich, die den Umgang <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft mit <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e erschweren: Erstens ist die Außenpolitik zum Austragungsort <strong>in</strong>nerer Krisen<br />

geworden, zweitens spricht die ukra<strong>in</strong>ische Außenpolitik <strong>der</strong>zeit mit vielen, nicht selten wi<strong>der</strong>streitenden<br />

Stimmen. Premier Janukowitsch versucht gegenwärtig, die Führung <strong>in</strong> den Verhandlungen mit <strong>der</strong> EU an sich<br />

zu reißen. Das Außenm<strong>in</strong>isterium droht unter den gespannten Beziehungen zwischen Präsidialamt und Premier-Büro<br />

se<strong>in</strong>en Gestaltungsraum e<strong>in</strong>zubüßen. So hat <strong>der</strong> Janukowitsch-Stab vorbei am Präsidenten und am<br />

Außenamt Verhandlungen über e<strong>in</strong>e Vollmitgliedschaft <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e im Geme<strong>in</strong>samen Wirtschaftsraum mit<br />

Russland, Belarus und Kasachstan, über e<strong>in</strong>e ukra<strong>in</strong>ische Gasför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Westsibirien und über e<strong>in</strong>e 50-prozentige<br />

Beteiligung Russlands am ukra<strong>in</strong>ischen Gastransportsystem geführt, die allerd<strong>in</strong>gs bisher ergebnislos<br />

geblieben s<strong>in</strong>d. Drittens wird es die EU je nach politischer Konjunktur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e mit e<strong>in</strong>er zunehmenden<br />

Personalfl uktuation zu tun haben.<br />

<strong>Die</strong> EU erhoff t sich von dem seit Anfang März <strong>2007</strong> verhandelten »vertieften Abkommen«, für das sie bis<br />

2010 immerh<strong>in</strong> fast 500 Millionen Euro bereitstellen will, (1) e<strong>in</strong>e neue Reformagenda für die Ukra<strong>in</strong>e, (2) die<br />

Herausbildung und Konsolidierung e<strong>in</strong>es demokratischen Regierungssystems, (3) e<strong>in</strong>e Verbesserung des Investitionsklimas<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e für <strong>in</strong>- und ausländische Investoren, (4) e<strong>in</strong>en konstruktiven Beitrag <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e<br />

zur europäischen Energiesicherheit und (5) e<strong>in</strong>e neue Rolle Kiews bei <strong>der</strong> Regelung regionaler Konfl ikte,<br />

etwa im Transnistrien-Konfl ikt.<br />

Auf <strong>der</strong> ukra<strong>in</strong>ischen Seite hat sich zwar nach den Gesprächen zwischen Präsident Juschtschenko, Kommissionspräsident<br />

Barroso und EU-Außenkommissar<strong>in</strong> Ferrero-Waldner am 8. März <strong>2007</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck verfestigt,<br />

dass »die Tür zur EU für die Ukra<strong>in</strong>e nicht verschlossen ist«, wie es Oleksan<strong>der</strong> Tschalyj, Juschtschenkos<br />

stellvertreten<strong>der</strong> Büroleiter, formulierte. Tschalyj wertete vor allem die Äußerungen <strong>der</strong> Kommissar<strong>in</strong>, dass<br />

die Nachbarschaftspolitik ausdrücklich nicht das Format <strong>der</strong> zukünftigen Beziehungen zwischen EU und <strong>der</strong><br />

Ukra<strong>in</strong>e festlege, als e<strong>in</strong>en Durchbruch <strong>in</strong> den bei<strong>der</strong>seitigen Beziehungen.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung eben dieser Beziehungen setzt jedoch voraus, dass die Ukra<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nen- und außenpolitisch<br />

handlungsfähig ist. <strong>Die</strong> am 9. April von Fraktionen des ukra<strong>in</strong>ischen Parlaments und später auch von<br />

<strong>der</strong> Regierung <strong>in</strong> Kiew geäußerte Bitte um <strong>in</strong>ternationale Vermittlung erg<strong>in</strong>g zwar zu e<strong>in</strong>em Zeitpunkt, als<br />

die <strong>in</strong>neren Ressourcen <strong>der</strong> Konfl iktmo<strong>der</strong>ation noch nicht ausgeschöpft waren; doch wird sich die EU e<strong>in</strong>er<br />

Schlichterrolle im Verfassungsstreit und bei <strong>der</strong> Normalisierung <strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionellen Beziehungen zwischen<br />

den Gewalten nicht entziehen können. Angesichts des kommenden Ukra<strong>in</strong>e-EU-Gipfels am 14. September<br />

<strong>2007</strong> <strong>in</strong> Kiew, <strong>der</strong> das »vertiefte Abkommen« fi xieren soll, bedeutet je<strong>der</strong> Monat des politischen Ausnahmezustands<br />

verlorene Verhandlungszeit für das neue Abkommen und vor allem verlorene Zeit für die Reformagenda<br />

<strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e selbst.<br />

Das Abkommen sieht unter an<strong>der</strong>em die Schaff ung e<strong>in</strong>er Freihandelszone und die Verstärkung <strong>der</strong> Nachbarschaftsbeziehungen<br />

mit <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e vor. Für die EU, den Europarat und die deutsche Präsidentschaft ergeben<br />

sich aus <strong>der</strong> aktuellen Krise wichtige Handlungsoptionen:<br />

• Formierung e<strong>in</strong>er Kontakt-Delegation Ukra<strong>in</strong>e aus Mitglie<strong>der</strong>n des Europaparlaments, des Europarats und<br />

<strong>in</strong>ternationalen Schlichtern. Dabei muss es sich um Persönlichkeiten handeln, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten ukra<strong>in</strong>ischen<br />

politischen Klasse anerkannt s<strong>in</strong>d (wie z.B. <strong>der</strong> polnische Ex-Präsident Alexan<strong>der</strong> Kwaśniewski);<br />

•<br />

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Aufbau e<strong>in</strong>es juristischen Beratungsteams aus Juristen und (ehemaligen) Verfassungs richter<strong>in</strong>nen/-richtern,<br />

das Konzepte für e<strong>in</strong>en Ausweg aus <strong>der</strong> Verfassungskrise erarbeitet;<br />

Verstärkung <strong>der</strong> <strong>in</strong>terparlamentarischen Koopera tion mit den nationalen EU-Parlamenten;<br />

Fortsetzung und Forcierung <strong>der</strong> bestehenden Programme zur Umsetzung des Aktionsplans im Rahmen<br />

<strong>der</strong> ENP;<br />

Ausdehnung <strong>der</strong> Nachbarschaftspolitik auf zivilgesellschaftliche Projekte, wie das <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> Planung befi ndliche<br />

»För<strong>der</strong>programm Ukra<strong>in</strong>e«, das auch die östlichen Regionen <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>bezieht.<br />

Lesetipp:<br />

Ra<strong>in</strong>er L<strong>in</strong>dner: Konfl ikt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e, SWP Aktuell <strong>2007</strong>/A 28, April <strong>2007</strong><br />

http://www.swp-berl<strong>in</strong>.org/de/produkte/swp_aktuell_detail.php?id=7175&PHPSESSID=cc137be7d543d915bb74f9310ea<br />

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