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Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Ukraine 2007

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30 Heiko Ple<strong>in</strong>es (Hg.)<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>igung auf Neuwahlen im September (Juni <strong>2007</strong>)<br />

Heiko Ple<strong>in</strong>es, Forschungsstelle Osteuropa, Bremen<br />

In <strong>der</strong> Nacht vom 26. auf den 27. Mai <strong>2007</strong> haben sich die Spitzenpolitiker <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e auf e<strong>in</strong>en Kompromiss<br />

zur Lösung <strong>der</strong> akuten Krise gee<strong>in</strong>igt. <strong>Die</strong> von Präsident Viktor Juschtschenko per Erlass verfügten Neuwahlen<br />

sollen durchgeführt werden – allerd<strong>in</strong>gs erst am 30. September. Im Gegenzug sollte die Opposition die<br />

vom Parlament seit dem Präsidialerlass zur Parlamentsaufl ösung verabschiedeten Gesetze im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> durch<br />

ihre Zustimmung sanktionieren. Gleichzeitig sollte e<strong>in</strong>e Reihe wichtiger Gesetze (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zum WTO-Beitritt)<br />

noch vor den Neuwahlen verabschiedet werden. Das Parlament sollte alle erfor<strong>der</strong>lichen Abstimmungen<br />

an zwei Sitzungstagen bis zum 30. Mai durchführen. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Spitzenpolitiker wird auf <strong>der</strong> nächsten<br />

Seite vollständig wi<strong>der</strong>gegeben.<br />

Am 29. Mai beendete die Opposition ihren Boykott des Parlaments, das sie seit dem Präsidialerlass zu se<strong>in</strong>er<br />

Aufl ösung als nicht legitim betrachtet hatte. Aufgrund von Me<strong>in</strong>ungsunterschieden über den Wortlaut etlicher<br />

zu verabschieden<strong>der</strong> Gesetze kam es jedoch zu Verzögerungen. Unter an<strong>der</strong>em setzte die Regierungskoalition<br />

die Festlegung e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>destwahlbeteiligung von 51 % durch. Im Falle e<strong>in</strong>es Wahlboykotts durch e<strong>in</strong>e<br />

große Partei ist so damit zu rechnen, dass die Wahl ungültig wird. <strong>Die</strong> von <strong>der</strong> Opposition verlangte E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>es imperativen Mandats für Parlamentsabgeordnete wurde nicht zur Abstimmung gestellt. Es dauerte<br />

so bis zum 1. Juni, bis das Parlament allen vere<strong>in</strong>barten Regelungen zugestimmt hatte. Der Präsident unterzeichnete<br />

die verabschiedeten Gesetze sofort.<br />

<strong>Die</strong> Abgeordneten <strong>der</strong> beiden Oppositionsparteien Block Timoschenko und Unsere Ukra<strong>in</strong>e legten daraufh<strong>in</strong><br />

ihre Mandate nie<strong>der</strong>. Am folgenden Tag wurde diese Entscheidung auf Parteitagen bestätigt und wurde<br />

damit rechtskräftig. 26 Abgeordnete des Block Timoschenko hatten sich geweigert, ihr Mandat nie<strong>der</strong>zulegen.<br />

Der Parteitag beschloss deshalb, ihnen ihr Mandat zu entziehen. Aus Sicht <strong>der</strong> Opposition ist das Parlament<br />

damit aufgelöst, da die Zahl <strong>der</strong> Abgeordneten unter die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verfassung vorgeschriebenen 300 gesunken<br />

ist. Damit seien Neuwahlen zw<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />

<strong>Die</strong> Verfassungsmäßigkeit dieser Argumentation wurde jedoch von Abgeordneten <strong>der</strong> Regierungskoalition<br />

bezweifelt. Parlamentspräsident Olexan<strong>der</strong> Moroz erklärt, dass die Mandatsnie<strong>der</strong>legungen Verfahrensfehler<br />

be<strong>in</strong>halten. Er bezweifelt ausserdem, dass alle Abgeordneten ihr Mandat persönlich und freiwillig nie<strong>der</strong>gelegt<br />

hätten. E<strong>in</strong>e abschließende Feststellung <strong>der</strong> Gültigkeit <strong>der</strong> Mandatsnie<strong>der</strong>legungen könne nur durch die<br />

Zentrale Wahlkommission erfolgen. Solange die für die Beschlussfähigkeit erfor<strong>der</strong>lichen 226 Abgeordneten<br />

anwesend seien, werde das Parlament deshalb se<strong>in</strong>e Tätigkeit fortsetzen. <strong>Die</strong> Position <strong>der</strong> Opposition werde er<br />

nur akzeptieren, wenn sie vom Verfassungsgericht bestätigt würde.<br />

Am 5. Juni hob <strong>der</strong> Präsident se<strong>in</strong>e beiden vorhergehenden Erlasse zur Parlamentsaufl ösung auf und setzte<br />

Neuwahlen für den 30. September an. Der neue Erlass verfügt ke<strong>in</strong>e Parlamentsaufl ösung son<strong>der</strong>n konstatiert<br />

nur, dass das Parlaments durch die Mandatsnie<strong>der</strong>legungen <strong>der</strong> Abgeordneten <strong>der</strong> Opposition nicht mehr existiere.<br />

E<strong>in</strong>e Chronik <strong>der</strong> aktuellen Entwicklung fi ndet sich am Ende dieser Ausgabe.<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>igung hat kurzfristig e<strong>in</strong>e Eskalation <strong>der</strong> Krise verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Sie löst jedoch nicht die zugrundeliegenden<br />

Probleme. <strong>Die</strong> Neuwahlen könnten durchaus die alten Kräfteverhältnisse im Parlament bestätigen.<br />

<strong>Die</strong> grundlegenden Kompetenzkonfl ikte zwischen Regierung und Präsident s<strong>in</strong>d nicht beigelegt worden. Das<br />

Verfassungsgericht als letzte Entscheidungs<strong>in</strong>stanz hat se<strong>in</strong>e politische Glaubwürdigkeit durch die politischen<br />

Manipulationen weitgehend verloren.

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